12. Kapitel

Ungeachtet des böigen Windes und des saftigen Dufts der Wroshyr-Pollen, die er mit sich trug, war der Moschusgeruch so vieler Wookiees, die sich so lange an einem so beengten Ort aufhielten … überwältigend. Nicht widerlich, aber fraglos schwindelerregend. Als Leia Han durch das Dickicht brüllenden Fells folgte, bei dem es sich um die Mitglieder des Felsenrats handelte, kostete es sie einiges an Willenskraft, einfach weiterzuatmen. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe eines Versuchs, sich sicher auf den Füßen zu halten. So, wie sie und Han von zur Seite stoßenden Hüften und fliegenden Ellbogen herumgeschubst wurden, war das vergebliche Liebesmüh.

Ein besonders kräftiger Ellbogen sauste unter grimmigem Jubel herab, krachte auf Leias Schulter und ließ sie in die Knie gehen. Sie schrie nicht auf – Saba hatte ihr diesen speziellen Drang abgewöhnt, indem sie ihr so lange auf den Kopf geklopft hatte, bis sie schließlich gelernt hatte, Schmerz stumm zu erdulden –, doch das hielt den Besitzer des Ellbogens nicht von einem finster forschenden Blick ab, was für Viehzeug er gerade zerschmettert hatte.

»Nichts passiert.« Leia erhob sich und drehte ihren Arm. »Siehst du? Alles bestens.«

Der Wookiee – ein schlaksiger Bursche mit ergrauendem Fell – kniff ein Paar silbriger Augen zusammen und knurrte etwas in irgendeinem Dialekt. Wäre sie imstande gewesen, es über das zustimmende Heulen hinweg zu hören, das über den Ratsfelsen rollte, hätte Leia vielleicht verstanden, was er sagte. Im Stillen tadelte sie sich selbst dafür, zugelassen zu haben, dass ihre Konzentration abgeschweift war. Dieser »Hafturlaub« der Solos von ihrem inzwischen einwöchigen Gefängnisaufenthalt war nicht unbedingt rechtmäßig; ohne eine Machttarnung, die den Anschein erweckte, sie würden tatsächlich hierhergehören, fürchtete Leia, dass es nur eine Frage von Sekunden war, bevor man sie wieder ergriff und in ihre Zelle zurückbrachte.

»Es gibt keinen Grund zur Sorge«, sagte sie und schwenkte die Hand zwischen ihnen. Wookiees waren selten willensschwach, doch ein Versuch kostete sie nichts. »Wir sind gekommen, um …«

»Kein Problem«, unterbrach Han sie und wandte sich selbst an den Wookiee. »Es war ein Versehen.«

Er ergriff Leias Hand und raunte leise: »Er hat sich bloß entschuldigt.« Er zog sie zwischen zwei pelzige Oberkörper, dann fügte er hinzu: »Und hör endlich mit dem Machtzeug auf. Das ist hier nicht gestattet.«

»Wir sind hier nicht gestattet«, sagte Leia und drängte sich an seine Seite. »Wir sollten eigentlich im Gefängnis sein, schon vergessen?«

Han schüttelte den Kopf. »Wir müssen erst wieder im Gefängnis sein, wenn Waroo vom Essen zurückkommt«, erklärte er. »Hast du nicht gehört, was er gesagt hat?«

Leia runzelte die Stirn. »Ich dachte, das hätte ich«, sagte sie. »Hat er nicht gesagt: Ihr solltet besser hier sein, wenn ich zurückkomme?«

»Genau das hat er gesagt – nicht Ihr solltet besser immer noch hier sein oder Ihr solltet besser nirgendwo hingehen oder Setzt ja nicht die Macht ein, um dieses Schloss zu öffnen, während ich weg bin.« Han schüttelte den Kopf, dann fügte er hinzu: »Manchmal frage ich mich wirklich, wie du es je zur Diplomatin gebracht hast.«

»Er hat uns absichtlich entkommen lassen?«, fragte Leia. »Ich dachte, Wookiees haben einen Ehrenkodex.«

»Haben sie auch«, sagte Han. »Und nur sie selbst begreifen ihn.«

Schließlich erreichten sie die Mitte des Ratsfelsens und tauchten am Fuß eines natürlichen, halb mannshohen Basaltpodiums aus der Menge auf. Oben auf dem Podest tigerte ein Wookiee mit Lederkappe vor und zurück, brüllte die Meute an und schwang einen meterlangen, von krummen Fangzähnen gesäumten Unterkiefer. Leia verstand genügend von dem, was der Wookiee sagte, um zu begreifen, dass er Erinnerungen an die uneinheitliche Reaktion der Galaxis auf die Yuuzhan Vong wachrief und seinen Mitdelegierten versicherte, dass sie die beste Entscheidung für Kashyyyk und die Allianz trafen.

»Han, ich glaube, die Debatte ist vorüber«, sagte Leia, um ihre Worte von einem Machtflüstern in sein Ohr tragen zu lassen. »Er trägt keine Argumente vor, das ist eine Anfeuerungsrede.«

»Dann müssen wir eben einfach eine neue Diskussion entfachen.«

»Was ist mit Waroo?« Leia las Han so gekonnt von den Lippen ab, als würde sie ihn hören. »Wookiee-Debatten dauern ewig, und er wird in noch größeren Schwierigkeiten stecken als wir, falls wir nicht da sind, wenn seine Ablösung kommt.«

»Deshalb wird er nicht darum bitten, abgelöst zu werden. Was glaubst du wohl, warum sie Waroo überhaupt ausgesucht haben, um uns zu bewachen?« Han wandte sich zu Leia um und trat näher. »Abgesehen davon sind wir im Handumdrehen wieder zurück im Gefängnis. Das hier wird nicht lange dauern.«

Leia runzelte die Stirn. »Was wird nicht lange dauern?«

Han stieß einen Daumen in Richtung des Wookiees auf dem Ratsfelsen. »Siehst du diesen Tyrossumkiefer, den er in der Hand hält?«

»Wie könnte man den übersehen?«

»Wenn ich das Wort ergreifen will, muss ich ihm das Ding abnehmen.« Han griff in Leias Tasche und holte ihren Miniblaster hervor – eine der Waffen, die Lumpawaroo absichtlich unbewacht gelassen hatte, als er zum Essen gegangen war –, dann versteckte er den Blaster zwischen ihnen und stellte den Hebel auf Betäubung. »Ohne irgendwelche Waffen einzusetzen.«

Leia legte die Hand auf den Blaster. »Und wofür ist der dann?«

»Wenn ich schummle, müssen sie diese Debatte abbrechen, um darüber zu urteilen, ob ich gegen die Regeln des Felsenrats verstoßen habe«, sagte Han. »Und dann müssen sie eine angemessene Strafe festlegen. Das Ganze sollte etwa einen Monat dauern, wenn ich sie damit überrasche und ordentlich aufmische.«

»Han, ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich eine Lösung ist«, sagte Leia. Je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihr der Gedanke. »Nach dem, was Waroo gesagt hat, wird die Schlacht bei Kuat um einiges länger dauern als einen Monat.«

Han zuckte die Schultern. »Hast du eine bessere Idee?«

»Schätze schon.« Leia streifte das Obergewand ab und löste das Lichtschwert vom Gürtel, ehe sie Han beides in die Arme drückte. »Halt das.«

Hans Augen weiteten sich. »Leia, das kannst du nicht …«

Seine Warnung ging im allgemeinen Getöse unter, als Leia mit einem Machtsprung oben auf den Felsen schnellte. Sie landete zwei Meter neben dem Wookiee mit der Lederkappe – und wurde dennoch beinahe von einer Handvoll Fangzähne ins Gesicht getroffen, als er den Tyrossumkiefer unter dem Jubel der Meute in einem weiten Bogen nach ihr schwang. Leia rettete sich – oder zumindest ihr gutes Aussehen –, indem sie Räder schlug, bis sie die vordere Kante der Plattform erreichte.

Als sie wieder auf den Füßen stand, verebbte der Tumult zu einem verwirrten Murmeln, und der Redner legte den Kopf mit einer Miene schief, die zu gleichen Teilen Verlegenheit und Empörung auszudrücken schien. Das Fell in seinem Gesicht war gesprenkelt mit grauen Flecken und seine Fangzähne rund vom Alter, aber er wirkte dennoch, als könne er einen Landgleiter mit derselben Leichtigkeit hochheben wie eine Menschenfrau, die ihm kaum bis zur Hüfte ging.

Leia deutete auf den gewaltigen Kieferknochen in seinen Händen. »Wenn du mit dem Ding nicht aufpassen kannst«, sagte sie, »wäre es vielleicht besser, wenn ich ihn für dich halte.«

Die Verwirrung des Wookiees nahm noch weiter zu, und er schob seinen Kopf nach vorn, als könne er nicht recht glauben, was er da hörte. Der Rest des Felsenrats begriff sofort, was Leia damit sagen wollte, und brach sogleich in schallendes Gelächter aus. Am Fuß des Felsens schirmte Han seine Augen ab, als könne er es nicht ertragen, mit anzusehen, was gleich passieren würde – allerdings spähte er zwischen den Fingern hindurch, und die Mündung von Leias Miniblaster lugte unter dem über seinen Arm gefalteten Gewand hervor.

Leia schob Hans Mangel an Zuversicht auf seinen übersteigerten Beschützerinstinkt und trat auf den Wookiee zu. »Du hast gehört, was ich gesagt habe. Gib ihn mir.«

Als ihm schließlich klar zu werden schien, dass er herausgefordert wurde, hob der Wookiee den Kieferknochen über seinen Kopf – ungefähr einen Meter außerhalb von Leias Reichweite –, dann schüttelte er seine Mähne und bedachte sie mit einem spöttischen, fangzahnbewehrten Grinsen. Eine weitere Woge Gelächter dröhnte über den Ratsfelsen, und eine Handvoll Stimmen jaulte Warnungen, nicht zuzulassen, dass Hans Bettgefährtin das mit ihm machte, was Hans Schiffskamerad seinem Sohn angetan hatte.

Leia warf einen Blick zu Han hinunter. »Das ist der alte Tojjelnoot?«

Han zog die Hand von seinen Augen weg und nickte. »Was dachtest du denn, wer die Ratsversammlung beschließt?«

»Großartig.« Leia sah wieder zu Alt Tojjelnoot hinüber, der sie jetzt wie etwas musterte, das er als seine nächste Mahlzeit zu verspeisen gedachte. »Alles, was ich tun muss, ist, ihm diesen Kieferknochen abzunehmen, und dann darf ich reden?«

»Zumindest solange, wie du ihn in Händen hältst«, erwiderte Han. »Bring ihn nur nicht um. Das Letzte, was wir im Augenblick brauchen, ist ein Haufen Tojjes, die uns quer durch die Galaxis hetzen.«

»Das kann ich nicht versprechen.« Leia blinzelte. »Er ist ziemlich groß.«

Ein Anflug von Unsicherheit blitzte in Tojjelnoots Augen auf. Leia eilte geradewegs auf ihn zu, und endlich schien er zu begreifen, dass sie tatsächlich die Absicht hatte, ihn zu besiegen. Er schnaubte verächtlich und hob seine freie Hand, um sie zur Seite zu schlagen.

Leia tauchte unter dem Hieb hinweg, dann platzierte sie ihre Hände einen Meter vor ihm auf dem Podest und setzte zu einem eleganten Flickflack an, um ihn mit beiden Stiefeln gleichzeitig in den Magen zu treffen.

Vermutlich wäre Tojjelnoot auch ohne die Macht zu Boden gegangen, doch Saba hatte Leia eingebläut, im Kampf niemals unnötige Risiken einzugehen. Sie wartete, bis sie ihre Beine zur Gänze ausgestreckt hatte, dann fügte sie gerade genügend Wucht hinzu, um sicherzustellen, dass es den Wookiee von den Beinen reißen würde.

Tojjelnoot fiel keuchend auf den Hintern, stöhnte und umklammerte seinen Bauch. Leia ging zu einer Vorwärtsrolle über, dann vollführte sie eine Pirouette und schnappte sich den Kieferknochen von der Stelle, wo er zu Boden gepoltert war.

Sogleich ertönte ein Crescendo von Wookiee-Stimmen, von denen einige voller Begeisterung waren, während andere sie beschuldigten, die Macht eingesetzt und damit betrogen zu haben. Leia ließ den Tumult einen Moment lang währen, dann legte sie mittels der Macht genügend Lautstärke hinter ihre Worte, um den Aufruhr zu übertönen.

»Durfte ich die Macht gar nicht einsetzen?«, fragte sie und täuschte Unwissenheit vor. »Verstößt das gegen die Regeln?«

Das Gebrüll wurde einheitlicher, als der gesamte Rat ihr versicherte, dass es vollkommen gegen die Regeln verstieß, auf die Macht zurückzugreifen. Man musste den Redeknochen ohne den Einsatz von Klauen, Waffen oder Fängen an sich bringen, und die Macht war eindeutig eine Waffe. Tojjelnoot hörte lange genug zu ächzen auf, um hinzuzufügen, dass die Verwendung der Macht auf dem Ratsfelsen gänzlich verboten war – Han hätte ihr das sagen müssen.

Leia setzte eine reumütige Miene auf und sah Tojjelnoot an, dem es immer noch Mühe bereitete, aufrecht zu sitzen. Sie hielt ihm den Kieferknochen hin.

»Ich hatte nicht die Absicht zu schummeln«, sagte sie. »Sollen wir das Ganze wiederholen?«

In Tojjelnoots Augen blitzten Besorgnis und Wut auf – dann blinzelte er ihr dankbar zu, als Leia die Macht benutzte, um ihn behutsam wieder auf die Beine zu bekommen, damit er nicht ganz so unterlegen wirkte. Er wandte sich an Han und grunzte, dass Han seiner Gefährtin die Regeln hätte erklären sollen, bevor er sie hierherbrachte, dann bedeutete er Leia, den Kieferknochen zu behalten, und glitt von dem Felsen herunter.

»Vielen Dank – das ist sehr großzügig.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Rest des Rats zu. »Und falls jemand anders das Podium für sich beanspruchen möchte, verspreche ich, die Macht auch nicht gegen ihn einzusetzen.«

Das zog einen Chor zustimmenden Jaulens nach sich. Leia wartete, bis Ruhe einkehrte, ehe sie in bewusst ruhigem Tonfall fortfuhr.

»Ihr alle kennt mich«, begann sie. »Ihr alle wisst, wer mein Sohn ist, und ich wage zu behaupten, dass ihr auch alle um die Probleme zwischen ihm und meinem Mann und mir wisst.«

Ein Gemurmel mitfühlender Zustimmung rumorte durch die Menge.

»Es ist ein trauriges Zeichen dieser Zeit, dass viele Familien genauso auseinandergerissen sind wie meine, nicht gespalten durch egoistische Interessen oder widerstreitende Zugehörigkeitsgefühle oder auch nur reine Notwendigkeit, sondern durch tief verwurzelte Prinzipien. Ich weiß, dass Jacen seine Prinzipien noch teurer sind als Han und mir die unseren, selbst teurer als sein eigenes Leben, weil er das aufgab, als er auf den Falken feuerte.«

Zweifellos war das keine Neuigkeit für den Rat, da der Vorfall als Beweis für das kompromisslose Pflichtbewusstsein des Colonels durch sämtliche Allianz-Medien gegangen war. Unter den familienbewussten Wookiees schwelte darüber jedoch noch immer eine Kontroverse, die nach wie vor genügend Glut besaß, um jetzt einen Chor aus Schnauben und Schnaufen heraufzubeschwören.

»Doch bloß, weil einem die eigenen Prinzipien lieb und teuer sind, bedeutet das nicht, dass man recht hat – und es macht das, was er tut, nicht rechtens.« Das Schnauben wurde zusehends aufgebrachter, doch Leia fuhr fort, in dem Wissen, dass sie ihren Standpunkt rasch und deutlich darlegen musste, ehe jemand wütend genug wurde, um sie zum Kampf zu fordern. »Und um darüber zu reden, bin ich heute hier.

Jacen Solo, mein Sohn, hat mit einem unmoralischen Putsch die Macht an sich gerissen …«

Die Menge explodierte in einem ohrenbetäubenden Sturm von Widerworten. Außerstande, sich ohne die Macht Gehör zu verschaffen, ließ sie den schweren Kieferknochen auf das Podium herabsausen – und fühlte sich bloß noch weniger beachtet.

Nachdem der Aufruhr eine Minute lang unbeirrt getobt hatte, hüpfte Tojjelnoot nach oben und streckte höflich die Hand nach dem Kieferknochen aus. Da Leia klar geworden war, dass das Ding ihr ohnehin nicht half, reichte Leia ihm den Knochen. Er ging zum Rand des Felsens und donnerte die flache Seite gegen die Schulter des nächstbesten Wookiees, um ihn dann anzubrüllen, dem Knochen gefälligst mit Respekt zu begegnen, bevor er das Ganze zwei weitere Male wiederholte.

Endlich begann der Tumult abzuebben. Tojjelnoot röhrte etwas auf Xaczik, das die Menge schlagartig zum Schweigen brachte … und Han zusammenzucken ließ.

Leia kniete an der Felskante nieder. »Was hat er gesagt?«

»Ähm, da bin ich mir nicht ganz sicher«, sagte Han kleinlaut. »Sehe ich vielleicht wie ein Wookiee aus?«

»Bloß morgens«, sagte Leia. »Und weich mir nicht aus.«

»Okay, okay«, sagte er. »Er hat gedroht, dir zu erlauben, oben auf dem Felsen die Macht einzusetzen – meinte, den Ansprachen nach zu urteilen, die du als Staatschefin gehalten hast, würde dir dann niemand mehr den Mund verbieten können.«

Leia versuchte immer noch, sich darüber klar zu werden, ob sie beleidigt oder dankbar sein sollte, als Tojjelnoot neben ihr auftauchte und ihr den Kieferknochen hinhielt. Sie nahm ihn mit einem einnehmenden Lächeln entgegen und kehrte in die Mitte des Felsens zurück.

Leia hatte kaum von Neuem zu sprechen begonnen, als von irgendwo aus der Menge eine nasale Sullustanerstimme ertönte.

»Aufhören! Hört dieser Frau … nicht zu! Das ist gesetzeswidrig

Leia schaute zu Han hinunter, erkannte jedoch, dass es hoffnungslos gewesen wäre, ihn loszuschicken, um Juun zum Schweigen zu bringen. Selbst wenn es ihm gelang, den Sullustaner inmitten dieses Felldschungels da draußen zu finden, würde es mehrere Minuten dauern, zu ihm zu gelangen. Sie beschloss, es in Wookiee-Manier zu versuchen und ihren Zwischenrufer einfach zu übertönen.

»Wie bereits gesagt, haben Colonel Jacen Solo und Admiralin Cha Niathal mit einem unmoralischen und illegalen Putsch die Macht an sich gerissen …«

»Das war vollkommen legal!«, rief Juun aus etwa zwanzig Metern Entfernung. »Gemäß einer Gesetzesänderung der Notstandsverordnung hat die GGA das Recht, Staatsoberhäupter, Politiker und alle anderen Individuen festzunehmen, von denen angenommen werden muss, dass sie eine Gefahr für die Sicherheit der Galaktischen Allianz darstellen.«

»Der Putsch war illegal«, beharrte Leia. »Ich würde mein Lichtschwert darauf verwetten, dass Jacen derjenige war, der die Gesetzesänderung überhaupt erst eingebracht hat, und das macht seine Taten zu einem ausgeklügelten Plan, die Exekutivgewalt mit anderen Mitteln zu übernehmen als durch eine rechtmäßige Wahl, und das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Verfassung der Galaktischen Allianz.«

Leias Argumentation brachte sogar Juun dazu, nachdenklich zu schweigen, doch angesichts der Woge der Unschlüssigkeit, die durch die Macht rollte, wusste Leia, dass es ihr nicht gelingen würde, die Wookiees davon abzubringen, Jacen zu unterstützen, indem sie die Rechtslage erörterte. Sie musste einen Weg finden, um sie von der vollkommenen Falschheit seiner Taten zu überzeugen und ihre moralische Entrüstung zu schüren.

»Aber lasst uns darüber reden, was Jacen allein mit den Befugnissen getan hat, die er rechtmäßig besitzt«, fuhr Leia fort. »Den eigenen Zahlen der GGA zufolge operieren auf Coruscant weniger als zehntausend Terroristen. Und dennoch hat er über eine Million Coruscanti eingesperrt. Warum? Weil sie mit ihrem Heimatplaneten sympathisieren? Wegen des Verbrechens, von corellianischen Eltern abzustammen? Weil sie die GGA-Truppler, die in den Gängen ihrer Wohneinheiten Wache stehen, schief angeguckt haben?«

Das zog ein paar nachdenkliche Grunzer nach sich, und Leia hatte das Gefühl, Fortschritte zu machen.

»Und was ist mit den Bothanern?«, fuhr sie fort. »War es vielleicht ein Zufall, dass sämtliche Mitglieder der Partei des Wahren Sieges auf Coruscant tot aufgefunden wurden? Kein Wunder, dass Bothawui auf Seiten von Corellia in den Krieg eingetreten ist.«

»Sie können nicht beweisen, dass Colonel Solo damit irgendetwas zu tun hatte!«, wandte Juun ein. Er schien jetzt fünf Meter näher dran zu sein, blieb jedoch nach wie vor inmitten dieses ganzen Wookiee-Fells verborgen. »Und Sie können ihm nicht vorwerfen …«

Eine grimmige Wookiee-Stimme blaffte Juun an, still zu sein, und ein anderer grollte, dass er hoch auf den Ratsfelsen klettern und den Redeknochen an sich bringen müsse, wenn er etwas sagen wolle, genau wie jeder andere.

»Vielen Dank.« Leia begann zu glauben, dass es ihr womöglich doch gelingen würde, die Wookiees dazu zu bringen, es sich mit der Unterstützung Jacens noch einmal anders zu überlegen – und wenn sie das fertigbrachte, dann schafften die Jedi es vielleicht, einen Frieden auszuhandeln, der verhinderte, dass sich die Konfrontation über Kuat noch weiter ausdehnte. »Ich habe euch bereits ins Gedächtnis gerufen, dass Jacen unlängst im Zuge der Hapes-Krise auf den Falken gefeuert hat. Was ich euch hingegen nicht gesagt habe – und was die GGA mit viel Geschick aus den Holonachrichten herausgehalten hat –, ist, dass wir zu diesem Zeitpunkt gerade dabei waren, mehrere Jedi und anderes Allianz-Personal zu retten, das er während des Gefechts sich selbst überlassen hatte, einschließlich seiner eigenen Schwester, Jaina Solo, und seines Cousins und Schülers Ben Skywalker. Jacen wusste das, und trotzdem feuerte er auf den Falken …«

Der Rat brach in tosendes, ungläubiges, empörtes Gebrüll aus. Was Leia jedoch tatsächlich davon abhielt fortzufahren, war die hüfthohe Kugel schwarzen Fells, die auf den Felsen geklettert kam, um schnatternd und schimpfend auf den Redeknochen zu deuten.

Leia blickte ungläubig auf Tarfang hinab. »Du machst wohl Witze«, sagte sie. »Du forderst mich heraus?«

Der Ewok nickte und plapperte irgendetwas Böses. Die Wookiees, die dem Fels am nächsten waren, zuckten zusammen und schauten weg.

Leia warf einen Blick zu Han hinüber. »Was haben die?«

»Tarfang hat einen üblen Ruf«, sagte Han. »Hör zu, du hast deinen Standpunkt bereits ziemlich deutlich gemacht. Vielleicht solltest du ihm einfach den …«

»Glaubst du wirklich, der kann es mit mir aufnehmen?« Leia wandte sich wieder Tarfang zu, der mit in die Hüfte gestemmten Händen dastand und sie anfunkelte. »Dieses kleine Fellknäuel?«

Leias Beleidigung brach abrupt ab, als Tarfang auf ihren Kopf zuschoss, ein einziger Wirbelwind um sich schlagender Klauen und knirschender Zähne. Sie ließ sich zur Seite fallen und rollte sich ab, um ihr Bein hinter ihm herumzureißen und ihn mit einem formvollendeten Halbkreistritt am Kreuz zu erwischen.

Der Tritt katapultierte den Ewok vom anderen Ende des Felsens hinunter, wo er in einer Menge verblüffter Fellgesichter verschwand. Leia kam wieder auf die Füße und schickte sich gerade an nachzusehen, wie es um ihn bestellt war, als sie unvermittelt von irgendwo weiter unten ein wütendes Fauchen vernahm, ringsum die Knie mehrerer ganz in der Nähe stehender Wookiees. Als sie sich verstreuten, um Platz zu machen, schaute Leia zu Han hinüber.

»Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich tun muss«, sagte sie. »Mich mit einem Ewok prügeln?«

»Du kannst ihm immer noch den Knochen geben.« Han warf einen Blick zu der Stelle, wo Tarfang verschwunden war, ehe er hinzufügte: »Pass auf!«

Der Ewok schoss auf den Felsen zurück, als wäre er von einem Raketenwerfer abgefeuert worden. Leia wirbelte zur Seite, präsentierte ihm ihre Flanke und hob den Kieferknochen außer Reichweite. Sie sah, wie Tarfang die Lippen schürzte, und begriff, dass gleich etwas Widerwärtiges in ihre Richtung fliegen würde.

Leia versuchte sich zu ducken, war jedoch zu langsam und wurde von einem Sprühregen aus Blut und abgebrochenen Zähnen geradewegs ins Gesicht getroffen. Schlagartig wurde ihr Blickfeld rot und verschwommen, und dann war der Ewok bei ihr, rammte seine Stirn gegen ihre Schläfe, klammerte seine winzigen Hände um ihre Kehle und donnerte ihr seine kleinen Knie in die Rippen und gegen die Brust.

Leia hörte, wie Han brüllte: »Hey! Keine Klauen!« Dann spürte sie, wie sie zu Boden stürzte, und schaffte es gerade noch, den Knochen beiseitezuwerfen, damit sie nicht direkt darauf landete. Sofort änderte Tarfang seine Taktik und löste seinen Würgegriff, um stattdessen ihren Schädel gegen den Stein zu hämmern.

In Leias Kopf explodierten Sterne, und als sie merkte, dass Tarfang sie hochzog, um einen weiteren Hieb anzubringen, wurde ihr allmählich klar, dass der Ewok mehr zu tun gedachte, als ihr lediglich den Redeknochen abzunehmen. Sie trieb ihren Ellbogen in seinen Magen, legte die Macht hinter den Stoß und spürte, wie ihr Haar ausgerissen wurde, als Tarfang davontaumelte.

Zu ihrem Erstaunen vernahm sie kein Gebrüll für oder gegen sich; niemand beschwerte sich darüber, dass sie die Macht eingesetzt hatte; sogar Han schwieg. Der gesamte Felsenrat war verstummt, und die Macht war erfüllt von Überraschung und Neugierde. Leia sprang auf die Füße. Halb in der Erwartung, ihr wild gewordener Widersacher würde einem Wirbelwind aus Klauen und Fängen gleich auf sie zugeschossen kommen, drehte sie sich um und musste feststellen, dass der Redeknochen unbeansprucht zwischen ihnen lag. Tarfang starrte die Menge finster an und wirkte genauso verwirrt wie Leia.

Ohne den Ewok aus den Augen zu lassen, dehnte Leia ihr Machtbewusstsein über die gesamte Fläche des Ratsfelsens aus – und erkannte rasch, warum alle so schlagartig verstummt waren.

»Luke?«, keuchte sie. »Was machst du denn hier?«

»Dasselbe wie du.« Lukes Stimme drang vom Rand der Menge herüber, von unweit des Eingangs. »Ich bin gekommen, um zum Felsenrat zu sprechen.«

Eine pfeilförmige Schneise bildete sich, als die versammelten Wookiees beiseitetraten, um ihn durchzulassen. Einige Sekunden später erhaschte Leia zum ersten Mal seit Maras Trauerfeier einen Blick auf ihren Bruder. Seine Augen waren blutunterlaufen und eingesunken vor Erschöpfung, und seine Haut hatte die Farbe von Durastahl. Gleichwohl, er kam mit erhobenem Haupt und breiten Schultern näher, und er führte Saba Sebatyne und die anderen Meister des Rats mit kraftvollen, entschlossenen Schritten auf den Ratsfelsen zu.

Leia kniete am Rand der Plattform nieder und hielt ihm die Hand hin. Als er sich von ihr nach oben ziehen ließ, fragte sie leise: »Luke, wie geht es dir?«

Er lächelte und drückte ihre Schulter, ehe er zugab: »Mir ging’s schon besser.« Er deutete auf den auf dem Felsen liegenden Tyrossumkiefer. »Würde es dir etwas ausmachen?«

Leia schüttelte den Kopf. »Nur zu.«

Luke wandte sich an Tarfang. »Was ist mit dir?«

Der Ewok packte den Kieferknochen und schleifte ihn zu ihm hinüber. Er schaute zu Leia auf, dann ließ er den Knochen vor Lukes Füße fallen und plapperte etwas, das vage so klang wie: »Jetzt ist sie dein Problem.«

»Vielen Dank.«

Luke nahm den Redeknochen auf, ehe er höflich wartete, bis Leia und Tarfang die Plattform verlassen hatten. Leia schenkte Han ein einladendes Nicken, bevor sie von dem Stein glitt und neben Saba stehen blieb.

»Meisterin Seb …« Leias Kehle wurde trocknen, und sie musste innehalten, um sie zu befeuchten. »Meisterin Sebatyne, es ist gut, dich wiederzusehen.«

Saba schüttelte den Kopf. »Es wird gut sein, wieder gemeinsam auf die Jagd zu gehen«, sagte sie. »Aber dies ist kein guter Tag für irgendwen, Jedi Solo – insbesondere nicht für dich.«

Bevor sich Leia danach erkundigen konnte, was Saba damit meinte, richtete Luke mit einer Stimme das Wort an den Felsenrat, die gleichermaßen traurig wie müde klang.

»Ich bin sicher, der Felsenrat hat von der Ermordung Cal Omas’ gehört«, sagte er. »Und dass mein Sohn Ben daran beteiligt war.«

Ein zustimmendes Murmeln ging durch den Felsenrat, und Leia hatte das schreckliche Gefühl, dass sie wusste, was als Nächstes kommen würde.

»Was ihr wahrscheinlich nicht wisst, ist, dass Jacen Solo das Attentat arrangiert hat.« Der Felsenrat nahm diese Neuigkeit in völligem, verblüfftem Schweigen zur Kenntnis, und Luke fuhr fort: »Aus diesem Grund hat der Jedi-Rat beschlossen, aktiven Widerstand dagegen zu leisten, dass Jacen die Galaktische Allianz weiterhin anführt, und wir sind nach Kashyyyk gekommen, um die Wookies zu bitten, sich uns anzuschließen.«