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Schritt 8: das Foto
Es ist wichtig, dass man sich als Profi betrachtet. Was wir tun, ist ein Handwerk. Sieht man es als bloßes Hobby an, ist man gefickt. Denn das ist es nicht. Es ist ein Lebenswerk, Brüder und Schwestern. Natürlich kümmere ich mich auch um andere Dinge, beispielsweise darum, einen Job zu finden. Nicht nur, um normal zu erscheinen, sondern auch, damit ein wenig Geld in die Kasse kommt, wenn meine Ma wütend auf mich ist und sagt, dass sie ein, zwei Wochen nichts auf mein Konto überweist. Ich würde sie wirklich gern umbringen und ihr Geld erben, aber das geht nicht.
Auch mit dem Gesetz habe ich mich ausgiebig befasst. Es ist wichtig, alles über das Gesetz zu wissen. Ich habe schon jung angefangen, aber ich wusste, dass die Gerichte, da ich noch ein Kind war, meine Identität schützen mussten. Sie durften niemandem von all den Dingen erzählen, die ich getrieben hatte. Allerdings bleibt das nicht ewig so. Wenn man erwachsen wird, tun sie das nicht mehr. Das ist nur für Kinder.
Nachdem ich Brisbane verlassen hatte und an die Sunshine Coast gezogen war, verbrachte ich eine Menge Zeit mit Vorbereitungen, bevor ich mir das erste Mädchen holte. Ich plante alle Schritte nacheinander und machte eine lange Liste, die mit dem Anvisieren des Ziels begann und mit der Entsorgung sowie letzten Endes mit der Kette endete.
Ssschhh, meine Freunde. Ich verrate euch schon noch, was die Kette ist. Aber nicht jetzt. Noch nicht.
Übrigens, meine Freunde, es ist auch wichtig, seine Arbeit an einem Ort zu verrichten, der benutzerfreundlich ist. Hier oben an der Sunshine Coast gibt es so viele Rucksacktouristen und Menschen, die kommen und gehen, um vorübergehend in Kneipen oder sonst wo zu arbeiten, und so viele Orte im Buschland und im Wald, an die nie jemand geht, dass es wirklich einfach ist, dem Handwerk nachzugehen. Ich war mal im Urlaub auf Bali und hab versucht, dort ein wenig zu arbeiten, aber da haben sich so viele verfluchte Menschen herumgetrieben, dass man sich kaum bewegen konnte. Keinen Schimmer, wie man dort eine Leiche entsorgt. Nirgendwo Platz dafür. Trotzdem hab ich ein paar Kids getötet, in einem Wald abgeladen und bin abgedampft, bevor man sie fand.
Hier oben wusste ich schon früh, dass ich die Leichen verscharren musste. Wisst ihr, Freunde, Cops lieben Leichen. Ich habe dieses Buch mit dem Titel Tote erzählen Geschichten gelesen, das erste und wohl auch das beste Buch über die Hinweise, die man zurücklassen kann: Fingerabdrücke, Haare, Fasern und DNA. Leichen so abzuladen, dass die Bullen sie finden, ist dumm-dumm-dumm. Genauso gut könnte man darum betteln, geschnappt zu werden.
Ich suchte und suchte, und letztlich entdeckte ich mein Entsorgungsgelände. Es ist perfekt. Und eures sollte das auch sein. Schludert bei dieser Phase nicht vor Hast. Eigentlich solltet ihr das bei keiner der Phasen tun, von denen ich rede.
Wie dem Plan. Den Schritten. Ich wusste bei jedem der Schritte, dass ich, um die Cops aus dem Spiel zu halten, verschiedene Arbeitsplätze brauchte: einen Ort, um die Mädchen gefangen zu halten und mit ihnen zu spielen; einen weiteren Ort – der abgelegen sein muss, Freunde –, um die Fotos aufzunehmen; wieder einen anderen, um sie zu töten; noch einen für das Kochen; einen für die Begräbnisse. Und zu guter Letzt einen eigenen Ort für die Kette. Manchmal bin ich ein wenig nachlässig und erledige sowohl das Töten als auch das Kochen zu Hause.
Was ist das Kochen, Winston? Wovon redest du?, höre ich euch fragen. Ha, ha, meine Freunde. Vielleicht komme ich euch ja gerade ein bisschen schräg.
Cops suchen nach den »Trophäen« eines Serienmörders. Die meisten Trophäen sind Haarsträhnen oder Schmuck oder andere willkürliche Teile der Opfer. Ich steh da nicht drauf, das ist kindisch, finde ich, aber lasst euch von mir nicht davon abhalten. Jedem das seine, sage ich.
Die Kette ist jedenfalls supercool. Und obendrein historisch. Geht auf die Inkas zurück. Die Mädchen wissen die Bedeutung der Kette nie zu schätzen. Aber scheiß auf sie. Und scheiß auch auf die Cops; die Kette ist ja nicht für sie, sondern für die Menschheit. Winstons Vermächtnis.
Glück ist auch wichtig. Ich hatte das Glück, auf diese verlassene Anlage auf Noosa North Shore zu stoßen. Dort drüben ist es wirklich abgelegen, schwierig, hinzugelangen. Funktioniert echt gut. Dort mache ich die Fotos.
Ich hab euch von Angst erzählt, wisst ihr noch? Deshalb hab ich schon früh beschlossen, einen Schnappschuss des Pakets zu machen, wie es gefesselt und nackt und verängstigt auf einem Stuhl sitzt, und ihn an die Angehörigen des Pakets zu schicken. Dadurch flippen sie voll aus. Und die Bullen auch. Allerdings muss man mit solchen Dingen vorsichtig sein, denn wenn man nicht weiß, wie Handys funktionieren und dass man aufgespürt werden kann, solange der Akku noch drin ist, dann kann man geschnappt werden. Aber es ist wirklich cool. Ich liebe es, Fotos der Pakete zu schießen. Nach meinem Tod werde ich meinen Film und ein großformatiges Hochglanz-Fotobuch herausbringen.
Als Allererstes, sobald das Paket gesichert und verschnürt ist, suche ich das Telefon und nehme den Akku heraus. Damit ist es tot. Und das Paket ist von der Bildfläche verschwunden, Freunde. Es gehört mir allein.
Manchmal kann es echt schwierig sein, den Mädchen noch Angst einzujagen, nachdem man sie hat und ihnen die Regeln vorgelesen hat und sie ein paar Tage und Nächte in dem Zimmer mit all den Fotos an der Wand verbracht haben – sie werden nämlich ganz abgestumpft und schwer einzuschüchtern. Mehr Fotos zu schießen, macht ihnen Angst; das versetzt ihnen einen Schrecken. Sie die unzähligen Fotos an der Wand ihres Zimmers ansehen zu lassen, versetzt ihnen auch einen Schrecken. Aber nichts versetzt ihnen einen größeren Schrecken, als wenn ich ihnen von der Kette erzähle. Das hebe ich mir für zuletzt auf. Danach ist es vorbei. Töten, entsorgen, der Kette hinzufügen.
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Ich belade meinen Rucksack mit den Festplatten, den Netzgeräten, den Kameras, dem Laptop, den Handys der Mädchen, meinen Messern, dem Klebeband und der Frischhaltefolie und verstaue ihn hinten im Van. Ich gehe ins Zimmer der Mädchen und hebe Jenny Minitittchen von Helen mit den dicken Titten.
»Herrje, inzwischen ist sie ganz steif geworden«, sage ich zu Helen, dann trage ich sie hinaus, den Gang hinunter und in die Garage, wo ich sie auf eine Seite hinten in den Van lege. Obwohl sie steif wie ein Brett ist, verzurre ich sie sicher an der Wand des Vans, damit sie nicht herumrollt, während ich fahre.
Dann gehe ich zurück zu Helen mit den dicken Titten und sage: »Wir gehen wieder ins Kanu.« Damit binde ich sie vom Bett los. Ihre Hand- und Fußgelenke sind nach wie vor gefesselt, deshalb kann sie sich nicht bewegen. Ich hieve sie mir über die Schulter, trage sie den Gang hinunter und lege sie hinten in den Van, wo ich sie an der anderen Wand festmache, damit sie nicht herumrollt. Dann werfe ich eine Decke über die beiden – nicht, weil es mich juckt, ob ihnen kalt ist oder dass sie nackt sind, sondern für den Fall, dass ich angehalten werde und den Van öffnen muss. Dann ist es besser, wenn man zwei zusammengerollte Objekte unter einer Decke statt zwei nackte Personen sieht. »Statuen, Kumpel«, würde ich sagen, sollte das je passieren. »Zerbrechlich, deshalb muss ich sie in Decken einwickeln.«
Ich überprüfe, wie spät es ist. Sechs Uhr. Perfekt. Ist nicht verdächtig, wenn der Nachbar am späten Nachmittag wegfährt. Mit einem Van. Ich fahre bloß zur Schichtarbeit los oder hole mir eine Pizza.
Vorsichtig die Straßen entlang. Haltet euch an die Regeln, überfahrt keine orangen Ampeln, Brüder.
Ich gelange zum Liegeplatz am Fluss. Hier muss ich aufmerksam sein und darauf achten, dass die Nackten, während ich sie zu meinem Boot trage, nicht aus den Decken fallen, wenn gerade ein dämlicher Fischer vorbeikommt. Zu den guten Dingen am Fluss gehört, dass man Geräusche schon aus großer Entfernung hört. Also spähe ich den Fluss in beide Richtungen entlang und lausche auf die Bewegungen eines anderen Bootes oder auf das Surren einer Angelleine, die ins Wasser ausgeworfen wird. In einer Stunde setzt die Abenddämmerung ein. Wenn die Abenddämmerung einsetzt, füllt sich der Fluss. Die Fischer glauben nämlich, dass sie da die meisten Fische fangen können. Jetzt hingegen ist noch alles ruhig. Die Fischer bereiten sich auf den Abend vor, genau wie ich.
Die Luft ist rein.
Mein kleines Boot ist an einem Strand am Rand von Tewantin vertäut. North Shore liegt auf der anderen Seite des Flusses, weniger als hundert Meter entfernt. Der kleine Strand ist eine halb öffentliche Anlegestelle. Viele der Einheimischen benutzen sie. Hier am Strand sind immer ein paar Boote, gehalten von einem Seil oder einem Anker, die meisten aus Aluminium wie meines, obwohl ich es als Kanu bezeichne, weil Pocahontas mit einem Kanu reist.
Ich öffne den Van. Dieselbe Routine wie zuvor: zuerst der Rucksack, dann das Mädchen. Heute Nacht sogar zwei Mädchen. Erst die steife tote Kleine, danach Helen mit den dicken Titten. Ich lege sie im Boot auf den Boden. Außer Sicht.
Ich kleide mich immer gleich: vollkommen schwarz. Wie ein Ninja oder ein Geist. Und ich bewege mich auch richtig leise. Ein Blick flussaufwärts: leer. Ein Blick flussabwärts: leer. Schön starke Strömung heute Nacht. Der Mond wird von einer dunklen Wolkenschicht verdeckt, was gut ist. Ich schließe den Van ab, der unter einem großen alten Baum parkt. Sieht anonym aus. Ich stoße das Boot vom Sand ab. Es gleitet ins Wasser, ich springe hinein und greife mir ein Ruder, um es zu lenken.
Es dauert nur ein paar Minuten, den Fluss zu überqueren. Wir rudern etwa fünfzig Meter stromaufwärts, bis wir einen schmalen Nebenarm erreichen. Und hinein. So ist es viel einfacher. Keine Gezeitenströmung. Manchmal kann die Strömung des Flusses ziemlich heftig sein. Einmal hab ich gesehen, wie dieser Junge aus einem Leihboot gefallen ist, und ich hab beobachtet, wie er genauso schnell mitgerissen wurde, wie das Speedboot war, das hinter ihm hergehetzt ist. Der Junge ist untergegangen. Ich hab dabei zugesehen, wie sich das Speedboot und all die anderen Boote an der Suche beteiligten. Die Leute haben geschrien, während die Boote im Kreis herumfuhren, wo der Junge untergegangen war, und mehrere Male ist jemand ins Wasser gesprungen, wurde aber selbst fast von der Kraft der Strömung mitgerissen. Nach einer Weile sind dann alle weg, und der Junge hat wahrscheinlich im Schlamm am Grund des Flusses festgesteckt, tot-tot-tot.
Der Nebenarm ist wirklich schmal. Ich könnte die Hände ausstrecken und die Mangroven zu beiden Seiten berühren, als wir auf das verwaiste Noosa North Shore Dreaming Resort zupaddeln.
Ich packe die über das Wasser hängenden Äste der Bäume und ziehe das Boot zu einer Anlegestelle. Wie ein Uhrwerk. Jedes Mal gleich. Nichts ändert sich. Das Apartment ist in der Nähe. Im ersten Stock. In der Anlage ist es immer dunkel und ganz still. Ein paar Leute wohnen in einigen der anderen Gebäude, aber sie sind zu weit entfernt, um zu bemerken, wie ich durchs Gebüsch vom Nebenarm des Flusses zu meinem Apartment schleiche. Ich habe es sorgfältig ausgewählt. Einfach zugänglich, man kann leicht hinein und wieder raus.
Zuerst wie üblich der Rucksack. Er ist schwer, aber ich bin stark. Ich könnte ihn und gleichzeitig über der anderen Schulter ein Paket tragen.
Lassen wir die tote, steife Jenny im Boot und bringen wir zuerst Helen mit den dicken Titten rein. Ich werd sie auf den Boden werfen, an der Wand, wo wir die Fotos aufnehmen, lasse den Rucksack bei ihr und gehe dann zurück, um die tote, steife Jenny zu holen. Ich schätze, es gibt etliche coole Möglichkeiten, sie zusammen zu inszenieren.
Zuerst war ich ziemlich wütend auf Jenny Minitittchen, weil ich eine richtig coole Idee dafür hatte, wie ich sie zusammen posieren lassen wollte, aber wisst ihr, nachdem ich mich mit der Tatsache abgefunden hatte, dass sie nun mal tot und steif ist, sind mir andere Ideen für Fotos gekommen, die noch cooler werden. Und Mannomann, was wird die Nummer eins unter den Mordermittlern beeindruckt von mir sein.
Bereit, Meister?
Ich liebe dieses Apartment. Wirklich gute Erinnerungen an die Mädchen und den Ausdruck in ihren Gesichtern, wenn ich sie splitternackt für die Sayonara-Fotos vorbereite und ihnen von den Schritten neun, zehn und elf erzähle.
Den Auslöser drücke ich, wenn ich Schritt elf erwähne. Über den Ausdruck in ihren Gesichtern muss ich immer herzlich lachen, wenn ich ihnen davon erzähle. Die besten Fotos überhaupt.
Ich öffne die Schiebetüren zu meiner leeren Wohnung und trete mit Helen mit den dicken Titten über der einen Schulter und dem Rucksack über der anderen ein.
Was zum Teufel …