8
Fat Adam auf dem Steg
Die Cops erwarteten mich.
Ein weißer Streifenwagen stand ganz dezent unmittelbar vor dem Grundstück von Sil, der Zwiebel. Langsam rollte ich daran vorbei, als ich in meine Einfahrt bog. Ein weiterer Streifenwagen parkte direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. In der Einfahrt versperrten mir zwei weitere Bullenschaukeln den Weg in meine Garage. Ich zählte sieben Uniformierte, die kräftigsten Kerle auf dem Hügel. Keine weiblichen Cops. Nur die SS.
Vorsichtig parkte ich beide Streifenwagen zu.
»Jungs«, sagte ich zur Begrüßung, als wären wir alle gerade für eine Weihnachtsfeier am Strand eingetroffen.
Sie erwiderten nichts. Mit versteinerten Mienen standen sie stocksteif da, die muskelbepackten Arme vor der Brust verschränkt. Sieben Statuen mit Augen, deren Blicke mir folgten, als ich aus dem Toyota stieg und mir den Weg zum Fluss bahnte, wo, wie ich wusste, Fat Adam auf mich warten würde.
Vor Jahren war Adam Cross Senior Sergeant in Broadmeadows gewesen, einem riesigen und weitläufigen Vorort am Rand von Melbourne. Jemand hat mir mal erzählt, dass Melbourne die größte Landmasse einer Stadt pro Einwohner weltweit aufweist. Wenn man in Broadmeadows ist, denkt man sich: vielleicht.
Adam stieg nie über den Rang eines Senior Sergeant auf. Er war faul und wabbelig vor Speck, zufrieden damit, hinter einem Schreibtisch zu hocken, während andere die Action auf den Straßen erlebten. Als in unserem internen Newsletter die Stelle des leitenden Beamten für das Revier Noosa Hill ausgeschrieben wurde, gab es dafür innerhalb einer Stunde zweiundachtzig registrierte Bewerbungen. Die Neuigkeit, dass der Schreibtisch an Fat Adam ging, bedeutete entweder, dass seine neuen Bosse unsagbar dämlich waren oder dass er das beste Angebot unterbreitet hatte. Immerhin besitzt Queensland die schillerndste Geschichte der Polizeikorruption und stellt meiner Ansicht nach New South Wales und Victoria mühelos in den Schatten.
Ich hatte Adam gekannt, als er Senior Sergeant gewesen war, wenngleich nicht gut. Er wusste über mich mehr als ich über ihn. Jeder kennt den Leiter des Morddezernats. Man gleicht einem Revolverhelden, der den Saloon betritt: Die Leute starren auf alles, was man tut. Man starrt nicht zurück.
Wie erwartet saß er am Ende meines Stegs, wo ich eine robuste balinesische Bank mit drei Sitzplätzen aufgestellt hatte, gefertigt aus indonesischem Hartholz. Ich setzte mich nicht neben ihn. Stattdessen lächelte ich die Pelikane an, die im Wasser trieben, als wolle ich sie beruhigen und ihnen beteuern, dass er nur vorübergehend hier sein würde.
»Für wen arbeitest du?«, fragte er.
»Für niemanden. Ich komme dir nicht in die Quere. Du kannst die Lorbeeren einheimsen. Die Pressekonferenz gehört dir allein.«
Ich fand, damit wäre alles zusammengefasst, also ergänzte ich: »War nett, dich zu sehen, Adam.« Damit wandte ich mich dem Haus zu. »Du siehst aus, als hättest du ein wenig abgenommen«, fügte ich vergnügt hinzu. In Wirklichkeit musste er mindestens acht Kilo zugelegt haben.
»Hörst du je Bob Dylan?«, wollte er wissen.
Ich erwiderte nichts, aber ich ging auch nicht weg.
»Vielleicht kennst du ja seine religiöse Phase, als er wiedergeboren wurde.«
Ich blieb stumm, aber er hatte meine Aufmerksamkeit. Für gewöhnlich bin ich nach der ersten oder zweiten Äußerung einer Unterhaltung bereits an deren Ende angelangt – es ist gut, zu wissen, worauf man zusteuert, damit man entsprechend lenken kann –, aber ich hatte keine Ahnung, wohin genau diese Randbemerkung uns führen würde.
»Einer meiner Lieblingssongs ist ›You’ve Gotta Serve Somebody‹. Kennst du ihn?«
Immer noch sagte ich nichts, allerdings beschlich mich allmählich eine Ahnung, wohin das führen würde.
»Er singt über Präsidenten, gewöhnliche Frauen und Männer, jeden eigentlich. Er sagt darin, dass man, ganz gleich, wer man ist oder was man tut, irgendjemandem dienen muss.« Zum ersten Mal drehte er sich um und sah mich an.
»Wie viele Opfer hat er sich inzwischen geholt, dein bahnfahrender Killer?«
Ich antwortete nicht. Fat Adam erwies sich als verschlagener, als ich gedacht hatte. Am liebsten hätte ich ihn vom Steg in den Fluss gestoßen. Auch die sieben SS hätten das gern gewollt: sehen, wie ihr fetter Boss versuchte, nicht zu ertrinken, während sie die Scheiße aus mir rausknüppelten.
»Du glaubst, du arbeitest für die Opfer. Das höre ich ständig. Die Bürde der Gerechten. Dabei arbeitest du in Wirklichkeit für dich. Den Zugfahrer konntest du nicht schnappen, also musst du dich jetzt hier oben beweisen. Auch diesen Kerl wirst du nicht fassen. Das wird niemand von uns. Du weißt es, ich weiß es. Sogar die Zivilisten wissen es. Jeder weiß es, abgesehen von ihm selbst. Aber du … du musst dich einmischen, musst das Abzeichen deines vergessenen Ruhms zücken und Hoffnung bieten, wo es keine gibt, stellst dich heldenhaft in die Abendsonne, wo dein Schatten so lang ist wie dein verfluchtes Ego groß.«
Damit setzte er sich watschelnd in Bewegung, sein Abklatsch eines Gangs. Fat Adam war obendrein kahl und klein, rötlich-braun und fleischig. Er sah wie etwas aus, das man an hungrige Tiere verfüttern würde. Kein Wunder, dass sich die Pelikane um ihn geschart hatten.
»Den Ablauf kennen wir beide. Mal sehen, wo er endet«, sagte er.
Ich blickte auf die Holzbank hinab. Er hatte eine Zeitung liegen gelassen, die Herald Sun aus Melbourne. Seite drei war aufgeschlagen, ein Artikel über den Zugfahrer. Sein letztes Opfer wurde seit mittlerweile über zwei Wochen vermisst.
Der Ablauf sah so aus: Sie konnten mich nicht aufhalten, solange ich gegen keine Gesetze verstieß. Ich musste als Zivilist agieren. Das bedeutete, dass mir die Leute die Tür vor der Nase zuschlagen konnten. Und ich konnte dann nur weggehen oder noch mal klopfen. Die Cops würden mich beobachten, vielleicht nur so zum Spaß auch ein bisschen härter anfassen, andererseits war die hiesige Polizei auf der Hut vor mir – sogar die SS, von denen zwei gerade den Steg entlang auf mich zukamen und sich lauthals darüber beschwerten, dass ich sie zugeparkt hatte.
Mein Telefon summte. »Gib Casey deine Nummer. Ich bin kein Telefonnachrichtendienst. Er hat gesagt, ich soll dir ausrichten, dass die Ware aus Brescia eingetroffen ist.«