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In einem großen, umfriedeten Innenhof eines der prächtigeren Häuser von Calia hatten sich zwölf Lehrlinge zu sechs Paaren zusammengefunden. Sie übten sich abwechselnd darin, einander magisch zu unterstützen. Es wurden nur kleine Mengen an Magie übertragen, und um die Übung interessanter zu gestalten, ließ Dakon sie zerbrochene Dachpfannen von dem oberen Rand der hinteren Mauer herunterziehen.
Jayan, der am Eingang zum Innenhof lehnte, seufzte. Nur drei Magier hatten sich freiwillig erboten, Ardalens Trick den Magiern und Meisterschülern zu veranschaulichen, die am Tag zuvor eingetroffen waren. Auf diese Weise wurde etwas, das eine schnelle Übung hätte sein sollen, zu einer ganztägigen Aufgabe. Sie hätten die Magier am Vormittag mühelos in Ardalens Technik einweisen können. Am Nachmittag hätten sie sich die Meisterschüler vorgenommen. Doch viele der Magier hatten sich gegen die Idee gewehrt, dass andere Magier ihre Meisterschüler unterrichteten. Dakon hatte Jayan erzählt, dass er zwar die meisten von ihnen von den Vorteilen hatte überzeugen können, dass einige dieser Magier jedoch erst zugestimmt hatten, als Sabin ihnen seine Sicht der Dinge erläutert hatte. Die Familien der Meisterschüler würden es vielleicht nicht wohlwollend aufnehmen, wenn ihre Söhne und Töchter in der Schlacht ihr Leben ließen, weil ihnen eine Fähigkeit vorenthalten worden war, zu der alle anderen Zugang gehabt hatten.
Es war jedoch nicht so einfach gewesen, die Meisterschüler zu unterrichten. Einige von ihnen hatten ihre Ausbildung gerade erst aufgenommen, und zwei hatten noch nicht einmal die volle Kontrolle über ihre Kräfte erlangt.
Als ein unerfahrener Meisterschüler dem jungen Mann, dem er Magie zu übertragen versuchte, versehentlich Brandwunden zufügte, hatte Dakon beschlossen, die drei Gruppen neu zu ordnen, indem er sie nach ihrer jeweiligen Erfahrung einteilte: Eine Gruppe von Meisterschülern, die die Ausbildung erst jüngst begonnen hatten, eine für jene, die seit einigen Jahren dabei waren, und eine für jene, die kurz davor standen, ihre Meisterschaft zu erlangen. Dakon hatte selbst die unerfahrene Gruppe übernommen, und sie hatte erheblich länger gebraucht als die anderen.
Jayan fand das Unterrichten sowohl zermürbend als auch lohnend. Das hing ganz von dem jeweiligen Meisterschüler ab. Einige waren aufmerksam und talentiert, andere waren es nicht. Die Arbeit mit Ersteren war befriedigend, aber er stellte auch fest, dass es ihm große Genugtuung bereitete, wenn es ihm gelang, ein Mitglied der letzten Gruppe so lange zu ermutigen - oder zu schikanieren -, bis es etwas begriff.
Ich dachte immer, dass ich es so lange wie möglich hinauszögern würde, einen Meisterschüler anzunehmen, aber jetzt erkenne ich, dass es Vorteile gibt - abgesehen von dem Zugewinn an Macht.
Die unerfahrenen Meisterschüler waren im Alter zwischen zwölf - und damit viel jünger als üblich - und achtzehn. Er vermutete, dass die älteren der neuen Meisterschüler ausgewählt worden waren, weil ihre Meister es vorzogen, jemanden aus ihrer eigenen Familie zu unterrichten.
Einer der Meisterschüler, der einem anderen Macht übertrug, heulte plötzlich auf, dann drehte er sich um und betrachtete die anderen Paare argwöhnisch. Eine junge Frau - die einzige in der Gruppe und eine von zweien, die mit der Verstärkung eingetroffen waren - versuchte, ihr Grinsen zu verbergen, aber ihr Opfer kannte sie offensichtlich gut genug, um zu ahnen, woher der Angriff gekommen war. Jayan vermutete, dass sie ihm einen kleinen magischen Stich versetzt hatte. Das Opfer und der Meisterschüler, dem er gerade Macht übertrug, tauschten einen Blick, dann runzelten beide finster die Stirn.
Jayan sah Dakon an. Sein Meister beobachtete, wie die Ziegel von der Mauer flogen, und hatte den Zwischenfall wahrscheinlich nicht bemerkt.
Ein leises Lachen des Triumphs erklang, diesmal von dem Gefährten des vorherigen Opfers. Einen Moment später heulte das Mädchen auf. Sie drehte sich um und funkelte die beiden wütend an. Als er den Zorn und die Berechnung in ihren Augen sah, fand Jayan, es sei an der Zeit einzugreifen.
Bevor er die Chance hatte, etwas zu sagen, kam ein Bote in den Hof geeilt und blieb vor Dakon stehen. Er sprach leise auf Dakon ein, und dieser nickte. Als der Bote wieder ging, drehte Dakon sich zu der Gruppe um.
»Ich denke, das genügt jetzt. Ihr scheint es alle verstanden zu haben. Wenn ihr eine Gelegenheit habt, übt das Gelernte, aber benützt nur kleine Mengen an Macht. Ihr dürft zu euren Meistern zurückkehren.« Er ging auf den Eingang des Innenhofs zu und lächelte kläglich, als er an Jayan vorbeikam. »Noch eine Zusammenkunft. Wirst du Tessia Bescheid geben, wenn sie zurückkehrt?«
»Natürlich.«
Die Meisterschüler hatten sich zu einer Gruppe zusammengeschart, und als Dakon durch das Tor trat, gingen sie ebenfalls auf den Eingang zu. Jayan schienen sie nicht zu bemerken - bis auf die junge Frau. Sie war seiner Schätzung nach zwei oder drei Jahre jünger als er. Eine gut aussehende junge Frau, aber die Art, wie sie ihn anlächelte, machte klar, dass sie sich dessen vollauf bewusst war.
»Meister Jayan, nicht wahr? Ich höre, Ihr wart bei der Schlacht in Tecurren dabei«, sagte sie und blickte ihn unter langen Wimpern an.
»Meisterschüler Jayan«, korrigierte er sie. »Und ja, ich war dabei.«
Als sie den Kopf zur Seite legte und ihn abermals anlächelte, stieg eine unerwartete Woge von Ärger und Abscheu in ihm auf. Er kannte diesen Blick. Er war genug weiblichen Magiern begegnet, um zu wissen, wann eine von ihnen ihn taxierte.
»Wie war es denn?« Ihre Augen weiteten sich. »Es muss so beängstigend gewesen sein.«
»Wir wussten, dass sie in der Minderzahl war und wir wahrscheinlich siegen würden.« Er zuckte die Achseln.
Sie trat in den Eingang und blickte hinaus. Die Gasse war verlassen. »Schaut nur. Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, auf mich zu warten. Begleitet Ihr mich zur Versammlungshalle?« Sie legte eine Hand um seinen Ellbogen. »Ihr könnt mir unterwegs alles über die Schlacht erzählen.«
Er nahm ihre Hand und löste sie von seinem Arm.
Ihre Augen blitzten vor Zorn, aber dann wurde ihre Miene wieder weicher, und sie nickte, als habe er sie gescholten. »Das war zu freimütig von mir. Ich habe nur versucht, freundlich zu sein.«
Ein weiteres Aufblitzen von Ärger.
»Ach ja?«, fragte er, bevor er sich daran hindern konnte.
Sie runzelte die Stirn. »Natürlich. Was sollte ich denn sonst getan haben?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir sind im Krieg, nicht auf einem Fest. Dies ist nicht die Stadt. Nicht der Ort, um... um zu flirten und nach einem Ehemann Ausschau zu halten. Oder einem Geliebten.«
Sie verdrehte die Augen. »Das weiß ich, aber...«, begann sie.
»Und hier sind noch andere junge Frauen. Jüngere, weniger erfahrene Frauen. Ist dir bewusst, wie deine ›Freundlichkeit‹ auf sie wirken könnte? Dass du junge, männliche Meisterschüler damit vielleicht ermunterst zu denken, alle weiblichen Magier seien... leicht zu haben? Oder sollen ältere Magier annehmen, Frauen seien zu töricht und zu flatterhaft, um gute Magier abzugeben?«
Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. Sie öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder. Schließlich wurden ihre Augen schmal, und sie sprach mit zusammengebissenen Zähnen.
»Du bildest dir zu viel ein, Meisterschüler Jayan.«
Sie reckte das Kinn vor und stolzierte aus dem Innenhof. Dann blieb sie stehen und blickte über ihre Schulter. »Junge Männer werden immer törichte Ideen über junge Frauen im Kopf haben, ganz gleich, wie züchtig oder freundlich diese sind. Das hast du gerade selbst bewiesen. Bevor du anderen Schuld zuweist, schau dich einmal selbst gründlich an. Du wärest vielleicht überrascht festzustellen, wer hier eigentlich die Törichten, Flatterhaften sind.«
Dann stolzierte sie davon.
Jayan holte tief Luft und seufzte. Der Ärger über ihre Koketterie war schnell verebbt, und jetzt schämte er sich für seinen Ausbruch.
»Nun, das war unterhaltsam.«
Die Stimme erklang irgendwo hinter ihm. Als er sich umdrehte, sah er Tessia an der Tür des Hauses stehen, dann zuckte er zusammen, als ihm bewusst wurde, dass sie vielleicht nur das Ende des Wortwechsels gehört hatte.
»Ich habe etwas dagegen, wie ein Losgewinn taxiert zu werden«, erklärte er. »Wenn sie meinen Vater kennen würde, wäre sie nicht gar so versessen auf meine Blutlinien.«
Tessia lächelte und kam auf ihn zu. »Es sind nicht deine Blutlinien, auf die sie versessen ist. Hast du die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie es auf dich abgesehen haben könnte? Anscheinend bist du - das versichern mir zumindest Avarias Freundinnen - ein recht gut aussehender Mann. Außerdem hast du eine Schlacht miterlebt, was dir eine gewisse Art von Ruhm verleiht, zu der manche Frauen sich hingezogen fühlen.«
Er starrte sie an, außerstande, sich auf eine Antwort zu besinnen, die nicht töricht oder eitel klingen würde. Sie lächelte.
»Nun, es freut mich, dass das für mich nicht gilt, wenn das die Art ist, wie du auf dergleichen Dinge reagierst.« Sie sah sich auf dem Innenhof um. »Wie ist der Unterricht gelaufen?«
Erleichtert über den Themenwechsel, deutete er mit dem Kopf zum Eingang des Innenhofs, dann traten sie beide hindurch und gingen auf die Hauptstraße zu. »Sie haben ein Weilchen gebraucht, aber ich denke, die meisten von ihnen haben es verstanden.«
Sie seufzte. »Dakon gibt endlich eine weitere Lektion, und es ist etwas, das ich bereits kenne.« Sie verzog das Gesicht. »Wir werden nicht mehr viele Lektionen bekommen, nicht wahr?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, da Dakon einer der Ratgeber der Armee ist. Wann immer wir nicht reiten oder kämpfen, wird er bei Versammlungen sein.«
»So kurz vor dem Ende deiner Ausbildung muss das furchtbar frustrierend sein.«
»Das ist es auch. Aber wenn ich fertig wäre, wäre ich vielleicht nur für Wochen oder Tage ein höherer Magier. Und so hat Dakon zumindest zwei Meisterschüler, von denen er Stärke beziehen kann.«
»Aber wenn du ein höherer Magier wärest, hättest du deine eigene Quelle, und die Armee hätte einen weiteren Kämpfer.« Sie lachte leise. »Und die Frauen hätten noch mehr Grund, dich mit ihrer Koketterie und ihrem Interesse zu verärgern.« Sie hielt inne und sah ihn an. »Es würde mich nicht überraschen, wenn Dakon dich aus genau diesem Grund schon bald in die höhere Magie einweihen würde.«
Jayans Herz setzte einen Schlag aus. Sie konnte recht haben. Aber die Möglichkeit weckte in ihm ein unerwartetes Widerstreben. Warum? Habe ich Angst davor, auf eigenen Füßen zu stehen? Die Verantwortung für mein eigenes Leben zu tragen?
Tessia lächelte ihn wissend an. Ich habe ihr nie erzählt, dass die Verzögerung der Beendung meiner Ausbildung mich enttäuscht, dachte er. Sie versteht mich. Und ich denke, sie hat endlich aufgehört, mich zu hassen.
Und dann wurde ihm mit einem Mal klar, warum es ihm widerstrebte, seine Ausbildung bei Dakon zu beenden. Es würde ihn von Tessia fortbringen.
Er blinzelte überrascht. Ist das wirklich der Grund? Empfinde ich tatsächlich so für sie? Er verspürte ein eigenartiges Gefühl, sowohl angenehm als auch schmerzhaft. Erstaunlich, dass die Bewunderung, die er immer für sie empfunden hatte, plötzlich durch dieses neue Bewusstsein verstärkt wurde. Dann fiel ihm wieder ein, was sie zuvor gesagt hatte.
»Verleiht dir eine gewisse Art von Ruhm, zu der manche Frauen sich hingezogen fühlen... Nun, es freut mich, dass das für mich nicht gilt...«
Mutlos ließ er die Schultern sinken.
Es war möglich, dass seine Gefühle sich verändert hatten. Dann ist es auch möglich, dass ihre Gefühle sich verändern. Er schob den Gedanken beiseite. Nein. Belass es dabei. Der Krieg ist keine gute Zeit, um allzu viel für irgendjemanden zu empfinden oder sich zu wünschen, dass ein anderer solche Gefühle entwickelt. Irgendwann könnte einer von uns sterben. Ich möchte es lieber nicht noch schmerzlicher machen - für keinen von uns. Tatsächlich wäre sie besser dran, wenn sie mich hasste. Was ein Glück ist, denn ich verstehe mich sehr gut darauf, Frauen dazu zu bringen, genau das zu tun.
 
Als Hanara auf das Haus zuging, das Takado in dem winzigen Dorf für sich beschlagnahmt hatte, kam er an zwei Sklaven vorbei. Sie trugen die Überreste des Rebers fort, der für das abendliche Mahl geröstet worden war. Er hielt inne, trat hastig einen Schritt näher und griff sich einen großen Brocken Fleisch. Nur die Hälfte des Tieres war verzehrt worden, wie ihm auffiel, daher würden die Sklaven heute Abend gut essen können. Aber Takado war häufig bis spät in die Nacht wach, um mit seinen engsten Verbündeten über ihre Strategie zu reden; wenn Hanara und Jochara sich daher nicht nahmen, was sie konnten, war nichts mehr übrig, wenn Takado sich für die Nacht zurückzog.
Er nagte weiter an dem Fleisch, während er auf das Haus zueilte, wo er eine Flasche Wein aus dem Vorrat nahm, den er im Keller des Hauses gefunden hatte. Er hielt kurz inne, um das Fleisch aufzuessen, wobei er hastig kaute und schluckte, damit er sich das Fett von den Händen wischen und das Risiko vermeiden konnte, die Flasche auf dem Rückweg fallen zu lassen.
Um die verlorene Zeit wieder wettzumachen, rannte er zurück. Nur Takados drei engste Verbündete saßen noch an dem Lagerfeuer, das sie in der Mitte der Straße errichtet hatten: Rokino, sein alter Freund, der Ichani Dachido, und Asara.
Hanara warf sich zu Boden und hielt die Flasche hoch. Im letzten Moment wurde sie ihm aus der Hand genommen. Takado sagte nichts. Nach einer kurzen Wartezeit kroch er auf allen vieren rückwärts, dann setzte er sich auf die Unterschenkel und schaute sich um. Jochara war nirgends zu sehen.
»Du hast nicht genug Sklaven«, sagte Asara und blickte zu Takado hinüber. »Ein Anführer sollte mehr Sklaven haben als jeder andere.«
Takado zuckte die Achseln. »Ich könnte versuchen, ein paar mehr herbeizuholen, aber ich kann nicht selbst reisen, und diejenigen, denen ich die Aufgabe anvertrauen würde, brauche ich hier. Es wäre für sie auch beleidigend, wenn ich darum bäte.«
»Dann nimm einen von meinen Sklaven«, erbot sich Asara. »Nein, nimm zwei.« Sie drehte sich um und rief: »Chinka! Dokko!«
Takado blickte über seine Schulter und sah Hanara mit nachdenklicher, erheiterter Miene an. »Du würdest mir besser dienen, wenn ich dich nicht ständig so beanspruchen würde, Hanara, oder?«
Hanara beugte sich vor, um die Stirn auf den Boden zu drücken. »Mein Leben gehört Euch, und Ihr könnt es benutzen, wie Ihr wünscht«, sagte er.
Die Frau lachte. »Ah, da kommen sie.«
Hanara riskierte einen schnellen Blick und sah, dass Takados Aufmerksamkeit nicht länger ihm galt. Alle vier Magier betrachteten die zwei Sklaven, die sich vor Asara auf den Boden geworfen hatten. Eine Frau, hager und stark, und ein großer, muskulöser Mann.
»Das sind zwei meiner besten«, erklärte Asara stolz. »Sie sind in guter Verfassung. Chinka hat früher in den Küchen gearbeitet, aber sie ist auch sonst sehr nützlich; sie kann putzen, Kleider und Schuhe flicken, geringfügige Verletzungen behandeln, leichte Lasten tragen und andere allgemeine Aufgaben erledigen. Dokko ist ein guter Handwerker - nützlich für mehr als nur schwere Arbeit -, und er kann gut mit Pferden umgehen.« Sie wandte sich wieder zu Takado um. »Wobei es mich überrascht, dass du dir noch keine zugelegt hast. Mit Pferden würden wir schneller vorankommen.«
»Ach ja?« Takado schüttelte den Kopf. »Pferde brauchen Futter, Ruhe und Sklaven, die sich um sie kümmern. Und solange wir keine Pferde für unsere Sklaven haben, werden wir nicht schneller reisen können, als wir es jetzt tun.«
»Aber wir brauchen unsere Sklaven nicht immer bei uns zu behalten. Wir könnten zügig und ohne Vorwarnung angreifen und zu ihnen zurückkehren.«
Takado nickte. »Ja, es gibt Zeiten, da das Risiko, sie allein und verletzbar zurückzulassen, sich als lohnend erweisen wird. Für den Augenblick ziehe ich es vor, mich nicht um Pferde kümmern zu müssen.«
»Das müsstest du auch nicht, wenn du meine Sklaven nimmst.«
Takado verfiel in Schweigen, und seine Miene war nachdenklich. Hanara hielt den Atem an. Wie würden zwei weitere Sklaven seine eigene Situation verändern? Es würde weniger Arbeit geben. Es wäre ihm gewiss willkommen, weniger tragen zu müssen, obwohl das vielleicht nicht so bleiben würde, wenn Takados Besitztümer sich vermehrten. Aber Hanara besaß keine Fähigkeiten, die die Muskeln und das Geschick des Mannes oder die Nützlichkeit der Frau wettmachen konnten. Und wenn Takado die Frau mit in sein Bett nahm …
Aber ich bin ein Quellsklave, dachte er. Allein deswegen werde ich immer einen höheren Rang bekleiden.
Takado nickte. »Ich nehme dein Angebot an. Ich danke dir, Asara. Ein aufmerksames Geschenk. Es sind offensichtlich wertvolle Sklaven, die du da verlierst.«
Die Frau machte eine anmutige Handbewegung. »Ich werde sie vermissen, aber ich erkenne jetzt, dass ich zu viele Sklaven mitgenommen habe. Du brauchst sie dringender als ich.«
»Chinka. Dokko«, sagte Takado. »Steht auf und setzt euch hinter Hanara.«
Während die beiden gehorchten, hielt Hanara den Blick gesenkt. Er hörte, wie sie sich hinter ihm niederließen. Einen Moment lang dachte er, einer der beiden hätte sich Takados Befehl widersetzt und neben ihm Platz genommen, aber als er aufblickte, sah er, dass Jochara zurückgekehrt war. Der junge Mann trug eine Metallröhre mit der Karte von Kyralia, die Takado mitgebracht hatte.
»Ihr werdet beide - und das gilt auch für dich, Jochara - Hanaras Befehlen Folge leisten, es sei denn, sie widersprächen meinen. Habt ihr verstanden?«
Alle drei murmelten einige bestätigende Worte. Hanara starrte mit großen Augen auf den Boden. Er hat mir die Verantwortung übertragen! Sein Herz begann zu hämmern. Es war eine erschreckend große Verantwortung. Was ist, wenn sie mir nicht gehorchen? Was, wenn sie etwas falsch machen? Werde ich dafür bestraft werden?
Eine unvertraute Stimme durchbrach seine von Panik erfüllten Gedanken.
»Magier... kommen...«, keuchte ein Sklave, noch während er sich zu Boden warf. »Viele. Schnell. Magier vom Kai...ser. Tragen Ringe.«
Die Magier hatten sich nicht gerührt, aber ihr Lächeln war verschwunden. Keiner von ihnen sprach die Sorgen aus, die ihnen ins Gesicht geschrieben standen. Hatte der Kaiser Truppen geschickt, um Takado aufzuhalten? Würden sie angreifen? Von den Spähern vor dem Dorf kamen Pfiffe.
Takado erhob sich. Er blaffte Befehle und schickte Hanara und die anderen Sklaven davon, um alle Magier zu verständigen, auch die Sklaven jener Magier, die bereits schliefen, da diese Sklaven am besten wussten, wie sie ihre Herren wecken konnten. Schon bald drängten sich Magier und Sklaven auf der Straße zusammen. Hanara hielt sich einen Schritt hinter Takado. Dachido und Asara standen links und rechts von Takado.
Interessant, dachte Hanara. Rokino kennt Takado am längsten, aber er ist ein Ichani. Dachido und Asara stehen im Rang über ihm und sind erheblich klüger als Takados Ichani-Freunde. In letzter Zeit schätzt Takado ihre Gesellschaft und ihre Meinung höher als die der anderen.
Während die Nachzügler sich der Schar um Takado anschlossen, kam eine große Gruppe von Männern um eine Biegung in der Straße geritten. Lichtkugeln schwebten über ihnen und ließen ihre Waffen und die perlenbesetzten Kleider glitzern. Hanara hielt Ausschau nach den Ringen des Kaisers und bemerkte hie und da ein Funkeln von Gold.
Es mussten mindestens vierzig Magier sein. Von ihren Sklaven war nichts zu sehen.
Der Mann an der Spitze der Gruppe war hochgewachsen, faltig und hatte weiße Strähnen in seinem dunklen Haar. Er führte die Männer näher heran und blieb in zehn Schritten Entfernung stehen. Mit durchgedrücktem Rücken und hocherhobenem Kopf ließ er den Blick über Takados Leute gleiten, bis er seine Aufmerksamkeit wieder auf Takado selbst richtete.
»Kaiser Vochira sendet seine Grüße«, sagte er. »Ich bin Ashaki Nomako.«
»Willkommen, Ashaki Nomako«, erwiderte Takado. »Soll ich dem Kaiser meine Grüße durch Euch übermitteln lassen, oder habt Ihr die Absicht, zu bleiben und Euch uns anzuschließen?«
Irgendwie gelang es dem Mann, sich noch höher aufzurichten. »Kaiser Vochira hat beschlossen, die Bemühungen, Kyralia wieder unter den Einfluss des Reiches zu bringen, zu unterstützen, und er hat mir den Befehl gegeben, Euch alles an Hilfe zur Verfügung zu stellen, was benötigt wird, einschließlich dieser Armee von Sachaka treu ergebenen Magiern.«
»Das ist überaus großzügig von ihm«, sagte Takado. »Mit Eurer Hilfe können wir Kyralia schneller erobern und mit geringerer Gefahr für meine Gefährten. Wenn die Eroberung mit der Unterstützung des Kaisers stattfindet, umso besser. Unterstützt der Kaiser auch meine Führung dieser Armee?«
»Selbstverständlich«, antwortete Nomako. »Ehre, wem Ehre gebührt, das ist sein Motto.«
»Dann seid mir doppelt willkommen«, sagte Takado. Er trat vor, überwand den Abstand zwischen ihnen und streckte die Hand aus. Nomako saß ab und ergriff sie. Dann ließen beide Männer die Hände sinken, und Takado deutete mit dem Kopf auf Nomakos Gefolgschaft. »Habt Ihr schon gegessen? Wir haben früher am Abend einen ganzen Reber geröstet, und es ist vielleicht noch etwas davon übrig.«
»Nicht nötig«, antwortete Nomako. »Wir haben bei Sonnenuntergang gegessen. Unsere Sklaven warten darauf, dass wir nach ihnen schicken...«
Während Nomako über praktische Angelegenheiten sprach, fiel Hanara auf, dass der Blick des Mannes sich veränderte, wann immer Takado wegsah. Berechnend, dachte Hanara. Er ist nicht hierhergekommen, weil er mit Takado übereinstimmt. Wir wussten immer, es würde Kaiser Vochira nicht gefallen, dass Takado die Dinge selbst in die Hände genommen hat. Ein Schauder böser Ahnung überlief Hanara. Dieser da wird versuchen, die Macht für den Kaiser zurückzugewinnen. Und es wird ihm nicht so leicht fallen, wie er denkt.
Magie
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