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25
Als Hanara den Stapel toter Zweige und Äste vom Rücken nahm, spürte er die kalte Nachtluft, und sein Schweiß wurde eiskalt. Er ließ seine Last neben dem Feuer fallen. Takado saß jetzt vor den Flammen und starrte hinein, das Gesicht nachdenklich, aber mit Spuren unterdrückten Ärgers, mit denen nur Hanara vertraut genug war, um sie zu erkennen.
Jochara hockte neben Takado, bereit, jederzeit aufzuspringen und die Wünsche seines Herrn zu erfüllen. Nach Hanaras Meinung hatte der neue Quellsklave lange gebraucht, um zu lernen, dass er Takado besser nicht störte, wenn er in einer solchen Laune war. Die Brandwunde auf seiner Brust musste schmerzen. Hanara verspürte ein schwaches Mitleid, aber keine große Sympathie. Nachdem er gesehen hatte, wie einige von Takados Verbündeten ihre Sklaven behandelten, wusste er, dass er und Jochara noch Glück hatten.
Und ich habe größeres Glück als sie alle, weil ich für eine kurze Zeit frei war.
Er widerstand dem Drang, laut zu schnauben. Die Freiheit, die er erlebt hatte, war keine echte Freiheit gewesen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass Takado zurückkehren und ihn holen würde. Wenn seine Freiheit echt gewesen wäre, wäre sie nicht vorübergehend gewesen. Es war ihm wie eine kleine Belohnung erschienen. Vielleicht gerade mal ein Zugeständnis - Zeit, um sich zu erholen.
Die übrigen Magier und ihre Sklaven waren damit beschäftigt, die Zelte aufzubauen und Essen herbeizubringen. Da Takado ihm nichts anderes auftrug, kehrte Hanara in den Wald zurück. Es wurde langsam dunkel, und es wurde immer schwieriger, Feuerholz zu finden. An einer Stelle glitt etwas Dunkles über seine Hand. Mit hämmerndem Herzen ließ er den Zweig fallen, den er aufgehoben hatte, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit, während er versuchte, die Erinnerung an viele winzige Beine, die über seine Haut krabbelten, zu ignorieren.
Das Feuer war ein Luxus. Takado hatte sich dazu entschieden, in einem Tal zu lagern, das sich in Windungen durchs Gebirge zog, sodass jemand das Licht ihres Feuers nur dann sehen würde, wenn er zufällig über sie stolperte. So weit oben in den Bergen war es nachts noch immer kühl. Die Magier konnten sich mit Magie warm halten, zogen es jedoch vor, ihre Kraft aufzusparen.
Gerade als er das erste Bündel Stöcke zusammengebunden und auf seine Schultern gehievt hatte, hörte er eine Stimme. Als er ins Tal hinabblickte, sah er schwebende Lichtkugeln erscheinen und mehrere Schatten näher kommen. Die Bilder, die er durch die Bäume erhaschte, waren zu flüchtig, aber die Art, wie diese Menschen sich bewegten, hatte etwas Vertrautes. Er ließ sein Bündel Stöcke fallen und rannte zurück zum Lager.
Als Hanara an seine Seite eilte, blickte Takado auf und zog eine Augenbraue hoch.
»Dovaka«, stieß Hanara atemlos hervor.
Einen Moment lang verdüsterte ein Stirnrunzeln Takados Gesicht, dann wurde seine Miene wieder ruhig. Er deutete auf den Boden.
Hanara hockte sich neben Jochara und wartete. Dies dürfte interessant werden, dachte er. Nach einigen Bemerkungen, die Hanara belauscht hatte, war es zwischen Takados Verbündeten und einigen Kyraliern zu irgendeiner Konfrontation gekommen. Seither war Takado sehr still gewesen. Und es war keine gute Stille. Seine Stimme war auf eine Weise ruhig und gemessen, wie Hanara sie zu fürchten gelernt hatte.
Takado war wütend. Sehr wütend.
Die anderen Magier in seiner Gruppe hatten vorsichtige Begeisterung an den Tag gelegt, ihre Worte aber sorgfältig gewählt. Ein Kyralier weniger, sagten sie, war ein weiterer Erfolg, um Anhänger für Takado zu gewinnen. Aber größtenteils behielten sie ihre Meinung für sich. Takado hatte nur wenig gesagt und nichts, was Zustimmung oder Missbilligung verraten hätte.
Nachdem das Lager errichtet war und Sklaven zum Ende der Postenkette geschickt worden waren, damit die andere Gruppe sie finden konnte, hatten sie sich niedergelassen, um zu warten. Schließlich war die zweite Gruppe eingetroffen, jedoch hatten zwei ihrer Mitglieder gefehlt, Dovaka und Nagana. Niemand wusste etwas über ihre Begegnung mit kyralischen Magiern.
Grüßende Rufe gingen nun Dovakas Ankunft voraus, dann erschienen der Mann und sein Freund, und die Sklaven seiner Gruppe folgten ihm auf die Lichtung. Takado erhob sich.
»Ich höre, du hattest viel zu tun heute«, bemerkte er. Dovaka grinste. »Ja. Einer dieser schwachen weißen Barbaren ist ganz allein aufgetaucht, um herumzuschnüffeln.«
»Er hat Euch gefunden?« Takado zog die Augenbrauen hoch.
Bei dem Hinweis, es sei ihm misslungen, sich verborgen zu halten, erschien eine tiefe Falte auf Dovakas Stirn. »Nein. Er ist gekommen, um zu spionieren, daher haben wir ihn bessere Manieren gelehrt.«
»Eine Lektion, die in die Tat umzusetzen er in Zukunft gewiss reichlich Gelegenheit haben wird«, beendete Takado Dovakas Erklärung mit einem Lächeln.
Dovaka zögerte, dann grinste er. »Keine Chance.«
Stille folgte. Hanara bemerkte, dass die übrigen Magier Takado genau beobachteten.
Takados Lächeln wurde breiter. »Dann gratuliere ich dir, dass du der Erste von uns warst, der einen kyralischen Magier getötet hat. Dafür wirst du vielleicht in die Geschichtsbücher eingehen.« Er blickte auf Jochara hinab, machte eine knappe Geste. »Wir sollten uns setzen und deine Leistung feiern.« Der Sklave huschte zu den Packsäcken hinüber und brachte Takado eine Flasche Schnaps, während die Magier alle rund um das Feuer Platz nahmen. Als Takado Dovaka den ersten Schluck anbot, verblasste sein Lächeln. »Ich hoffe, du wirst nicht als der Mann in die Geschichte eingehen, der unsere Chance auf eine Eroberung Kyralias zunichtegemacht hat.«
Dovaka zuckte die Achseln. »Indem ich einen einzigen Kyralier getötet habe?«
»Was, wie wir alle wissen, Konsequenzen haben wird«, erwiderte Takado. »Bisher haben sie sich aus denselben Gründen zurückgehalten wie wir. Jetzt, da wir einen von ihnen getötet haben, steht es ihnen frei, uns zu töten. Sie werden ihre Taktik ändern. Das Gleiche müssen wir tun. Erzähl mir nicht, das sei dir nicht klar gewesen! Es war der Grund, warum ich darum gebeten hatte, keine kyralischen Magier zu töten, bevor wir bereit sind.«
»Wir sind bereit«, höhnte Dovaka. »Wir sind zahlreich genug und stark genug, um zehn Dörfer zu nehmen. Du würdest warten, bis ganz Sachaka heimlich durch die Berge streift.«
»Zehn Dörfer.« Takado lachte leise. Mehr sagte er nicht. Die Flasche hatte die Runde gemacht, daher bot er sie abermals Dovaka an.
»Die Kyralier sind gering an Zahl, und sie sind dumm«, sagte Dovaka, bevor er einen tiefen Schluck nahm. Sein Blick wanderte von Takado zu den anderen Magiern. »Wir könnten jetzt ein Drittel ihres Landes einnehmen. Ihre Dörfer sind zu weit voneinander entfernt, als dass sie sich verteidigen ließen.«
»Zu weit entfernt für sie oder für uns«, erwiderte Takado. »Warum Zeit, Energie und sachakanische Leben bei der Eroberung eines Dorfes vergeuden, das wir wieder verlieren würden?«
»Wir könnten genauso mühelos fortgehen, wie wir erscheinen könnten. Und sobald die Nachricht, dass wir Land erobert haben, in Sachaka bekannt wird, würde sich die Zahl jener, die sich uns anschließen wollen, verzehnfachen. Wenn wir uns im Wald verkriechen, wird das niemanden dazu ermuntern, sein behagliches Zuhause zu verlassen. Die Eroberung von Land wird diese Wirkung jedoch gewiss haben. Und wenn sie sich uns anschließen, könnten wir mehr Land erobern, bis wir nur noch Imardin bezwingen müssten.« Dovaka nahm noch einen Schluck von dem Schnaps.
»Bist du begeistert?«, fragte Takado.
Dovaka blinzelte, blickte auf die Flasche hinab und reichte sie dann dem nächsten Magier. »Ich bin mehr als begeistert. Ich habe ein Ziel und einen Plan.«
»Hmm«, sagte Takado leise und nickte. »Das habe ich auch. Wie sieht dein Plan aus? Was willst du gewinnen?«
Dovakas Augen leuchteten. »Kyralia.«
»Ganz für dich allein?«
»Nein! Für Sachaka.« Dovaka grinste. »Nun, wobei ein Teil davon natürlich mir gehören würde. Ich will eine Gegenleistung dafür, dass ich all die Risiken eingegangen bin.«
»Ja«, sagte Takado. »Das wollen wir alle. Ein jeder von uns hat etwas anzubieten, seien wir nun risikofreudige oder vorsichtige Planer, da wir alle etwas zu gewinnen haben. Wir müssen alle so handeln, wie es unser gesunder Menschenverstand uns rät.«
Als das Mahl - darunter eine mit Hilfe von Magie geröstete Eberkeule, die Dovakas Gruppe mitgebracht hatte - verteilt war, wandte das Gespräch sich praktischeren Themen zu. Takados Schnapsflasche wurde geleert und eine weitere hervorgeholt. Es fühlte sich an wie ein Fest, und obwohl Hanara erleichtert war, dass sich zwischen Dovaka und Takado kein Streit entwickelt hatte, wusste er sehr wohl, dass nicht alles zum Besten stand.
Es war inzwischen tiefe Nacht geworden. Die Magier gähnten und zogen sich zum Schlafengehen zurück. Dovaka und Nagana stolperten zu ihren Betten und Sklavinnen. Als sie fort waren, beugte Dachido sich zu Takado vor.
»Was wirst du tun?«, murmelte er.
Ein kleines, schiefes Lächeln umspielte Takados Lippen. »Nichts. Tatsächlich bin ich froh, dass der erste kyralische Magier tot ist, da ich jetzt einen Teil meines Plans in Gang setzen kann.« Er nickte. »Unser risikofreudiger Freund ist durchaus nützlich.«
Dachido blickte zweifelnd drein, dann sah er wieder zu Takado hoch. »Ich würde dich fragen, was du vorhast, wenn ich nicht bereits wüsste, dass es keinen Sinn hat. Wir werden es mit der Zeit schon herausfinden. Schlaf gut.«
Als der Mann fortging, spürte Hanara etwas Schweres auf der Schulter und begriff, dass Jochara eingeschlafen war. Er stieß dem jungen Mann einen Ellbogen in die Rippen, eine Gefälligkeit, die ihm ein mürrisches Stirnrunzeln eintrug. Dann stand Takado auf und ging zu seinem Zelt, und die beiden beeilten sich, ihm zu folgen.
 
Irgendwo hinter dicken Wolken stieg langsam die Sonne über dem Horizont auf. Nur fahles natürliches Licht erreichte die Lichtung; daher hatten sie einige Lichtkugeln geschaffen, um das Lager zu erhellen. Die meisten Magier schliefen noch - nur einige wenige Frühaufsteher waren aus ihren Zelten gekommen, um die Wachen abzulösen.
Die Meisterschüler, die vor Dakon standen, wirkten größtenteils verwirrt oder mürrisch, obwohl auf immer mehr Gesichtern jähes Begreifen aufleuchtete und die Mienen größere Begeisterung verrieten.
»Einige von euch haben erraten, warum ich euch alle so früh geweckt habe«, sagte er. »Vor einigen Tagen haben wir beschlossen, dass eure Ausbildung nicht länger vernachlässigt werden darf, dass es aber nur eine gangbare Methode gibt, eure Lektionen fortzusetzen: Ein Magier soll euch alle gleichzeitig unterrichten. Ich habe mich erboten, euer erster Lehrer zu sein.«
Er sah sie einen nach dem anderen an und prägte sich ein, welche Meisterschüler besorgt, zweifelnd oder eifrig wirkten. Der Tod von Sudin und Aken mochte alle gezwungen haben zu begreifen, wie gefährlich die sachakanische Invasion war, aber er wusste, dass einige Magier noch immer nicht mit dem Verfahren einverstanden waren und das Teilen von Wissen fürchteten.
Um die Zweifler zu beruhigen, hatte Dakon einen Plan ersonnen. Sie waren sich alle darin einig, dass die Meisterschüler in der Lage sein sollten, sich zu verteidigen. Also würden sich die Lektionen um magische Kampffähigkeiten drehen, wobei die Verteidigung im Mittelpunkt stand.
Er hatte bis spät in die Nacht hinein darüber nachgedacht. Anfangs hatte er überlegt, die Lektionen wie ein Kyrimaspiel anzugehen, aber es gab große Unterschiede zwischen einem echten Kampf und der Art, wie Kyrima gespielt wurde.
»Wir werden mit einer Runde Kyrima anfangen, bei der ihr die Spielsteine seid«, erklärte er ihnen. »Bevor wir beginnen, möchte ich euch einige grundlegende Regeln nennen, die ihr alle befolgen solltet. Alle Schläge müssen harmlose Blitzstrahlen sein. Weiß einer von euch, wie man das macht?« Keiner der Meisterschüler antwortete, daher nickte Dakon. »Wir werden den Schild eines Meisterschülers als zerbrochen ansehen, wenn er einmal getroffen wurde, aber wenn der Betreffende in dieser Runde an seinen Magier noch keine Kraft abgegeben hat, erst nach zwei Treffern. Wenn euer Schild zerbrochen ist, müsst ihr das Spiel verlassen. Seid ehrlich! Ihr sollt hier etwas lernen, und es geht nicht darum, eine besonders hohe Punktzahl zu erzielen.
Jede Seite wird jemanden auswählen, der den Magier spielt. Ein Magier darf sich mit einem Schild umgeben, der fünf Schlägen standhält und zusätzlich einem Schlag für jeden Meisterschüler, von dem der betreffende Magier Kraft hat beziehen können. Magier können Meisterschüler zwischen den Runden in einen höheren Rang erheben. Natürlich werden diejenigen, die den Magier spielen, ihre Meisterschüler nicht schneiden müssen, aber sie müssen ihn zumindest so lange berühren, dass man bis dreißig zählen kann. Wenn ich jemanden dabei ertappe, dass er einen anderen schneidet oder gefährliche oder schmerzhafte Schläge austeilt, wird der Betreffende von der Übung ausgeschlossen werden.«
Er ging zwischen ihnen umher und teilte sie in zwei fast gleich große Gruppen. »Diejenigen links von mir werden eine Gruppe bilden; die rechts von mir die andere«, fuhr er fort. »Während ihr spielt, prägt euch die Dinge ein, in denen Kyrima keine echten magischen Schlachten widerspiegelt. Wir werden wieder zusammenkommen und über diese Punkte reden, und darüber, wie man damit umgeht.«
Die meisten der Meisterschüler lächelten jetzt, denn sie dachten, ihre Lektion würde ein müheloses, amüsantes Spiel werden. Ich hoffe, dies erweist sich nicht als sinnlos, und ich hoffe, es wird niemand verletzt. Er hatte noch nie versucht, ein Kyrimaspiel mit lebenden Personen zu spielen. Aber andererseits habe ich auch noch nie mehr als zwei Meisterschüler gleichzeitig unterrichtet. Ich werde mich einfach herantasten müssen.
»Welchen Regeln folgen wir, Lord Dakon?«, erkundigte sich Mikken.
»Standard.« Dakon hatte die Möglichkeit erwogen, kein Regelsystem zu benutzen, aber viele dieser Regeln dienten dazu, das Spiel einfacher oder interessanter zu machen. Die Regeln, auf die das nicht zutraf, konnten herausgenommen werden, sobald sie einige Runden gespielt hatten und wussten, welche Regeln unpraktisch waren.
»Werden wir würfeln, um zu entscheiden, wie stark die Magier sind?«, fragte Leoran.
Dakon schüttelte den Kopf. »Da wir nur harmlose Lichtblitze benutzen werden, wird Stärke keine Rolle spielen. Wir könnten jedem Magier eine unterschiedliche Anzahl an Lichtblitzschlägen zubilligen, die er austeilen darf, aber es dürfte schwer sein mitzuzählen. Trotzdem werden wir es später vielleicht versuchen.«
»Werdet Ihr die Treffer zählen?«, fragte Tessia. »Es wird nicht gezählt.« Dakon lächelte grimmig. »Das Spiel ist aus, wenn der Schild eines Magiers zerbrochen ist.«
Daraufhin wurden die Mienen aller Meisterschüler sehr ernst. Sie wissen, das bedeutet, dass er »tot« ist. Das ist gut; sie werden das Spiel ernst nehmen und Regeln hinterfragen, die nicht funktionieren.
Er zog die Augenbrauen hoch und wartete, ob die Meisterschüler noch weitere Fragen stellen würden, aber sie alle schwiegen erwartungsvoll. »Wollen wir anfangen? Dann wählt eure Anführer.«
Noch während die beiden Gruppen sich teilten und darüber diskutierten, wer ihr Magier sein sollte, erkannten sie erste Unterschiede zwischen dem Spiel und der Realität. Meisterschüler bekamen normalerweise nicht die Gelegenheit, ihre Meister auszuwählen. Die meisten Magier hatten ein oder zwei Schüler, und nach allem, was sie inzwischen herausgefunden hatten, hatten die Eindringlinge im Durchschnitt nicht mehr als vier oder fünf Sklaven.
Sobald die »Magier« ernannt worden waren, kehrte eine Gruppe der anderen den Rücken zu, sodass Letztere sich einen Platz im Lager suchen konnte; danach vertraute die versteckte Gruppe darauf, dass die anderen den Blick abwandten, während ihre Gegner ebenfalls Aufstellung nahmen. Dakon bemerkte, dass einige Magier aus den Zelten gekommen und stehen geblieben waren, um ihnen zuzusehen.
Unter großem Gelächter und etlichen Flüchen entfaltete sich die »Schlacht«. Dakon fiel auf, wie verletzbar Meisterschüler waren, sobald sie ihre Kraft abgegeben hatten. Ihre beste Strategie bestand darin, sich zu verstecken oder in der Nähe ihres Meisters zu bleiben und sich hinter seinem Schild zu halten. Ein »Magier«, den es störte, dass er allein seinen Gegner angriff, erhob einen Meisterschüler in den Rang eines »Magiers«, wählte dafür jedoch einen Freund aus statt des Meisterschülers, der die Rolle am besten ausgefüllt hätte.
Als das Spiel endete, kamen sie alle zusammen, um über die Schlacht zu reden. Abgesehen von einigen Vorwürfen, jemand sei unehrlich gewesen - Meisterschüler, die sich nicht gesetzt hatten, nachdem ihr Schild »zerbrochen« war -, waren sie voller Ideen. Alle kamen darin überein, dass es mehr »Magier« auf jeder Seite geben sollte mit jeweils nicht mehr als zwei Meisterschülern, und dass die Zahl der auszuteilenden Schläge begrenzt und jeweils durch Würfeln festgelegt werden sollte. Sie begannen ein weiteres Spiel.
Dieses entwickelte sich auf dramatische Weise anders. Plötzlich gab es mehr Angreifer und mehr Ziele. Unverzüglich hatten alle Probleme mit der Verständigung und der Abstimmung. Beide Seiten begannen, sich mit Signalen zu verständigen, die jedoch auch von ihren Gegnern wahrgenommen wurden. Da keiner der Magier einer Seite klar als Führer seiner Partei galt, kam es zu Streitigkeiten und gegenseitiger Behinderung.
An einer Stelle versuchten zwei befreundete »Magier«, ihre Angriffe miteinander abzustimmen, indem sie ihren Gegner zur gleichen Zeit attackierten, und mehrere Blitze wurden vergeudet, weil sie nicht gleichzeitig handelten.
Plötzlich bemerkte Dakon, dass Lord Ardalen neben ihm stand.
»Es gibt da einen Trick, den ich Euch beibringen sollte, bevor ich aufbreche«, murmelte er. »Sobald das Spiel zu Ende ist.«
Dakon sah ihn überrascht an, dann nickte er. Als er sich umschaute, fiel ihm auf, dass inzwischen alle Magier wach waren und zusahen. Langsam wünschte er sich, das Spiel würde früher enden, sodass er von ihren neugierigen Blicken verschont blieb, aber er zwang sich, weiterhin die Schlacht zu analysieren. Was konnte Lord Ardalen wissen, von dem er überzeugt war, dass Dakon es nicht wusste? Er hat eindeutig gesagt Euch und nicht ihnen.
Als eine Seite schließlich fiel, widerstand Dakon der Versuchung, die Meisterschüler sofort wegzuschicken. Er trug ihnen auf, sich darüber auszutauschen, was sie getan und gelernt hatten, und zu überlegen, ob das Spiel weiterer Korrekturen bedürfe. Ardalen wandte sich zu Dakon um.
»Wegen dieses Tricks«, sagte er.
»Ja?«, antwortete Dakon.
»Ich brauche zwei Meisterschüler für die Demonstration.« Ardalen betrachtete die eifrigen Gesichter und zeigte auf Refan und Leoran. »Ihr beide. Ich möchte, dass einer von euch diesem alten Baumstamm einen Schlag versetzt.« Er klopfte Refan auf die Schulter und deutete auf einen riesigen abgebrochenen Baumstumpf am Rand der Lichtung. »Jetzt versetze ihm einen Schlag - und benutze so viel Macht, dass wir ein Ergebnis sehen können.«
Die Luft zitterte, und Holzsplitter spritzten umher.
»Jetzt zu dir, Leoran. Leg Refan die Hand auf die Schulter. Ich möchte, dass du ihm Magie schickst. Forme sie nicht zu Hitze oder Schlagkraft. Lass sie einfach als ungeformte Magie aus dir herausfließen. Refan, schau, ob du diese Magie spüren und aufnehmen kannst.«
Dakons Magen krampfte sich vor Entsetzen zusammen. Dies hier hatte zu große Ähnlichkeit mit höherer Magie. Er sah die anderen Magier näher kommen, und sie alle runzelten erschrocken die Stirn.
»Ich spüre sie, aber ich... ich kann sie nicht festhalten«, sagte Refan.
»Nein, natürlich nicht«, bekräftigte Ardalen. »Denn bevor du höhere Magie lernst, wirst du nicht in der Lage sein, sie aufzunehmen. Aber du kannst sie kanalisieren. Nimm die Magie an und versetze dem Baumstumpf noch einmal einen Schlag, aber benutze dabei keine eigene Magie.«
Wieder schimmerte die Luft, und Holz splitterte von dem Stumpf ab. Refan sog scharf die Luft ein. »Ich habe Leorans Magie benutzt!«
»Ja«, bekräftigte Ardalen. »Als mein Meister noch Schüler war, konnten er und ein Freund es nicht erwarten, höhere Magier zu werden. Sie versuchten, einander zu unterrichten, und statt höherer Magie entdeckten sie dies. Es ist nützlich, wenn ein Magier über einzigartige Fähigkeiten verfügt oder eine Aufgabe eine genau gezielte magische Einwirkung notwendig macht, die mit mehr Macht ausgeführt werden muss, als einem Magier zur Verfügung steht. Ich denke, dass das in der Schlacht nützlich sein könnte.«
Prickelnde Erregung durchlief Dakon. »Ich habe die Meisterschüler, die Magier gespielt haben, bis dreißig zählen lassen, während sie so taten, als nähmen sie die Kraft eines Meisterschülers auf. Dies macht ein solches Tun unnötig - ach du meine Güte! Unsere Meisterschüler müssten überhaupt nicht geschnitten werden, oder?«
Ardalen schüttelte den Kopf. »Es wird interessant sein zu sehen, ob das Ritual sich verändert oder die Magier die Tradition des Schneidens fortsetzen, weil sie auf diese Weise die Kontrolle behalten. Der Verlust dieser Kontrolle hat Nachteile. Der Gebende muss seine Macht genau dann aussenden, wenn der Empfänger bereit ist, sie entgegenzunehmen, oder die Magie löst sich auf und ist verschwendet.« Er hielt inne. »Aber das Verfahren hat auch einen großen Vorteil: Wenn es richtig gemacht wird, wird ein Schild, der aus der Magie von zwei oder mehr Magiern geschaffen wurde, die Angriffsschläge von allen an diesem Schild Beteiligten durchlassen, statt auf sie wie auf einen Angriff von innen heraus zu reagieren.«
Die anderen Magier waren näher gekommen, um Ardalens Ausführungen nicht zu versäumen. Alle blickten nachdenklich drein, und Argwohn und Bedenken waren verschwunden.
»Es könnte schwierig sein, sich zu bewegen, während ein Meisterschüler oder ein Magier einen an der Schulter festhält«, bemerkte Narvelan. »Aber ich sehe große Möglichkeiten in diesem Verfahren. So könnten zum Beispiel zwei Meisterschüler einander mit einem doppelt starken Schild schützen, sollten sie von einem Feind angegriffen werden.«
Andere Magier begannen über Möglichkeiten zu debattieren, wie sie Ardalens Trick einsetzen konnten. Dakon betrachtete den Magier und sah, dass der Mann zur anderen Seite des Lagers hinüberschaute, wo ein Diener bei mehreren Pferden wartete.
Ardalen seufzte. »Ich wünschte, ich könnte bleiben und selbst helfen, diese Methode meines Meisters zu verfeinern und zu erörtern, aber Lord Prinan, Magier Genfel und ich müssen jetzt aufbrechen.« Die anderen verstummten. »Ich muss einen Pass besetzen.« Er lächelte grimmig. »Genfel hat Elyner zu umgarnen, und Prinan soll einen anderen Pass schützen. Und Ihr habt die Aufgabe, Sachakaner zu jagen. Viel Glück.«
»Ich vermute, Ihr werdet es dringender brauchen als wir«, meinte Narvelan. »Gebt acht auf Euch.«
»Das werde ich.«
»Und vielen Dank«, fügte Dakon hinzu.
Ardalen drehte sich zu Dakon um und lächelte, dann ging er davon. Die Meisterschüler murmelten leise Abschiedsworte, während Mikken, Refan und der Meisterschüler Genfels sich aus der Gruppe lösten und ihren Meistern folgten. Diejenigen, die zurückblieben, sahen schweigend zu, während die kleinere Gruppe auf ihre Pferde stieg und davonritt.
»Droht ihnen auch keine Gefahr?«, erklang eine leise Stimme neben Dakon. Als er hinabblickte, sah er Tessia ängstlich die Stirn runzeln.
»Sie reiten nach Süden, und soweit wir wissen, sind die Sachakaner noch in den Bergen«, erwiderte er leise. »Niemand kann sagen, ob ihnen wirklich keine Gefahr droht, aber es ist definitiv klüger, in einer Gruppe zu reisen als allein. Was hältst du von meiner Lektion?«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich denke, dass mir Kyrima zum ersten Mal Spaß gemacht hat. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ›Spaß‹ das richtige Wort ist. Es hat ausnahmsweise einmal Sinn gemacht.«
Dakon nickte. Weil es die grimmige Realität des Krieges widerspiegelt. Eine Schande, dass es eines solchen Krieges bedurfte, um uns dazu zu bringen, über die Methoden, wie wir unsere Magier ausbilden, nachzudenken.
Magie
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