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Als Hanara den Stapel toter Zweige und Äste
vom Rücken nahm, spürte er die kalte Nachtluft, und sein Schweiß
wurde eiskalt. Er ließ seine Last neben dem Feuer fallen. Takado
saß jetzt vor den Flammen und starrte hinein, das Gesicht
nachdenklich, aber mit Spuren unterdrückten Ärgers, mit denen nur
Hanara vertraut genug war, um sie zu erkennen.
Jochara hockte neben Takado, bereit, jederzeit
aufzuspringen und die Wünsche seines Herrn zu erfüllen. Nach
Hanaras Meinung hatte der neue Quellsklave lange gebraucht, um
zu lernen, dass er Takado besser nicht störte, wenn er in einer
solchen Laune war. Die Brandwunde auf seiner Brust musste
schmerzen. Hanara verspürte ein schwaches Mitleid, aber keine große
Sympathie. Nachdem er gesehen hatte, wie einige von Takados
Verbündeten ihre Sklaven behandelten, wusste er, dass er und
Jochara noch Glück hatten.
Und ich habe größeres Glück als sie alle, weil
ich für eine kurze Zeit frei war.
Er widerstand dem Drang, laut zu schnauben. Die
Freiheit, die er erlebt hatte, war keine echte Freiheit gewesen. Er
hatte von Anfang an gewusst, dass Takado zurückkehren und ihn holen
würde. Wenn seine Freiheit echt gewesen wäre, wäre sie nicht
vorübergehend gewesen. Es war ihm wie eine kleine Belohnung
erschienen. Vielleicht gerade mal ein Zugeständnis - Zeit, um sich
zu erholen.
Die übrigen Magier und ihre Sklaven waren damit
beschäftigt, die Zelte aufzubauen und Essen herbeizubringen. Da
Takado ihm nichts anderes auftrug, kehrte Hanara in den Wald
zurück. Es wurde langsam dunkel, und es wurde immer schwieriger,
Feuerholz zu finden. An einer Stelle glitt etwas Dunkles über seine
Hand. Mit hämmerndem Herzen ließ er den Zweig fallen, den er
aufgehoben hatte, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit,
während er versuchte, die Erinnerung an viele winzige Beine, die
über seine Haut krabbelten, zu ignorieren.
Das Feuer war ein Luxus. Takado hatte sich dazu
entschieden, in einem Tal zu lagern, das sich in Windungen durchs
Gebirge zog, sodass jemand das Licht ihres Feuers nur dann sehen
würde, wenn er zufällig über sie stolperte. So weit oben in den
Bergen war es nachts noch immer kühl. Die Magier konnten sich mit
Magie warm halten, zogen es jedoch vor, ihre Kraft
aufzusparen.
Gerade als er das erste Bündel Stöcke
zusammengebunden und auf seine Schultern gehievt hatte, hörte er
eine Stimme. Als er ins Tal hinabblickte, sah er schwebende
Lichtkugeln erscheinen und mehrere Schatten näher kommen. Die
Bilder, die er durch die Bäume erhaschte, waren zu flüchtig, aber
die Art,
wie diese Menschen sich bewegten, hatte etwas Vertrautes. Er ließ
sein Bündel Stöcke fallen und rannte zurück zum Lager.
Als Hanara an seine Seite eilte, blickte Takado auf
und zog eine Augenbraue hoch.
»Dovaka«, stieß Hanara atemlos hervor.
Einen Moment lang verdüsterte ein Stirnrunzeln
Takados Gesicht, dann wurde seine Miene wieder ruhig. Er deutete
auf den Boden.
Hanara hockte sich neben Jochara und wartete.
Dies dürfte interessant werden, dachte er. Nach einigen
Bemerkungen, die Hanara belauscht hatte, war es zwischen Takados
Verbündeten und einigen Kyraliern zu irgendeiner Konfrontation
gekommen. Seither war Takado sehr still gewesen. Und es war keine
gute Stille. Seine Stimme war auf eine Weise ruhig und gemessen,
wie Hanara sie zu fürchten gelernt hatte.
Takado war wütend. Sehr wütend.
Die anderen Magier in seiner Gruppe hatten
vorsichtige Begeisterung an den Tag gelegt, ihre Worte aber
sorgfältig gewählt. Ein Kyralier weniger, sagten sie, war ein
weiterer Erfolg, um Anhänger für Takado zu gewinnen. Aber
größtenteils behielten sie ihre Meinung für sich. Takado hatte nur
wenig gesagt und nichts, was Zustimmung oder Missbilligung verraten
hätte.
Nachdem das Lager errichtet war und Sklaven zum
Ende der Postenkette geschickt worden waren, damit die andere
Gruppe sie finden konnte, hatten sie sich niedergelassen, um zu
warten. Schließlich war die zweite Gruppe eingetroffen, jedoch
hatten zwei ihrer Mitglieder gefehlt, Dovaka und Nagana. Niemand
wusste etwas über ihre Begegnung mit kyralischen Magiern.
Grüßende Rufe gingen nun Dovakas Ankunft voraus,
dann erschienen der Mann und sein Freund, und die Sklaven seiner
Gruppe folgten ihm auf die Lichtung. Takado erhob sich.
»Ich höre, du hattest viel zu tun heute«, bemerkte
er. Dovaka grinste. »Ja. Einer dieser schwachen weißen Barbaren ist
ganz allein aufgetaucht, um herumzuschnüffeln.«
»Er hat Euch gefunden?« Takado zog die Augenbrauen
hoch.
Bei dem Hinweis, es sei ihm misslungen, sich
verborgen zu halten, erschien eine tiefe Falte auf Dovakas Stirn.
»Nein. Er ist gekommen, um zu spionieren, daher haben wir ihn
bessere Manieren gelehrt.«
»Eine Lektion, die in die Tat umzusetzen er in
Zukunft gewiss reichlich Gelegenheit haben wird«, beendete Takado
Dovakas Erklärung mit einem Lächeln.
Dovaka zögerte, dann grinste er. »Keine
Chance.«
Stille folgte. Hanara bemerkte, dass die übrigen
Magier Takado genau beobachteten.
Takados Lächeln wurde breiter. »Dann gratuliere ich
dir, dass du der Erste von uns warst, der einen kyralischen Magier
getötet hat. Dafür wirst du vielleicht in die Geschichtsbücher
eingehen.« Er blickte auf Jochara hinab, machte eine knappe Geste.
»Wir sollten uns setzen und deine Leistung feiern.« Der Sklave
huschte zu den Packsäcken hinüber und brachte Takado eine Flasche
Schnaps, während die Magier alle rund um das Feuer Platz nahmen.
Als Takado Dovaka den ersten Schluck anbot, verblasste sein
Lächeln. »Ich hoffe, du wirst nicht als der Mann in die Geschichte
eingehen, der unsere Chance auf eine Eroberung Kyralias
zunichtegemacht hat.«
Dovaka zuckte die Achseln. »Indem ich einen
einzigen Kyralier getötet habe?«
»Was, wie wir alle wissen, Konsequenzen haben
wird«, erwiderte Takado. »Bisher haben sie sich aus denselben
Gründen zurückgehalten wie wir. Jetzt, da wir einen von ihnen
getötet haben, steht es ihnen frei, uns zu töten. Sie werden ihre
Taktik ändern. Das Gleiche müssen wir tun. Erzähl mir nicht, das
sei dir nicht klar gewesen! Es war der Grund, warum ich darum
gebeten hatte, keine kyralischen Magier zu töten, bevor wir bereit
sind.«
»Wir sind bereit«, höhnte Dovaka. »Wir sind
zahlreich genug und stark genug, um zehn Dörfer zu nehmen. Du
würdest warten, bis ganz Sachaka heimlich durch die Berge
streift.«
»Zehn Dörfer.« Takado lachte leise. Mehr sagte er
nicht. Die Flasche hatte die Runde gemacht, daher bot er sie
abermals Dovaka an.
»Die Kyralier sind gering an Zahl, und sie sind
dumm«, sagte Dovaka, bevor er einen tiefen Schluck nahm. Sein Blick
wanderte von Takado zu den anderen Magiern. »Wir könnten jetzt ein
Drittel ihres Landes einnehmen. Ihre Dörfer sind zu weit
voneinander entfernt, als dass sie sich verteidigen ließen.«
»Zu weit entfernt für sie oder für uns«, erwiderte
Takado. »Warum Zeit, Energie und sachakanische Leben bei der
Eroberung eines Dorfes vergeuden, das wir wieder verlieren
würden?«
»Wir könnten genauso mühelos fortgehen, wie wir
erscheinen könnten. Und sobald die Nachricht, dass wir Land erobert
haben, in Sachaka bekannt wird, würde sich die Zahl jener, die sich
uns anschließen wollen, verzehnfachen. Wenn wir uns im Wald
verkriechen, wird das niemanden dazu ermuntern, sein behagliches
Zuhause zu verlassen. Die Eroberung von Land wird diese Wirkung
jedoch gewiss haben. Und wenn sie sich uns anschließen, könnten wir
mehr Land erobern, bis wir nur noch Imardin bezwingen müssten.«
Dovaka nahm noch einen Schluck von dem Schnaps.
»Bist du begeistert?«, fragte Takado.
Dovaka blinzelte, blickte auf die Flasche hinab und
reichte sie dann dem nächsten Magier. »Ich bin mehr als begeistert.
Ich habe ein Ziel und einen Plan.«
»Hmm«, sagte Takado leise und nickte. »Das habe ich
auch. Wie sieht dein Plan aus? Was willst du gewinnen?«
Dovakas Augen leuchteten. »Kyralia.«
»Ganz für dich allein?«
»Nein! Für Sachaka.« Dovaka grinste. »Nun, wobei
ein Teil davon natürlich mir gehören würde. Ich will eine
Gegenleistung dafür, dass ich all die Risiken eingegangen
bin.«
»Ja«, sagte Takado. »Das wollen wir alle. Ein jeder
von uns hat etwas anzubieten, seien wir nun risikofreudige oder
vorsichtige Planer, da wir alle etwas zu gewinnen haben. Wir müssen
alle so handeln, wie es unser gesunder Menschenverstand uns
rät.«
Als das Mahl - darunter eine mit Hilfe von Magie
geröstete Eberkeule, die Dovakas Gruppe mitgebracht hatte -
verteilt
war, wandte das Gespräch sich praktischeren Themen zu. Takados
Schnapsflasche wurde geleert und eine weitere hervorgeholt. Es
fühlte sich an wie ein Fest, und obwohl Hanara erleichtert war,
dass sich zwischen Dovaka und Takado kein Streit entwickelt hatte,
wusste er sehr wohl, dass nicht alles zum Besten stand.
Es war inzwischen tiefe Nacht geworden. Die Magier
gähnten und zogen sich zum Schlafengehen zurück. Dovaka und Nagana
stolperten zu ihren Betten und Sklavinnen. Als sie fort waren,
beugte Dachido sich zu Takado vor.
»Was wirst du tun?«, murmelte er.
Ein kleines, schiefes Lächeln umspielte Takados
Lippen. »Nichts. Tatsächlich bin ich froh, dass der erste
kyralische Magier tot ist, da ich jetzt einen Teil meines Plans in
Gang setzen kann.« Er nickte. »Unser risikofreudiger Freund ist
durchaus nützlich.«
Dachido blickte zweifelnd drein, dann sah er wieder
zu Takado hoch. »Ich würde dich fragen, was du vorhast, wenn ich
nicht bereits wüsste, dass es keinen Sinn hat. Wir werden es mit
der Zeit schon herausfinden. Schlaf gut.«
Als der Mann fortging, spürte Hanara etwas Schweres
auf der Schulter und begriff, dass Jochara eingeschlafen war. Er
stieß dem jungen Mann einen Ellbogen in die Rippen, eine
Gefälligkeit, die ihm ein mürrisches Stirnrunzeln eintrug. Dann
stand Takado auf und ging zu seinem Zelt, und die beiden beeilten
sich, ihm zu folgen.
Irgendwo hinter dicken Wolken stieg langsam die
Sonne über dem Horizont auf. Nur fahles natürliches Licht erreichte
die Lichtung; daher hatten sie einige Lichtkugeln geschaffen, um
das Lager zu erhellen. Die meisten Magier schliefen noch - nur
einige wenige Frühaufsteher waren aus ihren Zelten gekommen, um die
Wachen abzulösen.
Die Meisterschüler, die vor Dakon standen, wirkten
größtenteils verwirrt oder mürrisch, obwohl auf immer mehr
Gesichtern jähes Begreifen aufleuchtete und die Mienen größere
Begeisterung verrieten.
»Einige von euch haben erraten, warum ich euch alle
so früh geweckt habe«, sagte er. »Vor einigen Tagen haben wir
beschlossen, dass eure Ausbildung nicht länger vernachlässigt
werden darf, dass es aber nur eine gangbare Methode gibt, eure
Lektionen fortzusetzen: Ein Magier soll euch alle gleichzeitig
unterrichten. Ich habe mich erboten, euer erster Lehrer zu
sein.«
Er sah sie einen nach dem anderen an und prägte
sich ein, welche Meisterschüler besorgt, zweifelnd oder eifrig
wirkten. Der Tod von Sudin und Aken mochte alle gezwungen haben zu
begreifen, wie gefährlich die sachakanische Invasion war, aber er
wusste, dass einige Magier noch immer nicht mit dem Verfahren
einverstanden waren und das Teilen von Wissen fürchteten.
Um die Zweifler zu beruhigen, hatte Dakon einen
Plan ersonnen. Sie waren sich alle darin einig, dass die
Meisterschüler in der Lage sein sollten, sich zu verteidigen. Also
würden sich die Lektionen um magische Kampffähigkeiten drehen,
wobei die Verteidigung im Mittelpunkt stand.
Er hatte bis spät in die Nacht hinein darüber
nachgedacht. Anfangs hatte er überlegt, die Lektionen wie ein
Kyrimaspiel anzugehen, aber es gab große Unterschiede zwischen
einem echten Kampf und der Art, wie Kyrima gespielt wurde.
»Wir werden mit einer Runde Kyrima anfangen, bei
der ihr die Spielsteine seid«, erklärte er ihnen. »Bevor wir
beginnen, möchte ich euch einige grundlegende Regeln nennen, die
ihr alle befolgen solltet. Alle Schläge müssen harmlose
Blitzstrahlen sein. Weiß einer von euch, wie man das macht?« Keiner
der Meisterschüler antwortete, daher nickte Dakon. »Wir werden den
Schild eines Meisterschülers als zerbrochen ansehen, wenn er einmal
getroffen wurde, aber wenn der Betreffende in dieser Runde an
seinen Magier noch keine Kraft abgegeben hat, erst nach zwei
Treffern. Wenn euer Schild zerbrochen ist, müsst ihr das Spiel
verlassen. Seid ehrlich! Ihr sollt hier etwas lernen, und es geht
nicht darum, eine besonders hohe Punktzahl zu erzielen.
Jede Seite wird jemanden auswählen, der den Magier
spielt.
Ein Magier darf sich mit einem Schild umgeben, der fünf Schlägen
standhält und zusätzlich einem Schlag für jeden Meisterschüler, von
dem der betreffende Magier Kraft hat beziehen können. Magier können
Meisterschüler zwischen den Runden in einen höheren Rang erheben.
Natürlich werden diejenigen, die den Magier spielen, ihre
Meisterschüler nicht schneiden müssen, aber sie müssen ihn
zumindest so lange berühren, dass man bis dreißig zählen kann. Wenn
ich jemanden dabei ertappe, dass er einen anderen schneidet oder
gefährliche oder schmerzhafte Schläge austeilt, wird der
Betreffende von der Übung ausgeschlossen werden.«
Er ging zwischen ihnen umher und teilte sie in zwei
fast gleich große Gruppen. »Diejenigen links von mir werden eine
Gruppe bilden; die rechts von mir die andere«, fuhr er fort.
»Während ihr spielt, prägt euch die Dinge ein, in denen Kyrima
keine echten magischen Schlachten widerspiegelt. Wir werden wieder
zusammenkommen und über diese Punkte reden, und darüber, wie man
damit umgeht.«
Die meisten der Meisterschüler lächelten jetzt,
denn sie dachten, ihre Lektion würde ein müheloses, amüsantes Spiel
werden. Ich hoffe, dies erweist sich nicht als sinnlos, und ich
hoffe, es wird niemand verletzt. Er hatte noch nie versucht,
ein Kyrimaspiel mit lebenden Personen zu spielen. Aber
andererseits habe ich auch noch nie mehr als zwei Meisterschüler
gleichzeitig unterrichtet. Ich werde mich einfach herantasten
müssen.
»Welchen Regeln folgen wir, Lord Dakon?«,
erkundigte sich Mikken.
»Standard.« Dakon hatte die Möglichkeit erwogen,
kein Regelsystem zu benutzen, aber viele dieser Regeln dienten
dazu, das Spiel einfacher oder interessanter zu machen. Die Regeln,
auf die das nicht zutraf, konnten herausgenommen werden, sobald sie
einige Runden gespielt hatten und wussten, welche Regeln
unpraktisch waren.
»Werden wir würfeln, um zu entscheiden, wie stark
die Magier sind?«, fragte Leoran.
Dakon schüttelte den Kopf. »Da wir nur harmlose
Lichtblitze benutzen werden, wird Stärke keine Rolle spielen. Wir
könnten jedem Magier eine unterschiedliche Anzahl an
Lichtblitzschlägen zubilligen, die er austeilen darf, aber es
dürfte schwer sein mitzuzählen. Trotzdem werden wir es später
vielleicht versuchen.«
»Werdet Ihr die Treffer zählen?«, fragte Tessia.
»Es wird nicht gezählt.« Dakon lächelte grimmig. »Das Spiel ist
aus, wenn der Schild eines Magiers zerbrochen ist.«
Daraufhin wurden die Mienen aller Meisterschüler
sehr ernst. Sie wissen, das bedeutet, dass er »tot« ist. Das ist
gut; sie werden das Spiel ernst nehmen und Regeln hinterfragen, die
nicht funktionieren.
Er zog die Augenbrauen hoch und wartete, ob die
Meisterschüler noch weitere Fragen stellen würden, aber sie alle
schwiegen erwartungsvoll. »Wollen wir anfangen? Dann wählt eure
Anführer.«
Noch während die beiden Gruppen sich teilten und
darüber diskutierten, wer ihr Magier sein sollte, erkannten sie
erste Unterschiede zwischen dem Spiel und der Realität.
Meisterschüler bekamen normalerweise nicht die Gelegenheit, ihre
Meister auszuwählen. Die meisten Magier hatten ein oder zwei
Schüler, und nach allem, was sie inzwischen herausgefunden hatten,
hatten die Eindringlinge im Durchschnitt nicht mehr als vier oder
fünf Sklaven.
Sobald die »Magier« ernannt worden waren, kehrte
eine Gruppe der anderen den Rücken zu, sodass Letztere sich einen
Platz im Lager suchen konnte; danach vertraute die versteckte
Gruppe darauf, dass die anderen den Blick abwandten, während ihre
Gegner ebenfalls Aufstellung nahmen. Dakon bemerkte, dass einige
Magier aus den Zelten gekommen und stehen geblieben waren, um ihnen
zuzusehen.
Unter großem Gelächter und etlichen Flüchen
entfaltete sich die »Schlacht«. Dakon fiel auf, wie verletzbar
Meisterschüler waren, sobald sie ihre Kraft abgegeben hatten. Ihre
beste Strategie bestand darin, sich zu verstecken oder in der Nähe
ihres Meisters zu bleiben und sich hinter seinem Schild zu halten.
Ein »Magier«, den es störte, dass er allein seinen Gegner angriff,
erhob einen Meisterschüler in den Rang eines »Magiers«,
wählte dafür jedoch einen Freund aus statt des Meisterschülers,
der die Rolle am besten ausgefüllt hätte.
Als das Spiel endete, kamen sie alle zusammen, um
über die Schlacht zu reden. Abgesehen von einigen Vorwürfen, jemand
sei unehrlich gewesen - Meisterschüler, die sich nicht gesetzt
hatten, nachdem ihr Schild »zerbrochen« war -, waren sie voller
Ideen. Alle kamen darin überein, dass es mehr »Magier« auf jeder
Seite geben sollte mit jeweils nicht mehr als zwei Meisterschülern,
und dass die Zahl der auszuteilenden Schläge begrenzt und jeweils
durch Würfeln festgelegt werden sollte. Sie begannen ein weiteres
Spiel.
Dieses entwickelte sich auf dramatische Weise
anders. Plötzlich gab es mehr Angreifer und mehr Ziele.
Unverzüglich hatten alle Probleme mit der Verständigung und der
Abstimmung. Beide Seiten begannen, sich mit Signalen zu
verständigen, die jedoch auch von ihren Gegnern wahrgenommen
wurden. Da keiner der Magier einer Seite klar als Führer seiner
Partei galt, kam es zu Streitigkeiten und gegenseitiger
Behinderung.
An einer Stelle versuchten zwei befreundete
»Magier«, ihre Angriffe miteinander abzustimmen, indem sie ihren
Gegner zur gleichen Zeit attackierten, und mehrere Blitze wurden
vergeudet, weil sie nicht gleichzeitig handelten.
Plötzlich bemerkte Dakon, dass Lord Ardalen neben
ihm stand.
»Es gibt da einen Trick, den ich Euch beibringen
sollte, bevor ich aufbreche«, murmelte er. »Sobald das Spiel zu
Ende ist.«
Dakon sah ihn überrascht an, dann nickte er. Als er
sich umschaute, fiel ihm auf, dass inzwischen alle Magier wach
waren und zusahen. Langsam wünschte er sich, das Spiel würde früher
enden, sodass er von ihren neugierigen Blicken verschont blieb,
aber er zwang sich, weiterhin die Schlacht zu analysieren. Was
konnte Lord Ardalen wissen, von dem er überzeugt war, dass Dakon es
nicht wusste? Er hat eindeutig gesagt Euch und nicht
ihnen.
Als eine Seite schließlich fiel, widerstand Dakon
der Versuchung, die Meisterschüler sofort wegzuschicken. Er trug
ihnen
auf, sich darüber auszutauschen, was sie getan und gelernt hatten,
und zu überlegen, ob das Spiel weiterer Korrekturen bedürfe.
Ardalen wandte sich zu Dakon um.
»Wegen dieses Tricks«, sagte er.
»Ja?«, antwortete Dakon.
»Ich brauche zwei Meisterschüler für die
Demonstration.« Ardalen betrachtete die eifrigen Gesichter und
zeigte auf Refan und Leoran. »Ihr beide. Ich möchte, dass einer von
euch diesem alten Baumstamm einen Schlag versetzt.« Er klopfte
Refan auf die Schulter und deutete auf einen riesigen abgebrochenen
Baumstumpf am Rand der Lichtung. »Jetzt versetze ihm einen Schlag -
und benutze so viel Macht, dass wir ein Ergebnis sehen
können.«
Die Luft zitterte, und Holzsplitter spritzten
umher.
»Jetzt zu dir, Leoran. Leg Refan die Hand auf die
Schulter. Ich möchte, dass du ihm Magie schickst. Forme sie nicht
zu Hitze oder Schlagkraft. Lass sie einfach als ungeformte Magie
aus dir herausfließen. Refan, schau, ob du diese Magie spüren und
aufnehmen kannst.«
Dakons Magen krampfte sich vor Entsetzen zusammen.
Dies hier hatte zu große Ähnlichkeit mit höherer Magie. Er sah die
anderen Magier näher kommen, und sie alle runzelten erschrocken die
Stirn.
»Ich spüre sie, aber ich... ich kann sie nicht
festhalten«, sagte Refan.
»Nein, natürlich nicht«, bekräftigte Ardalen. »Denn
bevor du höhere Magie lernst, wirst du nicht in der Lage sein, sie
aufzunehmen. Aber du kannst sie kanalisieren. Nimm die Magie an und
versetze dem Baumstumpf noch einmal einen Schlag, aber benutze
dabei keine eigene Magie.«
Wieder schimmerte die Luft, und Holz splitterte von
dem Stumpf ab. Refan sog scharf die Luft ein. »Ich habe Leorans
Magie benutzt!«
»Ja«, bekräftigte Ardalen. »Als mein Meister noch
Schüler war, konnten er und ein Freund es nicht erwarten, höhere
Magier zu werden. Sie versuchten, einander zu unterrichten, und
statt höherer Magie entdeckten sie dies. Es ist nützlich, wenn
ein Magier über einzigartige Fähigkeiten verfügt oder eine Aufgabe
eine genau gezielte magische Einwirkung notwendig macht, die mit
mehr Macht ausgeführt werden muss, als einem Magier zur Verfügung
steht. Ich denke, dass das in der Schlacht nützlich sein
könnte.«
Prickelnde Erregung durchlief Dakon. »Ich habe die
Meisterschüler, die Magier gespielt haben, bis dreißig zählen
lassen, während sie so taten, als nähmen sie die Kraft eines
Meisterschülers auf. Dies macht ein solches Tun unnötig - ach du
meine Güte! Unsere Meisterschüler müssten überhaupt nicht
geschnitten werden, oder?«
Ardalen schüttelte den Kopf. »Es wird interessant
sein zu sehen, ob das Ritual sich verändert oder die Magier die
Tradition des Schneidens fortsetzen, weil sie auf diese Weise die
Kontrolle behalten. Der Verlust dieser Kontrolle hat Nachteile. Der
Gebende muss seine Macht genau dann aussenden, wenn der Empfänger
bereit ist, sie entgegenzunehmen, oder die Magie löst sich auf und
ist verschwendet.« Er hielt inne. »Aber das Verfahren hat auch
einen großen Vorteil: Wenn es richtig gemacht wird, wird ein
Schild, der aus der Magie von zwei oder mehr Magiern geschaffen
wurde, die Angriffsschläge von allen an diesem Schild Beteiligten
durchlassen, statt auf sie wie auf einen Angriff von innen heraus
zu reagieren.«
Die anderen Magier waren näher gekommen, um
Ardalens Ausführungen nicht zu versäumen. Alle blickten
nachdenklich drein, und Argwohn und Bedenken waren
verschwunden.
»Es könnte schwierig sein, sich zu bewegen, während
ein Meisterschüler oder ein Magier einen an der Schulter festhält«,
bemerkte Narvelan. »Aber ich sehe große Möglichkeiten in diesem
Verfahren. So könnten zum Beispiel zwei Meisterschüler einander mit
einem doppelt starken Schild schützen, sollten sie von einem Feind
angegriffen werden.«
Andere Magier begannen über Möglichkeiten zu
debattieren, wie sie Ardalens Trick einsetzen konnten. Dakon
betrachtete den Magier und sah, dass der Mann zur anderen Seite des
Lagers hinüberschaute, wo ein Diener bei mehreren Pferden
wartete.
Ardalen seufzte. »Ich wünschte, ich könnte bleiben
und selbst helfen, diese Methode meines Meisters zu verfeinern und
zu erörtern, aber Lord Prinan, Magier Genfel und ich müssen jetzt
aufbrechen.« Die anderen verstummten. »Ich muss einen Pass
besetzen.« Er lächelte grimmig. »Genfel hat Elyner zu umgarnen, und
Prinan soll einen anderen Pass schützen. Und Ihr habt die Aufgabe,
Sachakaner zu jagen. Viel Glück.«
»Ich vermute, Ihr werdet es dringender brauchen als
wir«, meinte Narvelan. »Gebt acht auf Euch.«
»Das werde ich.«
»Und vielen Dank«, fügte Dakon hinzu.
Ardalen drehte sich zu Dakon um und lächelte, dann
ging er davon. Die Meisterschüler murmelten leise Abschiedsworte,
während Mikken, Refan und der Meisterschüler Genfels sich aus der
Gruppe lösten und ihren Meistern folgten. Diejenigen, die
zurückblieben, sahen schweigend zu, während die kleinere Gruppe auf
ihre Pferde stieg und davonritt.
»Droht ihnen auch keine Gefahr?«, erklang eine
leise Stimme neben Dakon. Als er hinabblickte, sah er Tessia
ängstlich die Stirn runzeln.
»Sie reiten nach Süden, und soweit wir wissen, sind
die Sachakaner noch in den Bergen«, erwiderte er leise. »Niemand
kann sagen, ob ihnen wirklich keine Gefahr droht, aber es ist
definitiv klüger, in einer Gruppe zu reisen als allein. Was hältst
du von meiner Lektion?«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich denke, dass mir
Kyrima zum ersten Mal Spaß gemacht hat. Obwohl ich mir nicht sicher
bin, ob ›Spaß‹ das richtige Wort ist. Es hat ausnahmsweise einmal
Sinn gemacht.«
Dakon nickte. Weil es die grimmige Realität des
Krieges widerspiegelt. Eine Schande, dass es eines solchen Krieges
bedurfte, um uns dazu zu bringen, über die Methoden, wie wir unsere
Magier ausbilden, nachzudenken.