FÜNFZEHN

Aus der fürchterlichen Backofenhitze der gleißenden Skorpionwüste traten sie in den kalten Schatten eines Berggipfels. Sie blieben an der Tür stehen, verschafften sich einen ersten Eindruck ihrer neuesten Feuerprobe, und Leon fragte sich, ob sie es in diesem grauen Raum mit Jägern oder Spuckern zu tun bekommen würden.

Grau war der verwinkelte Berg, der vor ihnen aufragte. Grau waren auch die Wände und die Decke sowie der gewundene Pfad, der sich westwärts schlängelte und den „Gipfel“ der Erhebung säumte. Selbst das struppige Gras zwischen den unförmigen Felsblöcken war grau. Der Berg sah ziemlich echt aus, grob behauene Granitbrocken mit Beton vermischt, passend gefärbt und zu gezackten Klippen und Spitzen geformt. Der Gesamteindruck entsprach dem eines einsamen, kahlen, windgepeitschten Gebirgskamms.

Nur dass es hier keinen Wind gibt und keine Gerüche. Genau wie in den anderen beiden Räumen, absolut keine Gerüche.

„Vielleicht ziehst du lieber dein Sweatshirt wieder über“, meinte John, doch Leon war schon dabei, den Knoten um seine Hüften zu lösen. Die Temperatur war um mindestens fünfzehn Grad gefallen, und der Schweiß, der ihm in Phase zwei aus den Poren getreten war, gefror ihm fast auf der Haut.

„Wohin gehen wir?“, fragte Cole. In seinen geweiteten Augen flackerte Nervosität.

John deutete schräg durch den Raum, in südwestliche Richtung. „Wie wär’s mit der Tür?“

„Ich glaube, er meinte, auf welchem Weg“, sagte Leon. Er sprach leise, wie die anderen auch. Es musste nicht sein, dass sie die Bewohner auf sich aufmerksam machten. Wahrscheinlich würden sie früh genug aufeinander treffen.

Die Drei wägten ihre Alternativen ab: Sollten sie den grauen Pfad nehmen oder den grauen Berg ersteigen?

Jäger oder Spucker Leon seufzte lautlos. Sein Magen verkrampfte sich, und er fürchtete schon jetzt, was ihnen auch als Nächstes begegnen würde. Wenn sie es schafften, hinauszukommen, und wenn sie Reston fanden, würde er dem guten Mr. Blue kräftig in den Arsch treten. Das widersprach zwar der Haltung, die ihn dazu veranlasst hatte, Polizist zu werden, aber da hatte er auch noch nicht Umbrella auf der Rechnung gehabt.

„Hinsichtlich der besseren Verteidigungsmöglichkeit würde ich sagen, wir nehmen den Pfad“, meinte John, den Blick auf die raue Oberfläche des Hanges gerichtet. „Wenn wir da raufklettern, könnten wir uns in eine Falle manövrieren.“

„Ich glaube, es gibt eine Brücke“, sagte Cole. „Ich habe nur an einer der Kameras hier drinnen gearbeitet, an dieser dort

Er zeigte nach rechts oben, in die Ecke. Leon konnte sie nicht einmal sehen die Wände waren über fünfzehn Meter hoch und ihre eintönige Farbe verschmolz mit der Decke. So entstand eine Art optischer Täuschung, die den Raum endlos weit erscheinen ließ.

„Ich stand auf einer Leiter, von der aus ich ein bisschen hinüberschauen konnte“, fuhr Cole fort. „Auf der anderen Seite gibt es eine Schlucht, über die eine Hängebrücke führt.“

Während Cole sprach, öffnete Leon seine Tasche und sah nach, wie viel Munition er noch hatte. „Wie sieht’s mit der M-16 aus?“

„Noch etwa fünfzehn drin“, antwortete John, auf das gebogene Magazin klopfend. „Außerdem hab ich noch zwei volle Magazine mit je dreißig Schuss zwei Clips für die H&K und noch eine Granate. Und du?“

„Sieben Schuss in der Waffe, drei Clips, eine Granate. Henry, hast du mitgezählt?“

Der Umbrella-Arbeiter nickte. „Ich denke schon fünf Schüsse, ich hab fünfmal abgedrückt.“

Er sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, sein Blick pendelte zwischen Leon und John hin und her, und schließlich senkte er ihn hinab auf seine schmutzigen Arbeitsstiefel. John sah Leon an, der mit den Achseln zuckte. Sie wussten eigentlich nichts über Henry Cole, außer dass er so wenig hierher gehörte wie sie selbst.

„Hört mal ich weiß, dass das weder die rechte Zeit noch der rechte Ort ist, aber ich möchte euch nur sagen, dass es mir leidtut. Ich meine, mir war klar, dass hier irgendwas faul ist. Mit Umbrella. Und ich wusste, dass Reston ein totales Arschloch ist, aber wenn ich nicht so gierig oder dumm gewesen wäre, hätte ich euch nie in diese Lage gebracht.“

„Henry“, sagte Leon, „du hast es nicht gewusst, okay? Und glaub mir, du bist nicht der Erste, der reingelegt wurde

„Ganz richtig“, unterbrach John. „Ernsthaft. Die Schlipsträger sind hier das Problem, nicht Leute wie du.“

Cole sah nicht auf, aber er nickte. Seine mageren Schultern sackten wie vor Erleichterung nach unten. John reichte ihm noch ein Magazin und nickte in Richtung des Pfades, während Cole den Clip in seine Gesäßtasche schob.

„Auf geht’s“, sagte John, womit er zwar beide meinte, doch er sprach an Cole gewandt. Leon bemerkte in seiner tiefen Stimme einen aufmunternden Ton, der vermuten ließ, dass er anfing, den Umbrella-Arbeiter zu mögen. „Wenn alle Stricke reißen, können wir uns nach Zwei zurückziehen. Bleibt dicht zusammen, verhaltet euch still und versucht, auf die Köpfe oder Augen zu schießen vorausgesetzt, sie haben Augen.“

Cole lächelte schwach.

„Ich bilde die Nachhut“, sagte Leon, und John nickte, ehe er von der Luke weg trat und sich nach links wandte. Die kühle Luft war so still wie vorhin, als sie hereingekommen waren; es gab keine Geräusche außer denen, die sie selbst verursachten. Leon bildete das Schlusslicht, Cole trottete langsam vor ihm her.

Der Pfad war gefurcht, als hätte jemand einen Rechen durch den Beton gezogen, bevor er getrocknet war. Rechts lag der „Gipfel“. Der Weg erstreckte sich über fast fünfundzwanzig Meter und bog dann scharf nach Süden ab, wo er hinter einem zerklüfteten Hügel verschwand.

Sie waren etwa fünfzehn Meter weit gegangen, als Leon hinter ihnen das Kullern von Geröll hörte, das den Abhang herunterkam.

Überrascht drehte er sich um und sah das Tier nahe der Gipfelspitze, zehn Meter über ihnen. Er sah es und war nicht sicher, was er sah, nur dass es sich bewegte, auf seinen vier kräftigen Beinen die Hügelflanke herabhüpfte wie eine Bergziege.

Wie eine gehäutete Ziege. Wie wie

… wie nichts, was er je gesehen hatte! Und dieses Etwas hatte den Boden fast schon erreicht, als sie ein feuchtes, rasselndes Geräusch auffingen, das irgendwo vor ihnen erklang; ein Geräusch, das an einen verschleimten Rachen erinnerte, den sich jemand freiräusperte oder an einen Hund, der mit dem Maul voll Blut knurrte.

Sie saßen in der Falle. Der Fluchtweg war ihnen abgeschnitten, und die Schreckenslaute kamen von beiden Seiten auf sie zu.

Auf das Gelände zurückzugelangen war bemerkenswert einfach. Rebecca brauchte Hilfe, um über den Zaun zu steigen, aber mit jeder verstreichenden Minute schien es ihr besser zu gehen. Gleichgewichts- und Koordinationssinn schienen wieder ins Lot zu kommen. Davids Erleichterung war größer, als er zugegeben hätte, und im gleichen Maße freute er sich über Umbrellas Wache. Drei Männer, zwei am Zaun und ein weiterer beim Van das war lächerlich.

Sie hatten sich auf den Rückweg gemacht, kaum dass der Hubschrauber gestartet war, und sich dabei Richtung Süden gehalten. Leise bewegten sie sich seither durch die Dunkelheit und dehnten ihre eingefrorenen Muskeln. Als sie bis auf ein paar Hundert Meter heran gewesen waren, hatte David die anderen kurz verlassen, um die Lage zu sondieren. Dann war er zurückgekommen und hatte die beiden zitternden Frauen über den Zaun und auf das Areal geführt. David wusste, dass sie, bevor sie daran denken konnten, die Wachen auszuschalten, der Kälte entkommen und an einen sicheren Ort gelangen mussten. Dort würden sie ihr Vorgehen besprechen und Rebeccas Verfassung neu einschätzen. Er wählte dafür das augenfälligste der Gebäude aus, das mittlere. Es war mit zwei Satellitenschüsseln und einer Reihe von Antennen ausgestattet und an einer Seite verlief eine isolierte Leitung nach unten. Wenn er recht hatte und es sich um die Funkzentrale handelte, war das genau der Platz, den sie sich wünschten.

Und wenn ich mich irre, gibt es noch zwei andere Bauten, die wir uns ansehen können. Der eine wird ein Generatorraum sein, der irgendeine Art von Wärmeregulierung haben muss. Ich kann sie dort zurücklassen und die Sabotage allein vornehmen

Sie überkletterten den Zaun von Süden her. David war erstaunt, wie dürftig Umbrella auf ihre Rückkehr vorbereitet war. Die beiden Männer, die das Gelände bewachten, waren an der Vorder- und der Rückseite des Gebäudes postiert, als bestünde keinerlei Gefahr, dass jemand aus einer anderen Richtung anrücken könnte. Als sie den Zaun überwunden hatten, führte David sein Team zur Rückwand des letzten Gebäudes in der Reihe, dann bedeutete er ihnen, die Köpfe zusammenzustecken.

„Mittleres Gebäude“, flüsterte er. „Sollte unverschlossen sein, wenn es das ist, wofür ich es halte. Aber die Lampen werden eingeschaltet sein. Ich werde hineingehen und euch dann ein Zeichen geben, mir zu folgen. Wenn ihr Schüsse hört, kommt so schnell rein, wie ihr könnt. Haltet euch dicht an den Gebäuden und geduckt, wenn wir die freie Fläche überqueren. Alles klar?“

Claire und Rebecca nickten. Rebecca stützte sich auf Claire. Von einem Humpeln abgesehen, schien es ihr gut zu gehen. Sie hatte gesagt, dass ihr noch schwindlig sei und dass ihr der Kopf schmerze, aber die wirren und sprunghaften Gedanken, die David zuvor so beunruhigt hatten, schienen aufgehört zu haben.

David drehte sich um und schob sich an der Wand des Baues entlang, der dem Zaun am nächsten lag. Er hielt sich in den Schatten und warf regelmäßige Blicke nach hinten, um sich zu vergewissern, dass die beiden Frauen den Anschluss nicht verloren. Sie erreichten das Ende, das nach Westen wies, und schlüpften um die Ecke; David zuerst, um nachzusehen, wo die Westwache stand. Es war fast zu dunkel, um etwas zu erkennen, aber vor den Metallmaschen des Gitters waren die Schatten an einer Stelle dichter dort musste sich der Wachposten aufhalten. David hob die M-16 und richtete sie auf ihn, bereit zu schießen, falls sie entdeckt würden.

Zu dumm, dass wir ihn nicht gleich erschießen können

Aber ein Schuss würde die anderen alarmieren, und während die Wächter am Zaun David keine Sorgen bereiteten, konnte der am Van postierte zu einem Problem werden er war weit genug entfernt und in der Lage, eine Funkwarnung abzusetzen, ehe er herkam, um nach dem Rechten zu sehen.

Bei den beiden hier wird es leicht sein, aber wie sollen wir uns an ihn heranpirschen?

Es gab keine Deckung, und wenn der Kerl am Van sie kommen sah

Das konnte warten sie hatten noch genug zu erledigen, bevor sie sich Sorgen wegen der Wachen machen mussten. David hielt sich geduckt und schickte Claire und Rebecca mit einer Geste hinüber, die M-16 auf die schemenhafte Gestalt am Zaun gerichtet. Er hielt die Luft an, als sie über die offene Fläche huschten, aber sie schafften es, fast ohne ein Geräusch zu verursachen.

Sobald sie drüben waren, folgte ihnen David. Sein jahrelanges Training ermöglichte es ihm, sich so lautlos wie ein Phantom zu bewegen. Als sie vom Schatten des Gebäudes geschluckt wurden, entspannte sich David ein klein wenig; das Schlimmste war vorbei. Zum mittleren Gebäude konnten sie durch die dichte Finsternis des Korridors zwischen den Bauten gelangen.

Binnen weniger als einer Minute erreichten sie den Kreuzungspunkt. David bedeutete den Frauen, zurückzubleiben, ging selbst weiter und blieb vor der geschlossenen Tür ihres Ziels stehen. Er berührte das eisige Metall des Griffs, drehte ihn und nickte sich selbst zu, als er das leise Klick des unversperrten Schlosses hörte.

Dann ist es die Funkzentrale. Der Teamführer hat die Tür für die postierten Männer offen gelassen, damit sie auf eine Satellitenverbindung zugreifen können, falls wir zurückkommen.

Nur eine Vermutung, aber wohl zutreffend.

Es war Zeit, für ein bisschen Glück zu beten. Wenn drinnen das Licht brannte, würde das Öffnen der Tür wie ein Leuchtfeuer auf jeden wirken, der auch nur zufällig in ihre Richtung blickte. Die Wachen hatten durch den Zaun nach draußen gesehen, als David die Lage checkte, aber das musste nicht viel zu sagen haben.

Er holte tief Luft und drückte die Tür auf, bemerkte, dass das Licht drinnen schwach war dann war er auch schon hineingeschlüpft und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Er lehnte sich dagegen und zählte bis zehn, dann entspannte er sich, atmete dankbar die warme Luft, während er den Blick durch das Innere schweifen ließ.

Man hatte das lagerhausähnliche Gebäude offenbar in einzelne Zellen unterteilt, und der Raum, den er betreten hatte, war vollgepackt mit Computer-Equipment. Dicke Kabel liefen über Boden und Wände; Verbindungen zu den Schüsseln oben auf dem Dach.

Das ist alles, was diese Einrichtung mit der Außenwelt verbindet

David drückte den Wandschalter. Das Deckenlicht erlosch. Dann öffnete er grinsend die Tür, damit Rebecca und Claire zu ihm hereinkommen konnten.

„Zurück, an die Wand!“, rief Leon, und Cole gehorchte, noch ehe er wusste, warum. Die träge rasselnden Geräusche schienen von irgendwo über ihnen zu kommen.

Und dann sah er die Kreatur langsam von hinten auf sie zukommen, wodurch ihnen der Rückweg abgeschnitten wurde. Mit Mühe unterdrückte er einen Schrei. Das Tier blieb fünf oder sechs Meter entfernt stehen, und Cole schien es immer noch nicht richtig wahrzunehmen es war einfach zu bizarr.

Großer Gott, was ist das?

Es war vierbeinig, paarhufig, wie ein Widder oder eine Ziege, und es hatte in etwa dieselbe Größe, aber es besaß kein Fell, keine Hörner, nichts, was auch nur vage einer natürlich gezeugten Kreatur geähnelt hätte. Der schlanke Leib war mit winzigen, rötlich braunen Schuppen überzogen wie Schlangenhaut, aber stumpf statt glänzend. Auf den ersten Blick sah es aus, als sei das Ding mit getrocknetem Blut überzogen. Der Kopf war irgendwie amphibisch, glich dem eines Frosches. Ein ohrenloses, flaches Gesicht, kleine dunkle Augen, die an den Seiten hervorquollen, ein zu breit geratenes Maul. Aus dem vorstehenden Unterkiefer, dem Kiefer einer Bulldogge, ragten spitze Zähne hervor, und der Schädel war ebenfalls mit schuppenförmigen Krusten aus getrocknetem Blut bedeckt.

Das Ding öffnete sein Maul, entblößte oben und unten scharfe Zähne, alle im hinteren Teil des Mauls und jenes schreckliche ölige Rasseln drang aus der Finsternis seines Rachens. Andere fielen in diesen bizarren Laut ein, irgendwo auf der anderen Seite des künstlichen Berggipfels, als erwiderten sie einen Ruf.

Und dieser Ruf schwoll an, wurde lauter und tiefer, als das Ding den Kopf hob und seine abscheuliche Fratze der Decke zuwandte

… und in einer plötzlichen, ruckartigen Bewegung ließ es den Kopf wieder sinken und spuckte in ihre Richtung. Ein dicker, teerähnlicher Klumpen aus rötlichem, zähflüssigem Zeug flog über die weite offene Fläche auf sie zu, auf Leon

… und Leon riss den Arm nach oben, um es abzublocken, während John zu schießen begann, von der Wand wegtrat und das Ungeheuer den Spucker mit Kugeln eindeckte.

Der Schleim traf Leons Arm. Der Batzen wäre genau in sein Gesicht geklatscht, wenn er es nicht rechtzeitig abgeschirmt hätte. Als Reaktion auf den Kugelhagel, drehte sich der Spucker um und sprang den Berg hinauf in langen, mühelosen Sätzen, die das Tier binnen Sekunden zum Gipfel brachten. Es zeigte weder Panik noch Schmerz oder sonst eine Regung, lief etwa sechs Meter zurück, sprang dann flink wieder zu Boden und blieb vor der Verbindungsluke stehen. Als wüsste es, dass es damit ihren Fluchtweg verstellte.

Und es hat nicht mal gezuckt, heilige Scheiße!

Das vielfältige Geschrei, das außerhalb ihres Blickfelds ertönte, wurde zwar nicht lauter, es entfernte sich aber auch nicht. Die gurgelnden Stimmen verstummten, eine nach der anderen. Vielleicht beruhigten sich die Wesen, weil sie kein Ziel vor Augen hatten. Plötzlich war es wieder still, so ruhig wie in dem Moment, als sie hereingekommen waren.

„Was war denn das, verflucht und zugenäht?“, fragte John und zerrte ein neues Magazin aus seiner Tasche. Seine Miene drückte vollkommene Fassungslosigkeit aus.

„War nicht mal verletzt“, flüsterte Cole. Er hielt die Neunmillimeter so fest, dass seine Finger taub zu werden begannen. Er bemerkte es kaum, sah nur zu, wie Leon den dicken, nassen, kastanienbraunen Schleimbatzen an seinem Ärmel berührte

… und vor Schmerz stöhnte, seine Hand so schnell zurückzog, als hätte er sie sich gerade verbrannt.

„Das Zeug ist toxisch“, sagte er. Hastig wischte er sich seine Finger am Sweatshirt ab und hielt sie hoch. Die Spitzen seines linken Zeige- und seines Mittelfingers hatten sich rot verfärbt, wie entzündet. Umgehend steckte er seine Pistole in den Gürtel und zog das schwarze Shirt aus. Dabei vermied er jede Berührung mit dem ätzenden Glibber, und ließ das Kleidungsstück auf den Boden fallen.

Cole war übel. Wenn Leon den Arm nicht instinktiv hochgerissen hätte

„Okay-okay-okay!“, schnaufte John mit gefurchter Stirn. „Das ist übel, wir müssen so schnell wie möglich hier raus Du sagtest, es gibt eine Brücke?“

„Ja, sie führt über den, äh, Graben“, sagte Cole rasch. „Er ist so um die sechs, sieben Meter breit wie tief, hab ich nicht gesehen.“

„Kommt“, sagte John. Er ging mit schnellen Schritten in die Richtung, wo der Pfad eine Biegung machte und sich ihren Blicken entzog. Cole folgte, Leon war unmittelbar hinter ihm. John blieb etwa drei Meter vor der Biegung stehen, drückte sich wieder gegen die Wand und sah Leon an.

„Willst du Deckung geben oder soll ich?“, fragte Leon leise.

„Ich“, sagte John. „Ich gehe zuerst und lenke ihre Aufmerksamkeit auf mich. Du, Henry, hältst dich direkt hinter Leon und Kopf runter, kapiert? Lauft hinüber zur Tür und, wenn ihr könnt, helft mir

Johns Miene war düster. „… wenn ihr nicht könnt, dann eben nicht.“

Cole fühlte einen mittlerweile nur zu vertrauten Anflug von Scham. Sie beschützen mich, sie kennen mich nicht einmal und ich habe sie in diese Lage gebracht Wenn er etwas tun konnte, um sich für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung zu revanchieren, würde er es tun, aber er war mit einem Mal ganz sicher, dass es ihm nie gelingen würde, die Sache wirklich wieder gutzumachen. Er verdankte diesen Männern sein Leben, inzwischen sogar mehr als nur einmal.

„Bereit?“, fragte John.

„Warte “ Leon machte kehrte und lief dorthin zurück, wo er das Sweatshirt hingeworfen hatte. Der Spucker an der Luke stand reglos wie eine Statue, beobachtete sie. Leon nahm das Shirt auf, eilte zurück und zog ein Taschenmesser aus seinem Hüftpack. Er schnitt den besudelten Ärmel ab, ließ ihn fallen, dann reichte er den Rest an John.

„Wenn du still stehst, halte dein Gesicht bedeckt“, sagte Leon. „Da Kugeln ihnen offenbar nichts anhaben können, brauchst du nichts zu sehen, wenn du schießt. Wenn wir drüben sind, schreie ich. Und wenn es nicht sicher ist, werde ich

Die rasselnden, gebieterischen Rufe hoben wieder an und ließen Cole aus irgendeinem Grund an Grillen denken an das beinahe mechanisch klingende Rii-rii-rii von Zikaden in einer heißen Sommernacht. Er schluckte hart und versuchte sich einzureden, dass er bereit war.

„Die Zeit ist um“, sagte John. „Macht euch bereit

Er hielt das Sweatshirt hoch, dann grinste er Leon zu dessen Erstaunen an. „Mein Bester, du solltest dir ein wirksameres Deodorant leisten du stinkst ja wie toter Hund!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, streifte John das Shirt über den Kopf und hielt es unten hoch, sodass er den Boden sehen konnte. Er rannte, das Gesicht nach unten gewandt, hinaus in den offenen Raum, während die Anspannung von Cole und Leon Besitz ergriff.

Und dann erklang auch schon ein hektisches Patpatpatpat! und plötzlich troffen lange Fäden des giftigen roten Rotzes von dem schwarzen Stoff vor Johns Gesicht. Er gab ihnen ein Handzeichen, und Leon rief: „Jetzt!“

Cole rannte, den Kopf nach unten geneigt, sodass er im Rennen nur die Stiefel von Leon sah, der vor ihm lief, verschwommenen grauen Felsboden und seine eigenen dürren Beine.

Zu seiner Linken vernahm er einen gurgelnden Schrei und duckte sich entsetzt noch tiefer.Und dann war er auf der Brücke. Flache Holzleisten bewegten sich unter seinen Füßen, mit dünnen Seilen aneinander gebunden. Er sah die V-förmige Schlucht darunter, sah, dass sie tief war, dass sie sich fünfzehn, zwanzig Meter unter dem Planeten in den Erdboden gegraben hatte

… und schon stand er wieder auf grauem Boden, noch bevor ihm etwas wie Höhenangst überhaupt in den Sinn kommen konnte. Er rannte, dachte, wie wunderbar es doch war, dass alles, woran er zu denken brauchte, Leons Stiefel waren, und sein Herz hämmerte gegen sein Brustbein.

Sekunden oder Minuten später, er wusste es nicht, wie viel Zeit verstrich, wurden die vorauseilenden Stiefel langsamer, und Cole wagte es aufzusehen. Die Wand da war die Wand, und dort war die Luke! Sie hatten es geschafft!

„John, los!“, schrie Leon, rannte ein paar Schritte zurück, die Pistole erhoben und schussbereit. „Los!“

Cole drehte sich um, sah, wie John sich die schwarze Kapuze vom Kopf riss, sah, wie sich die Horde Spucker lose vor ihm formierte, und hörte sechs, sieben von ihnen wieder ihre Schreie ausstoßen.

John stürmte durch ihre Reihen und mindestens zwei der Biester spuckten, aber er war schnell, schnell genug, dass ihn nur ein klein wenig von dem aggressiven Schleim an der Schulter erwischte jedenfalls so weit Cole es sehen konnte. Die monströsen Kreaturen setzten ihm hüpfend hinterher, nicht ganz so schnell wie er, aber beinahe.

Lauf, lauf, lauf!

Cole richtete die Neunmillimeter auf die Spucker, bereit abzudrücken, sobald er der Auffassung war, einen sicheren Schuss ansetzen zu können.

John erreichte die Brücke

… und verschwand.

Denn die Brücke stürzte ein und riss John mit in die Tiefe!

S. D Perry - Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
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