PROLOG

Associated Press, 6. Oktober 1998

TAUSENDE TOTE DURCH FEUERSBRUNST IN BERGSTÄDTCHEN

RÄTSELHAFTE ERKRANKUNG KÖNNTE EINE ROLLE SPIELEN

NEW YORK, NY Das abgeschiedene Bergstädtchen Raccoon City, PA, wurde von Bundes- und Staatsbehörden offiziell zum Katastrophengebiet erklärt. Unterdessen setzen die Löschmannschaften den Kampf gegen die letzten Flammenherde fort, und die Zahl der Toten steigt von Stunde zu Stunde. Man geht mittlerweile davon aus, dass bislang mehr als siebentausend Menschen in dem gewaltigen Feuersturm umkamen, der am Morgen des 4. Oktobers, einem Sonntag, über Raccoon hinwegtobte. Hinsichtlich der Opferzahl spricht man von der schlimmsten Katastrophe in den USA seit Beginn des Industriezeitalters, und während nationale Hilfsorganisationen und Vertreter der internationalen Presse zu den Blockaden rings um die immer noch brennenden Häuserruinen der Stadt strömen, haben sich die entsetzten Freunde und Verwandten der Einwohner von Raccoon im nahen Latham versammelt, wo sie auf Neuigkeiten warten.

Terrence Chavez, Leiter der National Disaster Control (NDC) und Koordinator der konzertierten Aktion von zahlreichen Lösch- und Notfallteams, gab gestern Nacht eine Stellungnahme an die Presse ab. Er erwarte, wenn es zu keinen unvorhersehbaren Komplikationen komme, dass die letzten Brandherde noch vor Mitte der Woche gelöscht seien, es jedoch Monate dauern könne, bis die Ursache der Katastrophe klar und geklärt sei, ob Brandstiftung vorliege. Chavez sagte: „Allein das Flächenausmaß des Schadens rückt die Ermittlungen in die Nähe der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Aber wir werden die Ursache finden, koste es, was es wolle.“

Heute Morgen um 6 Uhr wurden 78 Bürger gerettet; über ihre Namen und ihre Verfassung wurde jedoch nichts bekannt. Man brachte sie zur Beobachtung und/oder Behandlung in eine geheim gehaltene bundesstaatliche Einrichtung. In ersten Berichten der HazMat-Teams geht man davon aus, dass eine unbekannte Erkrankung, nicht allein die Feuersbrunst, für die unfassbare Zahl von Opfern verantwortlich sein könnte. Infizierte Einwohner seien womöglich, infolge der Krankheit, nicht in der Lage gewesen zu fliehen. Weiter vermutet man, dass die Krankheit bei einigen Infizierten zu Gewaltpsychosen geführt haben könnte. Mitarbeiter privater und bundesstaatlicher Seuchenkontrollzentren haben eine Ausweitung der Quarantänegrenze verlangt. Wenn auch noch keine offizielle Stellungnahme vorliegt, so sind doch einige Schilderungen von psychischen und physischen Abnormitäten „durchgesickert“. Ein Angehöriger einer Steuerbehörde sagte: „Einige dieser Leute sind nicht einfach verbrannt oder an einer Rauchvergiftung gestorben. Ich sah Menschen, die durch Schuss- und Stichwunden und andere Formen von Gewaltanwendung starben. Ich sah Menschen, die offensichtlich krank oder tot waren oder im Sterben lagen, lange, bevor das Feuer überhaupt ausbrach. Das Feuer war schlimm, furchtbar, aber es ist nicht die einzige Katastrophe, die sich hier zutrug, darauf würde ich wetten.“

Raccoon City war schon zu Beginn dieses Jahres in die Schlagzeilen geraten, als eine Serie ungewöhnlicher Morde die Stadt erschütterte. Dabei handelte es sich um scheinbar unmotivierte Bluttaten von extremer Brutalität; in einigen Fällen lag auch Kannibalismus vor. Die in der Umgebung Raccoons beheimateten Lokalzeitungen spekulieren bereits über etwaige Verbindungen zwischen den elf ungelösten Morden des vergangenen Sommers und den Gerüchten von einer Massenpsychose vor dem Ausbruch des alles verzehrenden Feuers.

Mr. Chavez wollte die Gerüchte weder bestätigen noch dementieren und sagte nur, dass man große Sorgfalt auf die Untersuchung der Tragödie legen werde

Nationwide Today, Morgenausgabe, 10. Oktober 1998

ZAHL DER TOTEN IN RACCOON STEIGT WEITER SUCH- UND RETTUNGSMANNSCHAFTEN VERSTÄRKEN BEMÜHUNGEN

NEW YORK, NY Die offizielle Zahl der Toten liegt jetzt bei knapp unter 4500. Derweil durchkämmt man die geschwärzten Ruinen von Raccoon City immer noch nach weiteren Opfern jener Apokalypse, die sich am frühen Morgen des vergangenen Sonntags ereignete. Während eine Nation trauert, arbeiten mehr als sechshundert Männer und Frauen daran, die Gründe der völligen Zerstörung eines einst friedvollen Städtchens aufzudecken. Örtliche Rettungsorganisationen, Wissenschaftler, Soldaten, Bundesagenten und Forschungsteams aus der freien Wirtschaft haben sich zu einer Demonstration von Entschlossenheit zusammengetan, vereinen ihre Ressourcen und akzeptieren delegierte Verantwortlichkeiten, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

NDC-Direktor Terrence Chavez, offizieller Leiter der Aktion, wird durch Spitzenforscher von Seuchenkontrollzentren aus aller Welt unterstützt sowie durch Vertreter der nationalen Sicherheit mehrerer bundesstaatlicher Behörden. Ebenfalls an den Untersuchungen beteiligt ist ein Team von Mikrobiologen von Umbrella, Inc., dem pharmazeutischen Unternehmen, das die Möglichkeit einer Verbindung zwischen dem firmeneigenen Chemielabor am Rande der Stadt und der rätselhaften Infektion, die inzwischen allgemein als „Raccoon-Syndrom“ bezeichnet wird, erforschen will.

Erste Diagnosen dieser Krankheit seien vage und nicht schlüssig gewesen, sagt Dr. Ellis Benjamin, Leiter des Umbrella-Teams, „aber wir sind überzeugt, dass die Einwohner von Raccoon mit irgendetwas infiziert wurden, entweder versehentlich oder mit Vorsatz. Im Moment wissen wir nur, dass es nicht durch die Luft übertragen zu werden scheint und dass es im Endstadium zu rapidem Zellverfall kam, der im Tod endete. Wir wissen noch immer nicht, ob es bakteriell oder viral war und um welche Symptome es sich handelte, aber wir werden nicht ruhen, bis wir unsere sämtlichen Mittel ausgeschöpft haben. Auf welche Ergebnisse wir auch stoßen mögen und ob nun Umbrella die Katastrophe mit verschuldet hat oder nicht wir sehen uns dazu verpflichtet, diese Angelegenheit lückenlos aufzuklären. Es ist das Mindeste, was wir tun können, in Anbetracht dessen, was unser Unternehmen den Menschen von Raccoon verdankt.“ Umbrella schuf allein im Werk Raccoon City fast tausend Arbeitsplätze.

Die 142 Überlebenden werden nach wie vor an einem geheim gehaltenen Ort zwecks Beobachtung und Befragung unter Quarantäne gehalten. Ihre Namen wurden noch immer nicht veröffentlicht, allerdings hat das FBI eine Stellungnahme über ihren gesundheitlichen Zustand herausgegeben. 17 Überlebende erlitten demnach leichte Verletzungen, befinden sich aber in stabilem Zustand, 79 sind nach operativen Eingriffen immer noch in kritischer Verfassung und 46 Überlebende wurden zwar nicht verletzt, erlitten aber schwere psychische Zusammenbrüche. Es gibt bislang keinerlei Erkenntnis, dass diese Menschen von dem Syndrom befallen sind. Die Stellungnahme enthielt jedoch Aussagen von Überlebenden, von denen die Existenz der Infektion bestätigt wird.

General Martin Goldmann, der die militärischen Operationen in der verheerten Stadt überwacht, hegt die Hoffnung, dass alle, die noch als vermisst gelten, innerhalb der nächsten sieben Tage gefunden werden. „Wir haben bereits vierhundert Leute da draußen, die rund um die Uhr nach Überlebenden suchen und Identitäten überprüfen und ich erhielt gerade die Meldung, dass am Montag noch zweihundert Männer und Frauen hinzukommen werden

Fort Worth Bugler, 10. Oktober 1998

MÖGLICHE VERSTRICKUNG STÄDTISCHER MITARBEITER IN RACCOON-TRAGÖDIE

FORT WORTH, TX Neues Beweismaterial, das Aufräummannschaften in Raccoon City, PA, entdeckten, deutet darauf hin, dass kein Geringerer als Brian Irons, Polizeichef von Raccoon, und einige Mitglieder der Special Tactics and Rescue Squad (S. T. A. R. S.) Schuld an der Verbreitung des „Raccoon-Syndroms“ tragen jener Krankheit also, die für den Großteil der bislang entdeckten 7200 Toten verantwortlich gemacht wird.

Bei einer Pressekonferenz, die Umbrella-Teamleiter Dr. Ellis Benjamin am frühen gestrigen Abend einberief und an der FBI-Sprecher Patrick Weeks, NDC-Direktor Terrence Chavez und Dr. Robert Heiner teilnahmen, informierte Weeks darüber, dass Indizienbeweise annehmen ließen, die Katastrophe in Raccoon City sei Folge eines terroristischen Aktes gewesen, der auf entsetzliche Weise außer Kontrolle geraten sei. Das daraus resultierende Großfeuer, das die Kleinstadt nahezu komplett ausgelöscht hat, könnte der Versuch Irons’ oder eines seiner Komplizen gewesen sein, die verheerenden Auswirkungen des Virus-Ausbruchs zu vertuschen.

Weeks zufolge wurden in den Trümmern des RCPD-Gebäudes Unterlagen gefunden, die auf Irons als den Rädelsführer eines Komplotts zur Übernahme des Umbrella-Chemiewerks am Stadtrand hindeuten. Angeblich sei Irons wegen der Suspendierung des eingeschalteten S. T. A. R. S.-Teams, Ende Juli, wütend auf die Stadtverantwortlichen gewesen. Dazu war es gekommen, nachdem das Team die Untersuchung mehrerer Mordfälle verpatzt hatte. Hierbei wiederum handelt es sich um die inzwischen ausführlich belegten Kannibalenmorde, denen im vergangenen Frühsommer elf Menschen zum Opfer fielen. Die Raccoon-Abteilung von S. T. A. R. S. wurde nach einem Hubschrauberabsturz in der letzten Juliwoche, bei dem sechs Mitglieder der Organisation ums Leben kamen, suspendiert. Die fünf überlebenden S. T. A. R. S.-Angehörigen wurden ohne Gehaltfortzahlung von ihren Aufgaben befreit, nachdem Beweise auf einen Missbrauch von Drogen oder Alkohol im Zusammenhang mit dem Absturz hinwiesen und während Irons die Suspendierung seiner Eliteeinheit öffentlich befürwortete, legen die gefundenen Dokumente nahe, dass Irons die Absicht hatte, Bürgermeister Devlin Harris und einigen Mitgliedern des Stadtrats mit der Freisetzung extrem volatiler und gefährlicher Chemikalien zu drohen, sollte man gewissen finanziellen Forderungen nicht nachkommen. Weeks erklärte weiter, dass Irons auch in der Vergangenheit schon durch emotionale Labilität aufgefallen sei und dass die Unterlagen die Korrespondenz zwischen dem Polizeichef und einem Komplizen Irons’ Plan enthüllten, ein Lösegeld von Raccoon zu erpressen und dann außer Landes zu fliehen. Der Komplize wird darin nur „C. R.“ genannt, es gibt aber auch Hinweise auf „J. V.“, „B. B.“ und „R. C.“ die Initialen von vier der fünf suspendierten S. T. A. R. S.-Mitglieder.

Terrence Chavez sagte: „Davon ausgehend, dass diese Dokumente echt sind, hatten Irons und seine Crew vor, das Umbrella-Werk Ende September zu stürmen, was exakt mit der von Dr. Heiner beschriebenen Zeitlinie zur vollständigen Verbreitung des Raccoon-Syndroms übereinstimmen würde. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Übernahme stattfand und sich ein unerwarteter Unfall mit katastrophalen Folgen ereignete. Gegenwärtig wissen wir nicht, ob Mister Irons oder einer der S. T. A. R. S.-Angehörigen noch am Leben ist aber wir suchen nach ihnen, um sie zu vernehmen. Wir haben eine landesweite Fahndung ausgeschrieben sowie sämtliche internationalen Flughäfen und Grenzkontrollen alarmiert. Wir fordern jeden, der Informationen über diesen Fall besitzt, auf, sich an uns zu wenden.“

Dr. Heiner, ein namhafter Mikrobiologe und Mitglied von Umbrellas Biohazardous Materials Division, hielt fest, dass die genaue Zusammensetzung der Chemikalien, die in Raccoon freigesetzt wurden, womöglich nie zu ermitteln sein wird. „Es ist offensichtlich, dass Irons und seine Leute nicht wussten, womit sie es zu tun hatten und da Umbrella fortwährend neue Varianten von Enzymsynthesen, bakteriellen Wachstumsmedien und viralen Repressoren entwickelt, war die tödliche Mischung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine zufällige. Mit der möglichen Kombination von Stoffen, deren Zahl in die Millionen geht, ist die Chance, die exakte Raccoon-Syndrom-Mixtur wieder herzustellen, verschwindend gering.“

Der S. T. A. R. S.-Direktor war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, aber Lida Willis, regionale Sprecherin der Organisation, ließ verlauten, dass man „entsetzt und bestürzt“ sei über das Ausmaß der Katastrophe und jeden verfügbaren Agenten für die Suche nach den verschwundenen S. T. A. R. S.-Angehörigen abstellen sowie jeden Kontakt offen legen würde, den sie innerhalb der Organisation noch haben könnten.

Ironischerweise wurden die enthüllenden Dokumente von einer Umbrella-eigenen Suchmannschaft gefunden

S. D Perry - Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
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