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Sei ein
Kommunitarier
Wir legen in unserem Land großen Wert auf die
Menschenrechte. So sollte es auch sein, aber es ergibt nicht den
geringsten Sinn, über Rechte zu reden, wenn man nicht auch von
Verantwortung redet.
Rechte müssen von irgendwoher kommen. Sie werden
von der Gesellschaft verliehen. Dafür hat ein jeder von uns eine
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Traditionell spricht man
in den USA hier vom »Kommunitarismus«. Ich nenne es lieber den
gesunden Menschenverstand.
Aber diese Idee ist uns allen entglitten. In
meinen zwanzig Jahren als Professor erlebte ich mehr und mehr
Studenten, die es einfach nicht kapierten. Die Vorstellung, dass
Rechte und Verantwortung zusammengehören, ist ihnen buchstäblich
fremd.
Ich forderte meine Studenten zu Beginn jedes
Semesters auf, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die ihre
Pflichten und Rechte festlegt. Sie mussten zustimmen, konstruktiv
in Gruppen zu arbeiten, an bestimmten Treffen teilzunehmen und
ihren Kommilitonen zu helfen, indem sie ihnen ehrliches Feedback
gaben. Im Gegenzug bekamen sie das Recht, am Seminar teilzunehmen,
ihre Arbeit vorstellen und kritisieren lassen zu dürfen.
Manche Studenten durchkreuzten diese
Vereinbarung - ich denke mal, weil wir Erwachsenen nicht immer
große Vorbilder als Kommunitarier abgeben. Ein Beispiel: Wir
glauben alle, das Recht auf ein Geschworenengericht zu haben, aber
viele von uns machen alle nur erdenklichen Anstalten, um der
Geschworenenpflicht zu entgehen.
Deshalb wollte ich meinen Studenten einhämmern,
dass jeder zum Gemeinwohl beitragen muss. Wer dazu nicht bereit
ist, der lässt sich mit einem Wort beschreiben: Egoist.
Mein Dad lehrte uns das durch sein Vorbild und
suchte ständig nach neuen Wegen, um es auch andere zu lehren. Als
Baseballbeauftragter der Little League tat er einmal etwas sehr
Cleveres.
Er hatte Schwierigkeiten gehabt, Freiwillige für
das Schiedsrichteramt zu finden. Natürlich war das eine undankbare
Aufgabe, nicht zuletzt, weil der Schiedsrichter jedesmal, wenn er
ins Spiel eingriff, sicher sein konnte, dass sich ein paar Kinder
oder Eltern empören würden. Außerdem gab es durchaus Grund, sich zu
fürchten: Er musste dastehen, während die Kinder kaum kontrolliert
oder völlig unkontrolliert den Schläger schwangen und den Ball wie
wild in seine Richtung schmetterten.
Jedenfalls hatte mein Vater eine Idee. Anstatt
sich unter den Erwachsenen nach Freiwilligen umzusehen, überzeugte
er Spieler aus den älteren Gruppen, sich als Schiedsrichter für
jüngere Gruppen einzusetzen. Und er erklärte es zu einer großen
Ehre, zum Schiedsrichter erwählt worden zu sein.
Daraufhin geschahen mehrere Dinge.
Die Kinder, die Schiedsrichter wurden,
begriffen, welch schwerer Job das ist, und stritten sich daraufhin
kaum noch mit ihren eigenen Schiedsrichtern herum. Außerdem gab es
ihnen ein gutes Gefühl, dass sie den jüngeren Kindern halfen. Und
die jüngeren Kinder hatten mit einem Mal ältere Vorbilder, die
freiwillig etwas für sie taten.
Mein Dad hatte eine neue Gruppe von
Kommunitariern erschaffen. Er wusste, wenn wir uns anderen
verbunden fühlen, werden wir bessere Menschen.