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Ich bin auf Hochzeitsreise, aber wenn Sie mich brauchen …
Neulich schickte mich Jai zum Einkaufen. Nachdem ich die Liste abgehakt hatte, beschloss ich, die Selbstscannerkasse zu nehmen, um schneller aus dem Laden zu kommen. Ich schob meine Kreditkarte in die Maschine, folgte den Anweisungen und scannte meine Einkäufe. Die Maschine zwitscherte und piepste und sagte, ich schulde ihr 16,55 Dollar, spuckte aber keine Rechnung aus. Also schob ich meine Kreditkarte nochmals rein und begann von vorne.
Dann spuckte sie zwei Rechnungen aus. Die Maschine hatte mein Konto doppelt belastet.
An diesem Punkt hatte ich eine Entscheidung zu treffen. Ich hätte nach dem Manager suchen können, der sich meine Geschichte angehört hätte, ein Formular ausgefüllt und meine Kreditkarte zu seiner Registrierkasse gebracht hätte, um eine der beiden 16,55-Dollar-Abbuchungen zu stornieren. Dieses ganze langweilige Verfahren hätte sich über zehn oder sogar fünfzehn Minuten erstreckt, und für mich wäre null Spaß dabei herausgekommen.
Ich hatte nur einen kurzen Weg nach Hause. Wollte ich diese kostbaren zusätzlichen Minuten daheim wirklich für eine Rückerstattung vergeuden? Nein, wollte ich nicht. Konnte ich es mir leisten, 16,55 Dollar zu viel zu bezahlen? Ja, konnte ich. Also verließ ich den Laden, wesentlich glücklicher mit fünfzehn gewonnenen Minuten als mit sechzehn erstatteten Dollar.
Ich war mir mein Leben lang bewusst, dass Zeit endlich ist. Ich gebe zu, dass ich viele Dinge viel zu logisch angehe, bin aber der festen Überzeugung, dass meine fixe Idee von einem guten Zeitmanagement zu den besseren meiner Marotten zählt. Ich pflegte über Studenten mit schlechtem Zeitmanagement zu lästern und ganze Vorlesungen über dieses Thema zu halten. Und weil ich dabei selbst immer besser wurde, gelang es mir wirklich, eine ganze Menge Leben in die Lebensspanne zu packen, die mir nun so verkürzt wurde.
Hier, was ich darüber weiß:
Zeit muss verwaltet werden, nicht anders als Geld. Meine Studenten verdrehten manchmal die Augen, wenn sie wieder einmal eine Lektion in »Pauschismus« bekamen, wie sie es nannten. Aber ich stehe dazu. Immer wenn ich Studenten davon überzeugen wollte, keine Zeit an irrelevante Details zu verschwenden, erklärte ich ihnen: »Es spielt nicht die geringste Rolle, wie gut ihr die Unterseite des Treppengeländers poliert habt.«
Ein Plan lässt sich ändern, jederzeit, aber nur, wenn du überhaupt einen hast. Ich bin ein großer Anhänger von To-do-Listen. Sie helfen uns, das Leben in überschaubare Abschnitte einzuteilen. Einmal setzte ich »ordentliche Professur besorgen« auf meine Liste. Klar war das naiv.
Die nützlichste Liste bricht anstehende Aufgaben in überschaubare Schritte auf. Wenn ich Logan ermuntere, sein Zimmer aufzuräumen, und er dabei immer einen Gegenstand nach dem anderen aufklaubt, tut er nichts anderes.
Frage dich einmal selbst: Verbringst du deine Zeit mit den richtigen Dingen? Wahrscheinlich hast du Ziele und Interessen entwickelt. Aber sind sie es überhaupt wert, verfolgt zu werden? Bist du dir über Ursachen und Zusammenhänge im Klaren? Ich habe lange einen Ausschnitt aus einer Zeitung von Roanoke in Virginia aufbewahrt. Es ist das Foto einer Schwangeren, die gegen eine Baustelle im Ort protestiert. Sie war besorgt, dass der Lärm der Presslufthämmer ihrem ungeborenen Kind schaden könnte. Zwischen den Fingern hält sie eine Zigarette. Wenn sie sich Sorgen um ihr ungeborenes Kind machte, hätte sie die Zeit, die sie mit ihrem Protest gegen Presslufthämmer verbrachte, gewiss besser genutzt, wenn sie die Zigarette ausgemacht hätte.
Denke dir ein gutes Ablagesystem aus. Als ich Jai sagte, dass ich einen Platz im Haus möchte, an dem wir alles in alphabetischer Ordnung ablegen können, war das für ihren Geschmack mächtig zwanghaft. Ich erklärte ihr: »Etwas in alphabetischer Ordnung abzulegen ist wesentlich besser, als im ganzen Haus herumzurennen und zu sagen: ›Ich weiß, es war blau, und ich weiß, ich habe gerade etwas gegessen, als ich es in der Hand hatte.‹«
Oder überdenke einfach mal die Zeit, die du am Telefon vergeudest. In unserer Kultur verbringt man eine Menge Zeit in Warteschleifen und lauscht der Stimme, die einem erklärt: »Ihr Anruf ist sehr wichtig für uns.« Aha. Das ist wie der Typ, der das Mädchen beim ersten Date ins Gesicht schlägt und sagt: »Ich liebe dich wirklich.« Aber so funktioniert der moderne Dienst am Kunden. Und das missfällt mir ungemein. Deshalb sorge ich dafür, dass ich niemals mit einem Hörer ans Ohr gepresst dasitze und warte. Ich stelle immer auf Lauthören und habe meine Hände frei, um anderes zu tun.
Im Laufe der Zeit sammelte ich auch diverse Techniken, mit denen sich unnötige Telefonate abkürzen lassen. Wenn ich beim Telefonieren auf einem Stuhl sitze, lege ich nie meine Füße hoch. Am besten ist es, wenn man im Stehen telefoniert, da neigt man am ehesten dazu, die Dinge zu beschleunigen. Ich habe auch gerne etwas auf dem Schreibtisch vor Augen, das ich noch erledigen muss, damit es mich drängt, mich dem Anrufer gegenüber kurz zu fassen.
Ich habe noch andere Telefoniertipps aufgegriffen. Willst du einen Akquisiteur schnell loswerden? Hänge auf, während du sprichst und er zuhört. Denn dann glaubt er, die Verbindung sei unterbrochen worden, und es lohnt sich für ihn nicht, noch einmal anzurufen. Willst du nur ein ganz kurzes Gespräch führen? Rufe um 11:55 Uhr an, wenn du weißt, die Mittagspause beginnt um 12 Uhr. Du wirst sehen, wie schnell es dann geht. Du hältst dich vielleicht für interessant, aber interessanter als die Mittagspause bist du nicht.
Delegiere. Als Professor lernte ich frühzeitig, dass ich intelligenten neunzehnjährigen Studenten problemlos die Schlüssel zu meinem Allerheiligsten anvertrauen konnte. Ihr Verantwortungssinn war in den meisten Fällen beeindruckend. Es ist nie zu früh, mit dem Delegieren anzufangen. Meine Tochter Chloe ist erst achtzehn Monate alt. Auf zwei meiner Lieblingsfotos liegt sie in meinen Armen. Auf dem ersten gebe ich ihr die Flasche. Auf dem zweiten habe ich diese Aufgabe an sie delegiert. Sie sieht zufrieden aus. Ich auch.
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Nimm dir eine Auszeit. Es ist keine wirkliche Freizeit, wenn du E-Mails liest oder deinen Anrufbeantworter abhörst. Als Jai und ich auf Hochzeitsreise fuhren, wollten wir in Ruhe gelassen werden. Mein Chef fand jedoch, dass ich zur Verfügung stehen müsse, falls mich jemand dringend sprechen wollte. Also sprach ich die perfekte Ansage auf Band:
»Hi, hier spricht Randy. Ich habe bis neununddreißig gewartet, um zu heiraten, deshalb sind meine Frau und ich nun für einen Monat weg. Ich hoffe, Sie haben damit kein Problem. Allerdings hat mein Chef eines. Offenbar muss ich erreichbar bleiben.« Dann gab ich die Namen von Jais Eltern und die Stadt an, in der sie leben. »Wenn Sie die Auskunft anrufen, bekommen Sie ihre Nummer. Und wenn Sie meine neuen Schwiegereltern dann überzeugen können, dass Ihre Notlage eine Unterbrechung der Hochzeitsreise ihrer einzigen Tochter rechtfertigt, dann werden sie wissen, wo wir zu erreichen sind.«
Niemand rief an.
Natürlich sind einige meiner Zeitmanagementtipps todernst und andere eher ironisch gemeint. Aber ich finde sie in jedem Fall einer Überlegung wert.
Zeit ist alles, was du hast. Du könntest eines Tages herausfinden, dass du weniger davon hast, als du denkst.
Last Lecture - die Lehren meines Lebens
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