53
Gib
niemals auf
Gegen Ende meiner Highschool-Zeit bewarb ich mich
an der Brown University und wurde nicht angenommen. Ich kam auf die
Warteliste. Da bombardierte ich das Zulassungsbüro so lange mit
Telefonaten, bis sie schließlich entschieden, dass sie mich ebenso
gut auch nehmen könnten. Ich hatte ihnen gezeigt, wie dringend ich zu ihnen wollte. Beharrlichkeit
half mir, die Mauer zu überwinden.
Als es an der Zeit war, an der Brown zu
graduieren, wäre es mir nicht im Traum eingefallen, ein
Aufbaustudium anzuhängen. In meiner Familie durchlief man eine
angemessene Ausbildung und suchte sich dann einen Job. Ein
Postgraduiertenstudium war kein Thema.
Doch mein »holländischer Onkel« und Mentor an
der Brown University, Andy van Dam, riet mir: »Mach deinen Doktor,
werde Professor.«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte ich
ihn.
Da antwortete er mir: »Weil du dich so gut
verkaufen kannst, und wenn du dir jetzt in irgendeinem Unternehmen
Arbeit suchst, werden sie dich als Vertreter einsetzen. Aber wenn
du schon Verkäufer wirst, dann kannst du ebenso gut etwas
Wertvolles verkaufen, zum Beispiel eine Ausbildung.«
Ich werde ihm ewig dankbar sein für diesen
Rat.
Andy riet mir, mich an der Carnegie Mellon
University zu bewerben. Er hatte schon viele seiner besten
Studenten dorthin geschickt. »Du wirst angenommen, kein Problem«,
sagte er und schrieb einen Empfehlungsbrief.
Die Fakultät an der Carnegie-Mellon las sein
begeistertes Schreiben, sah meine akzeptablen Noten und die
glanzlose Punktzahl, die ich bei meinem Abschlussexamen ergattert
hatte. Dann besprachen sie meine Bewerbung.
Und lehnten mich ab.
Anderswo hätte ich Doktorandenstudienplätze
bekommen, aber die Carnegie Mellon wollte mich nicht. Also
marschierte ich in Andys Büro und warf die Absage auf seinen
Schreibtisch: »Ich wollte nur, dass du weißt, wie sehr Carnegie
Mellon deine Empfehlungen schätzt.«
Sekunden nachdem der Brief auf seinem Tisch
gelandet war, hatte er bereits den Telefonhörer in der Hand. »Das
biege ich hin, ich krieg dich da rein«, sagte er.
Aber ich bremste ihn: »Auf die Art will ich es
nicht.«
Wir machten einen Deal. Ich würde mir die
Universitäten ansehen, die bereit waren, mich zu nehmen, und wenn
es darunter keine einzige gab, an der ich mich wohlfühlte, würde
ich wieder auf sein Angebot zurückkommen, und wir würden
reden.
Die anderen Möglichkeiten stellten sich als
derart unpassend für mich heraus, dass ich schon bald wieder bei
Andy saß und ihm erklärte, dass ich beschlossen hätte, das
Aufbaustudium sausen zu lassen und mir einen Job zu suchen.
»Nein, nein, nein!«, rief er. »Du musst deinen
Doktor machen, und du musst an die Carnegie Mellon.«
Er griff zum Telefon und rief Nico Habermann an,
den Fachbereichsleiter für Computerwissenschaften und ebenfalls
Holländer. Sie redeten eine Weile in ihrer Sprache über mich, dann
legte Andy auf und sagte: »Sei morgen früh um acht in seinem
Büro.«
Nico war ein Mann von ungemeiner Präsenz, ein
Akademiker
alter europäischer Schule. Es war völlig klar, dass unser Treffen
nur eine Gefälligkeit gegenüber seinem Freund Andy war. Er fragte
mich, weshalb er meine Bewerbung neu in Betracht ziehen sollte,
nachdem mich die Fakultät doch bereits auf Herz und Nieren geprüft
habe. Mit Bedacht meine Worte wählend, antwortete ich: »Nachdem ich
hier beurteilt wurde, erhielt ich ein volles Stipendium vom Office
of Naval Research.« (Das Office of Naval Research betreibt an
mehreren Labs wissenschaftliche Forschung für die United States
Navy.) Nico erwiderte ernst: »Geld zählt nicht zu unseren
Auswahlkriterien. Wir finanzieren unsere Studenten aus eigenen
Forschungsmitteln.« Dann starrte er mich an. Oder genauer: Er
starrte durch mich hindurch.
Es gibt im Leben eines jeden Menschen
Schlüsselmomente, und man darf sich glücklich schätzen, wenn man
wenigstens im Nachhinein begreift, welche Momente das waren. Ich
wusste im selben Augenblick, dass ich mich mitten in einem solchen
Moment befand. Mit aller Ehrerbietung, die mein arrogantes junges
Ich aufbringen konnte, sagte ich: »Es tut mir leid, ich wollte
damit nicht andeuten, dass es um Geld geht. Es ist nur so, dass sie
bloß fünfzehn solcher Stipendien im ganzen Land vergeben, deshalb
hielt ich es für eine Ehre, die von Bedeutung ist, und ich möchte
mich entschuldigen, wenn das anmaßend von mir war.«
Es war die einzige Rechtfertigung, die mir
einfiel, aber es war die Wahrheit. Sehr, sehr allmählich begann
Nicos gefrorene Mine aufzutauen. Wir redeten noch ein paar
Minuten.
Nachdem sich noch mehrere Fakultätsmitglieder
mit mir unterhalten hatten, wurde ich von der Carnegie Mellon
University angenommen und machte dort meinen Doktor. Das war eine
Mauer gewesen, die ich nur mit einem kräftigen Schubs meines
Mentors und ein paar ernsthaften Kriechereien überwinden
konnte.
Bis ich auf dem Podium stand, um meine Last
Lecture zu halten, hatte ich noch nie einem Studenten oder Kollegen
an der Carnegie Mellon erzählt, dass meine Bewerbung dort abgelehnt
worden war. Wovor hatte ich Angst gehabt? Dass alle glauben
könnten, ich sei nicht smart genug für ihre Kreise? Dass sie mich
weniger ernst nehmen würden?
Es ist schon interessant, welche Geheimnisse du
am Ende deines Lebens zu enthüllen bereit bist.
Ich hätte es schon vor Jahren erzählen müssen,
denn die Moral von der Geschicht’ ist: Wenn du dir etwas wirklich
dringend wünschst, dann gib niemals auf (und nimm jede
Hilfestellung an, die du bekommen kannst).
Mauern stehen nicht grundlos da. Und wenn du es
geschafft hast, eine zu überwinden - selbst wenn dich letztlich
jemand drüberwerfen musste -, dann kann es anderen eine Hilfe sein,
wenn du ihnen erzählst, wie du es geschafft hast.