Kapitel 15 – Der Keller
Julia war aufgeregt. Sie hatte Alexej erst vor knapp drei Wochen kennen gelernt, aber sie spürte, dass sie beide mehr als nur Sex verband. Da war noch etwas Anderes. Etwas Größeres, Wichtigeres. Und Julia wollte herausfinden, was dieses Gefühl für sie eigentlich bedeutete.
Sie wartete auf Alexejs Fahrer, der diesmal ein paar Minuten zu spät kam. Julia genoss in der kurzen Wartezeit die klare, kühle Abendluft und atmete mehrmals tief durch. Sie fühlte sich ein bisschen wie vor ihrem ersten Date, damals in Berlin. Unsicher. Verloren. Abenteuerlustig.
Und irgendwie handelte sich heute ja auch um ein erstes Date, dachte Julia vergnügt. Sie hatte Alexej noch nie zu Hause besucht, außer natürlich zu seiner Geburtstagsparty. Aber da hatte sie eigentlich nur den grandiosen Ballsaal und den Vorratsraum von innen gesehen, sie hoffte, dass sie diesmal auch noch die etwas privateren Zimmer in Alexejs wunderbarem Haus erforschen durfte.
Der Fahrer entschuldigte sich mit einer unterwürfigen Geste für seine minimale Verspätung und öffnete ihr die Tür. Julia stieg ein, nachdem sie ihm versichert hatte, dass es kein Problem sei, ein paar Minuten zu spät zu kommen. „Zumindest nicht in meiner Welt“, fügte sie freundlich hinzu, aber der Fahrer wirkte dennoch beunruhigt. Vermutlich wurde ihm des Öfteren die Hölle heiß gemacht, wenn er sich mal verspätete, überlegte Julia.
Neben sich entdeckte sie ihren Lieblingsmantel, der offenbar in der Reinigung gewesen war, denn er lag in einer Plastiktüte gefaltet auf dem anderen Sitz. Der Fahrer hatte sich also tatsächlich um ihre Jacke gekümmert.
Julia dachte, dass sie ihm eigentlich ein Trinkgeld geben müsste. Dann wiederum war sie sich nicht sicher, ob das so üblich war. Sie hoffte, dass ihr jemand zu Weihnachten den Knigge schenkte, damit sie in Zukunft in solchen Angelegenheiten nicht immer wieder auf dem Schlauch stand.
Nach der Fahrt in dem gemütlichen Schlitten stand Julia wieder vor der großen Tür, die mit Eisen beschlagen war und im Halbdunkel bei näherem Hinsehen nicht sonderlich einladend aussah.
Sie erkannte nun auch, dass es sich bei den zwei Statuen doch nicht um Engel handelte, sondern um ganz normale Frauen. Die Flügelansätze hatte sie sich am letzten Wochenende eindeutig eingebildet, dachte Julia und betätigte die Klingel.
Diesmal öffnete Alexej selbst und wieder wusste Julia nicht so recht, wie sie ihn begrüßen sollte. Sie entschied sich dafür, ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu geben. Falls sie zufällig jemand beobachtete – wer konnte in dem riesigen Haus schon wissen, was da sonst noch vor sich ging – würde ein Kuss auf die Wange wenigstens harmlos aussehen.
Alexej wusste, was sie dachte und meinte: „Keine Angst, wir sind allein. Ich habe das Hausmädchen ins Bett geschickt. In ihr eigenes natürlich.“ Er lachte. Julia tat so, als wäre sie empört und schlug ihm spielerisch auf die Brust. Sie hoffte, dass Alexej seine gute Laune für die nächsten Stunden behalten würde.
Alexej ging voran und lenkte seine Schritte diesmal in den Flur, der links von der großen Treppe in der Eingangshalle lag. Da Julia sich mit Alexej zum Dinner verabredet hatte, vermutete sie, dass dort das Esszimmer auf sie wartete. Sie hatte richtig geraten und malte sich aus, wie groß das Haus sein musste und wie viele Zimmer es wohl hatte.
„WOW. Hast du das etwa alles gekocht?“, fragte Julia mit aufgerissenen Augen, als sie sah, was dort alles auf dem Esstisch angerichtet war.
„Nein, da muss ich dich enttäuschen. Ich kann nicht kochen. Ich habe Irina gebeten, uns etwas vorzubereiten. Mit dieser Ausbeute habe ich allerdings nicht gerechnet“, erwiderte Alexej, der ebenfalls überrascht war und sich fragte, ob er versehentlich ein Buffet geordert hatte.
Meistens kamen Geschäftspartner zum Essen und da war es einfacher, wenn man als Gastgeber ein Buffet servierte.
„Setz dich – ich hoffe, du hast Appetit?“, sagte Alexej und zog einen Stuhl zurück, damit Julia sich setzen konnte. Sie legte den Mantel, den Alexejs Fahrer für sie aufbewahrt hatte, auf eine Kommode. Ihre Zweitjacke legte sie dazu. Sie freute sich über seine Aufmerksamkeit.
„Oh, du kannst ja ein richtiger Gentleman sein. Diese Seite kannte ich noch gar nicht“, witzelte Julia und setzte sich.
„Tja, ich stecke voller Überraschungen“, meinte Alexej und setzte sich ebenfalls. Julia zog unmerklich die Augenbrauen hoch, denn sie wusste nicht, ob Alexej auf seine komischen Launen anspielte oder ob er bloß einen Scherz machte.
Sie entschied, dass sie an diesem Abend alles ganz einfach auf sie zukommen lassen wollte. Ohne Stress und ohne böse Vorahnungen, die ihr die Stimmung vermiesten.
„Was machst du eigentlich, wenn du nicht gerade dein Unternehmen leitest? Spielst du dann Golf oder rauchst du teure Zigarren? Ich kann mir so ein Luxusleben nämlich nicht so richtig vorstellen“, begann Julia, als sie sich über die Köstlichkeiten auf dem stilvoll gedeckten Tisch hermachten.
Alexej schwenkte gedankenverloren sein Rotweinglas und starrte Julia mit seinen wieder zu Eissplittern verwandelten Augen an. Julia erschrak, denn sie wollte nicht, dass der schöne Abend schon jetzt von seinen Stimmungsschwankungen getrübt wurde.
Aber sie machte sich zu viele Sorgen. Als Alexej den Kopf leicht drehte, bemerkte Julia, dass ihr ein Lichtreflex, eine simple Spiegelung in seinen immer noch freundlich guckenden Augen, einen bösen Streich gespielt hatte. Alexej antwortete langsam: „Ich schwimme gern. Im Keller ist ein kleiner Pool, aber den habe ich schon länger nicht benutzt. Momentan finde ich kaum Zeit für so etwas. Ein paar meiner Freunde geben gern mit ihren schnellen Autos an oder mit sonstigen Trophäen, aber das ist nichts für mich. Ich hatte dir ja von meinem damaligen Geburtstagsgeschenk erzählt, dem Porsche. Das war eine Lektion für mich.“
Julia war einigermaßen beeindruckt, aber eines wunderte sie dann doch und seine Antwort kam ihm ein wenig scheinheilig vor. „Aber du lebst in diesem Palast und du hast sogar einen Fahrer, der dich in einem Jaguar herumkutschiert“, meinte sie und klang dabei abschätziger als sie es geplant hatte.
Alexej nahm ihr den Ton nicht übel und lächelte. Er stellte sein Weinglas ab, nahm das Besteck in die Hand und widmete sich nun etwas, das wie gebratene Gänsebrust aussah. Während er sich kleine Happen zurechtschnitt, sagte er: „Du hast schon Recht damit. Das passt scheinbar nicht zusammen. Aber ich finde, dass es einen Unterschied zwischen 'besitzen' und 'mit Besitz prahlen' gibt. Ich habe mir alles, was du hier siehst, durch harte Arbeit verdient -“
Julia unterbrach ihn, obwohl sie ihrerseits das Hirschmedaillon noch nicht vollständig heruntergeschluckt hatte: „Ich dachte, du hättest das alles geerbt?“
Alexej grinste und legte sein Besteck wieder hin. Er griff erneut nach dem Weinglas und hielt sich daran fest. Julia verunsicherte ihn und das war er nicht gewohnt. Ihr fiel das allerdings gar nicht auf. Sie wartete gespannt auf eine Reaktion.
„Ja, da ist was dran. Aber die Geschichten, die du vermutlich über die Gromow-Familie gehört hast, sind nicht alle wahr. In Wirklichkeit habe ich nur einen Bruchteil von dem geerbt, was mir eigentlich zugestanden hätte. Es ist eine lange Geschichte“, fügte er abwehrend hinzu und erklärte weiter: „Außerdem ist das alles schon sehr lange her. Lass uns lieber nicht über meine Vergangenheit reden. Erzähl mir etwas aus deinem Alltag. Normalität kann ich mir nämlich nicht so richtig vorstellen.“ Er lachte und nahm sein Besteck wieder auf, um weiter zu essen.
Julia sah ein, dass es vermutlich nicht der beste Augenblick war, um weiter in seiner Vergangenheit zu kramen. Aber es fiel ihr schwer, denn sie wollte so gern mehr über ihn erfahren. Jetzt hatte Alexej den Spieß geschickt umgedreht und Julia war am Zug.
Sie räusperte sich und begann zu erzählen: „Äh, ich gehe auch gern schwimmen. Aber ich habe keinen Pool im Keller. Da ist nicht einmal genügend Platz für mein Fahrrad. Damit mich mein Alter nicht einholt, mache ich manchmal Yoga, aber das habe ich auch schleifen lassen. Ansonsten bin ich gedanklich auch die meiste Zeit in meine Arbeit vertieft. Was uns beide unterscheidet sind eigentlich nur ein paar Millionen auf dem Konto, oder?“ Julia hoffte, dass sie seinen Sinn für Humor mittlerweile gut genug kannte.
Alexej lachte und stimmte ihr zu: „Ja, irgendwie schon. Die meisten Menschen sind sich sehr ähnlich, wenn man von der Oberfläche mal absieht. Ohne das Geld und den Jaguar und ohne diesen Palast, wie du es nennst, wäre ich auch nur ein normaler Mann, der anstatt mit einer schönen Frau mit seinem Job verheiratet ist.“
Seine Ehrlichkeit war immer wieder entwaffnend und Julia überlegte, wie sie an ihre vorigen Gespräche in der Cocktailbar, im weichen Hotelbett und auf seiner Geburtstagsparty anknüpfen konnte. Ihr fiel nichts ein. Sie realisierte, dass ihre Beziehung sich bisher eher auf der körperlichen Ebene abgespielt hatte. Bisher hatte ihr das auch gereicht, aber nun spürte Julia ein Verlangen nach mehr als nur Sex. Sie konnte es nicht in Worte fassen.
„Denkst du dir gerade einen Fluchtplan aus, oder warum starrst du seit zwanzig Sekunden auf die Tür?“ Julia erschrak, als Alexej sie aus ihren Gedanken riss. Sie dachte, dass sie unbedingt mit der ständigen Tagträumerei aufhören müsse.
Julia schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf das Essen. Alexej war es bloß recht, dass nicht allzu viel geredet wurde. Er genoss das Schweigen und nutzte die Redepausen, um Julia zu betrachten. Er verschlang sie mit seinen Augen, aber das bemerkte sie nicht. Sie war ihrerseits zu sehr damit beschäftigt, sich spannende Gesprächsthemen auszudenken. Sie dachte nämlich immer wieder aufs Neue, dass sie dem erfolgsverwöhnten Russen zu langweilig sein könnte.
Also aßen sie und tranken süßen Wein. Julias eigene Laune verschlechterte sich mit jedem einzelnen Bissen und mit jedem weiteren Schluck. Sie hatte sich den Abend wieder einmal anders vorgestellt. Vor allem hatte sie sich in einer interessanteren Rolle gesehen. „Ich bin tatsächlich eine graue Maus“, dachte sie verärgert. In der Gegenwart dieses Mannes konnte sie kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Warum bist du so nervös?“, fragte Alexej plötzlich.
Julia schaute von ihrem Teller auf und sah, dass Alexej sie aufmunternd anschaute. Sie beschloss, die Wahrheit zu sagen, um der Farce ein Ende zu bereiten: „Es tut mir leid, dass ich dich mit meiner Anwesenheit langweile. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll.“
„Wie kommst du bloß darauf, dass ich mich langweile? Ich bin froh, dass wir uns auch ohne viel Gequatsche gut verstehen. Von mir aus müssen wir nicht reden, wenn dir nicht danach ist“, antwortete Alexej gelassen und schob den Teller von sich weg.
Julia war dankbar für seine Ehrlichkeit. Außerdem war sie sich nun sicher, dass Alexej ebenfalls mehr für sie empfand. Auch er wollte nicht bloß Sex.
Julia durchfuhr ein wunderbares Kribbeln. Sie wusste es nun. Sie war verliebt. Obwohl sie sich mit Händen und Füßen vor dieser Art von Gefühlsduselei gewehrt hatte, war es doch um sie geschehen. Jetzt, da sie es vor sich selbst zugeben konnte, fiel ihr ein Stein vom Herzen.
„Nachtisch?“, fragte Alexej und Julia erlangte endlich ihre Fähigkeit zu sprechen zurück: „Ja, gern!“
Alexej stand auf und ging zu dem kleinen Beistelltisch, auf dem diverse Desserts standen. Da gab es Mousse au Chocolat, eine orangefarbene Joghurtspeise, gedeckten Apfelkuchen und auch Eis, das mittlerweile zu schmelzen begonnen hatte. Dazu gab es frisches Obst.
Alexej wählte unwissentlich Julias liebste Nachspeise und servierte ihr zwei Kugeln Vanilleeis. Er stellte den Becher an die Stelle, an der zuvor Julias Teller gestanden hatte und wandte sich wieder ab, um sich selbst ein Dessert auszusuchen. Zumindest dachte Julia das, aber er drehte sich rasch wieder zu ihr um und hielt diesmal in einer Hand einige frische Erdbeeren.
Er beugte sich ein wenig vor und obwohl der Duft seines herben Aftershaves sich unglaublich stark mit dem Essensgeruch biss, der ebenfalls in der Luft lag, fühlte sich Julia pudelwohl.
Alexej führte seine andere Hand langsam in die Nähe ihrer Lippen und Julia ergriff die Gelegenheit, um zuzubeißen. Sie schnappte sich die Erdbeere, die er nun zwischen seinen Fingern hielt, und sie lachten als wären sie Teenager.
Alexej hatte wirklich gute Laune, als er sich wieder setzte, und Julia übersah an diesem Abend sogar den eigenartigen Ring an seinem Finger, der ihr in den letzten Wochen so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Der Verzehr des Desserts war ein Spiel: es ging darum, wer sich länger gedulden konnte. Wer würde den ersten Schritt machen? Wer würde den Versuch wagen, den jeweils anderen in seinen Bann zu ziehen und zu verführen?
Julia fand, dass sie in letzter Zeit viel zu passiv gewesen sei und übernahm daher vorerst die Kontrolle über die Situation. Sie ließ ihr Eis nach einigen Löffeln stehen und stand auf, um Alexej, der ja nur fünfzig Zentimeter entfernt am Tisch saß, zu zeigen, welche Art von Nachtisch ihr noch lieber als Vanilleeis war.
Sie beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn. Es war ein eisiger Kuss, denn Julias Lippen und ihre Zunge waren noch kalt vom Nachtisch. Alexej verstand ihre Nachricht und stand ebenfalls auf, seine Augen glühten und Julia wusste, dass sie ihn überzeugt hatte.
Alexej griff in seine Sakkotasche und zog abermals ein seidenes Tuch heraus, mit dem er Julia zärtlich die Augen verband. Er küsste dabei ihren Nacken und sie bekam eine Gänsehaut; sie erschauderte und wand sich in seinem Griff.
Am liebsten hätte Alexej mit einer kraftvollen Bewegung den Esstisch leergefegt und Julia gleich dort an Ort und Stelle vernascht. Aber Alexej war jemand, der sich beherrschen konnte. Außerdem zog er es vor, mit seiner Beute zu spielen.
„Komm mit, ich führe dich“, flüsterte Alexej der vor Aufregung zitternden Julia ins Ohr und sie gehorchte.
Alexej schob Julia vor sich her und sie glaubte, dass sie gleich eine Treppe nach oben gehen würden, denn dort vermutete sie sein Schlafzimmer. Sie war also ziemlich überrascht, als Alexej eine knarzende Holztür öffnete und sie vorwarnte: „Achtung, hier geht es abwärts.“
Julia tastete sich langsam vor und suchte bei jedem Schritt nervös nach der nächsten Stufe. Sie dachte, dass sie nun vielleicht eine Runde schwimmen gehen würden, denn Alexej hatte ja von seinem Pool im Keller erzählt.
Die Wände hallten ihre Schritte wider und Julia spürte einen leichten Luftzug. Es war ein wenig kühler als im Erdgeschoss, aber sie fror dennoch nicht. Sie war außerdem viel zu aufgeregt, um sich auf solche Kleinigkeiten konzentrieren zu können.
„Wir sind gleich da“, sagte Alexej, als Julia die letzte Stufe der langen Steintreppe gemeistert hatte. Alexej führte sie noch knapp zehn Schritte weiter und blieb dann stehen.
Julias Herz raste und sie erschrak, als Alexej ihr plötzlich an einem Arm Handschellen anlegte, die offenbar an der Wand oder einem Gestell fixiert waren. Damit hatte sie eindeutig nicht gerechnet. Sie spürte das kalte Metall an ihrem Handgelenk, es war ganz nach ihrem Geschmack
Ihr Instinkt sagte ihr jedoch, dass sie sich die Augenbinde schnellstmöglich mit der noch freien Hand abreißen musste, damit sie in ihrer Ungewissheit nicht wahnsinnig wurde. Aber bevor sie dazu kam, hatte Alexej auch schon ihren anderen Arm im Griff. Er ließ das zweite Paar Handschellen klickend einrasten und Julia war bewegungsunfähig.
Ihre Arme waren ausgestreckt und ungefähr auf Kopfhöhe an einer Konstruktion aus Holz festgemacht, wie Julia feststellte, als sie spielerisch versuchte, ihre Hände zu befreien. Julia atmete heftig. Ein Traum ging in Erfüllung.
„Du weißt gar nicht, wie lange ich mir das gewünscht habe“, keuchte sie. Alexej schwieg. Julia konnte es nicht sehen, aber er guckte grimmiger als vorher. Er wollte nicht reden, er wollte, nein, er musste handeln.
Julia war froh, dass sie Alexej nach dem Vorfall in der Cocktailbar noch eine weitere Chance gegeben hatte. Sonst hätte sie all das hier verpasst.
Sie konnte es nicht kommen sehen, daher zuckte sie wieder übertrieben zusammen, als Alexej ihr aus heiterem Himmel ein weiteres, ebenfalls sehr weiches Tuch in den Mund steckte. Er band es mit schnellen, geübten Griffen an ihrem Hinterkopf zusammen.
Julia fand es erregend, nicht zu sehen, was Alexej mit ihr anstellte, aber jetzt hatte er ihr die Möglichkeit genommen, ihn im Zweifel in seine Schranken zu verweisen.
Im ersten Moment ging ihr das entschieden zu weit und sie versuchte, das Tuch in ihrem Mund irgendwie loszuwerden. Einige lange Sekunden später jedoch machte ihr auch dieser Teil des Spiels Spaß.
Sie hatte immer noch ihr enges Kostüm an, mit dem sie Alexej hatte bezirzen wollen. Es hatte einen üppigen Ausschnitt und glücklicherweise keine Träger, daher konnte Alexej ihr die Kleidung ganz einfach durch das Aufziehen des Reißverschlusses abnehmen. Er zog sie aus und Julia wehte immer wieder sein unwiderstehlicher Duft entgegen.
Sie konnte weder sehen noch etwas sagen. Und sie schmeckte nichts als ihren eigenen Speichel, der das Tuch in ihrem Mund langsam durchweichte. Julia hatte die Kontrolle verloren und während das in der Öffentlichkeit ihr schlimmster Alptraum war, wurde es hier, in Alexejs geheimnisvollem Keller, zur wunderbaren Realität.
Alexej begutachtete sein Werk. Er war zufrieden und auch ihn erregte die Situation. Ihm war es jedoch wichtig, die Kontrolle um jeden Preis zu behalten. Er wollte Julia dominieren. Sanft und bestimmt. Er wollte sich Zeit lassen und das gemeinsame Finale möglichst lange hinauszögern.
Alexej konnte dieses Spiel stundenlang spielen und er war gespannt, wie lange Julia aushalten würde.
Er ging zu einem für Julia unsichtbaren Regal und nahm eine große Schatulle heraus, die er mit einem winzigen Schlüssel von seinem Schlüsselbund öffnete. Wenn man nicht wusste, worum es sich bei dem Schlüssel handelte, würde man vermuten, dass er für den Briefkasten war oder für ein simples Fahrradschloss. Niemand ahnte, welche Geheimnisse Alexej in seinem Keller hütete. Niemand außer den Frauen, die bereits in eben diese Geheimnisse eingeweiht worden waren.
Julia spitzte die Ohren, denn ihr Gehör der einzige verbliebene Sinn, der ihr eventuell verraten konnte, was da vor sich ging.
Sie hörte, wie Alexej die Schatulle öffnete, aber sie konnte sich das Geräusch nicht erklären und es nicht einordnen. Sie lauschte daher weiter und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen, um möglichst viel von dem zu hören, was um sie herum passierte.
Alexej hingegen gab sich die größte Mühe, nicht allzu viele Geräusche zu machen. Er wusste, dass Julia fast verrückt wurde, weil sie nicht ahnte, was auf sie zukam.
Mittlerweile fröstelte Julia ein wenig, denn sie stand nun splitternackt in der Holzkonstruktion auf dem blanken Steinboden des uralten Kellers. Der Boden war staubig und Julia spürte vor allem an den Beinen immer wieder einen unangenehmen Luftzug.
Plötzlich hörte sie ein dumpfes Geräusch über sich, im Raum über dem Keller. Es hörte sich so an, als wäre ein schwerer Gegenstand umgefallen. Auch Alexej hatte es gehört. Er hielt inne und lauschte ebenfalls. Er befürchtete, dass sein Hausmädchen zurückgekehrt war. Allerdings würde sie niemals in den Keller kommen, da war er sich sicher. Vermutlich räumt sie den Tisch ab, dachte Alexej leicht gereizt. Er konnte es nicht leiden, dass sie seine Anweisungen immer wieder ignorierte. Aber er wusste auch, dass sie es bloß gut meinte.
Julia hörte nun ein beständiges Klirren und Klimpern, das aus der Schatulle kam. Sie konnte es nicht sehen, aber Alexej kramte gerade darin herum, um ein passendes Werkzeug herauszusuchen. Obwohl er es schätzte, die Kontrolle zu behalten, war er kein Freund großer Pläne. Er entschied stets spontan, womit er seine Partnerin befriedigen würde.
Er fand etwas Passendes und legte es auf einen Tisch, der circa einen Meter von der Holzkonstruktion entfernt stand. Dort würde er nach und nach seine Instrumente ablegen, um sie bei Bedarf griffbereit zu haben.
Julia hörte lediglich, dass ein Metallgegenstand auf Holz abgelegt wurde. Sie erinnerte sich vage an eines der Prospekte, die sie damals bei ihrem ersten Besuch in Jack's Werkstatt durchgeblättert hatte. Es war ein BDSM-Magazin und darin wurden etliche Techniken und Toys – so nannten die Leute in der Szene ihre Spielzeuge liebevoll – vorgestellt.
Julia hatte diese sogenannten Toys sehr interessant gefunden, wollte damals jedoch lieber bei ihrem eigenen kleinen, vibrierenden Spielzeug in ihrer Nachttischschublade bleiben.
Sie hätte nicht damit gerechnet, dass sie einmal in den Genuss der im Magazin dargestellten Werkzeuge kommen würde.
Während sie hilflos dort hing und überlegte, was als Nächstes passieren würde, schaute Alexej Julia mit gierigen Augen an.
Schließlich griff er nach dem Spielzeug auf dem kleinen Holztisch und ging näher an Julia heran. Seine feine Nase nahm einen leichten Schweißgeruch wahr, der sich mit ihrem natürlich Duft und einer Spur Parfüm vermischt hatte; ein Zeichen dafür, dass Julia Angst hatte.
Gleichzeitig konnte er an ihren eindeutigen Körperreaktionen erkennen, dass sie eben diese Form der Angst unheimlich erregte.
Er legte seine linke Hand auf ihre Brust und spürte ihr Herz schlagen. Es raste und Alexej fuhr mit seinen Fingern an ihrem Busen entlang. Er berührte sie dabei fast gar nicht. Julia streckte ihm ihren Oberkörper entgegen, denn sie wollte mehr davon. Alexej ignorierte ihre Begierden vorerst und widmete sich ihrer rechten Brust.
Er beugte sich vor und küsste ihren Busen, er näherte sich ganz langsam ihrer längst steifen Brustwarze und nahm ihren Nippel zwischen die Lippen. Er saugte daran und ließ dann seine Zunge weiterwandern.
Julia gab ein gedämpftes Stöhnen von sich und versuchte, sich ihm entgegenzuwerfen. Sie wollte ihn überall spüren. Sie wollte ihm außerdem sagen: „Mach mit mir, was du willst.“ Aber sie konnte es ihm nicht verdeutlichen. Sie bemühte sich also, es ihm durch ihre Gesten mitzuteilen. Julia wollte, dass Alexej verstand, wie sehr sie nach seinem enormen Schwanz lechzte. Sie wollte ihn in sich spüren, sie wollte, dass er ihr das Hirn rausvögelte. In Gedanken war sie bei seinem einmaligen Prachtexemplar, das Alexej damals im Hotel bis zuletzt nicht hatte auspacken wollen.
Als sie es dann zum ersten Mal gesehen hatte, wäre sie beim Anblick beinahe explodiert. Balu war schon gut bestückt, aber Alexej – „Größe ist eben doch alles“, war Julia damals durch den Kopf gegangen, nachdem Alexej sie befriedigt hatte.
Ihr war nicht klar, dass Alexej schon etliche Frauen so vor sich gehabt hatte und dass er sehr wohl wusste, was Julia jetzt wollte.
Aber Alexej war noch nicht so weit. Er kostete das Spiel voll und ganz aus.
Alexej knabberte an ihrem zweiten Nippel und saugte und leckte daran. Mit der freien Hand bearbeitete er weiterhin ihre andere Brust. Er hatte sein Spielzeug, eine relativ grobmaschige Kette mit jeweils einer Art Klammer an beiden Enden, in der anderen Hand ein wenig vorgewärmt, damit Julia sich nicht allzu sehr erschreckte.
Als sie jedoch plötzlich das immer noch eiskalte Metall einer der Klammern an ihrer Brustwarze spürte, zuckte sie zurück. Ihre Knie zitterten, aber sie blieb tapfer stehen und stellte sich dem kurzen Schmerz, den die Klammer zu Beginn verursachte. Bei der zweiten Klammer war es schon nicht mehr unangenehm – im Gegenteil.
Julia genoss das kühlende Metall, dass an ihrem Busen klimperte. Die Kette war nicht gerade leicht und Julia spürte, wie die Schwerkraft dafür sorgte, dass sie auf eine unglaublich erregende Art und Weise unter dem Ziehen litt.
Alexej zupfte unsanft an der Kette, um zu prüfen, ob sie hielt und Julia durchfuhr ein stechender Schmerz. Er hatte ihr das Maul gestopft, daher konnte sie ihm keine schmutzigen Worte an den Kopf knallen. Sie hätte sich nicht beschwert, aber wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Alexej sich mehr beeilt und sie gleich dort von hinten genommen.
Alexej drehte sich von seinem Kunstwerk weg, um nach einem zweiten Spielzeug zu suchen. Er wurde schnell fündig und er grinste verhalten, denn die Kerzen hatte er schon seit langer Zeit nicht mehr benutzt.
Er liebte die Wachsspiele, die die meisten Menschen vermutlich pervers fanden. Ihn störte jedoch die Sauerei, die man damit verursachte. Außerdem war heißes Wachs nicht für jede seiner Gespielinnen geeignet. Er schaute über die Schulter, um zu entscheiden, ob Julia bereit für diese Art des Schmerzes war.
Er fand, dass sie durchaus bereit war, also nahm er sich zwei lange Kerzen, die in Stoff eingewickelt waren, aus der Schatulle.
Er wählte eine lange und breite Kerze und eine schmalere, die ebenfalls knapp dreißig Zentimeter lang war.
Beide waren noch unbenutzt, der Docht jungfräulich weiß. Julia wand sich in ihrem Gestell und ihre Handgelenke begannen bereits zu schmerzen. Sie war das alles nicht gewöhnt und ihr Körper rebellierte. Sie spürte plötzlich einen stärker werdenden Luftzug an ihren Beinen und erschauderte. Dann verschwand die kalte Brise wieder und Julia machte sich nichts weiter daraus.
Alexej stand nun ganz nah an Julia und als sie seine Gegenwart spürte und sein Aftershave roch, drückte sie ihren Leib erneut in seine Richtung. Diesmal ließ er es zu, dass sie ihn berührte. Sie drängte ihren Schritt an seinen Oberschenkel. Julia stöhnte auf, denn sie spürte an ihrem eigenen Bein sein bestes Stück, dass seine dünne Anzughose fast zum Bersten brachte.
Es war für sie der Beweis, dass Alexej seinen Spaß mit ihr hatte und allein diese Gewissheit war für sie eine unglaubliche Befriedigung.
Sie rieb ihren Schritt an seinem Bein. Sie war so feucht wie noch nie zuvor und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er sie endlich zum Höhepunkt bumste.
Alexej jedoch nahm die dickere der beiden Kerzen und führte sie an Julias Nase vorbei, um zu prüfen, ob sie anhand des Geruchs erahnte, was nun auf sie zu kam.
Julia roch den typischen Wachsduft, konnte ihn jedoch erst einmal nicht einordnen. Reizüberflutung. Alexejs Schwanz, ihre Hilflosigkeit in seinem Keller, die klimpernde Kette an ihren Brüsten – all das machte sie beinahe verrückt.
Um Julia einen weiteren Hinweis zu geben, strich Alexej nun mit der Kerze an ihrem Körper entlang. Sie hielt inne, denn sie war neugierig. Sie überlegte, ob Alexej sie nun mit einer Auswahl an Dildos befriedigen würde. Aber der bekannte Geruch der Kerze passte einfach nicht.
Alexej befreite sich sanft aus Julias Umklammerung. Er sah, wie klitschnass sie war. Auch für ihn war es eine schwere Prüfung, denn er wollte ebenfalls nichts lieber tun als sich hinter sie zu stellen, sie zu vögeln und dabei an der Kette an ihren weichen Titten zu spielen.
Julia schob nun ihr Becken zu ihm hin und spreizte schamlos die Beine. Sie hatte erraten, um was es sich in Alexejs Hand handelte und sie wollte wenigstens die Kerze tief in sich spüren.
In dem Moment als Alexej ihr diesen Gefallen tun wollte, hörten beide wieder ein dumpfes Geräusch. Diesmal schien es jedoch aus dem Keller selbst zu kommen. Alexej verharrte mucksmäuschenstill. Julia hielt ebenfalls die Luft an. Ihr schossen absurde Bilder durch den Kopf. Was wäre, wenn plötzlich jemand im Keller stünde und sie so sähe?
In jenem Augenblick wäre es Julia lieber gewesen, wenn sie wenigstens ihr Augenlicht gehabt hätte, um die Situation besser einschätzen zu können. Alexej hatte jedoch andere Sorgen, denn er war sich nun fast sicher, dass seine Haushälterin sich irgendwo in der Nähe herumtrieb. Er hatte den Luftzug einige Minuten zuvor ebenfalls mitbekommen und wollte auf weitere Überraschungen lieber verzichten.
Er beugte sich zu Julia herüber und flüsterte in ihr Ohr: „Ich glaube, wir bekommen Besuch. Ich schaue mal nach, wer uns da stört.“ Er biss ihr zärtlich in den Hals und Julia hoffte inständig, dass er sofort zurückkommen würde.
Alexej legte die Kerze zurück auf den Holztisch und ging die paar Meter zurück zum Treppenaufgang. Julia hörte ein „Hallo?“ und ein kurzes Echo, das von den Steinwänden zurückgeworfen wurde. Keine Antwort. Julia spitzte die Ohren, allerdings hörte sie kaum etwas, da ihr vor Aufregung das Blut im Kopf rauschte.
Da! Wieder ein Geräusch, dachte sie. Eine Stimme und dann wieder Totenstille. Hatte sie sich das bloß eingebildet? Je mehr sie sich bemühte, genau hinzuhören, desto stärker wurde das Rauschen in ihren Ohren.
Julia war erleichtert, als sie wieder Schritte hörte, die in ihre Richtung führten. Offenbar hatte Alexej sich ebenfalls verhört. Es war ein altes Haus, da kam so etwas vor, beruhigte sie sich und versuchte, wieder in Stimmung zu kommen. Die kurze Pause voller Ungewissheit hatte sie von ihrem gemeinsamen Spiel abgelenkt. Aber sie war sich sicher, dass Alexej nun weitermachen würde. Vielleicht, so überlegte sie fieberhaft, gehörte diese Verwirrung auch mit zu seinem Spiel.
Sie hörte nun ein Ratschen und erkannte, dass es sich um ein Streichholz handelte. Der typische, schwefelige Geruch drang in ihre Nase und sie fragte sich, was Alexej damit vorhatte. Ihr wurde rasch bewusst, dass er wahrscheinlich die Kerze damit entzünden wollte.
Julia schnupperte vorsichtig, denn da war ein neuer Duft hinzugekommen. Zigarettenqualm, dachte Julia überrascht. Seit wann rauchte Alexej? Naja, er steckte eben voller Überraschungen, dachte Julia.
Sie hörte, wie er den Rauch einatmete und wieder ausstieß. Julia wartete gespannt darauf, was nun passieren würde. Sie versetzte sich selbst wieder in die frivole Stimmung von zuvor und stellte sich einfach vor, dass Alexej ihr als nächstes die Kerze einführen würde, damit sie endlich ihren Orgasmus genießen konnte.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie sich wieder vor zügelloser Lust wand. Die Handschellen schnitten ihre mittlerweile ins Fleisch, aber es waren keine schlimmen Wunden. Außerdem bemerkte Julia das gar nicht mehr. Sie spreizte die Beine und hoffte, dass Alexej ihre Einladung annahm und endlich weitermachte.
Plötzlich spürte sie ein teuflisches Brennen an unendlich vielen Stellen an ihrem Körper. Der Schmerz verblasste binnen weniger Atemzüge. Sie verstand: er hatte ihr Kerzenwachs über den Oberkörper geschüttet. Julia spürte, wie das Wachs auf ihrer Haut wieder fest wurde und sie genoss den warmen Schmerz. Sie hatte längst eine Grenze überschritten und war bereit für mehr.
Und wieder platschten ein dutzend Spritzer des geschmolzenen Wachses auf ihre Brust. Sie schüttelte sich unbewusst und die schwere Kette zog an den Metallklammern, die unbarmherzig ihre Brustwarzen umschlossen.
Und noch ein Schwall. Julia wurde rasend vor Lust. Sie hätte nie geglaubt, dass sie auf so etwas stehen würde. Aber sie war unheimlich froh, dass Alexej ihr zeigte, wo ihre wirklichen Grenzen lagen.
Mittlerweile bedeckte das getrocknete Wachs große Flächen ihres Oberkörpers und einige glühende Tropfen hatten sich sogar den Weg über ihren flachen Bauch in Richtung ihres Schritts gebahnt. Das Wachs rann in ihre sorgsam gestutzten Schamhaare, die Julia noch am Morgen zu einem akkuraten Dreieck geformt hatte.
Schwerer Zigarettenqualm lag in der Luft, aber Julia störte sich nicht daran. Sie bemerkte nicht, dass Alexej näherkam und sich mental auf das vorläufige Finale vorbereitete.
Julia wartete begierig auf die nächste Ladung. Im nächsten Moment krümmte sie sich vor Schmerz und zog ihrem vom Wachs spannenden Bauch so weit ein, wie es ihr möglich war. Sie versuchte dem Schmerz zu entkommen, aber die Hand, die die glimmende Zigarette auf ihrer Haut ausdrückte, konnte sie nicht abwehren.
Das Brennen betäubte sie. Der Schmerz raubte ihr die Fähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie biss vergeblich auf das mittlerweile vom Speichel vollgesogene Tuch in ihrem Mund. Tränen schossen aus ihren Augen, diese wurden jedoch durch ihre Augenbinde aufgefangen. Das war kein Spiel mehr, das war schreckliche Realität.
Sie trat wild um sich, verfehlte ihren Peiniger jedoch und sackte schließlich matt zusammen, da ihre Knie zu sehr zitterten, um sie noch lange aufrecht zu halten. Plötzlich war es wieder still und Julia bemerkte erst einige Sekunden später, dass sie offenbar erneut allein war. Dieser Wahnsinnige war einfach gegangen und ließ sie offenbar dort im Keller verrotten. Aber sie hatte sich geirrt, denn nun hörte sie eilige Schritte.
Ihre Sinne kehrten rasch zurück und sie spürte zum ersten Mal an diesem Abend, dass sie fror. Ihr Kreislauf würde nicht mehr lange mitmachen, dachte sie ängstlich.
Julia bemerkte nun auch den stechenden Geruch, der sich mit dem Zigarettenqualm vermischte: es war der Geruch von versengten Haaren und verbranntem Fleisch.
Die Augenbinde machte sie wahnsinnig, aber sie konnte wenigstens durch wildes Kopfschütteln ihren Knebel loswerden. Sie keuchte auf, als sie den durchnässten Stofffetzen endlich los war.
„Hilfe!“, schrie Julia panisch. Sie wollte einfach nur noch weg. Sie hatte Angst. Sie befürchtete ernsthaft, dass sie dieses perverses Abenteuer nicht überleben würde, wenn sie nicht bald die Handschellen loswurde und so weit rannte wie ihre schlappen Beine sie trugen.
Julia schrie weiter nach Hilfe und hörte so gar nicht, dass Alexej wiederkehrte. Er spurtete auf Julia zu und zog ihr die Augenbinde vom Kopf. Sie schaute ihm in die Augen und Alexej sah darin puren Hass. Er verstand nicht.
„Was ist passiert?“, fragte er mit matter Stimme und machte sich sogleich an ihren Handschellen zu schaffen.
„Das ist passiert, du Arschloch!“, brüllte Julia, als er gerade die erste Handschelle geöffnet hatte. Sie nutzte ihre nun befreite Hand um auf Alexej einzuschlagen. Ihre Angst hatte sich schlagartig in blanke Wut verwandelt.
„Siehst du das hier?“, meinte Julia und zeigte auf ihre klaffende Brandwunde am unteren Bauch. „Das ist los!“, schrie sie wieder.
Alexej wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er konnte sich an nichts erinnern. „Julia, es tut mir leid, ich -“, begann er, aber Julia wollte davon nichts wissen und schubste ihn von sich weg, als er auch die zweite Handschelle gelöst hatte.
„Fass' mich nicht an!“, schnauzte sie, als Alexej sich die Wunde näher anschauen wollte. Der saftige Tritt in den Unterleib überraschte Alexej und er krümmte sich nun ebenfalls vor Schmerz.
Julias anfängliche Todesangst hatte sich in Überlebenswillen verwandelt und sie fürchtete diesen erbärmlichen Mann nicht mehr.
Sie wusste, dass sie im Ernstfall keine Chance gegen ihn hatte, aber sie würde sich trotzdem nicht einfach wehrlos ergeben, falls er es wagte, sie weiter zu quälen.
Ihr Adrenalinrausch sorgte dafür, dass sie so konzentriert wie noch nie in ihrem Leben war. Sie spürte, dass ihr nun nichts mehr passieren würde. Komischerweise machte Alexej keinerlei Anstalten, um sie weiter festzuhalten. Im Gegenteil, fiel ihr auf. Er hatte sie sogar losgemacht. Aus Reue? Oder gehörte das zu seinem Spiel. Julia blieb aufmerksam, um sich im Zweifelsfall verteidigen zu können. Aber es passierte nichts mehr.
Alexejs Kopf dröhnte und sein Unterleib schmerzte. Julia bemerkte gar nicht, dass er selbst verletzt war. Er hatte eine kleine Platzwunde an der Schläfe. Er konnte sich das alles nicht erklären.
Julia hingegen war sich sicher, dass Alexej endgültig den Verstand verloren hatte. Vielleicht hatte es wirklich mit dem Ring zu tun, überlegte sie kurz. Es war ihr egal.
„Wie kann man nur so blöd sein“, zischte sie halblaut und raffte ihre Klamotten zusammen. Das Wachs bröckelte langsam ab und erst als Julia sich ihr Kostüm wieder überziehen wollte, bemerkte sie, dass die bescheuerte Metallkette immer noch an ihrer Brust baumelte.
Ihre Nippel waren wund und taub, daher hatte sie nichts mehr gespürt. Es war ein absurdes Bild. Sie nahm sich die Konstruktion ab und knallte sie wütend auf den Boden.
Alexej drehte nervös den geerbten Ring am Finger. Rasputins Erbe. Julia beobachtete ihn und eine Sache überraschte sie, als ihr Verstand langsam wieder einsetzte. Warum tat Alexej so, als wüsste er nicht, was passiert sei?
Er antwortete selbst, denn er schien zu wissen, worüber sie nachdachte: „Irgendjemand hat mich niedergeschlagen, als ich auf der Treppe war. Ich würde so etwas niemals tun.“ Er zeigte verdattert auf die Stelle, an der unter dem Kostüm die frische Brandwunde klaffte, die auf den zweiten Blick doch nicht ganz so übel aussah. Zumindest dachte das Julia – sie war sich sicher, dass sie für so etwas keinen Arzt brauchen würde.
Sie schnaufte und schüttelte widerwillig den Kopf.
„Du kannst dir deine Lügen sparen“, sagte Julia und versetzte ihm einen eiskalten Blick, als sie sich gerade ihre Schuhe anzog. Ihre Verletzung brannte immer noch höllisch, aber es war ihr egal. Das Brandmal war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, der in ihr tobte. Sie hatte sich in einen gefährlichen Spinner verknallt, dessen Hobby es war, junge Frauen in seinem Keller zu verstümmeln.
„Aber, es ist die Wahrheit“, versuchte Alexej zu erklären. „Ja, ich wollte dich tatsächlich mit Wachs überraschen, aber Wachs verursacht keine Brandwunden. Außerdem hatte ich noch gar nicht damit begonnen, bevor ich auf der Treppe nachgeschaut habe. Ich kann mir das nicht erklären“, sagte Alexej. Das Feuer in seinen Augen war erloschen.
„Ach ja? Ich glaube, ich – aua, verdammter Mist“, sagte Julia mit zusammengebissenen Zähnen, denn der Stoff ihres Kostüms klebte bereits an ihrer Brandwunde fest und machte ihr den höllischen Schmerz wieder bewusst. Sie riss sich jedoch zusammen, denn in Momenten wie diesen wuchs sie stets über sich hinaus. Wie sie das machte, konnte sie sich jedoch auch nicht erklären.
„Ich glaube, ich kann das ganz gut nachvollziehen. Dir sind die üblichen Spielchen zu langweilig geworden und da dachtest du, du könntest es mal mit einem hübschen Brandmal versuchen. Warum verstellst du dich überhaupt? Meinst du wirklich, ich bin so blöd? Dachtest du, ich würde den Kippenqualm nicht riechen?“ Julia kochte vor Wut und versuchte mit schmerzverzerrtem Gesicht, den Reißverschluss am Rücken zuzuziehen. Ihre Hände zitterten und sie schaffte es erst nach mehreren Anläufen.
„Aber ich rauche doch gar nicht. Ich besitze keine Zigaretten, ich -“, stammelte Alexej und aus dem riesigen Russen war ein Niemand geworden.
„Wie kannst du es WAGEN!“, schrie Julia zornig und stampfte in Richtung des kleinen Holztisches, auf dem die Schatulle lag. Zum ersten Mal sah Julia den gesamten Inhalt und ihr wurde speiübel. Sie schaute sich im Keller um und erkannte, was für ein Freak ihr Lover eigentlich war.
Sie hatte tatsächlich in einer aufwändigen Holzkonstruktion gehangen, an welcher etliche feste Metallringe angebracht waren. Julia glaubte, dass dort vermutlich Seile oder noch mehr Ketten festgemacht wurden. Sie hatte so etwas in der Bondage-Zeitschrift in Jack's Werkstatt gesehen.
Die Schatulle enthielt etliche Dildos, kleine und mittelgroße Liebeskugeln, die verhängnisvollen Kerzen in diversen Größen und Längen und unzählige metallische Gegenstände, die Julia beim Überfliegen des Inhalts nicht weiter einordnen konnte.
Sie drehte sich zu Alexej um und in der Hand hielt sie die Packung Zigaretten, die sie ebenfalls in der Schatulle gefunden hatte. „Und was ist DAS hier? Sind das Schokoladenzigaretten? Willst du mich verarschen?“
Je schwächer Alexej wurde, desto wütender wurde Julia. Er hatte jetzt nicht den Kopf einzuziehen. Er sollte für seine Taten geradestehen. Alexej fasste sich an den Schläfe, denn er spürte, dass Blut daran herablief.
Julia verdrehte die Augen und gab ein kurzes, höhnisches Lachen von sich. „Als nächstes willst du mir wohl erzählen, dass dich wirklich jemand KO gehauen hat, oder? Ich fasse das nicht“, sagte sie. Mehr zu sich selbst als zu Alexej fügte sie erneut hinzu: „Wie kann man nur so blöd sein.“
Und mit diesen Worten machte sie sich auf den Weg aus diesem Höllenloch. Sie ignorierte den Schmerz tapfer und stolperte so schnell es ging die Treppe hinauf. Julia brauchte frische Luft – und einen Drink.
Julia fand sich nicht gleich zurecht, als sie oben angekommen war, aber ihr Instinkt zeigte ihr dann doch noch den richtigen Weg. Im Esszimmer schnappte sie sich als Erstes die Whiskeyflasche aus der kleinen Bar an der Wand des luxuriös eingerichteten Raumes und trank ein, zwei, drei, vier kräftige Schlucke. Der betäubende Effekt setzte fast sofort ein und der Schmerz an ihrem Bauch ließ nach.
Alexej war ihr nachgegangen, um die Sache zu erklären und stand plötzlich in der Tür. Er wusste offenbar nicht, was er sagen sollte. Er schaute Julia beinahe flehend an und wünschte sich nichts mehr, als dass er die vergangenen neunzig Minuten vergessen machen könnte.
Julia interpretierte sein Schweigen als Eingeständnis seines absurden Experiments im Keller und schleuderte – vom Alkohol zusätzlich beflügelt – die Whiskeyflasche in seine Richtung.
Das Glas zerbrach am Türrahmen, nur wenige Zentimeter von der Stelle entfernt, wo einen Augenblick zuvor noch Alexejs Kopf gewesen war. Er hatte sich rechtzeitig geduckt und wollte Julia nun beruhigen. Alexej ging auf sie zu, aber sie hob abwehrend ihre Hand.
„Stop! Keinen Schritt weiter. Ich will nichts mehr hören. Und ich will dich nie wieder sehen. Deine verrückte Familie soll mir gestohlen bleiben. Jetzt haben du und Annabelle endlich freie Bahn. Das war es doch, was ihr wolltet, oder? Bitte sehr. Viel Spaß!“ Julia reckte das Kinn und rauschte aus dem Raum, nachdem sie ihre Sachen genommen hatte.
Sie verließ das düstere Haus und trat in die Dunkelheit. Es regnete. Julia erinnerte sich daran, dass in einem halben Kilometer Entfernung eine Tankstelle stand. Sie wollte sich dort in Sicherheit bringen und auf dem Weg dorthin ein Taxi rufen.
Ein Blick auf das Display ihres Handys verriet ihr, dass es bereits kurz vor zwölf war.
Der Regen kühlte sie ab und verwischte außerdem die Tränen, die ihr an den Wangen herunterliefen.