Kapitel 7 – Fast erleuchtet
Julia hatte ihre Handschuhe vergessen und rieb sich frierend die steifgefrorenen Finger, als sie den vom ersten Schneefall bedeckten Weg zu Balus Yogastudio beschritt.
Peer hatte sich zu den Vorfällen der vergangenen Tage glücklicherweise nicht mehr geäußert. Es blieb bloß noch zu hoffen, dass der launische Alexej sich doch für einen Deal zwischen der FemediaX GmbH und der Softlift GmbH entschied. Julia hoffte, dass es klappte. Andererseits war sie auch froh, das verführerische Gesicht ein paar Tage nicht zu sehen. Vor allem auf Annabelle, Alexej's durchgeknallte Sekretärin, die gerne Bodyguard spielte, konnte Julia verzichten. Vielleicht bricht sie sich ja bei dem Sauwetter die Gräten, hoffte Julia schadenfroh.
Sie betrat den Vorraum des Yogastudios und sah, dass sie ohne es zu wissen pünktlich gekommen war. Sie hatte sich relativ spontan dazu entschieden, Verenas Rat zu folgen und sich bei Yoga und Kerzenschein zu entspannen. Eigentlich fand sie es albern, dass Balu vor jeder Yogastunde Kerzen im Übungsraum anzündete, aber sie musste zugeben, dass die Meditationsübungen ihr leichter fielen, wenn sie sich auf das romantisch flackernde Kerzenlicht konzentrieren konnte.
Im nächsten Raum war Balu offensichtlich dabei, einigen Neulingen die Grundhaltungen beizubringen. Sie fragte sich manchmal, ob überhaupt irgendjemand der ausschließlich weiblichen Kunden hierher kam, um Yoga zu lernen. Sie hatte das Gefühl, dass sich diese gackernden Frauen, die verschiedener nicht sein konnten, lediglich zu diesen wöchentlich stattfindenden Verrenkungszeremonien trafen, um Balu anzuhimmeln.
Einige der Frauen flirteten sehr offensiv mit ihm, Julia jedoch tat so, als wäre ihr nichts egaler als das, was sie und Balu nach dem regulären Yogaunterricht hoffentlich zusammen erleben würden.
„Hey Julia, schön, dass du dich mal wieder blicken lässt“, rief Balu ihr zu, als sie sich rasch umgezogen und den stickigen Übungsraum endlich betreten hatte. Es roch nach Kerzen und – es war offenbar unvermeidlich – nach Schweißfüßen. Julia wusste, dass der Geruch auch von ihren eigenen mit einem seit ihrer Pubertät mit einem fiesen Fluch belegten Füßen ausgehen konnte, ignorierte diese Tatsache jedoch tapfer und beharrte innerlich darauf, dass eine der anderen Frauen für den subtilen Gestank verantwortlich war, der in unsichtbaren Schwaden den engen Raum kontaminierte.
Balu kam auf sie zu und umarmte sie herzlich. Was folgte, war Julia bereits gewohnt. Die nach Aufmerksamkeit lechzenden Frauen runzelten missbilligend die Stirn und wünschten ihr wortlos die Pest an den Hals. Julia fand das albern und machte sich nichts daraus.
„Ja, weißt du, ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren. Verena hat mich dazu angestachelt“, fügte sie hinzu.
Balu beugte sich ein wenig näher und flüsterte: „Es sind ein paar Neue dabei, die scheinbar nicht nur wegen der Asanas gekommen sind.“ Julia lachte, als Balu die Augen verdrehte. Das hatte sie sich ja bereits gedacht.
Die nächsten 45 Minuten verbrachte Julia damit, sich zu entspannen. Besser gesagt: sie versuchte es fieberhaft, aber es klappte nicht. Sie war ständig abgelenkt und dachte an Alexej. Verena lag vermutlich richtig - sie hatte sich tatsächlich in diesen Macho verschossen, der sie beinahe den Job gekostet hätte und eine gemeingefährliche Annabelle als Sekretärin beschäftigte, die sie mit Drohanrufen belästigte.
Als letzte Übung war eine Art Sonnengruß an der Reihe, die Balu majestätisch vorturnte. Julia beobachte beim Durchführen der Übung aus den Augenwinkeln die anderen Frauen im Kursraum, die schwitzten und stöhnten.
Sie war froh, dass die Session nun vorüber war und trödelte absichtlich lange in der Umkleide herum, um abzuwarten, dass sich alle verabschiedeten. Das konnte manchmal länger dauern, da sich einige tatsächlich anmaßten, Julias Platz einzunehmen, von dem sie allerdings gar nicht wussten, dass er existierte.
Es ging das Gerücht um, dass Balu schwul war. Das änderte nichts daran, dass diese Frauen ihn attraktiv fanden und als willkommene Abwechslung zu ihren eigenen, langweiligen, untrainierten, faulen Partnern wahrnahmen. Balu war es nur recht, dass die meisten seiner Kundinnen dachten, er sei vom anderen Ufer. Er selbst hatte mit dem ganzen Beziehungskram nicht viel am Hut und war stets bloß an der Weiterentwicklung seines Geistes interessiert. Naja, das stimmte zum Glück nicht ganz, dachte Julia voller Vorfreude.
Sie war vor dem Umkleiden rasch unter die Dusche gesprungen und band sich nun die noch klammen Haare zum Zopf.
Julia achtete auf das Zuschlagen der Schwingtür und horchte immer wieder auf, bis sich endlich auch die hartnäckigste Kundin von Balu verabschiedet hatte.
Das Yogastudio war relativ klein und hatte bloß vier Räume. Einen Vorraum, den Übungsraum und ein winziges Büro. Und natürlich die Duschkabinen. Julia kannte den Weg bereits. Sie machte sich nicht die Mühe, sich mehr als nur ihren Slip anzuziehen und ging zielstrebig durch den kurzen Flur in Richtung seines Büros. Balu hatte nicht bemerkt, dass Julia geblieben war und er erschrak, als sie halbnackt im Türrahmen stand und ihn ansprach. „Hast du nicht was vergessen?“, fragte sie grinsend.
Balu verstand sofort, nicht nur, weil sie fast nackt war. Genau diese Frage hatte Balu ihr nämlich gestellt, als sie nach ihrer ersten Stunde bei ihm ihre verschwitzten Yogasocken vergessen hatte.
Er hatte ihr die Strümpfe damals lachend unter die Nase gehalten und gemeint, dass es schlecht fürs Geschäft wäre, wenn die Dinger in der Umkleide liegen blieben. Julia wäre damals am liebsten vor Scham im Boden versunken. So hatten sich die beiden jedenfalls näher kennengelernt und nach ein oder zwei weiteren Yogastunden hatte Julia ganz offen nach Privatstunden gefragt. Sie fand Balu von Anfang an heiß und hatte keine Skrupel sich zu nehmen, was sie wollte. So selbstsicher wie damals war sie heute zwar nicht mehr, aber sie wollte es definitiv nochmal wissen.
Balu stammte aus Deutschland, hatte jedoch einen indischen Vater. Er sah also entsprechend exotisch aus, hatte schwarze Haare, die fast so lang wie Julia's waren und makellose weiße Zähne. Seine Augen waren durchdringend, nicht so wie Alexej's; es war ein sanfter, gütiger Blick. Vielleicht auch ein wenig verträumt. Er hatte eine athletische Figur, schlank und sehnig. Balu saß an seinem kleinen Schreibtisch und kümmerte sich offenbar um geschäftliche Angelegenheiten. Er schaltete den Computer jedoch sofort aus, als er Julia so dort stehen sah.
Er ging auf Julia zu, an ihr vorbei und schloss das Studio vorsorglich ab und löschte das Licht im Vorraum. Es war bereits dunkel geworden und es schneite wieder.
Als er nur eine Minute später zurück in sein Büro kam, hatte Julia sich bereits völlig entkleidet und es sich auf seiner Minicouch bequem gemacht. Balu wusste, was Julia wollte und er war gut darin, ihr genau das auch zu geben.
Er kniete sich auf den Boden vor dem schmalen Sofa und schaute Julia tief in die Augen. Sie war bereit, alles zu vergessen und sich ihm ganz hinzugeben.
Die nun folgende Prozedur hatten sie bereits mehrere Male erfolgreich durchgeführt, viele Worte wechselten sie bei ihrem Abenteuer nie.
Er strich mit seinen langen, warmen Fingern an ihren verschränkten Beinen entlang und hob ihr rechtes Bein leicht an, um schließlich beide Beine sanft auseinanderzuziehen. Julia schaute auf den schwarzen Haarschopf herab, der sich dort zwischen ihren bebenden Beinen bewegte. Obwohl sie sich noch nicht allzu lange kannten, waren sie ein eingespieltes Team, wenn es um zügellosen Sex ging.
Julia hatte das Gefühl, dass Balu ihre Gedanken lesen konnte. Ihm schienen diese Fantasien, die er scheinbar telepathisch aufnahm, zu gefallen, denn er gehorchte ihnen bedingungslos. Er begann ihre Oberschenkel zu küssen und arbeitete sich rasch vorwärts, am Bein entlang bis zum Zentrum ihrer Lust, wie er es manchmal nannte.
Julia hatte keine Geduld, wenn es um langwierige Vorspiele ging. Zumindest nicht in so einer Situation. Was sie jetzt wollte, war schneller, wilder, lauter und bedingungsloser Sex.
Balu begriff und widmete sich nun mit seinen zielstrebigen Fingern ihrem Po. Er zog Julia näher in Richtung seiner warmen Zunge, die er schließlich ganz in ihrem Schritt vergrub. Julia stöhnte auf und griff nach dem pechschwarzen Haar, während sie ihre Beine in geübter Manier um seine Schultern schlang. Balu bewegte seine Zunge erst langsam, dann schneller werdend und Julia genoss jede Sekunde davon. Julia hatte die Augen geschlossen. Sie würde nicht lange brauchen, schoss es ihr durch den Kopf, während dutzende Bilder vor ihrem inneren Auge durcheinanderwirbelten. Mit jedem Zungenschlag vergingen bloß kurze Sekunden, aber für Julia waren es lustvolle Momente, die immer wieder aufs Neue ewig erschienen.
Balu spürte, wie sich Julia in Rekordzeit ihrem Höhepunkt näherte. Er wusste jedoch, dass ihr nach mehr war. Er verlangsamte sein geübtes Zungenspiel und lächelte, als er unverschämt gut und verwegen aussehend von ihrem Schoß heraufschaute und ihren Blick suchte.
Julia leckte sich obszön die Lippen, was Balu richtig deutete, in dem er aufstand und seine lockere Trainingshose zu Boden gleiten ließ. Während Julia bereits ihre heißen Lippen um seinen bereits steil empor stehenden Schwanz legte, zog er sich sein Hemd aus und schloss nun selbst die Augen. Julia griff gierig nach seinem besten Stück, als sie es ausreichend befeuchtet hatte und dirigierte ihn schnurstracks in Richtung ihres pochenden Schritts.
Balu kniete sich wieder vor sie und drang mühelos in Julia ein. Sie stöhnte abermals auf und zog Balu so nah heran wie es ihr möglich war. Balu ahnte, was sie wollte und hob die an ihn geklammerte Julia in einem Schwung auf, um sich elegant um die eigene Achse zu drehen und selbst auf dem Sofa niederzulassen, damit sie sich zu ihrem wohlverdienten Orgasmus reiten konnte.
Julia war kurz davor, zu explodieren, aber es fiel ihr immer schwerer, die Bilder zu ignorieren, die in ihrem Kopf ihr Unwesen trieben. Sie sah Alexej, sie sah ihm in die Augen, sie erinnerte sich an ihren Traum. Sie sah die Szene in der Cocktailbar, sie sah, wie Annabelle sie angrinste. Schließlich sah sie sich selbst im Spiegel an der Wand, als sie die Augen öffnete. Ihr Gedankenkarussell hatte sich bloß einige Sekunden gedreht, aber ihr kam es vor, als hätte sie minutenlang in ihrer Fantasiewelt verharrt.
Sie hatte längst aufgehört, sich wie wild auf Balus sehnigem Körper zu bewegen. Sie stützte sich schnaufend auf seiner Brust ab und löste den Blick von ihrem leicht zerzausten Haar und ihren geröteten Wangen im Spiegel. Sie schaute Balu in die Augen und realisierte, dass es ein Fehler gewesen war. „Wie kann man nur so blöd sein“, dachte Julia.
Balu war die Ruhe selbst und wie üblich ging es ihm nicht darum, zum Schuss zu kommen. Er legte seine Hände auf ihre Oberschenkel, um zu signalisieren, dass sie nicht allein war, aber sie wollte seine Zuneigung nicht. Sie verdiente es nicht, denn sie hatte Balu wieder einmal nur für schnellen Sex ausgenutzt.
Julia schämte sich, stieg von Balu herab und ließ sich neben ihm auf das enge Sofa fallen. Balu blieb einfach sitzen. Stoisch nahm er es hin.
Sie beobachtete – immer noch außer Atem – wie sich seine beachtliche Erektion langsam legte und das Blut zurück in die Weiten seines Körpers floss.
„Balu, es tut mir leid. Ich kann das nicht. Mir ist gerade bewusst geworden, dass...“, begann Julia, nachdem sie die Beine an ihre nackte Brust gezogen hatte und sich quasi selbst umarmte.
„...dass du in Wirklichkeit lieber mit jemand anderen geschlafen hättest? Das brauchst du mir nicht zu erklären, das war mir von Anfang an bewusst“, vervollständigte Balu ihren Satz und sah ihr in die Augen.
Sie bemühte sich, seinen Blick zu meiden. „Warum musstest du mir damals auch die Scheiß-Socken nachtragen?“, fragte sie unvermittelt. Balu lachte und meinte: „Denkst du, dass mir das hier keinen Spaß macht? Mir ist es nicht wichtig, wie du mittlerweile weißt. Aber es macht mir dennoch Spaß. Sehr viel Spaß sogar. Du hast ja gesehen, wie viele enttäuschte Ehefrauen hier täglich auf Einzelstunden auf dem Sofa in meinem Büro hoffen. Bei dir war das bis heute anders. Für dich war unser Sex eine Art Flucht vor dir selbst. Du bist im Gegensatz zu den anderen Frauen, die hierhin kommen, nicht vor deinem Partner geflohen. Du wolltest eine andere Julia sein, eine befreite, unbeschwerte, selbständige Julia.“
Julia war baff. Sie wusste, dass Balu einiges auf dem Kasten hatte, aber dass er ihre Seele besser sezieren und analysieren konnte als der gute, alte Carl, ihr Psychologe, den sie zuletzt vor der Trennung von Thomas gebraucht hatte – das überraschte sie dann doch.
Sie schwieg und richtete ihren Blick auf etwas vor ihr, was sie selbst nicht definieren konnte. Sie schaute ins Nichts, in die Leere. Sie fühlte sich ihrem wahren Ich näher als je zuvor. Erklären konnte sie sich das jedoch nicht.
Balu richtete sich auf und ging nackt zu dem Wasserkocher auf seinem Schreibtisch, füllte ihn am Waschbecken, das sich in einem der Wandschränke des Büros versteckte und kramte in seiner Teedose. „Grün oder schwarz?“, fragte er.
Während Balu den Tee zubereitete, schaute sich Julia in seinem Büro um. Es war spartanisch eingerichtet. Trotzdem gemütlich, fand sie. An der Wand gegenüber, vor seinem Schreibtisch, hing ein kleines, quadratisches und äußerst kitschiges Poster, auf dem stand: „Unser erster Gedanke an jedem Morgen sollte der Wunsch sein, den Tag dem Wohlergehen aller zu widmen.“ Darunter stand ein ihr unbekannter Name. Julia dachte folgerichtig, dass es sich dabei um den Urheber des Zitats handelte.
War dieses Zitat der Grund dafür, dass Balu Julia bereits mehrfach in den siebten Himmel gebumst hatte, ohne dafür eine Gegenleistung, einen Blowjob oder sonst etwas zu verlangen? Tat er es aus Nächstenliebe? Trug Julia ihre gelegentliche Wollust so offensichtlich zur Schau? War sie so leicht zu durchschauen?
Balu reichte ihr den heißen Tee (sie hatte sich für „Grün!“ entschieden) und setzte sich wieder zu ihr. Sie war endlich entspannt und das, obwohl sie sich selbst davon abgehalten hatte, einen voraussichtlich bombastischen Orgasmus mit Balu zu erleben. Obwohl sie von einer Verrückten bedroht wurde. Obwohl sie kurz davor war, arbeitslos zu werden.
Es war Balus Ausstrahlung, die sie entspannte. Das verstand sie endlich. Sie war gar nicht unbedingt wegen dem Sex zu ihm gekommen. Er gab ihr das Gefühl, frei zu sein. Balu nippte an seinem Tee und nickte ihr zu. Er schien zu wissen, was sie dachte. Sie hatte es endlich verstanden.
Sie schwiegen, während sie sich am Tee wärmten. Schließlich sagte Balu: „Es klingt heutzutage aufgeblasen und vielleicht sogar lächerlich, aber wenigstens ein uralter Spruch hat auch im 21. Jahrhundert noch seine Gültigkeit: Folge deinem Herzen. Du willst diesen Mann. Dann stell dich deiner Angst. Beweg' dich endlich aus deiner Komfortzone heraus.“
Julia hatte das Gefühl, dass sie gerade Nachhilfeunterricht in Philosophie bekam und sie war froh darüber. Balu hatte Recht, sie musste sich ihren Problemen stellen, anstatt zu hoffen, dass sie sich von allein lösten.
Eines machte sie jedoch stutzig, also fragte sie nach: „Wie kommst du bloß auf solche Sachen?“
Balu lachte. „Die klugen Sprüche habe ich von meiner Mutter gelernt. Sie weiß in so ziemlich jeder Situation, welche ihrer über die Jahre gesammelten Weisheiten am besten passt. Ich befürchte, sie hat mich damit angesteckt.“
Julia versuchte sich die Mutter dieses außergewöhnlichen, jungen Mannes vorzustellen, aber es gelang ihr nicht.
„Außerdem“, fügte Balu nachdenklich hinzu, „ist es mein Job. Yogalehrer zu sein bedeutet nicht nur, dass man sexuell vernachlässigten – entschuldige bitte! - Frauen körperliche Verrenkungen zeigt. Beim Yoga geht es tatsächlich darum, die eigenen Grenzen kennenzulernen und bei Bedarf zu überschreiten. Yogaschüler sind Grenzgänger. Die wenigsten wissen das. Es interessiert kaum jemanden, was eigentlich dahinter steckt. Vor ein paar Jahren kamen die Leute beim Frühstücksfernsehen vermutlich auf die Idee, mal etwas Anderes als Aerobic zu zeigen und da wurde der Yogatrend geboren. Ich will mich natürlich nicht beklagen,“ fügte er hinzu.
Er wusste nicht genau, was sie ursprünglich zu ihm in sein Yogastudio geführt hatte, aber er hatte den Verdacht, dass auch Julia gerade zum ersten Mal überhaupt über Yoga nachdachte. Er sah in ihren Augen ein Glitzern. Es konnten Tränen sein oder auch nicht. Jedenfalls sah er, dass sie sich verändert hatte. Er wollte sie jedoch nicht überfordern und verschwieg ihr daher, dass sogar die Farbe ihre Aura von einem matschigen Braunton in ein leuchtendes Rot gewechselt hatte.
Julia fiel plötzlich ein, dass sie noch einiges an Arbeit vor sich hatte und stand wie von der Tarantel gestochen auf, um auf dem Computer nachzuschauen, wie spät es war. Balu war ebenfalls wieder aufgestanden und wühlte erneut in seiner Teebox. Julia erschrak, nachdem sie den Computer wieder hochgefahren hatte, denn die kleinen Digitalziffern zeigten bereits 21:40 Uhr an. „Danke, Balu, aber ich muss jetzt nach Hause. Für einen zweiten Tee habe ich keine Zeit“, meinte sie, als sie schon auf dem Weg zurück zur Umkleide war. Sie beeilte sich und kam nur wenigen Minuten später wieder. Balu hatte lediglich seine Hose angezogen und saß wieder an seinem Rechner.
Sie wollte ihm danken, aber sie wusste nicht, wie sie es in Worte fassen sollte.
Balu erriet ihre Gedanken scheinbar, denn er winkte ab, stand auf und reichte ihr eine kleine Pappschachtel ohne Aufdruck. „Das ist Salbei-Tee“, erklärte er und manövrierte die verwirrte Julia mit ihrem Präsent in der Hand nach draußen. Sie ging – rutschend und schlitternd - zur nächsten Bushaltestelle und entschied sich schließlich dafür, ein Taxi zu rufen, nachdem sie seufzend feststellte, dass der nächste Bus erst wieder in einer halben Stunden kommen würde.