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Selbst nach Einbruch der Dunkelheit nehmen das
verdorrte Gras in den Gärten, die gepflasterten Bürgersteige und
die spitzen Stacheln der Yuccabüsche in Phoenix, Arizona, noch die
mitsommerliche Hitze auf. Die heiße Wüstenluft drückt gegen die
Doppelglasfenster und die geschlossenen Garagentore. Alles, was man
draußen hat liegen lassen - einen zusammengerollten Gartenschlauch,
ein Fahrrad, einen Fußball - ist zu heiß, um es anzufassen.
Irgendjemand muss diese Hitze kubikkilometerweise direkt bei der
Sonne bestellt haben, und sie wurde geliefert, und jetzt ist sie
hier und macht sich breit. Sie gehört zur Landschaft wie Himmel und
Erde. Aus klimatisierten Zimmern blicken die Leute hinter Jalousien
und Vorhängen hervor nach draußen und sehen sie in ihrer
unsichtbaren Monstrosität schimmern. Neun Uhr abends, 42 Grad.
Außerhalb der Stadt, in der Sonora-Wüste, 50 Grad.
Hinter einem ziegelgedeckten Haus in einer kurzen
Sackgasse liegt ein kleiner runder Swimmingpool. Unterwasserlampen
lassen Lichtflecken im Wasser tanzen. Am Rand der nass gespritzten
Terrasse sitzt eine Mutter auf einem Liegestuhl, auf dem Schoss ein
trockenes Handtuch. In dem Pool steht ein Vater mittleren Alters
mit einem breiten Brustkorb bis zur Taille im lauwarmen Wasser. Am
Rand des Pools springt ein kleiner Junge in einer bunt gemusterten
Badehose mit angezogenen Beinen in die Luft, klatscht auf der
Wasseroberfläche auf und geht unter wie ein Stein.
Die Mutter richtet sich auf ihrem Liegestuhl auf
und beugt sich mit aufmerksamem Blick ein wenig nach vorn, um das
Geschehen zu verfolgen.
Der Vater - Trainer der Ringermannschaft an der
Highschool - greift mit beiden Händen in das schäumende Wasser, als
wäre er König Midas und würde in einem Haufen Gold greifen, und
zieht den tropfenden Jungen heraus.
»Ich hab’s geschafft! Daddy, hast du’s gesehen?
Mommy, hast du’s gesehen?«
»Ich hab’s gesehen!«, ruft die Mutter. Sie trägt
ein ärmelloses weißes Oberteil, Caprihosen und goldfarbene Sandalen
und hat lange blonde gelockte Haare. Ihr Gesicht und ihre Arme sind
rosig und das ganze Jahr über mit Sommersprossen bedeckt. Sie
denkt: Natürlich habe ich es gesehen. Ich kann keinen Blick von
dir wenden. Seit dem Moment deiner Ankunft habe ich nichts anderes
mehr angesehen.
»Noch mal?«, ruft der Junge, und bevor die Mutter
sagen kann, dass es Zeit zum Schlafengehen ist, bevor der Vater
»genug« sagen kann, schlägt er einen Purzelbaum, verschwindet in
einer Wasserfontäne und wird erneut aus der Tiefe gefischt.
Tropfnass brechen Vater und Sohn in lautes Gelächter aus. Sie
umfassen einander, die nassen Haare nach hinten gestrichen,
glänzend wie Seehundfell. Die Mutter entspannt sich.
Die beiden weißen Amerikaner, Karen und Bill
Cheney, lernten sich kennen, nachdem jeder von ihnen eine
gescheiterte erste Ehe, eine Scheidung und eine lange Zeit des
Alleinseins hinter sich hatte. Sie ist Krankenschwester, und er ist
Ausbildungskoordinator und Ringkampftrainer. Sie lernten sich in
einem Krankenhaus in Phoenix kennen. Sie war hübsch, hatte ein
überschäumendes Temperament und lachte viel, er war gutmütig und
verlässlich. Sie heirateten 1994, als sie dreißig und er
dreiunddreißig Jahre alt waren. Bills Sohn aus erster Ehe wuchs zu
einem wunderbaren jungen Mann heran, inzwischen geht er auf die
Marineakademie. Karen und Bill führten ein ruhiges Leben, bis
dieser bezaubernde äthiopische Junge in ihrem Leben einschlug wie
eine Kanonenkugel.
Der Mann nimmt den Dreijährigen Huckepack, steigt
mit ihm aus dem Swimmingpool und liefert ihn bei der Mutter ab; sie
hüllt ihn wie ein Baby in das flauschige Handtuch und geht mit ihm
nach oben, um ihn noch kurz in die Badewanne zu stecken. Sie wird
ihm die Haare rubbeln, sie wird Babyöl auf seiner kräftigen kleinen
Brust und seinen rundlichen Armen und hinter seinen niedlichen
abstehenden Ohren verteilen, sie wird ihm einen kurzärmligen
Schlafanzug überstreifen und dann wird sie an seinem Bett sitzen
bleiben, bis er eingeschlafen ist.
Der Junge heißt William Mintesinot Eskender Cheney.
Minty war der erste Junge, den Haregewoin von der Straße geholt
hatte.
2003 wurde Karen auf die Kinderintensivstation
gerufen und bekam den schlimmsten Fall zugeteilt, mit dem sie
jemals zu tun gehabt hatte: Samuail, ein vierzehn Monate alter
Junge, der von seiner geistig verwirrten, wütenden Mutter in
kochendes Wasser getaucht worden war. Es war die Strafe dafür, wie
sie später erklärte, dass er das Essen so schnell
hinuntergeschlungen und sich deswegen auf ihrem neuen Teppich
übergeben hatte. Er war das jüngste ihrer sieben Kinder.
Seine Beine sehen aus wie bei einem gekochten
Hühnchen, dachte Karen. Zusätzlich zu den Verbrennungen dritten
Grades an Füßen und Beinen wies er Bisswunden auf, zahlreiche
Blutergüsse und andere Spuren von Schlägen. Schlimmer als die
Spuren, die die körperlichen Misshandlungen hinterlassen haben, ist
es, dass er aufgegeben hat. Er hat beschlossen, nicht mehr zu
leben. Er reagiert auf gar nichts.
Der Kleine zeigte nur dann eine Reaktion, wenn
seine Mutter zu Besuch kam, vor ihrer Verhaftung: Er hatte so viel
Angst vor ihr, dass er am ganzen Leib zitterte.
Karen machte Überstunden, um an Samuails Bett zu
sitzen; sie fütterte ihn mit dem Löffel, sie stellte ihm Bill vor.
Langsam begann sich der kleine Junge ihr gegenüber zu öffnen, aber
er geriet immer noch jedes Mal in Panik, wenn seine Mutter das
Krankenzimmer betrat. Schließlich wurde die Frau verhaftet. Karen
sagte in dem Prozess aus. Eines Abends kam sie nach Hause und
erzählte verbittert: »Man hat sie zu neun Monaten verurteilt, mit
Freigang, damit sie weiterhin Klavierunterricht geben kann.«
Bill und Karen bewarben sich als Pflegeeltern für
den kleinen Jungen, als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Sie
wollten ihn adoptieren, sobald seiner Mutter das Sorgerecht
entzogen war, und der für den Jungen zuständige Sozialarbeiter
unterstützte ihre Bemühungen.
Der Richter schickte Samuail zurück zu seinen
Verwandten, damit die Familie »nicht zerstört wird«. Das Sorgerecht
wurde der Tante mütterlicherseits übertragen.
Die Cheneys hatten Angst um den Jungen und waren
zutiefst enttäuscht.
Als sie nach der Gerichtsverhandlung nach Hause
kamen, sagte Bill: »Schluss damit. Bitte mich nie mehr, so etwas zu
tun.«
Ich hatte geglaubt, Gott will, dass ich diesen
Jungen adoptiere, dachte Karen. Ich kann Gott nicht mehr
vertrauen.
Nach einiger Zeit dachte sie: Ich habe
irgendetwas falsch verstanden.
Wieder einige Zeit fiel ihr die Geschichte von
Moses ein, der zu Gott sagte: Du willst mich nicht.
Und Gott sagte: Doch, ich will dich.
»Ich glaube, irgendwo da draußen gibt es ein
anderes Kind für uns«, sagte sie vorsichtig zu Bill.
Er sagte: »Vergiss es.«
Sie informierte sich trotzdem über Adoptionen aus
dem Ausland. Sie stieß auf Americans for African Adoptions in
Indianapolis, die Kinder aus Äthiopien vermittelten. Erneut brachte
sie das Thema Bill gegenüber zur Sprache.
Er sagte: »Ich will das nicht noch einmal
durchmachen.«
»Dieses Mal wäre es etwas anderes«, sagte sie. »Das
Kind wäre unseres. Keiner könnte es uns wegnehmen. Bitte, denk
darüber nach.«
Er schüttelte den Kopf.
Im Stillen dachte er an sein Alter: Mit
vierundvierzig noch mal Vater werden? Nein, kommt nicht in
Frage.
In der Kirche begannen ihm adoptierte Kinder
aufzufallen. Er fragte andere Gemeindemitglieder, wie alt sie zum
Zeitpunkt der Adoption gewesen waren, und einige von ihnen sagten:
»Anfang vierzig.«
»Na gut«, sagte Bill eines Morgens zu Karen. »Ich
glaube, ich habe es mir anders überlegt.«
Sie stellten bei AFAA einen Antrag auf Adoption
eines kleinen Jungen. Wie Samuail.
Einige Monate später rief Cheryl Carter-Schotts die
Cheneys an und sagte: »Wir haben einen kleinen Jungen, aber er ist
älter, als Sie angegeben haben. Er ist drei oder vier Jahre alt.«
Er war Waise, seine Eltern waren an Aids gestorben, er selbst war
gesund, und er konnte mit einem Stück Kreide Buchstaben
kritzeln.
Sie stimmten zu.
Sie hatten kaum Zeit, sich zu freuen, die Fotos zu
betrachten, es ihren Freunden und ihrer Familie zu erzählen (»Ein
schwarzes Kind?«, fragten einige besorgt) und das Kinderzimmer
einzurichten, als sie eine verwirrende Nachricht erhielten:
Mintesinots Vater Eskender war noch am Leben. Er lebte auf der
Straße und starb an Aids.
Plötzlich waren sich die Cheneys nicht mehr sicher,
dass dieser Junge ihrer sein würde. Er war keine Waise. Habe ich
mich wieder getäuscht?
Sie brauchten eine Nacht, um eine Entscheidung zu
treffen. Ihnen war klar, dass diese Entscheidung dazu führen
konnte, dass ihr Sohn zu seinem Vater zurückkehrte, statt zu ihnen
zu kommen. Sie wussten, dass die lebenslange Übernahme der
Behandlungskosten für einen Mann, der an HIV/Aids erkrankt war, sie
der Mittel berauben würde, die sie für eine Adoption brauchten.
Aber sie hielten es für das Richtige.
Die Cheneys schickten eine E-Mail an AFAA: »Wir
möchten die Kosten für die medizinische Versorgung und die
Medikamente für Mintesinots Vater übernehmen.«
Es kam ein weiterer Anruf von Cheryl
Carter-Schotts: Es war zu spät. Eskender war tot.
Im März 2005 trat Mintesinot in Begleitung eines
Mitarbeiters von AFAA den langen Flug von Addis Abeba über Kairo
und Frankfurt nach Los Angeles an. Er hatte Fotos von seinen neuen
Eltern bekommen, und er erkannte die Cheneys auf der Stelle, als er
sie auf dem Flughafen von Los Angeles sah: Mommy. Daddy. In seinem
neuen Zuhause in Phoenix gab es so viel zu erforschen: den Schlauch
im Vorgarten, und dass man an einem Hahn drehen konnte und Wasser
herausspritzte. Das war toll. Genauso toll, wenn auch auf andere
Art, war der Föhn, der im Badezimmer im ersten Stock an der Wand
hing. Wenn er auf einen Knopf drückte, kam heiße Luft aus der Düse
und wärmte sein Gesicht. Das brachte ihn zum Lachen. (Bei diesem
Klima?, hätte er denken sollen. Sie brauchen ein
elektrisches Gerät, um in Phoenix heiße Luft zu produzieren?)
Wenn man auf einen Knopf an dem riesigen Fernseher drückte,
erwachte Pocahontas zum Leben. Wenn sein Vater ihn hochhob, konnte
er auf einen anderen Knopf drücken, und das große Garagentor setzte
sich rumpelnd in Bewegung.
Er nahm seine neuen Kleider in die Arme und küsste
sie. Das Gleiche machte er mit seinen neuen Schuhen, jeder Schuh
bekam einen Kuss. Als er die neuen Sachen anhatte - ein T-Shirt mit
bunten Streifen und eine kurze Jeans-Latzhose -, rannte er zu dem
hohen Spiegel im Schlafzimmer seiner Eltern und gab seinem
Spiegelbild einen Kuss. Im Erdgeschoss gab es einen ganzen Schrank
voll Spielsachen - eine Wagenladung Bauklötze, Magnetbuchstaben,
Mickymaus-Puzzles -, und er durfte den Schrank aufmachen, wann
immer er wollte, außer zur Schlafenszeit. Gerade dann hätte er ihn
natürlich am liebsten aufgemacht.
Toilettenpapier fand er ausgesprochen lustig.
Er hatte ein Faible für Armbanduhren.
»Mintys!«
»Nein, Minty, das ist Mommys Uhr.«
»Mintys!«
»Bring sie zurück in Mommys Zimmer.«
»Nein!«, schrie er. »Mintys.« Aber er stapfte die
Treppe hinauf, um die Uhr zurückzubringen.
Er kehrte mit einer eleganteren Uhr zurück.
»Mintys?«
Für seinen ersten Ausflug nach Disney World kauften
ihm seine Eltern einen kleinen Trolley. Er trug ihn auf dem Kopf
durch den Flughafen, wie man es in Afrika machte.
Eines Abends, sechs Wochen nach Mintesinots
Ankunft, sagte Karen zu Bill: »Ich habe mich so gründlich auf das
Schlimmste vorbereitet. Ich habe über Bindungsprobleme,
posttraumatische Belastungsstörungen, Trauer im Kindesalter
gelesen. Ich habe ganz vergessen, über ein normales Kind
nachzudenken. Was soll ich jetzt bloß machen?«
»Er kann ja immer noch anfangen zu spinnen«, sagte
Bill. Bill verbrachte seine Nachmittage in der Turnhalle der
Highschool mit den unterschiedlichsten Jungen.
Karen lieh sich trotzdem in der Bibliothek Bücher
über die Erziehung eines normalen amerikanischen Kindes aus der
Mittelschicht aus. Sie lernte, dass man bis drei zählen sollte,
nachdem man dem Kind etwas aufgetragen hatte, und zu sanften
Strafen greifen, wie Verhängung einer Auszeit, wenn das Kind der
Anweisung nicht folgte.
»Ich komme fast nie weiter als zwei«, beklagte sie
sich abends bei Bill.
»Wart’s ab. Lass ihm Zeit. Wir haben das Schlimmste
noch nicht mitbekommen.«
Drei Monate nach seiner Ankunft war Mintys Benehmen
sogar noch besser geworden.
»Und jetzt?«, fragte sie eines Abends.
»Tja«, sagte Bill, »er ist einfach so.«
»Er ist ein toller kleiner Junge!«, rief sie.
»Er ist erstaunlich.«
»Er ist Linkshänder«, sagte sie verwundert.
»Er ist unglaublich kräftig. Er kann einen Ball
treten, einen Ball werfen...«
»Er wird später mal Ringer«, sagte sie.
»Und was für einer. Hast du seine Schultern
gesehen?«
Abends machte Minty im Wohnzimmer Klimmzüge und
Situps und ließ sich von seinem Vater Ringergriffe
beibringen.
»Bill? Minty hat heute Morgen in der Kirche zwei
kleine Mädchen zu Boden geworfen«, sagte Karen an einem
Sonntagnachmittag.
»Ich weiß«, sagte Bill. »Hast du seine Technik
bemerkt?«
»Bill!«
»Okay, ich rede mit ihm... Aber hast du seine
Technik bemerkt?«
Eines Tages fuhren sie mit Minty in einen
Streichelzoo, und beim Anblick der Ziegen geriet er in helle
Aufregung. »Schaut!«, rief er. »Wie in Äthiopien! Wir fahren
Äthiopien?«
»Ja, irgendwann fahren wir hin, wenn du ein
bisschen größer bist«, versprachen sie ihm.
»Und kommen dann gleich wieder?«
»Ja, wir fahren hin und kommen dann wieder
zurück.«
An einem anderen Tag erzählte er Karen: »Meine Mama
trägt mich auf dem Rücken.«
»Was hast du gemacht, wenn du aufs Klo musstest?«,
fragte sie. »Bist du auf die Straße gegangen?«
»Nein, Mommy«, sagte er tadelnd.
»Sondern?«
Als wäre das völlig klar, erwiderte er: »In meine
Hose.«
Eines Nachmittags legte sich Karen aufs Sofa, und
Minty kam angelaufen und fragte: »Mommy, auf dir liegen?«
»Klar!«
Er kletterte auf sie und legte seinen Kopf auf ihre
Brust.
»Hast du so mit Abi und Enat
dagelegen?«, fragte Karen.
Mit einem traurigen Lächeln sagte er ja.
»Mit deiner Mutter oder deinem Vater?«
Immer noch lächelnd sagte er: »Enat.«
»Warst du dabei, als Enat gestorben ist?«,
fragte Karen den Dreijährigen.
Sein Gesicht wurde ernst; er nickte.
»Was hat Enat gesagt?«
»Enat aua, weh, weinen«, sagte Minty.
An einem Nachmittag im Winter machten die Cheneys
ein Feuer im Garten, von dem Minty ganz begeistert war. »Habt ihr
in Äthiopien Feuer gemacht, Minty?«, fragten sie.
»Ja«, erwiderte er mit geistesabwesendem Blick und
wurde still. »Mein Vater macht Feuer.«
»Hat er ein Feuer gemacht, damit du und deine
äthiopische Mama es warm haben?«
Minty sagte ja, mit demselben geistesabwesenden
Lächeln.
Später an diesem Abend nahm Bill Minty an der Hand,
und sie gingen auf der Suche nach einem verloren gegangenen
Baseball die dunkle Straße hinunter zum Kanal. Minty rannte voraus,
und Bill rief ihn zurück, um ihn wieder an die Hand zu
nehmen.
»Wir müssen uns an der Hand halten, damit uns
keiner wegnimmt, oder, Daddy?«, fragte Minty.
»Mir wurde richtig schwer ums Herz«, erzählte Bill
später Karen. »Ich fragte mich, ob er an seinen letzten Tag mit
Eskender gedacht hat.«
Zu dem Jungen sagte er: »Keiner nimmt uns einander
weg, Minty, aber es ist trotzdem gut, wenn wir uns an der Hand
halten.«
Vor der Ankunft ihres Sohnes hatten die Cheneys
ein Foto bekommen, auf dem Eskender und Mintesinot nebeneinander
vor ihrer kleinen, aus Blech und Lumpen zusammengebauten Unterkunft
auf dem Bürgersteig stehen. Karen rahmte das Foto und stellte es
auf das Regal neben Mintys Bett.
Mintesinot lebte bereits zwei Monate bei seinen
neuen Eltern in Amerika - und hüpfte jeden Morgen und jedem Abend
an dem Foto vorbei -, bevor er es entdeckte. Eines Abends riss er
vor Überraschung und Freude den Mund auf. »Abi! Mein Papa!«,
rief er mit hoher Stimme. Er nahm das Foto, betrachtete das Bild
des Mannes, und dann küsste er es.