Androsthenes’ Hilferuf erreichte Pompeius in der Nähe seines alten Ausbildungslagers bei Beroea. Er machte sofort kehrt und marschierte in Richtung Thessalien. Vor Larissa traf er zu seiner großen Erleichterung endlich auf Metellus Scipio und dessen zwei Veteranenlegionen.

Die Stimmung seiner Armeeführer hatte sich seit ihrem Aufbruch aus Herakleia zusehends verschlechtert. Alle waren der Meinung, Pompeius müsse endlich zur Tat schreiten. In Larissa schließlich entlud sich der angestaute Groll über Pompeius.

Es begann damit, daß Acutius Rufus, ein ranghoher Militärtribun, die Führer zu einer Anhörung vor einem Militärgericht zusammenrief, das er selbst einberufen hatte. In Anwesenheit Pompeius’ und seiner Legaten beschuldigte er Lucius Afranius offiziell des Verrates, weil er nach der Schlacht von Ilerda desertiert sei und seine Truppen verlassen habe. Hauptankläger war Marcus Favonius.

Pompeius verlor die Geduld. »Acutius, entlasse sofort dieses unrechtmäßige Gericht!« brüllte er mit geballten Fäusten; auf seinem Gesicht erschienen hektische rote Flecken. »Verschwindet, bevor ich euch selbst des Hochverrats anklage! Und was dich angeht, Favonius, so hätte ich nicht gedacht, daß du bei so etwas mitmachst! Veschwindet!«

Das Gericht löste sich auf, Favonius aber gab sich noch lange nicht geschlagen. Er warf Pompeius bei jeder Gelegenheit vor, daß Afranius ein Verräter sei, und Afranius seinerseits, empört über Favonius’ Angriffe, drängte Pompeius, Favonius aus seinen Diensten zu entlassen.

Der Oberbefehl über die Armee war praktisch auf Labienus übergegangen, der schon kleinste Vergehen mit Auspeitschungen ahndete. Die Soldaten murrten und dachten nur noch daran, wie sie Labienus in der Schlacht, die unweigerlich kommen würde, den Speeren ausliefern konnten.

Eines Abends beim Essen schlug Ahenobarbus zu.

»Wie geht es denn unserem werten Agamemnon, dem König der Könige?« fragte er, als er an Favonius’ Arm den Raum betrat.

Pompeius starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie hast du mich genannt?«

»Agamemnon, König der Könige«, sagte Ahenobarbus höhnisch.

»Und was soll das heißen?« fragte Pompeius drohend.

»Na ja, daß du in derselben Situation bist wie einst Agamemnon, König der Könige. Nomineller Anführer von tausend Schiffen, nominelles Oberhaupt einer Gruppe von Königen, von denen sich jeder mit demselben Recht wie du König der Könige nennen könnte. Es ist jetzt tausend Jahre her, daß die Griechen Troja angegriffen haben, und eigentlich sollte man denken, daß sich seither etwas geändert hätte. Aber es hat sich nichts geändert. Wir in Rom müssen immer noch unter einem Agamemnon leiden, einem König der Könige!«

»Und du bist Achilleus, nicht wahr, Ahenobarbus? Du schmollst bei deinen Schiffen, während die Welt zugrunde geht und die besten Männer fallen.« Pompeius’ Lippen waren weiß vor Zorn.

»Das kann man so nicht sagen«, sagte Ahenobarbus, der es sich auf einer Liege zwischen Favonius und Spinther bequem gemacht hatte. Er wandte seine Aufmerksamkeit den Trauben zu, die mit dem Schiff aus dem chalkidischen Pallene hergebracht worden waren. »Ich sehe mich eher selbst als Agamemnon, König der Könige.«

»Du willst das Zelt des Feldherrn, Ahenobarbus?«

»Dazu würde ich nicht nein sagen.«

»Warum forderst du mich heraus?«

»Deshalb, weil Agamemnon, der König der Könige, nicht in die Schlacht ziehen will.« Auf Ahenobarbus’ kahlem Schädel prangte ein Kranz aus Frühlingsblumen.

»Was sehr klug von ihm ist«, entgegnete Pompeius, bemüht, nicht die Nerven zu verlieren. »Meine Strategie besteht darin, Caesar hinzuhalten und zu zermürben. Offen gegen ihn zu kämpfen, wäre ein unnötiges Risiko. Wir stehen doch zwischen ihm und seinem Nachschub. Im Sommer wird er nicht mehr viel zu essen haben, im Herbst wird er in ganz Griechenland nichts mehr finden, und im Winter wird er kapitulieren. Mein Sohn Gnaeus auf Corcyra wird verhindern, daß Caesar Nachschub über das Adriatische Meer bekommt, und Gaius Cassius hat auf der Höhe von Messana einen bedeutenden Sieg über Pomponius — «

»Soweit ich gehört habe«, unterbrach ihn Lentulus Spinther, »hat Gaius Cassius nach diesem vielgepriesenen Sieg gegen Caesars alten Legaten Sulpicius gekämpft. Soldaten Caesars, die den Kampf von der Küste aus beobachteten und sahen, wie ungeschickt Sulpicius kämpfte, ruderten schließlich hinaus und enterten Cassius’ Schiffe. Cassius mußte sein Flaggschiff fluchtartig verlassen, sonst hätten sie ihn auch noch gefangengenommen.«

»Ja, das ist wahr«, gab Pompeius zu.

»Caesar hinzuhalten«, sagte Lentulus Crus zwischen zwei Bissen saftigen Tintenfisches, »ist lächerlich, Pompeius. Caesar hat keine Chance, das weiß doch jeder. Du klagst doch andauernd über Geldmangel, warum den Krieg dann noch länger hinauszögern?«

Brutus lauschte all dem mit wachsendem Entsetzen. Sein Beitrag zum Sieg bei Dyrrhachium war gering gewesen. Er hatte sich freiwillig bereit erklärt, nach Thessalonike, Athen oder sonstwohin zu reiten — nur weg von den zerstrittenen Senatoren und Soldaten! Aber erst in Herakleia hatte er bemerkt, wie tief die Meinungsverschiedenheiten zwischen Pompeius und seinen Legaten tatsächlich gingen. Und erst in Herakleia hatte er von Labienus’ Greueltaten gehört. Allmählich erkannte er, daß Pompeius’ durch seine eigenen Legaten zugrunde gerichtet wurde.

Warum hatte er Tarsus und Publius Sestius verlassen? Wie hatte er seine sorgfältig aufgebaute Neutralität aufgeben können? Wie konnte er von Leuten wie Deiotarus und Ariobarzanes Schuldzinsen eintreiben, wenn sie gleichzeitig Pompeius’ Krieg finanzierten? Was sollte er tun, wenn diese unnachgiebigen Dickschädel Pompeius doch noch in eine Schlacht trieben, die dieser so offensichtlich nicht wollte? Denn Pompeius hatte recht, seine Taktik der Zermürbung würde am Ende siegen! Und war es nicht wichtig, das Leben der Legionäre zu schonen und das Blutvergießen so gering wie möglich zu halten? Und was sollte er, Brutus, tun, wenn ihm jemand ein Schwert in die Hand drückte und von ihm verlangte, zu kämpfen?

»Caesar ist praktisch erledigt«, sagte Metellus Scipio, diesbezüglich anderer Meinung als sein Schwiegersohn. Er seufzte glücklich und lächelte. »Dann bin ich endlich Pontifex Maximus.«

Ahenobarbus fuhr auf. »Was bist du?«

»Pontifex Maximus.«

»Nur über meine Leiche!« kreischte Ahenobarbus. »Dieses Ehrenamt gehört mir und meiner Familie!«

»So ein Quatsch.« Lentulus Spinther grinste. »Du schaffst es doch nicht einmal, zum Priester gewählt zu werden, Ahenobarbus. Du bist der geborene Verlierer!«

»Ich werde tun, was schon mein Großvater getan hat, Spinther! Ich werde mich in derselben Wahl zum Pontifex und zum Pontifex Maximus wählen lassen!«

»Nein! Die Wahl entscheidet sich zwischen mir und Scipio.«

»Ihr habt beide keine Chance!« schrie Metellus Scipio wütend. »Ich werde der nächste Pontifex Maximus sein!«

Das Klirren eines Messers, das auf einen Goldteller geworfen wurde, ließ alle zusammenfahren. Pompeius hatte sich von seiner Liege erhoben und verließ wortlos den Raum.

Am fünften Tag des Sextilis traf Pompeius mit seiner Armee auf der Ebene von Pharsalus ein, wo Caesar bereits das Gelände nördlich des Flusses besetzt hatte, allerdings nur dessen östlichen Abschnitt.

»Hervorragend!« sagte Pompeius zu Faustus Sulla, dem einzigen Legaten, mit dem er noch gern redete. Sulla war sein Schwiegersohn, ein netter Junge, der tat, was Pompeius sagte. Natürlich war da noch Brutus, auch ein guter Kerl, aber ein schrecklicher Drückeberger! Immer hielt er sich im Hintergrund, kam nie zum Kriegsrat und nicht einmal zum Essen. »Wenn wir hier an diesem schönen Hang in Stellung gehen, stehen wir oberhalb von Caesars Lager und zwischen ihm und Larissa, Tempe und Makedonien.«

»Wird es zur Schlacht kommen?« fragte Faustus Sulla.

»Ich wünschte nein, aber ich fürchte ja.«

»Warum wollen die anderen denn unbedingt kämpfen?«

Pompeius seufzte. »Weil sie keine Soldaten sind und keine Ahnung haben — außer Labienus.«

»Labienus will auch kämpfen.«

»Er will sich unbedingt mit Caesar messen. Er hält sich für den besseren Feldherrn.«

»Und ist er das?«

Pompeius zuckte mit den Achseln. »Ich habe wirklich keine Ahnung, Faustus. Möglich wäre es. Labienus war immerhin die ganzen Jahre in Gallia Comata Caesars rechte Hand.«

»Soll die Schlacht schon morgen stattfinden?«

Pompeius zuckte kaum merklich zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht morgen!«

Am nächsten Morgen ließ Caesar seine Truppen in Gefechtsordnung antreten, doch Pompeius folgte seinem Beispiel nicht. Nach ein paar Stunden schickte Caesar die Soldaten wieder ins schattige Lager zurück. Es war zwar erst Frühling, aber die Sonne schien bereits kräftig, und die Luft war, vielleicht wegen des sumpfigen Geländes, schwül und drückend.

Am Nachmittag rief Pompeius seine Legaten zusammen. »Meine Entscheidung ist gefallen«, verkündete er. »Wir werden hier bei Pharsalus in die Schlacht gehen.«

»Sehr gut!« rief Labienus. »Ich treffe gleich die Vorbereitungen.«

»Aber nicht schon morgen!« rief Pompeius erschrocken.

Und auch nicht am übernächsten Tag. Wahrscheinlich sollten die Soldaten sich nur die Beine vertreten, glaubten zumindest die Legaten, denn Pompeius ließ sie zu so hochgelegenen Stellungen marschieren, daß nur ein Dummkopf sie dort angegriffen hätte. Caesar aber war kein Dummkopf und griff auch nicht an.

Als aber am achten Tag des Sextilis die Sonne hinter dem Lager verschwand, rief Pompeius seine Legaten noch einmal zusammen. Diesmal fand die Besprechung im Feldherrnzelt statt. Auf einem Tisch war eine große Karte ausgebreitet, die seine Kartographen auf Kalbshaut gezeichnet hatten.

»Morgen«, sagte Pompeius knapp und trat zurück. »Labienus, erläutere unseren Schlachtplan!«

»Es wird eine Reiterschlacht«, begann Labienus. »Wir wollen die große Überlegenheit unserer Reiterei ausnützen, um Caesar zu bezwingen, der nur tausend germanische Reiter hat. Unsere bisherigen Gefechte mit Caesar haben übrigens gezeigt, daß er einige Legionäre genauso bewaffnet hat wie die ubischen Fußsoldaten, die zwischen ubischen Reitern kämpfen. Sie sind gefährlich, aber zahlenmäßig weit unterlegen. Wir stellen uns hier auf, zwischen dem Fluß und den Hügeln. Mit neun Legionen sind wir Caesar überlegen, der eine seiner neun Legionen in Reserve halten muß. Wir haben fünfzehntausend Mann starke ausländische Hilfstruppen als Reserve und einen Vorteil aufgrund unserer erhöhten Stellung am Hang. Deshalb stellen wir uns auch in etwas größerer Entfernung als üblich vor Caesars Armee auf, und wir greifen nicht an — seinen Männern wird die Puste ausgehen, bevor sie uns überhaupt erreichen. Die Legionäre stehen in der Mitte, auf dem linken Flügel, gegen die Hügel zu werden sechstausend Reiter sein, auf dem rechten Flügel, zum Fluß hin, tausend; dort ist das Gelände zu sumpfig für Reiter. Zwischen der ersten Legion auf dem linken Flügel und den sechstausend Reitern stehen tausend Bogenschützen und Schleuderer.«

Labienus hielt inne und sah mit wilder Entschlossenheit in die Runde. »Die Fußsoldaten werden in drei Blöcken zu je zehn Reihen antreten. Die drei Blöcke greifen gleichzeitig an. Wir sind stärker als Caesar, der zuverlässigen Informationen zufolge aufgrund seiner Verluste während der Monate in Epirus nur viertausend Mann pro Legion hat. Wir lassen ihn mit seinen Männern angreifen und schlagen dann zurück. Das Kernstück des Plans ist aber die Reiterei. Caesar hat keine Möglichkeit, einem Angriff von sechstausend Reitern auf dem rechten Flügel standzuhalten; sie wird, unterstützt durch die Bogenschützen und Schleuderer, Caesars schwache Reiterei wie einen Erdrutsch zurückdrängen, seine Reihen durchbrechen und ihn schließlich von hinten angreifen.« Grinsend trat er zurück. »Der Sieg ist dir sicher, Pompeius!«

»Ich habe dem nicht mehr viel hinzuzufügen«, sagte Pompeius, der in der drückenden Schwüle des Zeltes schwitzte. »Labienus befehligt die sechstausend Reiter auf dem linken Flügel, Ahenobarbus meine Erste und Dritte Legion, beide auch auf dem linken Flügel. Fünf Legionen unter dir, Scipio, stehen in der Mitte, darunter die beiden syrischen Legionen. Spinther, du kommandierst auf dem rechten Flügel am Fluß achtzehn Kohorten, die keiner Legion zugeordnet sind. Brutus, du bist Spinthers Stellvertreter, Faustus, du bist dasselbe für Scipio; Afranius und Petreius vertreten Ahenobarbus. Favonius und Lentulus Crus, ihr kommandiert die ausländischen Reservetruppen, Marcus Cicero Junior die Reiter der Reserve. Torquatus, du übernimmst die Bogenschützen und Schleuderer der Reserve. Labienus wird noch einen Befehlshaber der tausend Reiter am Fluß benennen! Die übrigen von euch teilen sich auf die Legionen auf. Klar?«

Alle nickten feierlich, sich der Bedeutung des Augenblicks bewußt.

»Jetzt haben sie, was sie wollten«, sagte Pompeius, als er mit Faustus Sulla das Zelt verließ. »Ich konnte einfach nicht mehr.«

»Bist du unglücklich, Magnus?«

»Was heißt schon unglücklich, Faustus?« Pompeius tätschelte seinem Schwiegersohn die Schulter, wie er schon Ciceros Schulter bei seinem Abschied aus Dyrrhachium getätschelt hatte. »Sorge dich nicht um mich, Faustus. Ich bin ein alter Mann; in knapp zwei Monaten werde ich achtundfünfzig. Und irgendwann... Wie sinnlos es doch ist, mit Zähnen und Klauen um die Macht zu kämpfen! Es wird immer ein Dutzend Narren geben, die den Ersten Mann von Rom stürzen wollen.« Er lachte müde. »Wie sie sich gestritten haben, wer von ihnen Caesars Platz als Pontifex Maximus einnehmen wird, Faustus! Als ob das jetzt noch wichtig wäre! Nein, sie werden alle mit mir abtreten.«

»Du darfst nicht so reden, Magnus!«

»Warum denn nicht? Der morgige Tag wird alles entscheiden. Ich habe es nicht so gewollt, aber ich bereue es auch nicht. Eine Entscheidung, egal welche, ist allemal besser, als noch länger Feldherr dieser Armee zu sein.« Er legte den Arm um Faustus’ Schultern. »Komm! Lassen wir die Soldaten antreten. Ich muß ihnen doch sagen, was ihnen morgen bevorsteht.«

Es war schon dunkel, als die Armee sich zur üblichen Ansprache vor der Schlacht versammelt hatte. In seiner Eigenschaft als Augur holte Pompeius selbst die Zeichen ein. Da keine Rinder zur Verfügung standen, mußte ein weißes Schaf geopfert werden. Ein Dutzend Tiere wurden in einen Pferch getrieben, gewaschen und gekämmt, dann suchte der Augur mit kritischem Auge ein geeignetes Opfertier aus. Pompeius zeigte auf ein friedliches Mutterschaf. Doch als der Opferschlächter und der Opferdiener das Gatter öffneten, stürzten alle zwölf Tiere heraus, und das Opfertier konnte erst nach einer wilden Hetzjagd schmutzig und erschöpft wieder eingefangen und geopfert werden. Ein schlechtes Omen! Die Soldaten waren nervös geworden, und Pompeius hatte nach dem Opfer seine liebe Mühe, sie wieder zu beruhigen: Die Leber des Opfertieres sei ausgezeichnet gewesen wie überhaupt alles, also kein Grund zur Aufregung!

Doch dann passierte etwas noch Schlimmeres. Während die Männer immer noch unruhig nach Osten auf Caesars Lager sahen, schoß auf einmal ein gleißender Feuerball mit einem langen Schweif über den dunkelblauen Himmel. Er kam immer näher, fiel aber nicht auf Caesars Lager, was natürlich ein gutes Omen gewesen wäre, sondern verschwand jenseits davon im Dunkel. Erneut kam Unruhe auf, und diesmal konnte Pompeius sie nicht zerstreuen.

In sein Schicksal ergeben, ging er schließlich zu Bett. Was immer der morgige Tag bringen mochte, es würde letztlich zu seinem Guten sein. War ein solcher Feuerball denn ein schlechtes Omen? Vielleicht hatte er bei den Etruskern, die im Unterschied zu den Römern alle möglichen Erscheinungen deuteten, ja als gutes Omen gegolten.

In der Nacht brach ein Gewitter los, und der Donner schreckte ihn aus dem Schlaf. Der Traum, den er soeben geträumt hatte, stand ihm noch lebhaft vor Augen. Er war im Tempel der Venus Victrix in seinem Theater gewesen; die Statue der Venus hatte Julias Gesicht und ihren schlanken Körper. Er hatte den Raum mit Beutestücken seiner Schlachten geschmückt, und auf den Rängen des Theaters hatten die Menschen begeistert applaudiert. Ein gutes Omen! Doch stammten die Beutestücke von ihm selbst und seinen Mitstreitern: sein prächtiger Silberpanzer, auf dem der Sieg der Götter über die Titanen abgebildet war, Faustus Sullas Locke von der rotgoldenen Haarpracht seines Vaters, Scipios Helm, der einst dessen Vorfahren Scipio Africanus gehört hatte und immer noch dieselben mottenzerfressenen, ausgebleichten Reiherfedern als Helmbusch trug, und schließlich die entsetzlichste aller Trophäen, Ahenobarbus’ glänzender und blumenbekränzter kahler Schädel, aufgespießt auf einem germanischen Speer.

Pompeius wurde abwechselnd heiß und kalt. Er legte sich wieder hin, schloß die Augen vor den gleißend hellen Blitzen draußen und lauschte, wie der Donner über die Hügel hinter dem Lager rollte. Erst als sintflutartig der Regen einsetzte und auf das Zeltdach prasselte, fiel er wieder in einen unruhigen Schlaf, der freilich immer wieder von Bildern seines schrecklichen Traumes gestört wurde.

Als der Morgen anbrach, war es windstill und neblig. In Caesars Lager herrschte rührige Betriebsamkeit. Maultiere wurden beladen, Wagen angeschirrt, und alle machten sich marschbereit.

»Er wird nicht angreifen!« hatte Caesar gerufen, als er Marcus Antonius eine Stunde vor Tagesanbruch geweckt hatte. »Nach diesem Regen ist der Fluß reißend und der Boden morastig, und die Soldaten sind naß. Der gute alte Pompeius wird schon einen Vorwand finden. Wir ziehen nach Scotussa, Antonius, bevor Pompeius uns daran hindern kann. Bei den Göttern, er ist eine Schnecke! Kann ihn denn nichts, aber auch gar nichts zur Schlacht verleiten?«

Pompeius’ Lager war durch den dichten, grauen Nebel nicht zu sehen. Eifrig rissen die Legionäre weiter die Pfähle des Lagers heraus.

Plötzlich galoppierte ein haeduischer Kundschafter zu dem Beobachtungsposten, von dem aus Caesar den geordneten, lautlosen Abzug seiner neun Legionen und tausend Reiter überwachte.

»Feldherr!« keuchte der Mann und sprang vom Pferd. »Pompeius hat das Lager verlassen und stellt seine Truppen auf — in Schlachtordnung! Es sieht tatsächlich so aus, als wolle er kämpfen.«

»Cacat!« entfuhr es Caesar. Doch dann sprudelten die Befehle aus seinem Mund wie ein Sturzbach.

»Calenus, die Leute vom Troß sollen alle Tiere ans hintere Ende des Lagers bringen, und zwar doppelt so schnell wie sonst! Sabinus, die Legionäre sollen den vorderen Wall einreißen und den Schanzgraben auffüllen, aber schneller, als die capite censi die Tribünen im Circus füllen können! Antonius, die Reiter sollen sich zum Kampf bereitmachen! Und ihr anderen, ihr stellt die Legionen auf wie besprochen! Wir kämpfen genau nach Plan!«

Als der Nebel sich hob, stand Caesars Armee kampfbereit auf der Ebene, als sei von einem Abmarsch nie die Rede gewesen.

Pompeius hatte seine Truppen in einer eineinhalb Meilen langen Linie zwischen Fluß und Hügelland aufgestellt. Die Soldaten sahen nach Osten, was bedeutete, daß sie die aufgehende Sonne gegen sich hatten. Den linken Flügel bildete eine große Abteilung Reiter, den rechten eine kleinere Schar.

Caesars Armee war zwar kleiner, aber er verteilte die Legionäre so, daß die von der Zehnten rechts den pompeianischen Bogenschützen und Schleuderern und einem Teil von Labienus’ Reiterei gegenüberstanden. Nach links schlossen sich daran an die Siebte, die Dreizehnte, die Elfte, die Zwölfte, die Sechste, die Achte und die Neunte. Die Vierzehnte, die in Äginium von zehn auf acht Kohorten ausgedünnt worden war, postierte er auf dem rechten Flügel hinter den tausend germanischen Reitern; die Legionäre der Vierzehnten waren statt mit den üblichen Speeren mit langen Stangen mit Widerhaken bewaffnet. Der linke Flügel am Fluß mußte ohne Verstärkung durch Reiter auskommen. Die Befehlshaber der einzelnen Abteilungen waren der tüchtige Publius Sulla auf dem rechten Flügel, Calvinus in der Mitte und Marcus Antonius auf dem linken Flügel. Reservetruppen hatte Caesar keine.

Auf einer Anhöhe hinter den acht Kohorten der Vierzehnten mit den langen Stangen saß Caesar wie gewohnt auf seinem Pferd, seine Haltung aufrecht und entspannt. Legionäre, die sich umdrehten, sollten sehen, daß ihr Feldherr keinen Zweifel an ihrem Sieg hatte.

Pompeius war ein Narr! Er hatte offenbar Labienus die Schlacht planen lassen und alles auf drei unsichere Annahmen gesetzt — daß seine Reiterei Caesars rechte Flanke umfassen und sein Heer von hinten aufrollen könnte, daß seine Soldaten Caesars Männer zurückschlagen könnten und daß er sie erschöpfen könnte, indem er sie den ganzen Weg zu sich rennen ließ. Caesar sah zu Pompeius hinüber, der ihm genau gegenüber hinter den Schleuderern und Bogenschützen auf seinem Schimmel saß. Pompeius tat ihm leid, denn er würde diese Schlacht, die entscheidende, nicht gewinnen!

Caesars eigener Schlachtplan war drei Tage zuvor in allen Einzelheiten aufgestellt und seitdem jeden Tag überarbeitet worden. Als Labienus’ Reiter angriffen, blieben Pompeius’ Legionäre noch stehen. Dafür griffen Caesars Legionäre an. Auf halber Strecke pausierten sie, um Atem zu schöpfen, dann stürzten sie sich mit großer Wucht auf ihre Gegner. Die tausend germanischen Reiter auf Caesars rechtem Flügel fielen vor Labienus’ Angriff zurück, ohne ernsthaft zu kämpfen. Labienus verschwendete keine Zeit auf ihre Verfolgung, sondern ließ wenden, als er am hinteren Ende der Zehnten angekommen war — und ritt direkt in einen Wald langer, eisenbewehrter Stangen, welche die Legionäre der Vierzehnten, die diese Technik drei Tage lang geübt hatten, den Galatem und Kappadokem ins Gesicht stießen. Genau wie die Phalanx der alten Griechen, dachte Labienus verwirrt. Unter seinen Reitern brach Chaos aus, und das war das Signal für die Germanen, wie die Wölfe über sie herzufallen, und das Signal für die Zehnte, seitlich auszubrechen, die Bogenschützen und Schleuderer niederzumetzeln und dann Labienus’ zersprengten Reitern den Rest zu geben. Pferde gingen wiehernd zu Boden, Reiter stürzten schreiend aus dem Sattel, und überall herrschten nur noch Panik und Schrecken.

Auch anderswo war das Durcheinander vollkommen. Als Pompeius’ ausländische Hilfstruppen sahen, daß die Reiterei zurückgeschlagen wurde, traten sie die Flucht an. Die meisten Legionäre von Pompeius’ römischen Legionen kämpften tapfer weiter, die achtzehn Kohorten auf dem rechten Flügel am Fluß dagegen flohen ebenfalls. Nach einer knappen Stunde war alles vorbei.

Pompeius ritt vom Schlachtfeld, sobald er erkannte, daß die Schlacht verloren war. Er verwünschte Labienus, der Caesars Soldaten als unerfahrene Rekruten verspottet hatte! Ganz im Gegenteil, Caesar hatte erfahrene Soldaten, die sich auf ihr blutiges Geschäft verstanden! Pompeius hatte also doch recht gehabt und seine Legaten unrecht! Was wollte Labienus noch auf dem Schlachtfeld? Keiner konnte Caesar in der Schlacht besiegen! Caesar war in jeder Beziehung überlegen.

Pompeius ritt ins Lager zurück, ging in sein Zelt und setzte sich hin, den Kopf schwer in die Hände gestützt. Aus, vorbei! Er weinte nicht, nein, die Zeit der Tränen war endgültig vorüber.

In dieser Haltung saß er noch da, als Marcus Favonius, Lentulus Spinther und Lentulus Crus eintraten.

»Steh auf, Pompeius!« Favonius trat zu ihm und legte ihm die Hand auf den Rücken.

Pompeius antwortete nicht und bewegte sich nicht.

»Du mußt aufstehen, Pompeius!« rief Lentulus Spinther. »Es ist vorbei, wir sind besiegt.«

»Caesar wird bald in das Lager eindringen, du mußt fliehen!« krächzte Lentulus Crus zitternd.

Pompeius ließ die Hände sinken und hob den Kopf. »Wohin soll ich denn fliehen?« fragte er teilnahmslos.

»Das weiß ich nicht! Irgendwohin! Pompeius, bitte, komm mit!« Lentulus Crus’ Stimme klang flehend.

Pompeius sah, daß die drei sich wie griechische Händler gekleidet hatten — in Chiton, Chlamys, breitkrempigen Hut und knöchellange Stiefel. »So?« fragte er. »Warum verkleidet?«

»Zur Vorsicht«, sagte Favonius, der eine weitere Garnitur griechischer Kleidungsstücke in der Hand hielt. »Steh auf, Pompeius, ich helfe dir aus deiner Rüstung, und dann ziehst du das hier an.«

Pompeius stand auf, und aus dem römischen Feldherrn wurde ein griechischer Händler. Währenddessen starrte er benommen vor sich hin. Dann kam er wieder zu sich, kicherte und folgte den anderen aus dem Zelt.

Auf ihren Pferden verließen sie das Lager durch das Tor, das der Straße nach Larissa am nächsten lag. Larissa war nur dreißig Meilen entfernt und somit nahe genug, um die Pferde nicht wechseln zu müssen. Als sie durch das scotussische Tor ritten, waren die Pferde freilich schweißbedeckt.

Die Kunde von Caesars Sieg bei Pharsalus war ihnen bereits vorausgeeilt. Die Einwohner Larissas, überzeugte Anhänger des Pompeius, drängten sich auf den Straßen und fragten, was jetzt mit ihnen geschehen würde.

»Caesar wird euch nichts tun«, beschwichtigte sie Pompeius, als er auf der Agora abstieg und den Hut abnahm. »Geht wieder an eure Geschäfte. Caesar wird Gnade walten lassen.«

Natürlich wurde er erkannt, aber, den Göttern sei Dank, nicht für die Niederlage geschmäht. Was hatte er damals auf der Straße nach Beneventum zu Sulla gesagt? Damals, als er so betrunken gewesen war? Daß die Menschen lieber die aufgehende Sonne anbeten als die untergehende.. . Ja, das hatte er gesagt. Caesars Sonne war am Aufgehen, seine war untergegangen.

Dreißig galatische Reiter scharten sich um Pompeius und seine Begleiter und boten an, sie zu begleiten, wohin sie wollten, vorausgesetzt allerdings, es ging nach Osten, in Richtung Galatien.

Die Reiter waren alle Gallier, hauptsächlich Treverer, die in der langen Abwesenheit von der Heimat etwas Griechisch gelernt hatten — ein Teil jener tausend Männer, die Caesar damals Deiotarus geschenkt hatte, um sie nicht umbringen zu müssen, um gleichzeitig aber auch sicherzustellen, daß sie nicht gegen ihn aufbegehren würden.

Mit neuen Pferden und in Begleitung der Reiter verließen Pompeius, Favonius und die beiden Lentuli Larissa durch das thessalonische Tor. Als sie den Peneus erreichten, fanden sie an dessen Ufer ein Boot vor, das mit Gemüse zum Markt in Dium unterwegs war. Der Kapitän bot an, die vier Flüchtlinge bis dort mitzunehmen. Pompeius und seine Kollegen verabschiedeten sich von den gallischen Reitern und gingen an Bord.

»Gut gemacht!« bemerkte Lentulus Spinther, der sich offenbar schneller von der Katastrophe erholte als die anderen. »Caesar hält bestimmt auf der Straße nach Thessalonike nach uns Ausschau. Auf einem Schiff mit Gemüse wird er uns nicht vermuten.«

Die vier hatten auch in Dium Glück, das nur wenige Meilen von der Mündung des Peneus entfernt an der Küste lag: Dort ankerte ein römisches Handelsschiff unter einem römischen Kapitän namens Marcus Peticius, der gerade eine Ladung Hirse und Kichererbsen gelöscht hatte.

»Ich weiß schon, wer du bist!« sagte er und schüttelte Pompeius freundlich die Hand. »Wohin willst du?«

Wie sich herausstellte, hatte Lentulus Crus wenigstens einmal etwas Richtiges getan: Bevor er das Lager verlassen hatte, hatte er jeden Denar und jeden Sesterz eingesteckt, den er finden konnte. Vielleicht hatte er wiedergutmachen wollen, daß er damals vergessen hatte, Roms Schatzkammern zu leeren. »Nenne uns deinen Preis, Marcus Peticius«, sagte er jetzt stolz. Und an Pompeius gewandt: »Wohin, Pompeius?«

»Nach Amphipolis« sagte Pompeius. Der Name war ihm zuerst eingefallen.

»Eine gute Wahl!« meinte Peticius erfreut. »Von dort wollte ich sowieso eine Ladung Ebereschen mitnehmen; sie sind in Aquileia so schwer zu bekommen.«

Für Caesar, den Sieger von Pharsalus, war der neunte Tag des Sextilis ein Tag wechselvoller Gefühle. Seine eigenen Verluste waren klein, die des Pompeius, der sechstausend Mann verloren hatte, hätten weitaus schlimmer sein können.

»Sie haben es so gewollt!« sagte er traurig zu Antonius, Publius Sulla, Calvinus und Calenus, als die Männer begannen, das Schlachtfeld aufzuräumen. »Nach all meinen großen Taten hätten sie mich verurteilt, wenn ich nicht bei meinen Soldaten Hilfe gesucht hätte.«

»Tüchtige Männer!« sagte Antonius liebevoll.

»Das waren sie immer«, bestätigte Caesar. Dann verzog er den Mund. »Außer den Männern der Neunten.«

Der Großteil der pompeianischen Armee war geflohen, und Caesar machte sich nicht die Mühe, sie zu verfolgen. Bei Sonnenuntergang fand er endlich Zeit, Pompeius’ Lager zu inspizieren.

»Bei den Göttern!« stieß er hervor. »Waren sie sich ihres Sieges denn so sicher?«

Alle Zelte, auch die der einfachen Soldaten, waren geschmückt. Offenbar hatte eine große Feier stattfinden sollen, denn es gab bergeweise Gemüse, Fische, die am Morgen frisch von der Küste gebracht worden sein mußten und die man vor der Schlacht noch in den Schatten gelegt hatte, Hunderte von frisch geschlachteten Lämmern, Stapel von Broten, große Kessel mit Eintopf, Amphoren mit in Öl und Knoblauch eingelegten Kichererbsen und gemahlenen Sesamkörnern, ellenlange Würste, Wannen mit Oliven, außerdem die verschiedensten Käse und vor Honig tropfende Kuchen.

Caesar wandte sich an den jungen Legaten Gaius Asinius Pollio. »Pollio, es hat keinen Wert, das ganze Essen in unser Lager hinüberzutragen. Rufe die Männer her, sie sollen hier ein Siegesfest feiern, das unsere Gegner für sie ausgerichtet haben. Aber es muß noch heute abend sein, denn morgen wird das meiste Essen schon verdorben sein, und ich will keine kranken Soldaten.«

Die Zelte der Legaten des Pompeius waren noch entlarvender.

Kopfschüttelnd stand Caesar in dem des Lentulus Crus. »Hier sieht es aus wie in einem Palast. Kein Wunder, daß er sich nicht die Mühe gemacht hat, die Schatzkammern zu leeren — man könnte annehmen, daß er sie schon längst für sich selbst geplündert hat.«

Überall lagen goldene Teller, die Sofas waren mit Purpurstoff aus Tyrus überzogen, die Kissen mit Perlen bestickt, die Ecktische aus unbezahlbarem Zitronenholz gearbeitet. In Crus’ Schlafgemach stand eine gewaltige Badewanne aus kostbarem rotem Marmor, deren Füße in Löwenpranken endeten. In der Küche, einem offenen Bereich hinter dem Zelt, standen Fässer voller Schnee, in denen erlesene Fische und Krustentiere lagerten — Garnelen, Seeigel, Austern und Meeräschen; weitere schneegefüllte Fässer enthielten verschiedene Kleinvögel, mit Kräutern gewürzte Würste und Lebern und Nieren von Lämmern. Daneben standen Töpfe mit Soßen bereit, die nur noch warm gemacht zu werden brauchten.

»Mmm!« Caesar leckte sich die Lippen. »Hier werden wir also heute abend feiern! Endlich kannst du nach Herzenslust essen und trinken, Antonius! Aber«, fügte er lachend hinzu, »morgen abend gibt es wieder das Übliche. Ich nehme an, Crus hat den Schnee vom Olymp herbringen lassen.«

Anschließend begab Caesar sich nur in Begleitung von Calvinus ins Feldherrnzelt, um die dort entdeckten Truhen mit Briefen und Dokumenten zu untersuchen.

»Pompeius hat die Briefe seines Gegners verbrannt, damals in Osca, nach Sertorius’ Tod. Aber wer sie nicht zuerst liest, ist ein Narr.«

»Wirst du die Papiere verbrennen?«

»Natürlich! In aller Öffentlichkeit, wie Pompeius damals. Aber zuerst sichte ich sie. Wir machen das systematisch. Ich werfe einen ersten Blick darauf, und wenn etwas dabei ist, das sich ausführlich zu lesen lohnt, gebe ich es dir.«

Unter den interessanten Papieren fanden sie auch das Testament des verstorbenen Königs Ptolemaios Auletes von Ägypten.

»Sieh mal einer an!« sagte Caesar nachdenklich. »Ich glaube, dieses Dokument sollte ich nicht dem Feuer opfern, es könnte mir in der Zukunft noch nützlich sein.«

Am nächsten Morgen erwachte das Lager erst spät. Auch Caesar, der bis in den frühen Morgen hinein Dokumente gesichtet hatte, stand spät auf.

Während die Legionäre die Leichen der Gefallenen verbrannten und andere Arbeiten verrichteten, die ein Sieg mit sich brachte, ritten Caesar und seine Legaten nach Larissa. Dort trafen sie auf einen großen Teil der römischen Truppen des Pompeius, dreiundzwanzigtausend Männer, die um Gnade baten — eine Gnade, die Caesar ihnen auch gerne gewährte. Außerdem bot er ihnen an, in seinen Legionen zu dienen.

»Warum tust du das, Caesar?« wunderte sich Publius Sulla. »Wir haben den Krieg doch gewonnen.«

Die hellen, durchdringenden Augen richteten sich ein wenig spöttisch auf Publius, Sullas Neffen. »Unsinn, Publius! Der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Pompeius ist immer noch auf freiem Fuß, desgleichen Labienus, Cato, Pompeius’ Admirale samt ihren Schiffen und noch mindestens ein Dutzend weitere gefährliche Männer. Der Krieg ist erst vorbei, wenn sie alle das Knie vor mir beugen!«

Publius Sulla runzelte die Stirn. »Vor dir? Ach so, du meinst, vor Rom.«

»Ich bin Rom, Publius. Die Schlacht von Pharsalus hat es bewiesen.«

Für Brutus war Pharsalus ein einziger Alptraum gewesen. Ob Pompeius gemerkt hatte, welche Qualen er ausgestanden hatte? Auf jeden Fall war er dem Feldherrn unendlich dankbar gewesen, daß dieser ihn Spinther auf dem rechten Flügel am Fluß zugeteilt hatte. Doch dann hatten sie Antonius und Caesars Achter und Neunter Legion gegenübergestanden, und obwohl besonders die Neunte mit den eher unerfahreneren Männern der Vierzehnten aufgefüllt worden war, hatten Caesars Männer ihren Gegnern schwer zugesetzt. Beauftragt, sich zu Pferd um die Kohorten auf dem äußersten Flügel zu kümmern, hatte Brutus den aus Elfenbein geschnitzten Adler am Griff seines Schwertes angestarrt wie ein verängstigtes Tier eine Schlange.

Er hatte das Schwert nie gezogen. Plötzlich war Tumult ausgebrochen, und ein allgemeines Geschrei hatte angefangen. Seine Männer hatten »Hercules Invictus!« gebrüllt, die Legionäre der Neunten einen anderen, unverständlichen Schlachtruf. Entsetzt hatte er feststellen müssen, daß ein Nahkampf an vorderster Front nicht aus einzelnen Zweikämpfen Mann gegen Mann bestand, sondern aus einem unablässigen Gedränge, in dem gepanzerte Körper klirrend aufeinanderprallten und Schwerter blitzten und sich in Schilde bohrten. Wie konnte man dabei überhaupt Freund und Feind auseinanderhalten? Wer hatte denn noch Zeit, auf die Farbe des Helmbuschs zu achten? Wie versteinert hatte Brutus auf seinem Pferd gesessen und auf das Getümmel gestarrt.

Dann war die Nachricht vom Zusammenbruch des linken Flügels und der pompeianischen Reiterei eingetroffen. Auf einmal hörten die Männer auf, »Hercules Invictus!« zu schreien und flehten statt dessen um Gnade. Als die gelben Helmbüsche seiner Kohorten plötzlich vor einer Flut blauer Helmbüsche der Legionäre Caesars die Flucht ergriffen, trat Brutus seinem störrischen Pferd in die Weichen und galoppierte zum Fluß.

Den ganzen Tag über bis tief in die Nacht hielt er sich im sumpfigen Schwemmland des Enipeus versteckt; die Zügel seines Pferdes ließ er keinen Moment aus der Hand. Erst als der Jubel und das Gelächter der ihren Sieg feiernden Soldaten Caesars verstummt und die Feuer erloschen waren, wagte er sich wieder auf sein Pferd und ritt nach Larissa.

Ein Mann, der Mitleid mit ihm hatte, gab ihm griechische Kleider und nahm ihn bei sich auf. Brutus schrieb sofort an Caesar.

Caesar, diesen Brief schreibt Dir Marcus Junius Brutus, der einst Dein Freund war. Ich flehe Dich an, verzeihe mir, daß ich mich Gnaeus Pompeius Magnus und dem Senat im Exil angeschlossen habe. Seit Monaten bereue ich meine Entscheidung, Tarsus und Publius Sestius verlassen zu haben. Ich bin dort abgehauen wie ein dummer Junge auf der Suche nach dem großen Abenteuer. Aber dieses Abenteuer war überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Wie ich festgestellt habe, bin ich unkriegerisch bis zur Lächerlichkeit.

In der Stadt erzählt man sich, Du hättest alle Anhänger des Pompeius ungeachtet ihres Ranges begnadigt, vorausgesetzt, sie haben sich nicht schon zum zweiten Mal gegen Dich gestellt. Man erzählt sich aber auch, Du seist bereit, all denen ein zweites Mal zu vergeben, für die sich einer Deiner eigenen Männer verbürgt. Das ist in meinem Fall nicht nötig. Ich habe mich Dir nur einmal entgegengestellt und flehe Dich nun an, mir zu verzeihen, wenn nicht meinetwegen, so doch um meiner Mutter und Deiner geliebten Tochter Julia willen.

Vor allem dieser Brief war der Grund, warum Caesar sich mit seinen Legaten auf den Weg nach Larissa gemacht hatte.

»Suche Marcus Junius Brutus und bringe ihn zu mir!« befahl er dem Ethnarchen der Stadt, der ihm entgegengeeilt war, um flehentlich um Gnade für die Einwohner der Stadt zu bitten. »Bringe ihn zu mir, und Larissa wird nichts geschehen.«

Ein zutiefst verzweifelter, ausgemergelter Brutus in griechischen Kleidern wurde vorgeführt. Er konnte dem Mann auf dem Pferd nicht in die Augen schauen.

»Brutus, was hat das zu bedeuten?« hörte er die vertraute, tiefe Stimme fragen, und er spürte zwei Hände auf seinen Schultern. Jemand umarmte ihn, Lippen berührten seine Wangen, und schließlich sah er auf. Caesar! Wer außer Caesar hatte solche Augen?

»Mein lieber Brutus, wie ich mich freue, dich zu sehen!« Caesar legte einen Arm um Brutus’ Schultern und führte ihn außer Hörweite seiner Legaten, die noch auf ihren Pferden saßen und die beiden mit hämischem Grinsen beobachteten.

»Bin ich begnadigt?« flüsterte Brutus. Wie sehr Caesars Arme ihn an die Arme seiner Mutter erinnerten! Sie drückten ihn zu Boden, erstickten ihn.

»Ich brauche dich doch nicht zu begnadigen, mein Junge!« sagte Caesar. »Wo sind deine Sachen? Hast du ein Pferd? Du kommst gleich mit mir, ich brauche dich dringend! Denn ich habe niemanden, der so gut mit Fakten, Zahlen und anderen Details umgehen kann wie du. Und ich verspreche dir, daß es dir unter mir besser gehen wird als je unter Pompeius.«

»Was willst du mit denen tun, die geflohen sind, Caesar?« fragte Antonius, als sie wieder in Pharsalus waren.

»Zuerst folge ich der Spur von Pompeius. Hat jemand von ihm gehört? Ist er gesehen worden, nachdem er Larissa verlassen hat?«

»Es geht das Gerücht, daß er in Dium war, auf einem Schiff. Und in Amphipolis.«

Caesar sah ihn erstaunt an. »Amphipolis? Dann ist er also nach Osten geflohen. Wo sind Labienus, Faustus Sulla, Metellus Scipio, Afranius und Petreius?«

»Der einzige, von dem wir das sicher wissen — abgesehen von unserem lieben Marcus Brutus natürlich —, ist Ahenobarbus.«

»Natürlich, Antonius, Ahenobarbus ist der einzige von ihnen, der bei Pharsalus gefallen ist, und von meinen toten Gegnern der zweite — wobei ich zugeben muß, daß ich ihn kaum so vermissen werde wie Bibulus. Hat man sich um seine Asche gekümmert?«

»Sie ist schon auf dem Weg zu seiner Frau«, antwortete Pollio, der unter anderem auch mit dieser Aufgabe betraut worden war.

»Gut.«

»Marschieren wir morgen?« fragte Calvinus.

»Ja!«

»Wahrscheinlich fliehen viele aus Pompeius’ Armee in Richtung Brundisium«, bemerkte Publius Sulla.

»Deswegen habe ich schon Publius Vatinius in Salona benachrichtigt. Quintus Cornificius kann im Moment Illyricum alleine halten, und Vatinius wird in Brundisium das Kommando übernehmen und die Flüchtlinge fortjagen.« Caesar grinste Antonius an. »Und du kannst auch wieder ruhig schlafen, Antonius. Wie ich erfahren habe, hat Pompeius’ Sohn Gnaeus deinen Bruder aus der Gefangenschaft in Corcyra entlassen. Er ist in Sicherheit und es geht ihm gut.«

»Dafür werde ich Jupiter ein Opfer darbringen!«

Am nächsten Morgen zog Caesars Armee ab, und die Ebene von Pharsalus verwandelte sich wieder in ein stilles Tal zwischen den thessalischen Bergen. Caesar schickte seine Veteranen unter Antonius auf einen wohlverdienten Urlaub nach Kampanien und machte sich mit nur zwei Legionen auf den Weg in die Provinz Asia; beide Legionen hatte er aus den Freiwilligen der besiegten pompeianischen Legionen zusammengestellt. Mit Caesar gingen Brutus und Gnaeus Domitius Calvinus, der gezeigt hatte, daß er selbst schwierigen Situationen gewachsen war; Caesar mochte ihn immer mehr.

Caesar marschierte in seinem gewohnten schnellen Tempo nach Amphipolis. Wenn die ehemaligen Legionäre des Pompeius das Tempo zu schnell fanden, so beklagten sie sich nicht darüber, denn Caesar führte sie gut, und jeder wußte zu jeder Zeit, wo sein Platz war.

Amphipolis, eine Stadt, in der Holz verarbeitet und Schiffe gebaut wurden, lag achtzig Meilen östlich von Thessalonike an der Via Egnatia, dort, wo der breite Strom des Strymon aus dem Cercinitis-See floß und seinen kurzen Lauf zur Küste nahm.

In Amphipolis erwartete Marcus Favonius seinen Verfolger. Er war allein.

»Caesar, bitte verzeihe mir!« sagte er demütig, als er vor dem Feldherrn stand. Auch Favonius war nach der Niederlage von Pharsalus nicht mehr wiederzuerkennen. Er hatte seine bissige Art und seine Manie, Cato nachzuahmen, vollständig abgelegt.

»Das tue ich gerne, Favonius. Brutus ist auch hier, er will dich unbedingt sehen.«

»Du hast ihn also auch begnadigt?«

»Natürlich! Gute Männer für falsche Ideale zu bestrafen, ist nicht meine Art, Politik zu betreiben. Ich hoffe wirklich, wir werden eines Tages zum Wohle Roms zusammenarbeiten. Was hast du vor? Ich werde dir einen Brief für Vatinius nach Brundisium mitgeben, in dem steht, was du willst.«

»Ich wollte«, sagte Favonius unter Tränen, »all das wäre nie passiert.«

»Ich auch!« sagte Caesar mit Nachdruck.

»Bestimmt.« Favonius atmete schwer ein. »Ich selbst möchte mich lediglich auf meine Güter in Lukanien zurückziehen und ein ruhiges Leben führen. Keine Kriege mehr, keine Politik, kein Streit, kein Zank. Nur noch Frieden, Caesar, das ist alles, was ich will. Frieden.«

»Weißt du, wohin die anderen gefahren sind?«

»Als nächstes wollten sie Mytilene anlaufen. Ich bezweifle aber, daß sie sich dort länger aufhalten werden. Die Lentuli wollen vorerst bei Pompeius bleiben. Bevor sie ausgelaufen sind, bekam Pompeius die Nachricht, Labienus, Afranius, Petreius, Metellus Scipio, Faustus Sulla und einige andere seien in die Provinz Africa unterwegs. Mehr weiß ich nicht.«

»Und Cato? Cicero?«

»Keine Ahnung. Ich denke aber, Cato wird auch nach Africa gehen, wenn er erfährt, daß so viele andere dorthin aufgebrochen sind. Immerhin steht die Provinz auf Pompeius’ Seite. Ich glaube nicht, daß sie sich dir kampflos ergeben wird, Caesar.«

»Das glaube ich auch nicht. Danke, Marcus Favonius.«

Das Abendessen nahm Caesar allein mit Brutus ein. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg zum Hellespont. Calvinus ritt neben ihm, Brutus, den Caesar mit größter Rücksicht behandelte, hatte es sich mit einem Diener in einem Einspänner bequem gemacht.

Favonius ritt ein Stück aus der Stadt, um noch einmal — ein letztes Mal, wie er hoffte — die silberglänzende Kolonne römischer Legionäre marschieren zu sehen. Doch dann sah er nur Caesar, der mit der gelösten Anmut eines jungen Mannes auf einem feurigen, braunen Hengst saß. Favonius wußte, daß der Feldherr absteigen und zu Fuß weitermarschieren würde, sobald die Stadtmauern außer Sicht waren, denn er setzte sich nur in der Schlacht und bei Paraden und anderen Spektakeln aufs Pferd. Wie fern und zugleich nah er schien. Eine seltsame Mischung, dieser Gaius Julius Caesar. Und einer der schönsten Männer Roms, wenn auch nicht in der Art wie Memmius oder Silius. Seine feinen Haare flatterten in dem heftigen Wind, der von der Ägäis blies, kerzengerade saß er im Sattel, die sehnigen Füße locker an den Flanken des Pferdes. Ein Nachfahre der Venus und des Romulus. Und wer weiß? Vielleicht liebten die Götter ja ihre eigenen Nachfahren am meisten. Ja, Caesar würde König von Rom sein — aber nur, wenn er es wollte.

Wie überall im Osten herrschte auch in Mytilene Panik angesichts des unerwarteten, schrecklichen Ausgangs der Schlacht zwischen den beiden römischen Titanen. Niemand kannte diesen Caesar, es sei denn aus zweiter, dritter oder vierter Hand. Caesar war nur im Westen Statthalter gewesen, und die Erinnerung an jene ferne Zeit, in der er den Osten besucht hatte, war schon lange verblaßt. In Mytilene wußte man zwar, daß er während der Belagerung der Stadt durch Lucullus an vorderster Front gekämpft und für seine Tapferkeit die corona civica bekommen hatte, aber kaum jemand wußte, daß er vor Tralles in Asia eine Schlacht gegen Mithridates geschlagen hatte. Nur die Einwohner von Tralles wußten es, denn Caesars Statue stand in einem kleinen Siegestempel in der Nähe des Schlachtfeldes, und sie strömten jetzt zum Tempel, um ihn zu reinigen und sich davon zu überzeugen, daß die Statue in gutem Zustand war. Ehrfurcht ergriff sie, als sie entdeckten, daß zwischen den Sockelplatten der Statue eine kleine Palme wuchs, Symbol eines großen Sieges — und eines großen Mannes.

Rom herrschte nun schon seit so langer Zeit über das Mittelmeer, daß jede Unruhe innerhalb der römischen Welt Schwingungen verursachte, die sich in Windeseile in die umliegenden Länder ausbreiteten, wie Risse nach einem Erdbeben. Was würde jetzt geschehen, in der neuen Welt Caesars? War Caesar vernünftig wie Sulla, der gegen die Ausbeutung durch die Statthalter und Steuerpächter vorgegangen war? Oder war er ein weiterer Pompeius Magnus, der Statthalter und Steuerpächter noch anfeuerte? Auf den Inseln und in den Städten und Bezirken der Provinz Asia, die von Metellus Scipio, Lentulus Crus und dem jungen Legaten Titus Ampius Balbus bis zum Letzten ausgesaugt worden war, beeilte man sich, die Statuen des Pompeius Magnus umzustürzen und an ihrer Stelle Statuen Caesars aufzustellen. Scharenweise strömten die Menschen zum Siegestempel von Tralles, wo sie ein wirklichkeitsgetreues Bildnis des neuen Ersten Mannes von Rom ansehen konnten. Einige Küstenstädte der Provinz gaben gemeinsam in den berühmten Werkstätten von Aphrodisias eine Kopie der Caesarstatue von Tralles in Auftrag. Die fertige Statue wurde auf der Agora von Ephesus aufgestellt, ihr Sockel trug die Inschrift: »Für Gaius Julius Caesar, des Gaius Sohn, Pontifex Maximus, Imperator, Konsul zum zweiten Mal, den von Ares und Aphrodite abstammenden, in Erscheinung getretenen Gott und gemeinsamen Retter der Menschheit.« So gab man sich alle Mühe, sich auf die kommenden Zeiten einzustellen.

In diese Atmosphäre aus unterschwelliger Panik und geheuchelter Verehrung platzte Pompeius, als er mit den beiden Lentuli im Hafen von Mytilene einlief. Die Insel Lesbos hatte zwar stets auf seiner Seite gestanden, doch jetzt den besiegten Feldherrn zu empfangen war eine schwierige und heikle Angelegenheit. Seine Ankunft zeigte an, daß er noch nicht endgültig besiegt war, daß es womöglich in naher Zukunft ein weiteres Pharsalus geben würde. Doch ob er dann siegen würde? Schließlich ging das Gerücht, daß Caesar noch nie eine Schlacht verloren habe und niemand ihn besiegen könne; an Pompeius’ angeblich so überragenden Sieg bei Dyrrhachium glaubte inzwischen niemand mehr.

Pompeius zeigte jedoch Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung. Nach wie vor in griechischen Kleidern, ließ er den Rat der Ethnarchen wissen, daß Caesar für seine Milde berühmt sei.

»Seid nett zu ihm!« riet er. »Er regiert die Welt.«

Cornelia Metella und sein Sohn Sextus erwarteten ihn schon. Es war ein merkwürdiges Wiedersehen, das vor allem von Sextus bestimmt wurde, der sich in die Arme des angebeteten Vaters warf und bitterlich weinte.

»Weine nicht!« tröstete Pompeius ihn und strich über seine glatten, braunen Haare. Sextus war das einzige seiner drei Kinder, das Mucia Tertias dunkle Haarfarbe geerbt hatte.

»Ich wäre so gern dabeigewesen!«

»Das wärst du auch, wenn nicht alles so schnell gegangen wäre. Aber du hast viel mehr für mich getan, Sextus, du hast dich um Cornelia gekümmert.«

»Weiberkram!«

»Nein, auch das ist die Aufgabe der Männer, Sextus. Die Familie ist eine wichtige Einrichtung und die Frau des Pompeius Magnus eine wichtige Person. Wie auch seine Söhne.«

»Ich werde dich nie wieder verlassen!«

»Hoffentlich nicht. Wir müssen den Laren, den Penaten und der Vesta opfern, damit wir eines Tages alle wieder vereint sind.« Pompeius gab Sextus ein Taschentuch, damit er seine Nase putzen und seine Tränen trocknen konnte. »Und jetzt tu mir einen Gefallen. Schreibe an deinen Bruder Gnaeus. Ich komme bald zu dir und helfe dir dabei.«

Erst als Sextus schniefend weggegangen war, um die Bitte seines Vaters zu erfüllen, konnte Pompeius seine Frau richtig betrachten.

Sie hatte sich nicht verändert, sah noch genauso hochmütig und unnahbar aus wie früher. Ihre grauen Augen waren jedoch rotgerändert, und aus ihnen sprach aufrichtiger Schmerz.

»Ich habe eine traurige Nachricht«, sagte er.

»Mein Vater?«

»Ja. Soviel ich weiß, ist er nach Africa unterwegs. Wir werden es irgendwann sicher erfahren. Jedenfalls wurde er in... Pharsalus nicht verwundet.« Pharsalus — welche Mühe es ihn kostete, das Wort auszusprechen! Er nahm ihre Hand und spielte mit ihren Fingern. »Cornelia, du bist frei, dich von mir scheiden zu lassen. Dein Besitz wird weiterhin dir gehören. Zum Glück habe ich dir die Villa in den Albaner Bergen überschrieben, ich habe sie also nicht verloren, als ich so viel verkaufen mußte, um diesen Krieg zu finanzieren. Die Villa auf dem Marsfeld und das Haus auf den Carinae gehören mir zwar noch, aber Caesar wird euch vielleicht beides wegnehmen.«

»Ich dachte, er wollte niemanden in die Verbannung schicken.«

»Nein, aber den Besitz seiner wichtigsten Gegner wird er beschlagnahmen, Cornelia, das ist ein Brauch, den er nicht abschaffen wird. Deshalb ist es auf jeden Fall sicherer und auch vernünftiger, wenn du dich von mir scheiden läßt.«

Sie schüttelte den Kopf und schenkte ihm eins ihrer seltenen Lächeln. »Nein, Magnus. Ich bin deine Frau und bleibe deine Frau.«

»Dann kehre wenigstens nach Rom zurück!« Er ließ ihre Hand los. »Ich weiß nicht, was aus mir werden wird, Cornelia! Ich weiß nicht, was ich tun soll und wohin ich gehen soll. Hier kann ich nicht bleiben. Ein Leben mit mir wäre anstrengend und gefährlich. Ich bin ein gezeichneter Mann. Caesar weiß, daß er mich gefangennehmen muß, denn solange ich in Freiheit bin, besteht die Gefahr eines neuen Krieges.«

»Ich werde dich genausowenig verlassen, wie Sextus das tun wird. Wir sollten auch nach Africa gehen, nach Utica, Magnus.«

»Meinst du?« Und plötzlich krampfte er sich wieder zusammen in Erinnerung an vergangene Qualen und an seinen verletzten Stolz. »Es war schrecklich, Cornelia! Ich meine nicht Caesar oder den Krieg, sondern meine Verbündeten. Nein, nicht deinen Vater! Er war ein Fels in der Brandung, aber er war die meiste Zeit nicht da. Ich meine diese ewige Nörgelei, dieses ewige Gemecker und die pausenlose Suche nach einem Schuldigen für alles, was schiefging.«

»Sie machten dir Vorwürfe?«

»Ständig. Sie zermürbten mich. Vielleicht hätte ich Caesar bezwingen können, wenn ich meine Legaten in der Hand gehabt hätte, aber das hatte ich nicht. Labienus hat diesen Krieg befehligt, Cornelia, nicht ich. Er ist ein Ungeheuer! Ich verstehe nicht, wie Caesar es jemals mit ihm aushalten konnte. Er ist ein Barbar! Wahrscheinlich verschafft es ihm Befriedigung, wenn er anderen die Augen aussticht und noch viel schlimmere Dinge tut, die ich dir gar nicht sagen will! Und auch Ahenobarbus — Friede seiner Asche. Er ist ehrenvoll gefallen, aber er hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu quälen. Er nannte mich Agamemnon, König der Könige!«

Die Schrecken und Erschütterungen der vergangenen zwei Monate hatten ihre Spuren in Cornelia Metella hinterlassen. Die Frau, die früher nur die Wissenschaften geliebt hatte, hatte Mitleid mit anderen und Einfühlungsvermögen in ihre Gefühle entwickelt. So deutete sie Pompeius’ Worte nicht falsch als Zeichen von Selbstmitleid.

»Sie haben den Krieg wahrscheinlich als eine Art Senatssitzung betrachtet, Magnus. Sie haben eben immer noch nicht begriffen, daß Politik und Kriegsführung nichts miteinander zu tun haben. Weil sie sich von Caesar nicht herumkommandieren lassen wollten, haben sie das senatus consultum ultimum verhängt. Warum sollten sie sich dann von dir herumkommandieren lassen?«

Er lächelte gequält. »Genauso ist es! Und deshalb will ich auch nicht nach Africa. In Africa wäre ich genausowenig mein eigener Herr. Nicht nur dein Vater ist dort, sondern auch Labienus und Cato.«

»Dann laß uns zu den Parthern gehen!« sagte sie entschlossen. »Nach Ekbatana werden dir weder Caesar noch Labienus folgen.«

»Aber dort werde ich ständig die römischen Feldzeichen vor Augen haben, die die Parther von uns erbeutet haben, und Crassus’ Schatten spüren.«

»Wo könnten wir sonst hin?«

»Nach Ägypten.«

»Das ist nicht weit genug von Africa entfernt.«

»Aber es ist ein guter Ausgangspunkt. Kannst du dir vorstellen, wieviel die Menschen am Indus oder im noch ferneren Serica für einen römischen Feldherrn bezahlen würden? Ich könnte für sie arbeiten. Die Ägypter wissen, wie man nach Taprobane kommt, und in Taprobane wissen sie, wie man zum Indus oder nach Serica kommt.«

Cornelia Metella lächelte über das ganze Gesicht. »Das ist eine großartige Idee, Magnus! Ja, laß uns alle drei zusammen nach Serica gehen!«

Pompeius blieb nicht lange in Mytilene, doch als er erfuhr, daß der große Philosoph Cratippus sich auf der Insel aufhielt, machte er ihm seine Aufwartung.

»Es ist mir eine Ehre, Pompeius«, sagte der alte Mann. Er trug ein weißes Gewand, über das sein weißer Bart floß.

»Die Ehre ist ganz meinerseits«, sagte Pompeius. Er machte keine Anstalten, sich zu setzen, sondern sah nur in die wäßrigen Augen des Philosophen und suchte dort nach Anzeichen seiner Weisheit.

»Laß uns ein paar Schritte gehen«, schlug Cratippus vor und schob seinen Arm unter den des Pompeius. »Der Garten ist wunderschön, und er ist natürlich im römischen Stil angelegt. Wir Griechen haben für Gartengestaltung keinen Sinn. Die Griechen haben ihre Liebe zur Schönheit auf das Werk der Menschen übertragen, aber ihr Römer habt die Gabe, von Menschenhand geschaffene Dinge so in die Natur einzufügen, als würden sie dort hingehören. Brücken, Aquädukte... alles so vollkommen. Wir haben nie einen Sinn für die Schönheit eines Bogens entwickelt, aber die Natur ist eben nicht linear, Gnaeus Pompeius, sie ist rund wie der Erdball.«

»Ich habe nie verstanden, warum die Erde rund sein soll.«

»Nun, Eratosthenes hat es doch bewiesen. Wäre die Erde flach, so müßte es eine Kante geben, über die die Fluten des Meeres hinunterstürzen würden wie ein Wasserfall. Nein, Gnaeus Pompeius, die Erde ist eine Kugel; sie ist in sich geschlossen wie eine Faust, bei der die Fingerspitzen den Handballen berühren. Und das ist eine Art von Unendlichkeit.«

»Ich habe mich gefragt, ob du...«, Pompeius suchte nach Worten, »ob du mir wohl etwas über die Götter sagen kannst.«

»Ich kann dir sehr viel über die Götter sagen. Was genau willst du wissen?«

»Nun, wie sie aussehen, und worin ihre Göttlichkeit besteht.«

»Ich denke, ihr Römer seid der Antwort näher als wir Griechen. Wir haben unsere Götter als Nachbildungen von Menschen erdacht, mit all ihren Schwächen, Wünschen und Begierden. Die römischen Götter hingegen, ich meine die wirklichen römischen Götter, haben kein Gesicht, kein Geschlecht, sie haben nicht einmal eine Gestalt. Ihr nennt sie numina, sie existieren in der Luft, sind Teil der Luft. Auch das ist eine Art von Unendlichkeit.«

»Aber wie sind sie?«

»Wie sie selbst. Wir haben keine Vorstellung davon, weil wir sie nicht kennen. Wir Griechen gaben ihnen menschliche Züge, anders konnten wir sie nicht begreifen. Um sie aber zu Göttern zu machen, gaben wir ihnen übermenschliche Macht. Ich glaube, alle Götter sind im Grunde Teil einer einzigen großen Gottheit. Auch da kommen die Römer der Wahrheit näher. Alle eure Götter sind Teil eures großen Gottes Jupiter Optimus Maximus.«

»Und auch dieser große Gott lebt in der Luft?«

»Er ist überall — oben, unten, innen, außen und darum herum. Und ich glaube, wir sind ein Teil von ihm.«

Pompeius benetzte seine Lippen. Schließlich stellte er die Frage, die ihm keine Ruhe ließ: »Leben wir nach dem Tod weiter?«

»Ah! Die ewige Frage! Auch eine Art von Unendlichkeit.«

»Die Götter sind unsterblich, wir aber sterben. Leben wir nach dem Tod weiter?«

»Unsterblichkeit ist nicht das gleiche wie Unendlichkeit. Es gibt viele verschiedene Arten der Unsterblichkeit, zum Beispiel das lange Leben Gottes. Aber ist es unendlich lang? Ich glaube nicht. Gott wird in unermeßlich langen Zyklen geboren und wiedergeboren, die Unendlichkeit hingegen ist unveränderlich, sie hat keinen Anfang und kein Ende. Wie das bei den Menschen ist, weiß ich nicht. Du jedenfalls, Gnaeus Pompeius, wirst unsterblich sein. Dein Name und deine Taten werden noch viele tausend Jahre nach deinem Tod weiterleben. Ein tröstlicher Gedanke.«

Verwirrt verabschiedete Pompeius sich. Aber wie hieß es doch immer? Versuche, von einem Griechen eine klare Antwort zu bekommen, und du wirst mit leeren Händen dastehen.

Zusammen mit Cornelia Metella, Sextus und den beiden Lentuli brach er auf und fuhr über das Ägäische Meer von Insel zu Insel. Sie blieben nirgendwo länger als eine Nacht und begegneten niemandem, den sie kannten. Als sie Lykien umrundet hatten und in der pamphylischen Stadt Attaleia vor Anker gingen, trafen sie dort sechzig Senatoren im Exil an, die nicht mehr wußten, auf wessen Seite sie stehen sollten. Attaleia bekundete Pompeius ewige Treue und gab ihm zwölf seetüchtige Triremen und einen Brief seines Sohnes Gnaeus, der noch auf Corcyra weilte.

Vater, ich habe diesen Brief an viele verschiedene Orte geschickt. Ich bitte Dich, gib nicht auf! Von Cicero habe ich erfahren, wie übel Deine Legaten Dir mitgespielt haben. Dieser Labienus!

Cicero war eine Zeitlang mit seinem Bruder und seinem Neffen hier bei mir. Er kam mit Cato und tausend Verwundeten, die wieder genesen sind. Cato sagte, er wolle die Soldaten nach Africa mitnehmen, ein einfacher Prätor wie er könne aber nicht das Kommando übernehmen, solange ein Konsular dafür zur Verfügung stehe — er meinte Cicero. Cato wollte sich und die Soldaten Cicero unterstellen, aber Du kennst den alten Windbeutel ja besser als ich und kannst Dir vorstellen, wie seine Reaktion ausfiel. Cicero wollte nichts mit Widerstand, Soldaten und Cato zu tun haben. Als Cato merkte, daß Cicero heimlich seine Überfahrt nach Italia plante, bekam er einen Wutanfall und ging mit Händen und Füßen auf ihn los. Ich mußte Cato mit Gewalt wegzerren. Cicero floh bei der ersten Gelegenheit mit seinem Bruder Quintus und seinem Neffen Quintus nach Patrae.

Cato ist mit meinen Schiffen nach Africa aufgebrochen; ich brauche sie hier nicht mehr. Leider konnte ich ihm keinen Führer mitgeben, so habe ich ihm geraten, mit dem Bug einfach nach Süden zu halten und sich vom Wind und von der Strömung treiben zu lassen. Da Africa das Meer im Süden begrenzt, wird er unweigerlich dorthin gelangen.

Das heißt aber, daß der Krieg gegen Caesar noch lange nicht vorbei ist. Wir leben noch und beherrschen immer noch das Meer. Da die meisten nach Africa geflohen sind, wird sich der Widerstand dort konzentrieren. Ich bitte Dich also, mein geliebter Vater, stelle so viele Schiffe zusammen, wie Du kannst, und komme entweder zu mir oder fahre nach Africa.

Pompeius’ Antwort war kurz.

Mein lieber Sohn, zähle nicht auf mich. Ich kann für die Republik nichts mehr tun, meine Zeit ist um. Außerdem kann ich, ehrlich gesagt, den Gedanken nicht ertragen, im Feldherrnzelt ständig Cato und Labienus im Nacken zu haben. Tu, was Du für richtig hältst, aber nimm Dich vor Cato und Labienus in acht. Der erste ist ein unverbesserlicher Dogmatiker, der letzte ein Barbar.

Cornelia, Sextus und ich werden weit, weit weggehen — wohin, kann ich Dir nicht sagen, denn es könnte sein, daß dieser Brief abgefangen wird. Die beiden Lentuli haben mich bis jetzt begleitet, ich hoffe aber, ich kann ihnen hier in Attaleia entwischen, ohne ihnen mein Ziel preisgeben zu müssen.

Paß auf Dich auf, mein Sohn. Ich liebe Dich.

Anfang September war es soweit. Unbemerkt von den Lentuli und den sechzig Senatoren glitt Pompeius’ Schiff aus dem Hafen. Er nahm drei der zwölf Triremen mit, die anderen neun schickte er seinem Sohn Gnaeus nach Corcyra.

Im kilikischen Syedra machten sie einen kurzen Halt, dann setzten sie nach Paphos auf Zypern über. Der Präfekt von Zypern war der Sohn des Appius Claudius Pulcher Censor, und er war bereit, Pompeius zu helfen, wo er konnte.

»Es tut mir sehr leid, daß dein Vater so überraschend gestorben ist«, sagte Pompeius.

»Ich bin auch sehr traurig«, sagte Gaius Claudius Pulcher, der allerdings keineswegs einen traurigen Eindruck machte. »Aber du weißt sicher, daß er zum Schluß geistig verwirrt war.«

»Das habe ich gehört. Tja, wenigstens ist ihm Pharsalus erspart geblieben.«

»Stimmt. Er und ich waren immer auf deiner Seite, was man von den anderen Claudiern nicht behaupten kann.«

»Alle großen Familien sind gespalten, Gaius Claudius.«

»Leider kannst du nicht hier bleiben. Antiochia und Syrien haben sich auf Caesars Seite gestellt, und Sestius in Tarsus war schon immer für Caesar, er wird sich früher oder später öffentlich für ihn erklären.«

»Wie steht der Wind für Ägypten?«

Gaius Claudius’ Blick verdüsterte sich. »Ich würde nicht nach Ägypten gehen, Magnus.«

»Warum nicht?«

»Dort herrscht Bürgerkrieg.«