Epirus war eine kleine Enklave, die im Norden an das westliche Makedonien und im Süden an das westliche Griechenland grenzte. Es war ein feuchtes, wildes und gebirgiges Land und kaum geeignet, eine Armee zu stationieren und auszubilden, wie Pompeius Magnus schnell hatte feststellen müssen. Er hatte sein Hauptquartier auf einigermaßen ebenem Gelände nahe der blühenden Hafenstadt Dyrrhachium aufgeschlagen, inzwischen davon überzeugt, daß Caesar so bald nicht kommen würde. Caesar würde zuerst versuchen, Pompeius’ Armee in Spanien auszuschalten. Es würde ein Kampf der Titanen zwischen zwei Veteranenarmeen sein, der allerdings in den Provinzen des Pompeius ausgetragen werden würde. Außerdem würde Caesar nicht alle neun Legionen zu seiner Verfügung haben, denn er mußte Italia, Illyricum und Gallia Comata mit Garnisonen belegen und auch noch den Legaten, der der rechtmäßigen Regierung Roms die Getreideprovinzen entreißen sollte, mit genügend Truppen ausstatten. Caesar konnte froh sein, wenn er überhaupt fünf Legionen wie Afranius und Petreius zusammenbekam!

Pompeius’ Optimismus über den Verlauf des Krieges im Westen sollte einige Monate anhalten. Verstärkt wurde er durch die begeisterten Zusagen, die Pompeius überall im Osten bekam. Viele schickten ein wenig Geld — leider nur ein wenig — und versprachen, Truppen zu senden. Vom König der Galater Deiotarus über König Ariobarzanes von Kappadokien bis hin zu den griechischen Verbündeten in Asia konnte sich niemand vorstellen, daß der große Pompeius einen Krieg verlieren würde. Wer war schon dieser Caesar? Wie konnte er seine Siege über solch jämmerliche Gegner wie die Gallier mit den Triumphen eines Pompeius Magnus auf eine Stufe stellen, der Mithridates und Tigranes bezwungen und Könige gemacht und gestürzt hatte?

Pompeius hatte sich gegenüber Lentulus Crus, der den Staatsschatz Caesar zur Plünderung überlassen hatte, sehr beherrschen müssen. Zum Glück hatte er die zweitausend Talente, die Gaius Cassius noch aus Kampanien, Apulien und Kalabrien hatte pressen können. Aber auch mit ihnen kam er nicht weit. Die Einwohner von Dyrrhachium forderten völlig überzogene Preise für jeden Scheffel Weizen, jede Schinkenseite, jede Erbse, jede Bohne, jedes Schwein und jedes Huhn.

Gaius Cassius zog aus, um die Tempel von Epirus und vor allem die in dem heiligen Dodona nach Schätzen zu durchsuchen, während Pompeius seine »Regierung« einberief.

»Zweifelt einer von euch daran, daß wir diesen Krieg gewinnen?« fragte er aggressiv.

Die Männer murrten, als sie seinen Ton hörten. Schließlich sagte Lentulus Crus: »Natürlich nicht!«

»Gut! Denn ihr alle müßt etwas Geld dazu beisteuern, eingeschriebene Väter.«

Überraschtes Gemurmel wurde laut. Schließlich fragte Marcus Marcellus: »Wie meinst du das, Pompeius?«

»Ich meine, eingeschriebene Väter, daß ihr in Rom so viel Geld anfordern sollt, wie eure Bankiers euch vorstrecken wollen. Und wenn das nicht reicht, müßt ihr euer Land und eure Geschäfte verkaufen.«

Erneut wurde Gemurmel laut, diesmal vor Entsetzen über dieses unerhörte Ansinnen. Schließlich sagte Lucius Scribonius Piso: »Ich kann mein Land nicht verkaufen! Ich würde meinen senatorischen Zensus verlieren!«

»Der ist im Moment sowieso keinen Pfifferling wert, Piso!« schimpfte Pompeius. »Ihr müßt so viel Geld ausspucken, daß wir diesen Krieg weiterführen können.«

Die Senatoren sahen ihn entrüstet an. Schließlich sagte Lentulus Crus: »Unsinn! Ich gebe nichts her!«

Pompeius verlor die Beherrschung. »Ausgerechnet du müßt das sagen, Crus!« brüllte er. »Du Geschwür auf der Stirn des Jupiter Optimus Maximus! Du allein bist doch schuld daran, daß wir jetzt kein Geld haben, weil du aus Rom geflohen bist wie ein Bolzen, der von einem Katapult abgeschossen wird — ohne einen Gedanken an die randvoll gefüllten Schatzkammern zu verschwenden! Und als ich dir befahl, nach Rom zurückzukehren und den Fehler wiedergutzumachen, hattest du die Frechheit zu verlangen, daß ich dafür Caesar in Picenum aufhalten soll, damit er dir nichts tun kann! Und jetzt mußt ausgerechnet du dich weigern, auch nur einen Sesterz zur Finanzierung des Krieges beizusteuern! Paß auf, was du sagst, Crus, sonst reiße ich dir das Gedärm aus dem Leib!«

Totenstille folgte seinen Worten. Die Senatoren waren zu Stein erstarrt vor Angst.

»Außer Labienus kann es keiner von euch auch nur mit einem Stall voller Hühner aufnehmen! Keiner von euch hat eine Vorstellung davon, was es heißt, einen Krieg zu führen!« Pompeius atmete tief ein. »Jetzt müßt ihr es lernen! Um Krieg zu führen, braucht man zuallererst Geld. Erinnert euch daran, was Crassus immer gesagt hatte: Niemand ist reich, der nicht eine Legion unterhalten kann. Wir brauchen also Geld! Ich habe schon meinen Besitz in Lucania und in Picenum zu Geld gemacht — das gleiche erwarte ich von jedem der hier Versammelten! Betrachtet es als Investition in eine bessere Zukunft.« Er beruhigte sich allmählich wieder, denn er hatte die Senatoren jetzt so im Griff, wie ein guter Kommandant seine Männer im Griff haben mußte. »Wenn Caesar erst geschlagen ist und Rom wieder uns gehört, werden wir tausendfach ernten, was wir heute säen. Macht also eure Beutel auf und schüttet euer Geld in unsere gemeinsame Kriegskasse. Habt ihr mich verstanden?«

Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Investition in die Zukunft, natürlich, warum war ihnen das nicht selbst eingefallen... Schließlich sagte Lentulus Spinther: »Gnaeus Pompeius hat recht, eingeschriebene Väter. Wenn Rom wieder uns gehört, ernten wir tausendfach, was wir heute säen.«

»Gut, daß das jetzt klar ist!« sagte Pompeius freundlich. »Nun zur Aufgabenverteilung. Metellus Scipio ist bereits auf dem Weg nach Syrien, von wo er so viel Geld und so viele Truppen wie möglich mitbringen wird. Gaius Cassius wird Scipio nachfolgen, sobald er von seinem Beutezug durch die epirotischen und griechischen Tempel zurückkehrt, und in Syrien eine Flotte zusammenstellen. Gnaeus, mein Sohn, du gehst nach Ägypten und forderst von der Königin eine Flotte sowie Frachtschiffe und Getreide an. Aulus Plautius in Bithynien braucht ein wenig Ansporn — Piso Frugi, es ist deine Aufgabe, ihm zu zeigen, wo es langgeht. Du, Lentulus Crus, gehst in die Provinz Asia und besorgst dort Geld, Truppen und eine Flotte. Laelius und Valerius Triarius werden dir mit den Schiffen helfen. Marcus Octavius, du beschaffst in Griechenland Schiffe, und du, Libo, tust dasselbe bei den Liburnern, die haben schöne kleine Galeeren. Besorgt schnelle Schiffe, gedeckte Schiffe, die groß genug für die Artillerie sind, aber keine Ungetüme — am besten Triremen, auch Biremen, Quadriremen und Quinqueremen, wenn sie wendig sind.«

»Wer kommandiert was?« fragte Lentulus Spinther.

»Das werden wir noch sehen. Zuerst treiben wir die Herden zusammen, dann machen wir uns Gedanken über die Schäfer.« Er nickte ihnen zu. »Ihr könnt gehen.«

Titus Labienus blieb. »Du warst gut!«

»Pah!« schnaubte Pompeius verächtlich. »Einen so unfähigen Haufen habe ich noch nicht erlebt!«

»Tja, wir haben eben keinen Trebonius oder Fabius oder Decimus Brutus.« Labienus räusperte sich. »Wir sollten Dyrrhachium verlassen, Magnus, bevor der Winter einbricht und das KandaviaGebirge unpassierbar macht. Wir könnten uns irgendwo in der Ebene um Thessalonike niederlassen.«

»Stimmt. Wir haben Ende März. Ich warte noch den April ab, um sicherzugehen, daß Caesar nach Westen gezogen ist, dann fliehen wir vor dem ewigen Regen hier in ein sonnigeres Klima.« Pompeius sah Labienus düster an. »Außerdem — wenn ich noch etwas warte, kommen vielleicht doch noch ein paar fähige Männer.«

»Du meinst wahrscheinlich Cicero, Cato und Favonius.« Pompeius schloß schaudernd die Augen. »Laß uns die Götter anflehen, daß sie nicht kommen! Daß Cicero in Italia bleibt und Cato und Favonius in Sizilien. Oder in Africa oder im Land der Hyperboreer oder sonstwo!«

Pompeius’ Gebet wurde nicht erhört. Mitte April trafen Cato und Favonius mit Lucius Postumius im Schlepptau in Dyrrhachium ein und berichteten, daß sie von Curio aus Sizilien vertrieben worden seien.

»Warum seid ihr nicht nach Africa gegangen?« fragte Pompeius.

»Wir hielten es für besser, zu dir zu stoßen«, antwortete Cato.

»Na ja, ich bin jedenfalls begeistert«, sagte der Feldherr, der wußte, daß Cato die Ironie nicht bemerken würde.

Zwei Tage darauf allerdings erschien doch noch ein brauchbarerer Mann auf der Bildfläche: Marcus Calpurnius Bibulus, der auf dem Heimweg von seiner Provinz Syrien in Ephesus abgewartet hatte, wie die Lage sich entwickeln würde. Bibulus war zwar auch nicht folgsamer und taktvoller als Cato, aber seine Entscheidung gegen Caesar ging immerhin mit dem starken Wunsch einher, auch wirklich zu helfen, statt nur unnötig herumzunörgeln.

»Wie froh ich bin, dich zu sehen!« begrüßte ihn Pompeius erleichtert. »Außer Labienus und mir hat hier keiner eine Ahnung, wie man Krieg führt!«

»Das sieht man!« sagte Bibulus kalt. »Zu den Ahnungslosen gehört auch mein geschätzter Schwiegervater Cato. Er kann zwar mit einem Schwert in der Hand umgehen, aber keine Armee führen.«

Pompeius faßte seine bisherigen Vorbereitungen zusammen, und Bibulus nickte billigend. »Lentulus Crus nach Asia zu schicken und damit loszuhaben war eine ausgezeichnete Idee. Aber wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?«

»Ich werde meinen Soldaten Disziplin beibringen. Wir werden den Winter, das Frühjahr und wahrscheinlich auch den Sommer in der Nähe von Thessalonike verbringen. Das ist näher an Kleinasien und ein kürzerer Marsch für die dort ausgehobenen Truppen. Caesar wird zuerst versuchen, meine spanischen Legionen zu besiegen. Wenn er in Spanien verloren hat, wird er eine neue Armee aufstellen und auf mich losgehen — das muß er, wenn er sich nicht gleich geschlagen geben will, und er wird sich erst geschlagen geben, wenn sein letzter Mann gefallen ist. Ahenobarbus ist zur Verstärkung Massilias aufgebrochen; die Stadt will die Verbindung zu uns aufrechterhalten. Das wird Caesar zwingen, seine Truppen noch stärker zu spalten. Ich muß unter allen Umständen das Meer beherrschen — alle Gewässer zwischen Africa, Sizilien, Sardinien und der italischen Küste —, um Rom die Getreidezufuhr abzuschneiden und um Caesar den Weg über das Adriatische Meer nach Osten versperren zu können.«

»Hervorragend!« säuselte Bibulus. »Caesar in Italia einschließen und Rom aushungern!«

»Ich habe dich als Admiral und Oberbefehlshaber über alle meine Flotten vorgesehen.«

Das war eine Überraschung für Bibulus. Sehr geschmeichelt streckte er seine Rechte aus und drückte Pompeius’ Hand mit ungewöhnlicher Herzlichkeit. »Das ist eine große Ehre, mein lieber Pompeius. Ich verspreche dir, daß ich dich nicht enttäuschen werde. Schiffe sind seltsame Gefährte, aber ich werde lernen, damit umzugehen.«

»Das wirst du ganz sicher, Bibulus«, sagte Pompeius, zunehmend überzeugt, daß er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Cato war sich da nicht so sicher. »Daß du meinen Schwiegersohn magst, ist in Ordnung«, schnarrte er, »aber Bibulus hat nicht die geringste Ahnung von Schiffen! Er ist kein Draufgänger, sondern von Natur eher abwartend und zögerlich. Du brauchst aber einen angriffslustigen Admiral.«

»So einen wie dich?« fragte Pompeius mit trügerischer Sanftheit in der Stimme.

Entsetzt wich Cato zurück. »Um Himmels willen! Nein! Ich dachte eigentlich eher an Favonius oder Postumius.«

»Gute Männer, keine Frage, aber sie sind keine Konsulare. Der Oberbefehlshaber zur See muß ein Konsular sein.«

»Nur, wenn man sich an den mos maiorum hält.«

»Soll ich lieber Lentulus Spinther nehmen oder einen der Marcelli? Oder soll ich vielleicht Ahenobarbus zurückholen?«

»Nein, nein!« Cato seufzte. »Dann muß es eben Bibulus machen. Vielleicht kann ich durch viel Zureden erreichen, daß er etwas aggressiver wird. Mit Lentulus Spinther und den beiden Marcelli muß ich auch sprechen. Und mit Labienus. Bei den Göttern, was für ein schmutziger, unordentlicher Mensch!«

»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Pompeius.

»Und die wäre?«

»Lentulus Crus, Laelius und Triarius haben im Norden von Asia genug zu tun. Geh du in den Süden der Provinz, nach Rhodos, nach Lykien und Pamphylien, und stelle dort eine Flotte für mich zusammen. Der Senat soll dir ein proprätorisches Imperium übertragen«

Cato war wie vor den Kopf gestoßen. »Dann bin ich aber nicht mehr hier, wo man mich braucht, Pompeius, wo vor allem du mich brauchst! Hier herrscht ein so schreckliches Durcheinander, und ich muß doch für Ordnung sorgen.«

»Stimmt, Cato, aber man kennt dich auf Rhodos und anderswo und schätzt dich als weisen und unbestechlichen Mann. Wer sonst könnte die Leute dort für uns gewinnen?« Pompeius tätschelte Cato die Hand. »Weißt du was? Laß einfach Favonius hier. Übertrage ihm deine Aufgaben und sage ihm, was er zu tun hat.«

Catos Gesicht hellte sich auf. »Das könnte gehen«, überlegte er.

»Natürlich geht es, mein lieber Cato«, bekräftigte Pompeius. »Und jetzt ab mit dir! Je früher, desto besser!«

»Schön, daß wir wenigstens Cato los sind«, sagte Labienus unlustig. »Aber wir haben immer noch diesen Trottel Favonius am Hals.«

»Der ist doch nur Catos Handlanger. Ich hetze ihn denen auf den Hals, die einen Tritt in den Arsch brauchen — und denen, die ich nicht leiden kann!« Pompeius grinste zufrieden.

Als die Nachricht eintraf, Caesar lagere vor Massilia und Ahenobarbus sei zuversichtlich, ihn dort aufhalten zu können, beschloß Pompeius, die Zelte in Dyrrhachium abzubrechen und nach Osten zu marschieren. Der Winter war zwar schon im Anzug, aber seine Kundschafter meinten, daß auch die höchsten Pässe über das Kandavia-Gebirge noch passierbar seien.

Da traf Marcus Junius Brutus aus Kilikien ein.

Warum der Anblick seines melancholischen und so ausgesprochen unkriegerischen Gesichtes Pompeius veranlaßte, Brutus zu umarmen und sein Gesicht weinend in dessen langen, schwarzen Locken zu vergraben, vermochte Pompeius hinterher nicht mehr zu sagen. Vielleicht weil er wußte, daß der Bürgerkrieg von Anfang an nichts war als eine Aufeinanderfolge von verhängnisvollen Fehlern, widersprüchlichen Meinungen, ungerechtfertigten Vorwürfen, Ungehorsam und Zweifel. Und mitten in dieses ganze Unglück trat nun Brutus, diese sanftmütige, unkriegerische Seele, Brutus, der nicht meckern und mäkeln würde, der nicht versuchen würde, die Macht an sich zu reißen.

»Ist Kilikien auf unserer Seite?« fragte Pompeius, als er sich wieder gefaßt hatte. Er schenkte Brutus mit Wasser verdünnten Wein ein und drückte ihn in seinen bequemsten Sessel.

»Leider nein«, antwortete Brutus betrübt. »Publius Sestius sagt, er werde Caesar nicht aktiv unterstützen, ihn aber auch nicht angreifen. Aus Tarsus ist also keine Hilfe zu erwarten.«

»Beim Jupiter!« Pompeius ballte die Fäuste. »Ich brauche die kilikische Legion!«

»Du wirst noch genügend Legionen bekommen, Pompeius. Als die Nachricht eintraf, du hättest Italia verlassen, habe ich die kappadokische Legion, die ich wegen König Ariobarzanes’ säumiger Darlehensrückzahlungen übernommen habe, nicht nach Tarsus, sondern an den Hellespont geschickt. Sie wird sich dir in deinem Winterlager anschließen.«

»Brutus, du bist der Größte!« Pompeius nahm einen kräftigen Schluck, leckte sich die Lippen und lehnte sich befriedigt zurück.

»Das bringt mich auf ein anderes, sehr viel wichtigeres Thema«, sagte er. »Du bist der reichste Mann in Rom, und ich habe nicht genug Geld, diesen Krieg zu führen. Ich bin dabei, meinen Besitz in Italia zu veräußern, die anderen tun dasselbe. Natürlich erwarte ich nicht, daß du dein Haus in Rom verkaufst oder gar deine sämtlichen Ländereien. Ich brauche lediglich ein Darlehen von viertausend Talenten. Wenn wir den Krieg erst gewonnen haben, können wir Rom und Italia zwischen uns aufteilen. Ich verspreche dir, es wird nicht zu deinem Nachteil sein.«

Brutus’ Augen, die ernst und freundlich auf Pompeius gerichtet waren, weiteten sich und füllten sich mit Tränen. »Nein, Pompeius, das traue ich mich nicht!«

»Du traust dich nicht?«

»Ich traue mich nicht, wirklich! Meine Mutter... sie würde mich umbringen!«

Pompeius starrte ihn verblüfft an. »Du bist ein Mann von vierunddreißig Jahren, Brutus! Dein Vermögen gehört dir, nicht Servilia!«

»Sag du ihr das!« entgegnete Brutus zitternd.

»Aber... aber es ist doch ganz einfach, Brutus. Tu es einfach!«

»Das geht nicht. Sie würde mich umbringen.«

Und von dieser Überzeugung war Brutus nicht abzubringen. In Tränen stolperte er hinaus. Auf dem Weg nach draußen stieß er mit Labienus zusammen.

»Was ist denn mit dem los?«

Pompeius rang immer noch nach Luft. »Ich fasse es nicht! Dieser Weichling hat sich gerade geweigert, uns auch nur einen einzigen Sesterz zu leihen! Dabei ist er der reichste Mann in ganz Italia. Aber nein, er traut sich nicht, weil er Angst vor seiner Mutter hat!«

Labienus brach in schallendes Gelächter aus. »Gut gemacht, Brutus!« sagte er, als er wieder sprechen konnte, und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Er hat dich ausgetrickst, Magnus! Servilia ist für ihn der perfekte Vorwand. Um nichts auf der Welt würde er sich von seinem Geld trennen!«

Anfang Juni hatte Pompeius seine Armee nahe der Stadt Beroia einquartiert und selbst vierzig Meilen weiter in Thessalonike, der schwer befestigten Hauptstadt Makedoniens, zusammen mit seinem Gefolge aus Konsularen und Senatoren den Palast des Statthalters bezogen.

Die Lage sah inzwischen sehr viel freundlicher aus. Zusätzlich zu den fünf Legionen, die Pompeius aus Brundisium mitgebracht hatte, hatte er nun eine Legion römischer Veteranen, die sich auf Kreta und in Makedonien niedergelassen hatten, die kilikische Legion, die allerdings unterbesetzt war, und zwei Legionen, die Lentulus Crus in der Provinz Asia ausgehoben hatte. Außerdem tröpfelten allmählich auch Truppen anderer Herrscher ein: von König Deiotarus Fußsoldaten und einige tausend Reiter, von dem schwer verschuldeten König Ariobarzanes von Kappadokien, der Pompeius noch mehr schuldete als Brutus, eine Legion Fußsoldaten und tausend Berittene, von Aulus Plautius, dem Statthalter von Bithynien und Pontus, mehrere tausend Freiwillige und von den kleinen Königreichen Kommagene, Sophene, Osroene und Gordyene und verschiedenen anderen Staatsgebilden und Hoheitsgebieten weitere Soldaten. Auch Geld traf inzwischen in ausreichender Menge ein, so daß Pompeius seine Armee ernähren konnte, die inzwischen stolze achtunddreißigtausend römische Legionäre, fünfzehntausend ausländische Fußsoldaten, dreitausend Bogenschützen, tausend Schleuderer und siebentausend Reiter aufwies. Metellus Scipio hatte zudem geschrieben, er könne zwei volle Legionen zur Verfügung stellen, müsse sie aber aus Mangel an Transportschiffen über Land schicken.

Im Quinctilis schließlich gab es eine erfreuliche Überraschung. Bibulus’ Admiräle Marcus Octavius und Scribonius Libo hatten auf Curicta fünfzehn Kohorten zusammen mit deren Befehlshaber Gaius Antonius gefangengenommen. Die gefangenen Soldaten waren bereit, Pompeius den Treueid zu schwören, und somit war seine Armee weiter gewachsen. Die Seeschlacht, in der Octavius und Libo vierzig Schiffe Dolabellas zerstört hatten, brachte den ersten von vielen Siegen für die rasch wachsende pompeianische Flotte, die, wie sich herausstellte, von dem unerfahrenen Bibulus geschickt befehligt wurde.

Bibulus teilte die Schiffe in fünf große Flotten. Eine Flotte von hundert guten Schiffen aus der Provinz Asia stand unter dem Kommando von Laelius und Valerius Triarius; Gaius Cassius übernahm das Kommando über die siebzig Schiffe, die er aus Syrien mitgebracht hatte; Octavius und Libo befehligten eine Flotte von fünfzig griechischen und liburnischen Schiffen; Gaius Marcellus Minor und Gaius Coponius übernahmen die zwanzig hervorragenden Triremen, die Cato mit seiner Sturheit und durch die Weigerung, die Insel ohne Schiffe zu verlassen, den Rhodiern abgeschwatzt hatte.

Die fünfte Flotte existierte vorerst nur auf dem Papier; sie sollte aus jenen Schiffen bestehen, die der junge Gnaeus Pompeius aus Ägypten abziehen würde.

Stolz darauf, daß sein Vater ihm eine so wichtige Aufgabe übertragen hatte, und entschlossen, ihr gerecht zu werden, war Gnaeus Pompeius nach Alexandria ausgelaufen. Mit seinen neunundzwanzig Jahren wäre er im nächsten Jahr als Quästor in den Senat eingetreten, wenn Caesar nicht dazwischengekommen wäre. Doch das betrübte Pompeius Junior keineswegs, zweifelte er doch keinen Augenblick daran, daß sein Vater den anmaßenden Julier im Staub zertreten würde.

Leider war er nicht alt genug, um unter seinem Vater gedient zu haben, als dieser im Osten Krieg geführt hatte. Er war während einer enttäuschend friedlichen Zeit in Spanien Rekrut gewesen. Natürlich hatte er nach dem Militärdienst die obligatorische Reise nach Griechenland und durch die Provinz Asia gemacht, er war aber nie in Syrien oder Ägypten gewesen. Da seine Abneigung gegen Metellus Scipio kaum geringer war als die gegen seine Stiefmutter Cornelia Metella, entschied er sich, nicht über Land zu marschieren, sondern mit dem Schiff an der nordafrikanischen Küste entlang nach Ägypten zu fahren.

Während er an die Achterreling gelehnt an der öden Katabathmos-Wüste vorbeiglitt, träumte er von Scribonia, seiner jungen Frau. Er vermißte sie sehr. Wie schrecklich doch die Ehe davor mit Claudilla gewesen war! Aber sein Vater wollte alle Mitglieder der Familie unbedingt mit Männern und Frauen aus dem höchsten Adel verheiraten. Claudilla war ein farbloses Mädchen gewesen und viel zu jung für die Ehe. Doch dann hatte er Libos Tochter kennengelernt. Was hatte es nicht für einen Krach gegeben, als er verkündet hatte, er wolle sich von Claudilla scheiden lassen und die mollige Scribonia heiraten, nach der sich sein Geist und sein Körper verzehrten! Pompeius Magnus hatte einen fürchterlichen Wutanfall gehabt, aber vergebens; sein ältester Sohn stand mit pompeianischer Hartnäckigkeit zu seinem Entschluß, und Pompeius hatte schließlich nachgeben und Appius Claudius Censor als Entschädigung zum Statthalter Griechenlands im Auftrag der Exilregierung ernennen müssen. Es ging das Gerücht, daß Appius Claudius dort noch merkwürdiger geworden sei und seine Zeit der Erforschung der Geometrie der Pylonen widme.

Alexandria stieg vor Gnaeus Pompeius aus dem Meer wie die schaumgeborene Aphrodite. Drei Millionen Menschen wohnten in dieser Stadt, die noch größer war als Rom oder Antiochia. Das Reich ihres Gründers Alexander war innerhalb von nur einer Generation zugrunde gegangen, Alexandria aber würde bis in alle Ewigkeit bestehen. Die Stadt schien dem geblendeten Auge des Pompeius von Göttern geschaffen, nicht von gewöhnlichen Sterblichen. Die Häuser leuchteten weiß und in bunten Farben, und überall spendeten sorgfältig nach Größe und Umfang ausgesuchte Bäume kühlen Schatten.

Und erst der große Leuchtturm auf der Insel Pharos! Sechseckig, mit weiß schimmerndem Marmor verkleidet und größer als jedes Bauwerk, das Pompeius gesehen hatte. Ein wahres Weltwunder! Das Meer, das ihn umgab, war aquamarinblau, und der sandige Grund leuchtete durch das kristallklare Wasser. Und die Luft! Wie Balsam! Eine Liebkosung auf der Haut! Auf dem Heptastadion, dem Damm, der die Insel Pharos mit dem Festland verband, konnte man fast eine Meile lang auf prachtvollem weißen Marmor wandeln; auf halber Strecke unterbrachen den Damm zwei Bögen, weit und hoch genug, daß auch große Schiffe hindurchfahren konnten.

Unmittelbar vor ihm ragte der große Königspalast auf. An einer Seite stieß er an eine steil aus dem Meer ragende Klippe, die einst eine Festung gewesen war, in deren Höhlung sich aber nun ein muschelförmiges Amphitheater schmiegte. Was für ein Palast, dachte Gnaeus Pompeius, so gewaltig, daß die Burg von Pergamon daneben zu völliger Bedeutungslosigkeit verblaßte. Die vielen hundert Säulen wirkten auf den ersten Blick dorisch, waren aber höher, dicker und über und über mit lebhaften Bildern bemalt, die jeweils die Höhe einer Säulentrommel hatten. Und anders als die Griechen, die ihre Bauwerke direkt auf dem Boden errichteten, hatten die Alexandriner ihre Palastanlage wie die Römer auf ein dreißig Stufen hohes Steinpodest gestellt. Und dann die Palmen! Die einen hatten Blätter wie zierliche Fächer, andere waren gedrungen und spitz, und wieder andere trugen federgleiche Wedel.

In einem Zustand der Verzückung legte Gnaeus Pompeius im königlichen Hafen an. Nachdem auch die Begleitschiffe angelegt hatten, hüllte er sich in die purpurgesäumte Toga, die ihm aufgrund seines proprätorischen Imperiums zustand, und machte sich hinter seinen sechs in karmesinrote Togen gekleideten Liktoren mit ihren Rutenbündeln auf den Weg zum Palast, um Königin Kleopatra die Siebte um Unterkunft und eine Audienz zu bitten.

Kleopatra hatte mit siebzehn Jahren den Thron bestiegen, jetzt war sie fast zwanzig.

Die zwei Jahre ihrer Regentschaft waren voller Triumphe, aber auch voller Schwierigkeiten und Gefahren gewesen. Zunächst war sie auf ihrer riesigen, goldenen Barke mit dem goldbestickten Purpursegel den Nil hinabgeglitten, und die Eingeborenen hatten sich vor ihr und ihrem neun Jahre alten Brudergemahl auf die Knie geworfen. In Hermonthis wohnte sie im Festschmuck der Pharaonen, aber nur mit der hohen, weißen Krone Oberägyptens angetan, inmitten eines Meeres blumengeschmückter Flöße der Heimführung des heiligen Buchis-Stieres bei. Anschließend fuhr sie an den Ruinen Thebens vorbei zum Ersten Katarakt und zur Nilinsel Elephantine mit ihrem Nilometer, wo sie an dem Tag eintraf, an dem die endgültige Höhe der großen Überschwemmung gemessen werden konnte.

Denn jährlich zu Sommeranfang schwoll der Nil auf wundersame Weise an, trat über die Ufer und breitete eine Decke schwarzen, fruchtbaren Schlammes über die Felder des siebenhundert Meilen langen, aber zumeist nur fünf Meilen breiten Königreiches. In Ellen gemessen, gab es drei Pegel der Überschwemmung: Übersättigung, Fülle und Tod. Gemessen wurden der Pegel in den Nilometern, einer Reihe stufenförmig gegrabener Schächte am Ufer des Stromes. Die Nilschwelle brauchte einen Monat, um vom Ersten Katarakt zum Mündungsdelta fortzuschreiten, und deshalb war es so wichtig, das Nilometer bei Elephantine abzulesen: Es gab Auskunft darüber, welche Art der Überschwemmung das Königreich in dem betreffenden Sommer zu erwarten hatte. Im Herbst zog sich der Fluß dann wieder hinter seine Ufer zurück.

In jenem ersten Jahr von Kleopatras Herrschaft war der Pegel der Fülle abgelesen worden, ein gutes Omen für die neue Monarchin. Tatsächlich erwachte das eigentliche Ägypten — nicht das Ägypten des Deltas, sondern das entlang des Stromes — unter dem Zepter der neuen Königin und Pharaonin zu neuem Leben.

Die äußerst mächtige Gruppe der ägyptischen Priester hatte schon immer eine schicksalhafte Rolle im Leben der ptolemäischen Regenten gespielt, der Nachfahren des ersten Ptolemaios, des Feldherrn Alexanders des Großen. Nur durch die Erfüllung strenger religiöser Vorgaben und mit dem Segen der Priester konnten Könige und Königinnen zu Pharaonen und Pharaoninnen gekrönt werden. König und Königin waren makedonische Titel, der Titel Pharao dagegen war so alt wie Ägypten selbst. Der Titel beinhaltete aber nicht nur religiöse Legitimation, er öffnete auch die riesigen unterirdischen Schatzkammern von Memphis, die der Obhut der Priester anheimgestellt waren und unabhängig von Alexandria waren, wo die Könige und Königinnen ihr an makedonischen Vorbildern orientiertes Leben führten.

Die siebte Kleopatra war selbst Priesterin. Als Kind hatte sie drei Jahre bei den Priestern in Memphis verbracht, sie beherrschte als erste in der ptolemäischen Dynastie sowohl die ägyptische Hochsprache wie die Sprache des Volkes und bestieg den Thron als Pharaonin, in anderen Worten, sie herrschte mit unumschränkter, gottgleicher Macht und hatte im Bedarfsfall Zugang zu den Schatzkammern von Memphis. Im unägyptischen Alexandria jedoch hatte sie als Pharaonin nicht mehr Macht. Die Wirtschaft Ägyptens und Alexandrias funktionierte unabhängig von den in Memphis lagernden Schätzen. Privateigentum war unbekannt — alles ging an die Priester und an den Monarchen; der Monarch bekam sechstausend Talente im Jahr und noch einmal soviel für seine privaten Bedürfnisse.

Kleopatra verdankte die Erfolge ihrer ersten beiden Amtsjahre weniger Alexandria als Ägypten und einem Volk, das unabhängig und selbstgenügsam im östlichen Nildelta, im Land des Onias, lebte und weder dem makedonischen noch dem ägyptischen, sondern dem jüdischen Glauben anhing. Das Land des Onias war nämlich die Heimat jener Juden, die sich geweigert hatten, einen schismatischen Hohenpriester anzuerkennen, und aus dem hellenisierten Judäa geflohen waren. Sie versorgten Ägypten mit Truppen und kontrollierten Pelusium, einen weiteren wichtigen Mittelmeerhafen Ägyptens. Kleopatra, die fließend Hebräisch und Aramäisch sprach, war im Land des Onias sehr beliebt.

Die erste gefährliche Situation, in die sie durch die Ermordung der beiden Söhne des Bibulus geraten war, hatte sie gut bewältigt. Doch dann drohte eine noch viel ernstere Gefahr: Die zweite Nilflut ihrer Amtszeit stieg nur bis zum Pegel des Todes. Der Nil trat nicht über die Ufer, breitete seinen fruchtbaren Schlamm nicht über die Felder aus, und das Getreide sproß nicht aus dem verdorrten Boden, auf den täglich die Sonne brannte. Als Pharaonin aber war Kleopatra die göttliche Verkörperung des Nils, der das lebenspendende Naß verweigerte.

In Alexandria gärte es, als Gnaeus Pompeius in den königlichen Hafen einlief. Um die Ägypter entlang des Nils aller Nahrungsquellen zu berauben, brauchte es zwei oder drei Hungersnöte hintereinander, Alexandria aber, das nichts hervorbrachte außer Beamten, Geschäftsleuten und Sklaven, bekam die Folgen sofort zu spüren. Die Stadt war reich, brachte die weltbesten Gelehrten hervor und hatte die besten Archive der Welt, aber sie war nicht in der Lage, sich zu ernähren; das überließen die Alexandriner den Ägyptern am Nil.

Die Alexandriner waren ein bunt gemischtes Völkchen. Die Makedonen stellten die Aristokratie und wachten eifersüchtig darüber, daß sie die höchsten Ämter bekleideten; die Händler und anderen Geschäftsleute waren eine Mischung aus Ägyptern und Makedonen; im Delta-Viertel am Stadtrand gab es ein großes jüdisches Ghetto, das in der Hauptsache von Handwerkern, Facharbeitern und Gelehrten bewohnt wurde; dann gab es noch die Griechen, die als Buchhalter und Schreiber die unteren Beamtenränge füllten, als Maurer und Bildhauer, Lehrer und Erzieher arbeiteten oder die Ruderbänke der Kriegs-- und Handelsschiffe besetzten. Auch einige römische Ritter lebten in der Stadt. Die Verkehrssprache war Griechisch, das Bürgerrecht nicht ägyptisch, sondern alexandrinisch. Allerdings waren nur die dreitausend makedonischen Adligen alexandrinische Vollbürger, was immer wieder zu Klagen und Unmut in den anderen Bevölkerungsgruppen führte, außer bei den Römern, die darüber nur verächtlich die Nase rümpften. Ein römischer Bürger war schließlich besser als alles andere, auch als ein Alexandriner.

Lebensmittel gab es zwar noch in Fülle, denn die Königin kaufte Getreide und andere Nahrungsmittel in Zypern, Syrien und Judäa, aber die Lebensmittelpreise waren gestiegen, und dies war der Grund der Unruhe in der Stadt. Die freiheitsliebenden Alexandriner hatten sich noch vor keinem Monarchen geduckt und schon verschiedentlich den einen oder anderen Ptolemäer vom Thron gestürzt und durch einen anderen Ptolemäer ersetzt, wenn der Wohlstand der Stadt gefährdet war oder die Lebenshaltungskosten stiegen.

All das wußte Kleopatra, als sie sich anschickte, Gnaeus Pompeius zu einer Audienz zu empfangen.

Ein weiteres Problem war ihr Brudergemahl, der inzwischen zwölf Jahre alt war und nicht mehr einfach weggeschickt werden konnte wie ein Kind. Obwohl die Pubertät noch kaum eingesetzt hatte, wurde es doch immer schwieriger, den dreizehnten Ptolemaios in Schranken zu halten, was hauptsächlich dem schlechten Einfluß der beiden Männer zuzuschreiben war, die sein Leben beherrschten: sein Erzieher Theodotus und der Haushofmeister Potheinus.

Sie waren alle versammelt, als die Königin in den Audienzsaal schritt. Sie schritt, denn sie hatte herausgefunden, daß sie auf diese Weise Selbstvertrauen und Autorität ausstrahlte — beides Eigenschaften, die ihre magere Gestalt nicht vermittelte. Der kleine König saß in der Purpurtunika und dem Purpurmantel der makedonischen Könige auf seinem Thron, der eine Stufe tiefer stand als der Kleopatras und eine kleinere Ausgabe ihres prächtigen Sessels aus Elfenbein und Gold war. Erst wenn er seine Männlichkeit dadurch unter Beweis gestellt hatte, daß er seine Schwestergemahlin schwängerte, würde der Thron höher gestellt werden. Er sah auf makedonische Art gut aus, eher thrakisch als griechisch, und hatte blonde Haare und blaue Augen.

Die Königin nahm auf ihrem übergroßen Thron Platz und stellte die Füße auf ein purpurfarbenes, gold-- und perlenverziertes Polster, ohne das ihre Füße den Boden aus purpurfarbenem Marmor nicht berührt hätten.

»Ist Gnaeus Pompeius auf dem Weg hierher?« fragte sie.

»Ja, Majestät!« antwortete Potheinus.

Sie hätte nicht sagen können, welchen der beiden sie mehr verabscheute, Potheinus oder Theodotus. Der Haushofmeister hatte die stattlichere Figur und strafte das Vorurteil Lügen, Eunuchen seien immer klein, gedrungen und weibisch. Er war erst spät, im Alter von vierzehn, auf Anordnung seines Vaters, eines makedonischen Adligen mit hochfahrenden Plänen für seinen intelligenten Sohn, kastriert worden. Das Amt des Haushofmeisters war das höchste am Hof, durfte aber nach alter ägyptischer Tradition nur von einem Eunuchen bekleidet werden, und auch Potheinus hatte sich dieser Tradition beugen müssen. Er war ein gerissener, grausamer und gefährlicher Mensch mit grauen, lockigen Haaren, engstehenden grauen Augen und einem schön geschnittenen Gesicht. Insgeheim überlegte er, wie er Kleopatra vom Thron stürzen und an ihre Stelle ihre Halbschwester Arsinoe setzen könnte, die richtige Schwester Ptolemaios’ des Dreizehnten.

Theodotus war trotz seiner intakten Testikel der weiblichere Typ. Er war hager und blaß und schien ständig müde. Seine Stellung als Erzieher verdankte er nur dem glücklichen Umstand, ein Vertrauter von Kleopatras Vater Auletes gewesen zu sein, denn er war weder ein guter Gelehrter noch ein richtiger Lehrer. Was immer er den jungen Ptolemaios lehrte, hatte nichts mit Geschichte, Geographie, Rhetorik oder Mathematik zu tun, sondern mit seiner Vorliebe für Knaben. Kleopatra wußte zu ihrem Ärger, daß ihr Bruder sexuelle Erfahrungen mit Theodotus gemacht haben würde, bevor er offiziell alt genug war, die Ehe mit ihr zu vollziehen. Sie würde nehmen müssen, was Theodotus übrigließ! Wenn sie überhaupt so lange lebte. Denn auch Theodotus wollte sie durch Arsinoe ersetzen, weil er Kleopatra genausowenig manipulieren konnte wie Potheinus. Was waren sie nur für Narren! Begriffen sie denn nicht, daß auch Arsinoe sich nicht manipulieren lassen würde? Der Krieg um den ägyptischen Thron hatte begonnen! Entweder man würde sie, Kleopatra, töten, oder sie würde die beiden Männer töten. Eines hatte sie sich jedoch gelobt: Wenn Potheinus und Theodotus starben, würde ihr Bruder, diese falsche Schlange, mit ihnen sterben!

Die weitläufige Palastanlage umfaßte eine Unzahl von Gebäuden, Sälen und Zimmern, Paläste innerhalb des Palastes und für jedes Amt und jeden Beamten spezielle Räume. Der Audienzsaal war keineswegs der Thronsaal. Der Thronsaal hätte einen Crassus überwältigt — der Audienzsaal reichte aus, um einen Gnaeus Pompeius zu überwältigen. Die Architektur innen wie außen war griechisch, der Schmuck ägyptisch, ausgeführt von den memphitischen Künstler-Priestern. Die Wände des Audienzsaales waren teils mit Blattgold überzogen, teils mit Wandmalereien mit stilisierten Menschen, Tieren, Palmen und Lotusblüten geschmückt, ein exotischer Anblick für den römischen Gesandten. Der Saal enthielt keinerlei Statuen oder Möbel außer den beiden Thronen auf dem Podest.

Zu jeder Seite des Podestes stand ein Mann von einer Größe und bizarren Erscheinung, wie Gnaeus sie bisher nur vom Hörensagen kannte. Sie trugen goldene Sandalen und kurze Röcke aus Leopardenfell, die von edelsteinbesetzten goldenen Gürteln gehalten wurden. Auch um ihre Hälse schmiegte sich edelsteinbesetzter Schmuck. Beide schwenkten langsam gewaltige Fächer, goldene Stäbe mit edelsteinbesetzten Griffen, an deren Spitze gewaltige, bunt schillernde Federn angebracht waren. Doch all das war noch gar nichts verglichen mit der Schönheit ihrer Haut! Sie war schwarz, nicht braun. Ein wunderbares, matt schimmerndes Schwarz! Gnaeus hatte solche Gesichter schon gesehen: Griechische oder italische Bildhauer, denen das Glück beschieden war, ein solches Gesicht zu sehen, hielten es sofort in Bronze oder Stein fest. Hortensius hatte die Statue eines solchen Jünglings besessen, Lucullus die Bronzebüste eines Mannes. Doch die lebendigen Gesichter vor ihm waren noch ungleich schöner. Sie hatten hohe Wangenknochen, gebogene Nasen, volle Lippen mit feinen Konturen und schwarze, merkwürdig feuchte Augen. Das kurze, krause Haar sah aus wie das Fell eines ungeborenen Zickleins, das nur die Partherkönige tragen durften.

»Gnaeus Pompeius Magnus!« rief Potheinus überschwenglich und eilte in seiner Purpurtunika, seinem Umhang und seiner Kette als Zeichen seines hohen Ranges auf den Gast zu. »Willkommen! Willkommen!«

»Ich bin nicht Magnus!« unterbrach Gnaeus Pompeius ihn verärgert. »Vor dir steht Gnaeus Pompeius! Und wer bist du? Der Kronprinz?«

Ehe Potheinus antworten konnte, sagte die Frau auf dem größeren der beiden Throne mit melodischer Stimme: »Das ist Potheinus, unser Haushofmeister. Wir sind Kleopatra, Königin von Alexandria und Ägypten. Im Namen Alexandrias und Ägyptens heißen wir dich willkommen. Potheinus, tritt zurück und sprich erst, wenn du gefragt wirst!«

Oho, dachte Pompeius. Sie kann ihn nicht leiden. Und er kann es nicht leiden, von ihr herumkommandiert zu werden.

»Es ist mir eine Ehre, Hoheit!« sagte Gnaeus Pompeius. »Ich nehme an, das ist König Ptolemaios.«

»Ja«, sagte die Königin kurz.

Eine schmächtige Gestalt, dachte Gnaeus Pompeius; wenn sie stand, war sie wahrscheinlich nicht größer als fünf Fuß. Sie hatte magere Arme und einen dünnen Hals, doch ihre dunkle Haut war wunderschön und ließ die blauen Adern darunter hindurchscheinen. Ihre hellbraunen Haare trug sie in handbreiten Strähnen vom Haaransatz aus nach hinten frisiert und im Nacken zu einem Knoten gebunden. Wie die Schale einer Wassermelone, dachte er. Das weiße Band ihres Herrscherdiadems trug sie nicht auf der Stirn, sondern über dem Haaransatz. Abgesehen von den zierlichen Goldsandalen, die nicht so aussahen, als seien sie dafür gemacht, in ihnen herumzulaufen, war sie einfach und im griechischen Stil gekleidet, ihr Gewand bestand freilich aus feinstem tyrotischen Purpurstoff.

In dem Licht, das durch Öffnungen hoch oben in der Wand drang, konnte er sehen, daß sie erschreckend häßlich war und nur der Charme der Jugend ihre Züge milderte. Die Farbe ihrer großen Augen bewegte sich zwischen Goldgrün und Haselnußbraun. Ihr Mund hätte zum Küssen eingeladen, hätte sie ihn nicht so grimmig verzogen. Und ihre große Hakennase konnte es mit Catos Zinken durchaus aufnehmen. Es fiel ihm schwer, in der jungen Frau mit so klassisch östlichen Gesichtszügen eine Makedonierin zu erkennen.

»Auch für mich ist es eine große Ehre, dich zu empfangen, Gnaeus Pompeius«, fuhr sie mit ihrer lieblichen Stimme fort. Sie sprach ein vollendetes attisches Griechisch. »Es tut mir leid, daß wir nicht Lateinisch mit dir sprechen können, aber wir hatten nie die Gelegenheit, es zu lernen. Was können wir für dich tun?«

»Wahrscheinlich wißt Ihr selbst an diesem fernen Ende des Mittelmeeres, daß sich Italia und Rom im Bürgerkrieg befinden.

Mein Vater, Pompeius Magnus, mußte zusammen mit Roms rechtmäßiger Regierung aus Italia fliehen. Zur Zeit ist er in Thessalonike und bereitet sich auf einen Feldzug gegen den Verräter Gaius Julius Caesar vor.«

»Wir wissen das, und ihr habt unser Mitgefühl.«

»Das ist ja schon mal schön, aber nicht genug!« sagte Pompeius auf jene unbekümmert direkte Art, für die sein Vater so berühmt war. »Ich bin nicht gekommen, um Beileidsbezeigungen entgegenzunehmen, sondern um materielle Hilfe zu erbitten.«

»Natürlich. Wir haben uns auch schon gedacht, daß du gekommen bist, um materielle Hilfe von uns zu erbitten. An was hast du dabei gedacht?«

»Ich brauche eine Flotte, bestehend aus mindestens zehn großen Kriegsschiffen, sechzig robusten Transportschiffen und Ruderern und Matrosen in ausreichender Zahl. Die sechzig Transportschiffe sollten außerdem bis zum Rand mit Weizen und anderen Lebensmitteln beladen sein.«

Der kleine König, der ebenfalls das weiße Diademband trug, wurde unruhig und sah den Haushofmeister und den dünnen, weibischen Mann neben ihm an. Seine ältere Schwester, die gleichzeitig seine Gemahlin war — wie dekadent doch diese östlichen Monarchien waren! —, reagierte prompt und mit derselben Vehemenz, mit der auch eine Römerin ihren jüngeren Bruder bestraft hätte. Mit ihrem gold-- und elfenbeinbelegten Zepter schlug sie ihm so hart auf die Handknöchel, daß er vor Schmerzen aufschrie. Dann sah er mit tränenerfülltem Blick wieder nach vorn.

»Wir sind geehrt, daß du von uns Hilfe erbittest, Gnaeus Pompeius. Du bekommst die Schiffe, die du verlangst. Im CibotusHafen liegen zehn ausgezeichnete Quinqueremen; sie haben robuste Rammsporne aus Eichenholz, sind leicht manövrierbar und können viele Geschütze befördern. Ihre Besatzungen sind gut ausgebildet. Darüber hinaus stellen wir dir sechzig große, stabile Frachtschiffe zu Verfügung, die uns gehören. Uns gehören alle Schiffe Ägyptens, Handelsschiffe wie Kriegsschiffe; die alexandrinischen Handelsschiffe dagegen gehören nicht alle uns.«

Die Königin hielt inne. Sie sah jetzt sehr streng aus — und sehr häßlich. »Aber Weizen und andere Lebensmittel können wir dir nicht geben, Gnaeus Pompeius. Die Nilschwelle hat nur den Pegel des Todes erreicht. Das Getreide ist nicht aufgegangen, das Land leidet unter einer Hungersnot. Wir haben selbst für unsere eigenen Leute zuwenig, besonders für die Bevölkerung von Alexandria.«

Gnaeus Pompeius schnalzte wie sein Vater mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Das geht nicht!« bellte er. »Ich brauche Getreide und andere Lebensmittel! Ich kann Euer Nein nicht akzeptieren!«

»Wir haben kein Getreide, Gnaeus Pompeius, wir haben keine Lebensmittel. Wie wir dir schon erklärt haben, sind wir außerstande, deine Bitte zu erfüllen.«

»Aber Ihr habt gar keine andere Wahl«, sagte Pompeius wie beiläufig. »Tut mir leid, wenn Euer Volk hungert, aber das ist nicht mein Problem. Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio Nascia ist immer noch in Syrien. Er hat dort mehr als genügend römische Truppen, um nach Süden zu marschieren und Ägypten zu zertreten wie einen Wurm. Ihr seid alt genug, um noch zu wissen, was passierte, als Aulus Gabinius dieses Land betrat. Ein Brief von mir nach Syrien — und Ihr seid besetzt! Das wäre sowieso in vieler Hinsicht das Beste für meinen Vater und die Exilregierung. Ägypten würde römische Provinz werden, und sein ganzer Besitz würde Rom zufallen. Und glaubt ja nicht, Ihr könnt mit mir dasselbe machen wie mit Bibulus’ Söhnen — ich bin Magnus’ Sohn! Tötet mich oder einen meiner Männer, und ihr werdet alle qualvoll sterben. Überlegt Euch gut, was Ihr tut, Kleopatra. Ich komme morgen wieder.«

Seine Liktoren machten mit unbewegten Gesichtern kehrt und marschierten hinaus, Gnaeus Pompeius folgte ihnen.

Theodotus rang nach Atem. »So ein Hochmut! Das ist ja unglaublich!«

»Halte den Mund, Erzieher!« fuhr die Königin ihn an.

»Kann ich gehen?« fragte der kleine König tränenüberströmt.

»Ja, geh ruhig, du kleine Kröte! Und nimm Theodotus mit!«

Theodotus legte besitzergreifend die Arme um die Schultern des Jungen und verließ mit ihm den Saal.

»Ihr werdet wohl tun müssen, was Gnaeus Pompeius von Euch verlangt«, säuselte Potheinus.

»Das weiß ich selbst, du aufgeblasener Wicht!«

»Und betet, mächtige Pharaonin, Isis auf Erden und Tochter des Ra, daß der Nil diesen Sommer den Pegel der Fülle erreicht!«

»Natürlich werde ich beten, während ihr — Theodotus, dein Günstling Achillas, der Oberbefehlshaber meiner Armee, und du — natürlich zu Serapis betet, daß der Nil den Pegel des Todes nicht überschreitet! Zwei Dürren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren würden die To-she-Oase und den Moeris-See austrocknen, und niemand in Ägypten hätte noch etwas zu essen. Meine Einnahmen würden empfindlich zusammensahrumpfen, und ich hätte kein Geld mehr, um Lebensmittel zu kaufen — wenn es überhaupt Getreide auf dem Markt gäbe, denn von Makedonien und Griechenland bis Syrien und Ägypten herrscht überall Dürre. Die Lebensmittelpreise werden steigen, bis der Nil wieder steigt, und in der Zwischenzeit werden du und deine beiden Kumpane die Alexandriner gegen mich aufhetzen.«

»Ihr seid doch die Pharaonin, meine Königin«, flötete Potheinus, »Ihr habt den Schlüssel zu den Schatzkammern von Memphis.«

Die Königin sah ihn verächtlich an. »Gewiß doch, Haushofmeister! Aber wie du genau weißt, würden die Priester nie zulassen, daß ich die ägyptischen Schätze dafür verwende, Alexandria vor dem Hungertod zu bewahren. Warum sollten sie auch? Kein geborener Ägypter darf in Alexandria leben, geschweige denn das Bürgerrecht besitzen. Und ich werde das auch nicht ändern, weil ich nämlich nicht will, daß meine besten und treusten Untertanen die alexandrinische Pest bekommen!«

»Nun, meine Königin, dann verheißt Euch die Zukunft nichts Gutes.«

»Du hältst mich für eine schwache Frau, Potheinus, aber das ist ein schwerer Fehler! Vergiß nicht, daß ich Ägypten bin!«

Kleopatra hatte Hunderte von Dienern und Dienerinnen, aber nur zwei waren ihr lieb, Charmian und Iras, die Töchter makedonischer Adliger. Schon im Kindesalter waren sie als gleichaltrige Gespielinnen der zweitgeborenen Tochter von König Ptolemaios Auletes und Königin Kleopatra Tryphaena in den Palast gekommen, und sie hatten Kleopatra durch all die stürmischen Jahre und schweren Zeiten begleitet. Sie waren bei ihr, als Ptolemaios Auletes sich von Kleopatra Tryphaena hatte scheiden lassen und eine Stiefmutter an die Stelle der Mutter getreten war. Sie hatten mit ihr Auletes’ Verbannung erlebt und Kleopatra in das dreijährige Exil in Memphis während der Herrschaft ihrer älteren Schwester Berenike und ihrer Mutter Kleopatra Tryphaena begleitet; sie hatten mit ihr die schreckliche Zeit nach Kleopatra Tryphaenas Tod verbracht, als Berenike verzweifelt nach einem Gemahl suchte, den die Alexandriner akzeptieren würden, sie waren bei der Rückkehr des Auletes auf den Thron an ihrer Seite gewesen, und sie hatten mit ihr jenen furchtbaren Tag erlebt, an dem Auletes seine eigene Tochter Berenike getötet hatte.

Charmian und Iras waren Kleopatras einzige Vertraute. Und so erzählte sie ihnen auch von der Audienz, die sie Gnaeus Pompeius gewährt hatte.

»Potheinus wird langsam unerträglich dreist«, sagte sie.

»Wahrscheinlich wird er bald versuchen, dich zu stürzen«, meinte die schöne, schwarzhaarige Charmian.

»Ja. Ich müßte eigentlich nach Memphis fahren und den Göttern opfern«, sagte Kleopatra unruhig. »Aber Alexandria jetzt zu verlassen wäre ein schwerer Fehler.«

»Soll ich Antipater am Hof des Hyrcanus schreiben und um Rat bitten?«

»Das wäre völlig nutzlos; er steht auf der Seite Roms.«

»Wie war Gnaeus Pompeius denn?« fragte die schöne, blonde Iras, die sich weniger für Politik interessierte als für Männer.

»Ein Makedone, aus demselben Holz wie Alexander der Große.«

»Hat er dir gefallen?« beharrte Iras mit schwärmerisch verschleiertem Blick.

Kleopatra sah sie verzweifelt an. »Um die Wahrheit zu sagen, ich verabscheue ihn zutiefst, Iras! Überhaupt, was ist das für eine dumme Frage? Mich bekommt nur, wer göttlich ist wie ich. Wenn du Lust auf Gnaeus Pompeius hast, dann schlafe doch mit ihm. Du bist eine junge Frau, die sowieso verheiratet sein sollte. Ich aber bin Pharaonin, eine Göttin auf Erden; wenn ich mich vermähle, tue ich das nicht zu meinem Vergnügen, sondern für Ägypten.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Und glaube mir, nur für Ägypten werde ich die Kraft haben, der kleinen Schlange, die mein Bruder ist, meinen unberührten Körper zu schenken!«

Mit großer Erleichterung brach Pompeius Magnus Anfang Dezember auf der Via Egnatia in Richtung Westen nach Dyrrhachium auf. Den Statthalterpalast in Thessalonike mit dem halben Römischen Senat teilen zu müssen, war ein Alptraum gewesen. Alle waren von ihren Aufgaben inzwischen wieder zurückgekehrt, von Cato bis zu seinem geliebten ältesten Sohn, der eine schlagkräftige Flotte aus Alexandria mitgebracht hatte, zehn Quinqueremen und sechzig schwerbeladene Transportschiffe. Die Ladung hätte eigentlich aus Weizen, Gerste, Bohnen und Kichererbsen bestehen sollen, doch stellte sich heraus, daß es sich im wesentlichen um Datteln handelte, die einem epikureischen Gaumen munden mochten, für einen Legionär hingegen völlig ungenießbar waren.

»Diese falsche Schlange!« schimpfte Gnaeus Pompeius, als er entdeckte, daß nur zehn Transportschiffe mit Weizen beladen waren, die restlichen fünfzig Schiffe dagegen mit Datteln, obwohl er doch mit eigenen Augen gesehen hatte, wie die Amphoren mit Weizen gefüllt wurden. »Sie hat mich hereingelegt!«

Sein Vater, der aufgrund der gleichzeitigen Anwesenheit Catos und Ciceros inzwischen mit den Nerven völlig am Ende war, gewann dem Ganzen eine komische Seite ab und lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen. »Ist doch egal«, tröstete er seinen zornesroten Sohn. »Wenn wir Caesar besiegt haben, fahren wir auf schnellstem Weg nach Ägypten zurück. Dann wird Kleopatra aus ihren Schatzkammern für diesen Krieg bezahlen.«

»Und ich werde sie mit dem größten Vergnügen persönlich foltern!«

Pompeius Magnus schnalzte mit der Zunge. »Na, na! Redet man so von der Geliebten? Man sagt, du hättest sie gehabt.«

»Die? Die würde ich nur geröstet und mit Datteln gefüllt nehmen!«

Worauf Pompeius erneut in Lachen ausbrach.

Cato war nur kurz vor Gnaeus Pompeius zurückgekehrt. Er war sehr angetan von seiner erfolgreichen Reise nach Rhodos, aber vor allem beschäftigte ihn die Begegnung mit seiner Halbschwester Servililla, der geschiedenen Frau des mittlerweile verstorbenen Lucullus, und mit deren Sohn Marcus Licinius Lucullus.

»Ich verstehe sie inzwischen genausowenig wie Servilia«, sagte er stirnrunzelnd. »Als ich Servililla in Athen traf — sie schien zu glauben, sie würde verbannt werden, wenn sie in Italia bliebe —, schwor sie, mich nie wieder zu verlassen. Sie fuhr mit mir über das Ägäische Meer nach Rhodos und fing dort Streit mit Athenodorus Cordylion und Statyllus an. Als es dann an der Zeit war, wieder abzureisen, wollte sie unbedingt auf Rhodos bleiben.«

Pompeius zuckte nur mit den Achseln. »Frauen sind eben sonderbare Wesen, Cato. Aber jetzt geh, ich habe zu tun!«

»Erst wenn du mir versprichst, daß du bei den galatischen und kappadokischen Reitern für Disziplin sorgst. Ihr Benehmen ist eine Schande!«

»Sie sind hier, um uns gegen Caesar zu helfen, und wir müssen nicht einmal für ihren Unterhalt sorgen. Von mir aus können sie alle Frauen Makedoniens vergewaltigen und, wenn sie wollen, auch noch alle Männer zusammenschlagen. Jetzt geh endlich!«

Dann traf Cicero in Begleitung seines Sohnes ein. Er war in einem jämmerlichen Zustand und beklagte sich bitter über alle und jeden, angefangen bei seinem Bruder Quintus über seinen Neffen Quintus Junior bis hin zu Atticus, der nicht nur nichts gegen Caesar unternahm, sondern auch noch eifrig bemüht war, ihm in Rom zu helfen.

»Ich war nur von Verrätern umgeben!« schimpfte er. Seine Augen waren rot und verkrustet. »Ich mußte meine Flucht monatelang vorbereiten und dann auch noch Tiro zurücklassen!«

»Ja, ja«, sagte Pompeius müde. »Vor der Porta Larissa wohnt eine heilkundige Frau, Cicero. Du solltest sie wegen deiner Augen aufsuchen. Am besten gleich!«

Im Oktober trafen dann als Boten ihrer eigenen Niederlage Lucius Afranius und Marcus Petreius aus Spanien ein. Sie brachten einige Kohorten mit, was für den niedergeschlagenen Pompeius allerdings kein Trost war, nachdem er erfahren hatte, daß seine spanische Armee aufgehört hatte zu existieren und Caesar einen weiteren unblutigen Sieg errungen hatte. Zu allem Überfluß regten sich einige Männer, darunter der gerade aus Asia zurückgekehrte Lentulus Crus, auch noch über die Ankunft der beiden Legaten auf.

»Das sind Verräter!« kreischte er Pompeius ins Ohr. »Ich verlange, daß der Senat ihnen den Prozeß macht!«

»Sei still, Crus!« fuhr Titus Labienus ihn an. »Afranius und Petreius wissen wenigstens, wie ein Schlachtfeld aus der Nähe aussieht — was man von dir nicht behaupten kann!«

»Magnus! Wer ist dieser Wurm?« keuchte Lentulus Crus empört. »Warum müssen wir so jemanden unter uns dulden? Warum muß ich, ein vornehmer Cornelier, mich von einem Mann beleidigen lassen, der mir nicht einmal die Stiefel putzen dürfte? Sag ihm, er soll verschwinden!«

Pompeius war den Tränen nahe. »Verschwinde du, Lentulus!«

Als dann auch noch Lucius Domitius Ahenobarbus mit der Nachricht eintraf, Massilia habe kapituliert und Caesar beherrsche jetzt alle Provinzen westlich Italias, heulte Pompeius bitterlich.

»Aber wenigstens«, sagte Ahenobarbus, »habe ich eine schöne Flotte mitgebracht, die ich auch einsetzen werde.«

Ende Dezember besuchte Bibulus Pompeius, als dessen gewaltige Armee gerade mühsam über die hohen Pässe des Kandavia-Gebirges stieg.

»Was machst du denn hier?« fragte Pompeius erschrocken.

»Beruhige dich, Pompeius! Caesar wird in nächster Zeit weder in Epirus noch in Makedonien landen«, sagte Bibulus gelassen. »Zum einen gibt es in Brundisium nämlich nicht genügend Schiffe, um seine Truppen über die Adria überzusetzen, und zum anderen habe ich die Flotte deines Sohnes und meine beiden Flotten im Adriatischen Meer unter das Kommando von Octavius und Libo gestellt; Ahenobarbus überwacht das Ionische Meer.«

»Du weißt sicher, daß Caesar zum Diktator ernannt worden ist und ganz Italia auf seiner Seite hat. Und daß er keine Proskriptionen will.«

»Ja, aber Kopf hoch, Magnus! Es sieht gar nicht so schlecht für uns aus. Ich habe Gaius Cassius mit den siebzig guten syrischen Schiffen ins Tyrrhenische Meer geschickt und ihn angewiesen, den Seeweg zwischen Messana und Vibo zu überwachen und alle Getreidetransporte von Sizilien zu blockieren. Seine Präsenz wird auch Caesar daran hindern, Truppen von der Westküste nach Epirus zu schicken.«

»Endlich einmal eine gute Nachricht!« rief Pompeius.

»Siehst du!« Bibulus lächelte zufrieden. »Du kannst dir vorstellen, wie man sich in Italia freuen wird, wenn das Land zwölf Legionen durch den Winter füttern darf. Wenn Gaius Cassius Rom von der Getreideversorgung abschneidet, wird Caesar schon seine liebe Not haben, nur die Zivilbevölkerung zu ernähren. Und vergiß nicht, wir haben auch Africa in der Hand.«

»Stimmt!« Aber Pompeius verfiel wieder in Schwermut. »Trotzdem wäre mir wohler zumute, wenn ich die beiden syrischen Legionen von Metellus Scipio hätte. Ich brauche sie nämlich, wenn — falls — Caesar kommt. Er hat acht Veteranenlegionen!«

»Was hat die syrischen Legionen denn daran gehindert, zu dir zu stoßen?«

»In seinem letzten Brief schreibt Scipio, er habe große Probleme, das Amanus-Gebirge zu bezwingen. Er muß ständig gegen die arabischen Nomadenvölker kämpfen, die auf den Pässen siedeln. Du kennst das Amanus-Gebirge, du hast dort selbst einen Feldzug geführt.«

Bibulus runzelte die Stirn. »Dann muß er auch noch durch ganz Anatolien, bevor er den Hellespont erreicht. Ich glaube kaum, daß du vor dem Frühjahr mit Scipio rechnen kannst.«

»Dann können wir nur hoffen, daß Caesar auch nicht früher kommt.«

Leider war diese Hoffnung vergebens. In den ersten Januartagen, als Pompeius über die Pässe nördlich des Ochrid-Sees marschierte, traf Lucius Vibullius Rufus bei ihm ein.

»Woher kommst du denn?« fragte Pompeius erstaunt. »Ich dachte, du seist in Hispania Citerior.«

»An mir siehst du, was mit einem Mann geschieht, der in Corfinium von Caesar begnadigt wurde und sich noch einmal gegen ihn gestellt hat. Nach der Schlacht von Ilerda hat er mich gefangengenommen; seither war ich immer bei ihm.«

Pompeius spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Soll das heißen... ?«

»Ja. Caesar hat vier seiner Legionen auf sämtliche Schiffe verteilt, die er finden konnte, und ist am Tag vor den Nonen von Brundisium ausgelaufen.« Vibullius lächelte freudlos. »Wir sind keinem einzigen feindlichen Schiff begegnet und sicher in Palaestae angekommen.«

»Palaestae?«

»Zwischen Oricum und Corcyra. Zuerst hat er mich zu Bibulus nach Corcyra geschickt, um ihm mitzuteilen, daß er die Gelegenheit verpaßt hat, ihn aufzuhalten, und um ihn zu fragen, wo du steckst. Ich bin also in meiner Eigenschaft als Botschafter des Diktators hier.«

»Bei den Göttern, hat der Nerven! Nur vier Legionen? Nicht mehr?«

»Nein.«

»Was läßt er mir bestellen?«

»Daß schon genügend römisches Blut vergossen worden sei und man jetzt verhandeln müsse. Beide Seiten seien gleich stark, und ein Kampf sollte vermieden werden.«

»Gleich stark«, wiederholte Pompeius langsam. »Mit vier Legionen!« »Das waren seine Worte.«

»Und seine Bedingungen?«

»Daß ihr beide die Bedingungen annehmt, die der Senat und das Volk von Rom stellen, und zwar nachdem ihr eure Armeen aufgelöst habt — was innerhalb von drei Tagen nach meiner Rückkehr zu geschehen hat.«

»Der Senat und das Volk von Rom!« sagte Pompeius verächtlich. »Er meint seinen Senat und sein Volk! Inzwischen ist er zum Ersten Konsul gewählt worden, er ist also nicht mehr Diktator. Ganz Rom und Italia liegt ihm zu Füßen!«

»Er regiert mit schönen Worten statt mit faulen Tricks. Ein raffinierter Bursche! Und die Narren in Rom und in Italia fallen auf ihn rein!«

»Vor zehn Jahren war ich der Held, jetzt ist es Caesar. Wen hat er zur Sicherung Brundisiums zurückgelassen?«

»Marcus Antonius und Quintus Fufius Calenus.«

»Er hat also keine Reiter dabei?«

»Nur zwei oder drei gallische Schwadronen.«

»Er wird nach Dyrrhachium ziehen.«

»Ganz sicher.«

»Dann müssen wir unser Marschtempo verdoppeln. Ich muß vor ihm in Dyrrhachium sein, sonst besetzt er mein Lager und die Stadt.«

Das Gespräch schien beendet, und Vibullius stand auf. »Was soll ich Caesar sagen?«

»Gar nichts. Bleibe hier und mache dich hier nützlich.«

Pompeius traf nur knapp vor Caesar in Dyrrhachium ein.

Dort mußte er zu seinem Entsetzen feststellen, daß sich bereits ganz Epirus und Apollonia, die Stadt, in der die Via Egnatia endete, auf die Seite Caesars gestellt hatten. Caesar hatte ohne Blutvergießen Torquatus aus Oricum und Staberius aus Apollonia vertrieben, und jetzt gehörte ihm das ganze Land südlich des Apsus. Die Bevölkerung jubelte ihm zu und machte den pompeianischen Garnisonen das Leben schwer. Und Caesar wäre Pompeius fast noch in Dyrrhachium zuvorgekommen, obwohl er von Palaestae aus, wo er gelandet war, viel schlechtere Straßen hatte nehmen müssen.

Zu Pompeius’ Unglück hatte sich auch Dyrrhachium für Caesar entschieden. Die Einwohner der Stadt und die Soldaten, die er dort ausgehoben hatte, weigerten sich, mit der römischen Exilregierung zusammenzuarbeiten, und begannen umstürzlerische Umtriebe. Mit siebentausend Pferden und fast achttausend Maultieren, die gefüttert werden mußten, konnte Pompeius das nicht zulassen.

»Laß mich das regeln!« sagte Titus Labienus. In seinen wilden, dunklen Augen funkelte etwas, das Caesar sofort erkannt hätte: die Lust an der Grausamkeit.

Pompeius kannte Labienus’ Neigung zur Brutalität nicht. »Was hast du vor?« fragte er.

Labienus fletschte seine großen, gelben Zähne. »Ich gebe ihnen eine Kostprobe dessen, was einst die Treverer in Angst und Schrecken versetzt hat.«

Pompeius zuckte die Achseln. »Gut, wenn du meinst.«

Labienus ließ einige hundert Männer umbringen und grauenhaft verstümmeln, und die Bevölkerung von Dyrrhachium und Umgebung beschloß daraufhin, daß es eindeutig klüger sei, Pompeius die Treue zu halten. Auch Pompeius erfuhr von den Greueltaten und hüllte sich daraufhin in Schweigen.

Caesar zog sich an das Südufer des Apsus zurück, Pompeius folgte ihm mit seiner Armee und bezog genau gegenüber am Nordufer ein Lager. Zwischen den beiden Ufern lag eine Furt, durch die die Via Egnatia nach Apollonia führte.

Nur noch ein Wasserlauf trennte ihn jetzt von Caesar. Sechs römische Legionen, siebentausend Reiter, zehntausend ausländische Hilfssoldaten, zweitausend Bogenschützen und tausend Schleuderer standen vier gallischen Veteranenlegionen gegenüber, der Siebten, der Neunten, der Zehnten und der Zwölften. Pompeius war zahlenmäßig weit überlegen. Truppen hatte er mehr als genug! Konnte er gegen vier Legionen römischer Fußsoldaten verlieren? Undenkbar! Er mußte gewinnen!

Trotzdem rührte er sich nicht. In seiner Erinnerung stand er noch einmal Quintus Sertorius in Spanien gegenüber, der plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war, ohne daß ein Späher ihn gesichtet hätte, Pompeius’ große Armee vernichtend geschlagen hatte und wieder im Nichts verschwunden war. Auch Pompeius’ Legaten Afranius und Petreius erinnerten sich noch an diese Niederlage und daran, wie Caesar sie erst vor kurzem in Spanien überlistet hatte. Labienus fehlte. Pompeius hatte ihn zusammen mit Cato, Cicero, Lentulus Crus, Lentulus Spinther und Marcus Favonius in Dyrrhachium zurückgelassen, damit dessen Einwohner nicht wieder von ihm abfielen. So war niemand da, der Pompeius den Rücken gestärkt und seine Zweifel zerstreut hätte.

Einige Wochen lang geschah nichts. Dann sagte Pompeius zu seinen Legaten: »Ich warte noch auf Scipio und die syrischen Legionen, bevor ich in die Schlacht gehe. Bis dahin bleibe ich hier und halte Caesar auf.«

»Eine vortreffliche Strategie«, bemerkte Afranius erleichtert. »Denn Caesar hat Schwierigkeiten, Magnus, große Schwierigkeiten. Bibulus hat ihm die Versorgung über See abgeschnitten, er ist also auf das angewiesen, was über Land aus Griechenland und Südepirus kommt.«

»Sehr gut. Der Winter kommt hier früh und schnell, und dann hat er nichts mehr zu essen.«

Doch der Winter kam nicht früh genug. Aufgrund der Nähe der beiden Lager kam es über den Fluß hinweg zu Gesprächen zunächst zwischen den Wachposten, dann zwischen den Legionären, die nicht wußten, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollten. Die Soldaten des Pompeius bestürmten Caesars Veteranen, die für ihre Tapferkeit während des gallischen Krieges so bewundert und gerühmt wurden, mit Fragen. Als Caesar das bemerkte, schickte er seinen Legaten Publius Vatinius auf den dem gegnerischen Lager nächstgelegenen Turm, und dort hielt Publius Vatinius eine Ansprache. »Warum wollt ihr weiter römisches Blut vergießen?« rief er den Legionären des Pompeius zu. »Warum träumt ihr immer noch davon, den unschlagbaren Caesar zu schlagen? Warum zögert Pompeius? Hat er etwa Angst zu verlieren?«

Pompeius ließ daraufhin sofort Labienus holen, der für jedes Problem eine Lösung wußte, und Cicero für den Fall, daß eine Gegenrede erforderlich war. Aus Langeweile kamen auch die anderen Senatoren mit, darunter Lentulus Crus. Mit ihm kam heimlich Balbus Minor, den Caesar geschickt hatte. Er sollte versuchen, Lentulus Crus durch große Geldsummen zum Überlaufen zu bewegen. Er hoffte nur, daß ihn niemand in Pompeius’ Lager erkannte.

Labienus traf an genau dem Tag im Lager ein, an dem Verhandlungen zwischen Delegationen der beiden Lager anberaumt waren. Die Verhandlungen fanden freilich nicht statt — kaum angekommen, brüllte Labienus Vatinius nieder und ließ eine Salve von Speeren über den Fluß schießen. Eingeschüchtert zogen sich Pompeius’ Leute zurück.

»Sei kein Dummkopf, Labienus!« rief Vatinius. »Verhandle mit uns! Nur so kannst du das Leben deiner Soldaten retten!«

»Solange ich hier bin, kommt es nicht zu einem Kuhhandel mit Verrätern wie euch!« brüllte Labienus. »Bringt mir zuerst Caesars Kopf, dann denke ich noch einmal darüber nach!«

»Du hast dich nicht verändert, Labienus!«

»Ich werde mich auch nicht ändern!«

Währenddessen hatte es sich Cicero, den auf einmal keine Sorgen mehr zu plagen schienen, bei einem Glas Wein in Pompeius’ Feldherrnzelt bequem gemacht.

»Du wirkst so heiter und aufgeräumt«, sagte Pompeius düster.

»Dazu habe ich auch allen Grund!« entgegnete Cicero, der seine freudige Nachricht kaum noch für sich behalten konnte und als Meister des Wortes lebhaft den Drang verspürte, sich mitzuteilen. »Ich habe vor kurzem eine schöne Erbschaft gemacht.«

»Ach ja? Erst vor kurzem?« Pompeius’ Augen wurden zu Schlitzen.

»Ja, und genau rechtzeitig! Die zweite Rate für Tullias Mitgift ist nämlich fällig — zweihunderttausend Sesterze, stell dir vor! Und ich schulde Dolabella noch sechzigtausend von der ersten Rate. Er schreibt mir deswegen täglich.« Cicero kicherte. »Seit er ein Admiral ohne Schiffe ist, hat er Zeit im Überfluß, um Briefe zu schreiben.«

»Wieviel hast du bekommen?«

»Eine ganze Million.«

»Genau die Summe, die ich brauche!« sagte Pompeius. »Cicero, leihe das Geld mir als deinem Oberbefehlshaber und Freund. Ich bin mit meiner Weisheit am Ende — ich weiß nicht mehr, wie ich die Rechnungen für die Armee bezahlen soll, dabei habe ich schon jeden römischen Legionär angepumpt, den ich habe. Für einen Feldherrn eine absurde Situation! Die Soldaten als Gläubiger! Ich hatte gehofft, mit dem Geld aus Syrien meinen Kopf aus der Schlinge ziehen zu können, aber Scipio sitzt den Winter über in Pergamum fest...« Pompeius zuckte mit den Schultern. »Deine Million kommt gerade richtig.«

Cicero saß wie vom Blitz getroffen da und brachte keinen Ton heraus. Pompeius starrte ihn unverwandt an.

»Ich habe dich doch zu jener weisen Frau in Thessalonike geschickt. Sie hat deine Augen geheilt, nicht wahr?«

Cicero schluckte mühsam und nickte. »Ja, Magnus, natürlich, du bekommst die Million.« Er nahm einen Schluck mit Wasser verdünnten Wein, um den Kloß in seinem Hals hinunterzuspülen. »Du läßt mir sicher genügend, um Dolabella zu bezahlen.«

»Dolabella!« sagte Pompeius entrüstet. »Dolabella arbeitet für Caesar! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«

»Also gut, du bekommst die Million«, sagte Cicero mit zitternden Lippen. »Du meine Güte, wie soll ich das Terentia beibringen?«

»Sie weiß doch immer schon alles.« Pompeius grinste.

»Und meiner armen, kleinen Tullia?«

»Sie soll Dolabella sagen, daß er sich das Geld von Caesar holen soll.«