Ende Oktober traf Caesar, inzwischen zum Diktator ernannt, mit seinem Heer in Placentia ein. Dort empfing ihn Marcus Crassus Junior, der Statthalter von Gallia Cisalpina.

»Hier ist alles in Ordnung, von Gaius Antonius’ Fiasko in Illyricum einmal abgesehen«, sagte Crassus seufzend. »Ich habe keine Ahnung, warum er sich ausgerechnet Curicta, eine Insel, als Stützpunkt ausgesucht hat. Wenn ich wenigstens sagen könnte, es waren unglückliche Umstände. Doch die Bevölkerung war so hilfsbereit! Die Leute verehren dich und helfen deinen Legaten. Kannst du dir vorstellen, daß ein paar Leute sogar ein Floß gebaut haben, um Octavius’ Flotte abzuwehren? Sie hatten weder Katapulte noch ballistae, ihre einzige Bewaffnung bestand aus den Speeren und Steinen, die Octavius auf sie abgeschossen hatte. In der Nacht haben sie sich selbst getötet, nur um Octavius nicht in die Hände zu fallen.«

Caesar und seine Legaten hörten mit düsteren Mienen zu.

»Wenn wir Römer nur die Familie nicht so in Ehren halten würden!« sagte Caesar grimmig. »Ich wußte von vornherein, daß Gaius Antonius jedes Kommando, das ich ihm übertrage, in den Sand setzen würde! Es wäre überall das gleiche gewesen. Na ja, seinen Verlust kann ich verschmerzen, aber Curios Tod ist eine Tragödie!«

»Africa ist auf jeden Fall verloren«, sagte Trebonius.

»Dann müssen wir eben ohne Africa auskommen, bis Pompeius geschlagen ist.«

»Seine Flotte wird uns sicher lästig werden«, sagte Fabius.

»Allerdings!« Caesars Lippen waren ein schmaler Strich. »Rom muß endlich einsehen, daß die besten Schiffe im östlichen Mittelmeer gebaut werden. Von dort bezieht Pompeius seine Schiffe, während wir nehmen müssen, was wir in Italia und Spanien bekommen. Ich habe zwar die Schiffe erbeutet, die Ahenobarbus in Massilia zurückgelassen hat, aber dort baut man auch keine besseren Schiffe als in Narbo, Genua, Pisae oder Carthago Nova.«

»Die illyrischen Liburner bauen kleine Galeeren, die sehr schnell sind«, sagte Crassus.

»Ich weiß. Leider haben sie früher damit die Piraten ausgestattet, und ihre Werften sind nicht gut organisiert. Na ja, wir werden sehen. Wenigstens kennen wir unsere Schwächen.« Caesar zuckte die Achseln, dann sah er Marcus Crassus fragend an. »Was ist mit den Vorbereitungen zur Verleihung des Vollbürgerrechts an die Gallier der Cisalpina?«

»Fast erledigt, Caesar. Gut, daß du mir Lucius Rubrius geschickt hast! Er hat den Zensus hervorragend organisiert.«

»Kann ich das Gesetz bei meinem nächsten Aufenthalt in Rom verabschieden?«

»Wir brauchen noch einen Monat.«

»Sehr gut, Crassus. Mein Lucius Roscius wird sich in Rom um alles kümmern, die ganze Angelegenheit wird also Ende des Jahres erledigt sein. Die Leute warten seit dem Bundesgenossenkrieg auf ihr Bürgerrecht, und ich habe ihnen schon vor zwanzig Jahren versprochen, daß sie es bekommen. Jetzt ist es wirklich höchste Zeit.«

Um Placentia lagerten acht Legionen — die neue Sechste, die Siebte, die Achte, die Neunte, die Zehnte, die Elfte, die Zwölfte und die Dreizehnte, der größte Teil von Caesars Armee also. Die Männer der Siebten, Achten, Neunten und Zehnten waren inzwischen siebenundzwanzig und achtundzwanzig Jahre alt und auf dem Höhepunkt ihrer Kampfkraft; sie waren in Gallia Cisalpina ausgehoben worden und kämpften schon seit zehn Jahren unter dem römischen Adler. Die Männer der Elften und Zwölften waren nur wenig jünger, die Dreizehnte dagegen bestand aus Zwanzigjährigen. Die Sechste, die erst in diesem Jahr ausgehoben worden war, war noch nicht kampferprobt, aber ihre Legionäre fieberten der ersten Schlacht entgegen. Wie Caesar zu Trebonius gesagt hatte, bestand seine Armee aus Galliern der Cisalpina, vor allem von jenseits des Padus, und man konnte diese Männer nicht länger als Nichtbürger abtun, wie einige törichte Senatoren es getan hatten.

Im italischen Gallien jenseits des Padus strömten die Rekruten Caesar in Scharen zu, als bekannt wurde, daß der vierzigjährige Kampf um das Vollbürgerrecht dank Caesar nun seinem Ende entgegenging. Für den Krieg gegen Pompeius im Osten brauchte Caesar zwölf Legionen. Mamurra, Ventidius und ihre Männer hatten ihr Bestes getan, um genügend Rekruten aufzutreiben, und Caesar bei seiner Ankunft in Placentia zugesagt, daß es eine Fünfzehnte, eine Sechzehnte, eine Siebzehnte und eine Achtzehnte geben würde, wenn er bereit sei, sie nach Brundisium einzuschiffen.

Beruhigt ging Caesar seinen Aufgaben als Statthalter nach. Er besuchte seine Kolonie Novum Comum, wo Marcus Marcellus zwei Jahre zuvor einen Mann hatte auspeitschen lassen, und zahlte dem Mann bei einer öffentlichen Versammlung auf dem Marktplatz eine Entschädigung. Von dort zog er weiter zu Marius’ Kolonie Eporedia und in das große, blühende Cremona und überlegte, ob er am Fuß der Alpen entlang weiter nach Osten ziehen und die Nachricht der bevorstehenden Verleihung des Bürgerrechts persönlich überbringen sollte. Die Verleihung war ein Ereignis von überragender Wichtigkeit, bedeutete sie doch, daß der Großteil der Bevölkerung von Gallia Cisalpina, der noch nicht im Besitz des Bürgerrechts war, danach zu seiner Klientel zählen würde.

Doch dann traf ein Bote von Gaius Trebonius ein. Caesar sollte umgehend nach Placentia zurückkehren.

»Es gibt Probleme«, sagte Trebonius knapp, als Caesar eintraf.

»Was für Probleme?«

»Meuterei in der Neunten.«

Zum ersten Mal in der langen Zeit, die Trebonius Caesar kannte, erlebte er den Feldherrn sprachlos, wie versteinert.

»Das kann nicht sein!« sagte Caesar langsam. »Nicht meine Männer!«

»Es ist aber so.«

»Warum?«

»Das sollen sie dir selber sagen. Heute nachmittag schicken sie eine Abordnung.«

Die Abordnung bestand aus den zehn ranghöchsten Zenturionen der Neunten, und ihr Sprecher war der erste Zenturio der siebten Kohorte, ein gewisser Quintus Carfulenus, der nicht aus Gallia Cisalpina, sondern aus Picenum stammte. Vielleicht ist er ein Klient von Pompeius, dachte Caesar. Wenn es so war, ließ Carfulenus sich jedenfalls nichts anmerken.

Der Feldherr empfing die Männer in voller Rüstung auf seinem kurulischen Stuhl. Auf dem Haupt trug er den Kranz aus Eichenlaub, um die Männer daran zu erinnern, daß auch er kein gemeiner Frontsoldat war — auch wenn die Neunte das wohl nie vergessen hätte.

»Was soll das?« fragte er.

»Wir haben es satt!« antwortete Carfulenus.

Caesar sah nicht Carfulenus an, sondern seinen primus pilus Sextus Cloatius und seinen Zenturio prior Lucius Aponius, zwei tüchtige Männer, die jetzt allerdings sehr besorgt aussahen. Carfulenus, ein hartgesottener Mann von vierzig Jahren, war zehn Jahre älter als sie, stand aber im Rang elf Dienstgrade unter ihnen; trotzdem schien er der beherrschende Geist der Legion, die unter dem Kommando von Sulpicius Rufus stand. So etwas hatte Caesar noch nie erlebt, und es gefiel ihm nicht. Er mußte seine Legaten anweisen, die Hierarchie unter den Zenturionen ihrer Legionen zu überprüfen.

Hinter Caesars ausdruckslosem Gesicht und seinen kalten Augen herrschte ein Chaos von Gefühlen, von Trauer, Wut und ungläubigem Staunen. Er hätte nie gedacht, daß ihm das passieren könnte, daß einer seiner geliebten Männer einmal aufhören könnte, ihn zu lieben, und gegen ihn intrigieren würde. Er fühlte sich bei dem Gedanken, daß er sein Vertrauen in die falschen Menschen gesetzt hatte, weniger erniedrigt als vielmehr in höchstem Maße ernüchtert. Doch war er eisern entschlossen, sich die Neunte wieder gefügig zu machen und Carfulenus und alle, die dachten wie er, im Staub zu zertreten, buchstäblich im Staub.

»Was habt ihr satt, Carfulenus?« fragte er.

»Den Krieg, der ja eigentlich gar keiner ist. Bisher gab es keine Schlacht, die uns auch nur einen Denarius aus Blei eingebracht hätte. Dabei ist das für uns Soldaten doch das Wichtigste — der Kampf und die Beute. Aber bisher sind wir nur bis zum Umfallen marschiert und haben in nassen Zelten gefroren und gehungert.«

»In Gallia Comata habt ihr das jahrelang gemacht.«

»Das ist es ja, Feldherr! Aber der Krieg in Gallien ist nun schon seit fast zwei Jahren vorbei, und wo ist der Triumph? Wann werden wir in deinem Triumphzug marschieren? Wann werden wir entlassen und mit einem schönen Stück Land entlohnt? Wann bekommen wir unseren Anteil an der Beute? Wann bekommen wir unser Geld ausbezahlt?«

»Zweifelt ihr an meinem Wort, daß ihr in meinem Triumphzug marschieren werdet?«

Carfulenus schnaufte. Er war zwar trotzig und wachsam, aber doch etwas unsicher. »Ja, Feldherr, genau das tun wir.«

»Und warum?«

»Wir finden, du hältst uns absichtlich hin, du versuchst, dich um die Bezahlung des Soldes zu drücken. Wir fürchten, daß du uns ans andere Ende der Welt schickst und dort sitzen läßt. Denn dieser Bürgerkrieg hier ist doch eine Farce. Wir glauben nicht, daß du es ernst meinst.«

Caesar streckte die Beine aus und starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf seine Füße. Dann hob er den Kopf und sah die Männer nacheinander mit bohrendem Blick an, zuerst Carfulenus, der verlegen von einem Bein aufs andere trat, dann den gequält wirkenden Cloatius und Aponius, der am liebsten woanders gewesen wäre, und schließlich jeden einzelnen der übrigen sieben Männer.

»Was werdet ihr tun, wenn ich euch sage, daß ihr in ein paar Tagen nach Brundisium marschiert?«

»Ganz einfach«, sagte Carfulenus, der wieder an Sicherheit gewann, »wir werden nicht marschieren. Wir wollen ausbezahlt und hier in Placentia entlassen werden. Unser Land wollen wir in der Gegend von Verona, nur ich will mein Stück in Picenum.«

»Danke, daß ihr mir eure Zeit geschenkt habt, Carfulenus, Cloatius, Aponius, Munatius, Considius, Apicius, Scaptius, Vettius, Minicius und Pusio«, sagte Caesar und zeigte damit, daß er jeden von ihnen mit Namen kannte. Er nickte, ohne sich zu erheben. »Ihr könnt gehen.«

Trebonius und Sulpicius, die beide dieses außergewöhnliche Gespräch verfolgt hatten, waren ratlos. Sie fühlten, daß ein schreckliches Gewitter im Anzug war, wußten aber nicht, in welcher Form es sich entladen würde. Caesar war wütend, aber er war auch schwer enttäuscht. Das war ihm noch nie passiert. Wie würde er damit umgehen? Was würde er tun?

»Trebonius, laß die Neunte und die ersten Kohorten der anderen Legionen morgen früh auf dem Paradeplatz antreten! Mein gesamtes Heer soll dieser Angelegenheit beiwohnen, wenn auch nur als Zuschauer.« Caesar wandte sich an Sulpicius. »Rufus, es kann nicht angehen, daß eine Legion und ihre beiden ranghöchsten Zenturionen von einem rangniedrigeren Mann beherrscht werden. Suche zusammen mit den Militärtribunen, die bei den einfachen Soldaten beliebt sind, in der Neunten nach zwei Zenturionen, die genügend Schneid und natürliche Autorität haben, um die Aufgaben des primus pilus und des Zenturio prior richtig zu erfüllen. Cloatius und Aponius sind dazu völlig unfähig.«

Er sah wieder Trebonius an. »Gaius, die Legaten, die meine anderen Legionen kommandieren, sollen sich ebenfalls nach Unruhestiftern und nach Zenturionen umsehen, die über ranghöhere Männer bestimmen. Ich möchte, daß die ganze Armee von ihnen gesäubert wird.«

Am nächsten Morgen versammelten sich fünftausend Mann der Neunten und jeweils sechshundert Mann der ersten Kohorten der sieben anderen Legionen, insgesamt also viertausendzweihundert Mann, auf dem Paradeplatz. Caesar konnte sogar zu zehntausend Männern sprechen, dank einer Methode, die er schon dreizehn Jahre zuvor als Proprätor während seines Feldzuges in Hispania Ulterior ausgearbeitet hatte. Ausgewählte Sprecher mit lauten Stimmen wurden in bestimmten Abständen zwischen den versammelten Soldaten aufgestellt. Die Caesar am nächsten stehenden Sprecher wiederholten mit drei Worten Verzögerung, was er sagte, und die diesen nächsten Sprecher wiederholten, was ihre Vorgänger sagten. Nur wenige Menschen schafften es angesichts des daraus resultierenden Stimmengewirrs, noch vernünftig zu reden, Caesar jedoch konnte es, indem er einfach weghörte.

Die Soldaten der Neunten waren auf der Hut, aber entschlossen, bei ihren Forderungen zu bleiben. Caesar stieg in voller Rüstung auf das Podest und musterte die Gesichter vor ihm. Den Göttern sei Dank, daß er immer noch so scharf sah, sowohl in die Nähe wie in die Ferne! Er mußte plötzlich an Pompeius’ Augen denken. Waren sie noch gut? Sulla hatte schlechte Augen bekommen, was ihn äußerst reizbar gemacht hatte. Auch Cicero hatte Probleme mit den Augen.

Caesar hatte auf Versammlungen oft geweint, aber an diesem Tag gab es keine Tränen. Breitbeinig stand der Feldherr auf dem Podest, die Arme in die Hüften gestemmt. Statt eines Helmes trug er die corona civica, dazu die scharlachrote Toga als Zeichen seines hohen Standes, befestigt an den Schultern seines prachtvollen, silbernen Brustpanzers. Rechts und links von ihm standen auf dem Podium seine Legaten, seine Militärtribunen hatten sich in zwei Gruppen unterhalb des Podiums aufgestellt.

»Ich stehe hier, um meinen Namen von Schande zu säubern!« rief er mit jener hohen Stimme, die, wie er herausgefunden hatte, weiter trug als seine natürliche tiefe Stimme. »Eine meiner Legionen meutert. Ihr seht sie hier versammelt, ihr Vertreter der anderen Legionen: die Neunte.«

Niemand schien überrascht. Obwohl die Soldaten in verschiedenen Lagern untergebracht waren, sprach sich so etwas schnell herum.

»Die Neunte! Veteranen eines langen Krieges in Gallia Comata! Eine Legion, deren Standarten sich unter dem Gewicht der daran befestigten Tapferkeitsmedaillen biegen, deren Adler schon ein dutzendmal mit Lorbeer bekränzt waren, deren Männer mir besonders viel bedeuteten. Und jetzt erhebt sich diese Legion gegen mich! Ihre Männer sind von Demagogen in der Gestalt von Zenturionen aufgewiegelt und gegen mich aufgehetzt worden. Was sagen die beiden wunderbaren Zenturionen Titus Pullo und Lucius Vorenus wohl zu den niederträchtigen Kreaturen, die ihren Platz an der Spitze der Neunten eingenommen haben?« Caesar streckte die rechte Hand aus und zeigte auf die beiden Zenturionen. »Seht ihr sie, Männer der Neunten? Titus Pullo und Lucius Vorenus! Sie haben die ehrenvolle Aufgabe übernommen, in Placentia junge Zenturionen auszubilden, und sie sind heute hier, um über die Ehrlosigkeit ihrer alten Legion zu weinen. Seht ihr ihre Tränen? Sie weinen um euch! Ich kann es nicht — zu sehr erfüllt mich Verachtung, verzehrt mich der Zorn. Immer war ich stolz darauf, daß keine meiner Legionen je gemeutert hat. Das ist jetzt vorbei!«

Er bewegte sich nicht. Seine Arme ruhten noch immer auf seinen Hüften.

»Vertreter meiner anderen Legionen, ich habe euch heute hier antreten lassen, damit ihr Zeugen dessen seid, was ich mit den Männern der Neunten machen werde. Sie haben mir mitgeteilt, daß sie Placentia nicht verlassen wollen, daß sie ihre Entlassung wünschen und daß sie entlohnt und ausbezahlt werden und ihren Anteil an der Beute eines neunjährigen Krieges bekommen wollen. Sie können ihre Entlassung haben — allerdings keine ehrenvolle! Ihr Anteil an der Beute wird unter den mir treuen Legionen aufgeteilt, und Land bekommen sie auch keines. Außerdem entziehe ich ihnen allen das Bürgerrecht. Ich bin Diktator von Rom, und mein Imperium steht höher als das eines Konsuls und Prokonsuls, aber ich bin kein Sulla, ich werde meine Macht nicht mißbrauchen. Was ich heute tue, ist die einzig vernünftige Entscheidung eines Feldherrn, dessen Truppen meutern!

Ich lasse meinen Legionären viel Freiheit, solange sie wie die Löwen kämpfen und mir treu ergeben sind. Die Männer der Neunten aber sind mir nicht mehr treu. Sie haben mich, der ich zehn Jahre lang ihr Feldherr war, sogar beschuldigt, sie vorsätzlich um ihre berechtigten Ansprüche zu betrügen. Mein Wort ist der Neunten nichts mehr wert, und deshalb meutert sie!«

Seine Stimme schwoll an, und er brüllte, was er bei einer Heeresversammlung noch nie getan hatte. »Ich dulde keine Meuterei! Habt ihr das verstanden? Meuterei ist das schlimmste Verbrechen eines Soldaten. Meuterei ist Hochverrat, und so werde ich die Meuterei der Neunten auch behandeln, als Hochverrat! Ich werde den Männern der Neunten all ihre Rechte und das Bürgerrecht entziehen, und ich werde jeden Zehnten hinrichten lassen!«

Er wartete, bis der letzte Sprecher seine Worte wiederholt hatte. Keiner gab einen Laut von sich, nur Pullo und Vorenus weinten. Alle Augen waren auf Caesar gerichtet.

»Wie konntet ihr das tun?« schrie er die Legionäre der Neunten an. »Ihr wißt nicht, wie dankbar ich den Göttern bin, daß Quintus Cicero das nicht erleben muß! Das ist nicht mehr seine Legion. Diese Legionäre können nicht dieselben sein, die dreißig Tage lang fünftausend Nervier abwehrten, die verwundet wurden und erkrankten, die mit ansehen mußten, wie ihre Lebensmittel und ihre Habseligkeiten in Flammen aufgingen, und die trotz allem weiterkämpften — nein, es können nicht dieselben sein! Die Männer hier sind habsüchtige, niederträchtige, nichtswürdige Memmen! Ich will sie nicht!«

Er streckte die Hände aus. »Wie konntet ihr den Aufwieglern nur glauben? Was habe ich getan, um das zu verdienen? Wenn ihr Hunger hattet, hatte ich da etwa mehr zu essen? Wenn euch kalt war, hatte ich da etwa ein warmes Bett? Wenn ihr Angst hattet, habe ich da über euch gelacht? Wenn ihr mich brauchtet, war ich etwa nicht für euch da? Wenn ich euch mein Wort gab, habe ich es nicht gehalten? Was habe ich euch getan?« Er ballte seine zitternden Hände zu Fäusten. »Wer sind diese Männer, denen ihr mehr Glauben schenkt als mir? Was für Lorbeeren tragen sie, die ich nicht auch trage? Sind sie besser als ich? Haben sie euch besser behandelt? Euch reicher gemacht? Nein, ihr habt euren Anteil an der triumphalen Beute genausowenig bekommen wie die anderen Legionen, dafür aber etwas anderes, zum Beispiel doppelten Sold und eine Sonderzulage, die ich aus meiner eigenen Tasche bezahlt habe. Bin ich etwa mit eurer Bezahlung im Rückstand? Nein. Habe ich euch etwa nicht dafür entschädigt, daß es in einem Bürgerkrieg keine Beute geben kann? Doch. Was habe ich also getan?«

Er ließ die Arme sinken. »Die Antwort lautet, Männer der Neunten: Ich habe überhaupt nichts getan, was eine Meuterei rechtfertigen würde, selbst wenn Meuterei ein verbrieftes Recht wäre. Meuterei aber ist Hochverrat! Sie wäre auch dann Hochverrat, wenn ich der knauserigste und grausamste Feldherr in der Geschichte Roms wäre! Ihr habt auf mich gespuckt, aber ich spucke nicht zurück, das seid ihr nicht wert, genausowenig, wie ihr es wert seid, weiterhin unter mir zu dienen.«

»Bitte nicht, Caesar!« heulte Sextus Cloatius tränenüberströmt auf. Er trat aus der vordersten Reihe und stieg auf das Podest. »Entlasse mich, nimm mir mein Geld, richte mich hin, aber verachte uns nicht!«

Weinend und um Vergebung flehend traten die zehn Männer vor, die die Abordnung der Neunten gestellt hatten. Sie wollten lieber sterben, als von Caesar verstoßen zu werden. Auch Legionäre begannen in aufrichtigem Kummer zu weinen und zu klagen.

Was sind sie doch für Kinder, dachte Caesar. Lassen sich hinreißen von schönen Worten aus faulen Mündern! Lassen sich übertölpeln von Scharlatanen! Sie sind wie Kinder, tapfer, hart und manchmal grausam, aber eben keine Männer. Kinder.

Er ließ sie weinen.

»Also gut«, sagte er schließlich, »ich entlasse euch nicht und klage euch nicht des Hochverrats an. Unter der Bedingung, daß ihr mir die hundertzwanzig Rädelsführer der Meuterei ausliefert. Sie werden entlassen und verlieren ihr Bürgerrecht. Außerdem werde ich jeden Zehnten von ihnen hinrichten lassen. Sie sollen vortreten!«

Alle achtzig Männer aus Carfulenus’ Zenturie, der ersten der siebten Kohorte, traten vor, außerdem vierzig Zenturionen, darunter Cloatius und Aponius.

Sulpicius Rufus hatte eigene Nachforschungen nach den Rädelsführern angestellt. Einer von ihnen, der Zenturio Marcus Pusio, war allerdings nicht unter den hundertzwanzig Männern, welche die Neunte ausgeliefert hatte.

»Ist unter euch ein Unschuldiger?« fragte Caesar.

»Ja!« schrie es aus den Tiefen der Neunten. »Marcus Pusio, sein Zenturio, hat ihn vorgeschickt, dabei ist Pusio selbst schuldig!«

»Tritt vor!« forderte Caesar den Unschuldigen auf.

Dieser tat, wie ihm geheißen.

»Pusio, nimm seinen Platz ein!«

Die Lose, durch welche die zwölf hinzurichtenden Männer ermittelt werden sollten, waren bereit. Carfulenus, Pusio, Aponius und Scaptius zogen ein Todeslos, außerdem acht Legionäre, die in die Meuterei verwickelt gewesen waren. Das Urteil wurde sofort vollstreckt. Die neun vom Los verschonten Männer jeder Dekurie bekamen Knüppel und mußten die zum Tode Verurteilten prügeln, bis sie nur noch blutiger Brei waren.

»Rufus«, sagte Caesar, als alles vorbei war, »hast du eine neue Liste deiner ranghöchsten Zenturionen für mich angefertigt?«

»Ja, Caesar.«

»Dann organisiere deine Legion entsprechend neu. Ich habe heute über zwanzig Zenturionen der Neunten verloren.«

»Ich bin froh, daß wir nicht die ganze Neunte verloren haben«, sagte Gaius Fabius seufzend. »Was für eine schreckliche Sache!«

»Ich glaube nicht, daß es ohne Carfulenus so weit gekommen wäre. Er war ein übler Bursche«, bemerkte Trebonius.

»Kann sein«, sagte Caesar hart, »aber nun ist es eben so gekommen. Ich werde der Neunten niemals vergeben.«

»Nicht alle ihre Legionäre sind schlecht, Caesar«, sagte Fabius düster.

»Nein, aber sie sind Kinder. Und warum denken immer alle, daß man Kindern vergeben muß? Sie sind doch keine Tiere, sie gehören zur gens humana und sollten demnach in der Lage sein zu denken, bevor sie handeln. Wie gesagt, ich werde der Neunten nicht vergeben. Die Männer werden es merken, wenn der Bürgerkrieg vorüber ist und ich sie entlasse — ohne ein Stück Land in Italia oder Gallia Cisalpina. Von mir aus können sie in eine Kolonie bei Narbo gehen.« Er entließ die Legaten mit einem Nicken.

Fabius und Trebonius kehrten in ihre Quartiere zurück. Beide schwiegen.

Nach einer Weile sagte Fabius: »Trebonius, bilde ich mir das nur ein, oder hat sich Caesar verändert?«

»Du meinst, er ist härter geworden?«

»Ich weiß nicht, ob härter das richtige Wort ist. Er ist... nun, er ist sich seiner Besonderheit mehr bewußt. Könnte es das sein?«

»Auf jeden Fall!«

»Und warum?«

»Er hat viel erleben müssen, und ein geringerer Mann wäre wahrscheinlich daran zerbrochen. Was ihn aufrecht gehalten hat, war sein Selbstvertrauen. Aber durch die Meuterei der Neunten ist etwas in ihm zerbrochen. Daß ihm das jemals passieren könnte, hätte er in seinen schlimmsten Träumen nicht gedacht. Es war in vieler Hinsicht schlimmer für ihn, als den Rubikon zu überschreiten.«

»Aber er glaubt immer noch an sich.«

»Er wird noch an sich glauben, wenn er auf dem Totenbett liegt«, sagte Trebonius. »Aber heute wurde sein Selbstbewußtsein zutiefst erschüttert. Caesar will vollkommen sein, nichts darf ihn herabwürdigen.«

Fabius runzelte die Stirn. »Er fragt immer öfter, warum niemand glaubt, daß er diesen Krieg gewinnt.«

»Er regt sich eben mehr über die Dummheit der Leute auf als früher. Stell dir doch vor, was es bedeutet zu wissen, daß kein anderer dir das Wasser reichen kann. Und Caesar weiß das. Er kann alles, das hat er schon oft unter Beweis gestellt, und er will für das, was er ist, anerkannt werden. Aber statt Anerkennung bekommt er Widerstand. Mit diesem Krieg will er den anderen beweisen, was wir beide — und er selbst — längst wissen. Er ist jetzt über fünfzig und kämpft immer noch um seine Anerkennung. Kein Wunder, daß er da etwas dünnhäutig geworden ist.«

Anfang November setzten sich die zwölf Legionen in Marsch, die in Placentia versammelt waren. Sie hatten zwei Monate Zeit für die fünfhundertfünfzig Meilen lange Strecke nach Brundisium, und sie marschierten an der Adriaküste entlang, um nicht den Apennin überqueren zu müssen und das Umland von Rom zu meiden. Pro Tag sollten zwanzig Meilen zurückgelegt werden, jeder zweite oder dritte Tag war zur Rast vorgesehen. Für die Legionäre war es, zumal zu dieser Zeit im Herbst, wie ein wunderbarer Urlaub.

Caesar selbst reiste von Ariminum, das ihn genauso begeistert willkommen hieß, wie es ihn schon zu Jahresbeginn empfangen hatte, auf der Via Flaminia nach Rom. Er zog über sanfte Hügel, vorbei an befestigten Städtchen, die auf Gipfeln und Felsspitzen thronten, und freute sich an den saftigen Weiden und den weiten Wäldern, deren Tannen, Lärchen, Kiefern und Pinien noch auf Jahrhunderte hinaus Bauholz liefern würden, denn die Bewohner Italias mit ihrem Sinn für Schönheit gingen mit der Natur sorgsam um. Für Caesar war die Reise eine Wohltat, und er ließ sich Zeit. Er hielt in jeder Stadt, um sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner und nach Roms Versäumnissen zu erkundigen. Er sprach mit den Duumvirn auch ganz kleiner römischer Städte, als seien sie für ihn genauso wichtig wie die römischen Senatoren. Sie waren sogar noch wichtiger, stellte er fest. Denn Rom, wie jede Großstadt bis zu einem gewissen Grad ein künstliches Gebilde, saugte mit all seinen Auswüchsen die Lebenskraft des Landes aus, oft auf Kosten kleinerer Orte, die dazu verdammt waren, Rom durchzufüttern, Rom, das Kuckucksei im Nest Italias.

Zugleich stellte Rom mit seiner Größe und Pracht alles andere in den Schatten, wie Caesar zugeben mußte, als er sich der Stadt von Norden her näherte. Sein Besuch Anfang April war unter so schwierigen Umständen erfolgt, daß er der Stadt selbst keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Nun aber betrachtete er mit Gefallen die sieben Hügel, die mit hellroten Ziegeldächern gesprenkelt waren, und freute sich am Glitzern der vergoldeten Tempeldächer, an den hohen Zypressen, den Pinien, den Bögen der Aquädukte und dem tiefblauen, schnell in seinem breiten Bett dahinfließenden, guten, alten Tiber zwischen dem grünen Marsfeld und dem grasbedeckten Vaticanus ager.

Die Einwohner der Stadt eilten zu Tausenden und Abertausenden vor die Tore, um ihn zu empfangen. Gesichter strahlten, und sein Pferd ging über einen Teppich aus Blumen. Die Menschen jubelten und warfen ihm Küsse zu, und Mütter hielten ihre Säuglinge und Kleinkinder hoch, damit er sie anlächeln konnte. Langsam ritt er in seinem prächtigsten silbernen Brustpanzer, die corona civica aus Eichenlaub auf dem Haupt, hinter den vierundzwanzig Liktoren des Diktators her, die in karmesinrote Togen gehüllt waren und in ihren Rutenbündeln die Richtbeile trugen. Er lächelte und winkte. Endlich widerfuhr ihm Gerechtigkeit! Sollten sie heulen, Pompeius, Cato und Bibulus! Nie waren sie so begeistert empfangen worden! Was kümmerten ihn der Senat oder die achtzehn Ritterzenturien? Das Volk von Rom liebte ihn, es gehörte nur ihm, Caesar.

Durch die Porta Fontinalis ritt er in die Stadt, an der Arx und am Kapitol vorbei, den Hügel der Geldverleiher hinunter zu den verkohlten Ruinen der Basilica Porcia, zur Curia Hostilia und zu den Amtsräumen des Senats. Befriedigt stellte er fest, daß Paullus das viele Geld, mit dem er ihn bestochen hatte, besser genutzt hatte als sein Konsulat und an der Basilica Aemilia weitergebaut hatte. Caesars eigene Basilica Julia wuchs an der gegenüberliegenden Südseite des Forums aus dem Boden, an der Stelle, wo einst die Basilica Opimia und die Basilica Sempronia gestanden hatten. Sie würde die Basilica Aemilia in den Schatten stellen, genau wie die Curia Julia, das neue Senatsgebäude, das er bauen würde, sobald er mit den Architekten gesprochen hätte. Und er würde ein Tympanon an der Domus Publica anbringen lassen, so daß sie von der Via Sacra her ansprechender aussah, und die ganze Fassade mit Marmor verkleiden.

Als Diktator durfte er auch innerhalb des pomerium seine Rüstung tragen, und seine Liktoren durften die Richtbeile mitführen. Caesar betrat durch einen privaten Eingang die Domus Publica. Die Liktoren nickten den Leuten vor seiner Wohnung freundlich zu und suchten dann das Vereinslokal der Liktoren an der Ecke des Clivus Orbius auf.

Caesar mußte noch eine Reihe von Formalitäten erledigen; schließlich hatte er bei seinem Kurzbesuch im April die Domus Publica nicht betreten. Als Pontifex Maximus mußte er zuerst die seiner Obhut anvertrauten vestalischen Jungfrauen begrüßen, die ihn im großen Tempel zwischen den beiden Flügeln des Gebäudes erwarteten. Wo war die Zeit geblieben? Als er nach Gallien gegangen war, war die oberste Vestalin noch ein ganz junges Mädchen gewesen; Caesars Mutter hatte immer über ihren guten Appetit geschimpft! Jetzt war Quinctilia zweiundzwanzig. Sie war zwar nicht dünner geworden, aber zu seiner Erleichterung stellte er fest, daß sie eine fröhliche junge Frau war, deren rundes, freundliches Gesicht gesunden Menschenverstand und praktische Veranlagung verriet. Neben ihr standen die etwa gleichaltrige, hübsche Junia und sein besonderer Liebling Cornelia Merula, eine großgewachsene, zartgliedrige junge Dame von achtzehn Jahren. Hinter ihnen standen drei kleine Mädchen, die alle neu waren und die er nicht kannte. Die drei erwachsenen Vestalinnen waren in ihre Amtstracht gekleidet — weiße Kleider und Schleier, die, wie es der Brauch vorschrieb, von einer siebenmal um den Kopf geschlungenen Wollbinde herabhingen; auf der Brust hing die bulla, eine metallene Kapsel mit einem Amulett. Auch die Mädchen waren weiß gekleidet, statt der Schleier trugen sie aber Blumenkränze.

Quinctilia begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Willkommen, Caesar!«

»Wie schön es ist, wieder zu Hause zu sein!« sagte er. Er hätte sie gern umarmt, wußte jedoch, daß er das nicht durfte. »Junia, Cornelia! Auch ihr seid erwachsen geworden!«

Sie nickten lächelnd.

»Und wer sind diese Mädchen?«

»Licinia Terentia, Marcus Varro Lucullus’ Tochter.«

Das sah man ihr an. Sie hatte das ovale Gesicht, die grauen Augen und das braune Haar der Luculler.

»Claudia, die Tochter des ältesten Sohnes des Zensors.«

Sie war hübsch und dunkel wie alle Claudier.

»Caecilia Metella aus dem Geschlecht der Caprarier.«

Ungestüm, wild und stolz.

»Fabia, Arruntia und Popillia sind also schon aus dem Dienst geschieden«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich war zu lange weg!«

»Wir haben dafür gesorgt, daß das Feuer der Vesta nicht ausging«, sagte Quinctilia.

»Und damit habt ihr Rom vor Unglück bewahrt.«

Lächelnd entließ er sie, dann begab er sich in seine Hälfte des großen Hauses, ein schwerer Gang nach Aurelias Tod.

Es wurde ein tränenreiches Wiedersehen, doch diese Tränen mußten vergossen werden. Alle aus jenen Tagen in der Subura waren gekommen, auch Eutychus, Cardixa und Burgundus. Wie alt sie geworden waren! Siebzig? Achtzig? Aber es war egal. Sie freuten sich jedenfalls von Herzen, ihn wiederzusehen. Und die vielen Söhne von Cardixa und Burgundus! Einige von ihnen hatten auch schon graue Haare. Aber nur Burgundus durfte Caesar aus dem scharlachroten Mantel und dem Brustpanzer helfen. Caesar hatte seine liebe Not, wenigstens die Schärpe seines Imperiums selbst entfernen zu dürfen.

Schließlich ließen sie ihn zu seiner Frau gehen, die nicht zu seinem Empfang gekommen war. Zu warten entsprach eher ihrer Art, geduldig wie einst Penelope, die ihr Leichentuch webte. Er fand sie in Aurelias ehemaligen Gemächern, die allerdings keinen Hinweis mehr auf seine Mutter enthielten. Da er barfuß war, kam er so leise wie eine ihrer Katzen. Calpurnia saß auf einem Sessel, den dicken, roten Felix auf dem Schoß; sie hörte ihn nicht. Ihm fiel auf, wie hübsch sie war mit ihren dunklen Haaren, dem langen, anmutigen Hals, den zarten Wangenknochen und den schönen Brüsten.

»Calpurnia!«

Kaum hatte er ihren Namen ausgesprochen, drehte sie sich auch schon um und sah ihn mit ihren großen, dunklen Augen an. »Herr!«

»Caesar, nicht Herr.« Er beugte sich hinunter, um sie mit einem liebevollen Kuß zu begrüßen, wie er einer Ehefrau gebührte, die Caesar wenige Monate nach der Hochzeit verlassen und viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Er setzte sich in einen Sessel neben sie und betrachtete ihr Gesicht. Lächelnd strich er ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Der schlummernde Kater hatte die Gegenwart des Fremden gespürt und öffnete ein gelbes Auge, dann drehte er sich auf den Rücken und streckte alle Viere in die Luft.

»Er mag dich«, sagte Calpurnia. Sie klang überrascht.

»Mit gutem Grund. Schließlich habe ich ihn vor dem Ertrinken gerettet.«

»Das hast du mir nie erzählt.«

»Nein? Nun, irgendein Bursche wollte ihn damals im Tiber ertränken.«

»Dann sind wir dir beide dankbar, Caesar.«

In der Nacht lagen sie beisammen. Caesar hatte seinen Kopf zwischen ihre Brüste gebettet und streckte sich seufzend. »Ich bin so froh, daß Pompeius mich nicht seine Tochter hat heiraten lassen, diesen alten Drachen. Mit einundfünfzig bin ich zu alt für Zank und Machtkämpfe — zu Hause und in der Öffentlichkeit. Du paßt gut zu mir, Calpurnia.«

Auch wenn diese Worte Calpurnia tief im Innern kränkten, begriff sie doch, wie vernünftig sie waren und daß Caesar sie nicht aus Bosheit gesagt hatte. Eine Heirat war ein Geschäft, das galt für sie genauso, wie es für die streitsüchtige Pompeia Magna gegolten hätte. Sie hatte es nur den Umständen zu verdanken, daß sie Caesars Frau geblieben war. Wie froh sie darüber gewesen war! Die Wochen zwischen dem Tag, an dem ihr Vater ihr mitgeteilt hatte, daß Caesar sich von ihr scheiden lassen und Pompeius’ Tochter heiraten wolle, und dem Tag, an dem sie erfahren hatte, daß Pompeius Caesars Antrag abgelehnt hatte, waren schrecklich gewesen. Ihr Vater Lucius Calpurnius Piso hatte nur an das viele Geld gedacht, mit dem Caesar sich von ihr loskaufen wollte; Calpurnia hatte voller Schrecken an die neue Ehe gedacht, die ihr Vater für sie arrangieren würde. Selbst wenn sie Caesar nicht geliebt hätte, hätte sie doch nicht umziehen wollen. Sie hätte ihre Katzen abgeben und sich in einem völlig neuen und anderen Leben einrichten müssen. Das zurückgezogene Leben in der Domus Publica sagte ihr zu; sie hatte ihre Freiheiten, und Caesars Besuche waren wie die eines Gottes, der wußte, wie er sie erfreuen konnte. Und Caesar war der Erste Mann Roms.

Publius Servilius Vatia Isauricus war ein ruhiger Mann. In seiner Familie hielt man viel auf Treue. Sein Vater, ein Angehöriger des plebejischen Adels, war einer der wichtigsten Anhänger Sullas gewesen und hatte treu zu ihm gehalten, bis der schwierige Mann gestorben war. Da auch Publius Senior ein ruhiger Mann gewesen war, hatte er sein Ansehen in Rom nach Sulla wahren können und den großen Einfluß behalten, den ein alter Name und ein großes Vermögen mit sich brachten. In Caesar hatte er vielleicht etwas von Sulla entdeckt, jedenfalls hatte er in seinen letzten Jahren eine Zuneigung zu ihm entwickelt. Sein Sohn führte die Familientradition fort. Als Prätor unter den Konsuln Appius Claudius Censor und Ahenobarbus hatte er die Ängste der boni beschwichtigt, indem er einen Legaten Caesars namens Gaius Messius anklagen ließ. Untreu geworden war er Caesar damit freilich nicht; Messius hatte für Caesar keine Bedeutung gehabt.

In den folgenden Jahren hatte Vatia Isauricus im Senat stets für Caesar gestimmt, und als Pompeius und der Großteil der Senatoren geflohen waren, war er in Rom geblieben. Caesar bedeutete ihm mehr, als seine Ehe mit Servilias ältester Tochter Junia vermuten ließ. Und als Cicero in ganz Rom herumposaunte, daß Junias Bild im Gepäck eines Schurken niederer Geburt zu finden sei, ließ Vatia sich trotzdem nicht von ihr scheiden. Er war treu in jeder Hinsicht.

Am Tag nach Caesars Ankunft in Rom ließ Marcus Antonius Caesar mitteilen, daß er ihn in Pompeius’ Villa auf dem Marsfeld erwarte. Marcus Aemilius Lepidus, der Caesar die Diktatur verschafft hatte, wartete in der Domus Publica auf ein Gespräch mit ihm. Doch Caesar traf sich zuerst mit Vatia Isauricus.

»Leider kann ich nicht lange bleiben«, sagte Caesar.

»Das habe ich nicht anders erwartet. Du mußt schließlich noch vor den Herbststürmen mit deinem Heer über die Adria übersetzen.«

»Und ich muß es selbst anführen. Was hältst du von Quintus Fufius Calenus?«

»Du kennst ihn selbst. Er war dein Legat.«

»Als Legat war er gut, aber für den Feldzug gegen Pompeius brauche ich neue Befehlshaber. Trebonius, Fabius, Decimus Brutus und Marcus Crassus stehen nicht zur Verfügung, und zugleich habe ich mehr Legionen als je zuvor. Hältst du Calenus für imstande, eine ganze Armee statt nur einer Legion anzuführen?«

»Wenn man einmal von seiner Rolle in der unerfreulichen Geschichte mit Milo und Clodius absieht, ist er meiner Meinung nach der ideale Mann dafür. Außerdem darf man gerechterweise nicht vergessen, daß der arme Calenus damals in Milos Wagen mitgefahren ist, ohne zu wissen, was Milo vorhatte. Daß Milo ihn dabeihaben wollte, ist sogar eine Empfehlung — Calenus ist offenbar über alle Zweifel erhaben.«

»Aha!« Caesar lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete Vatia Isauricus aufmerksam. »Willst du Italia während meiner Abwesenheit regieren?«

Vatia Isauricus sah ihn verblüfft an. »Du willst mich zu deinem Stellvertreter als Diktator machen?«

»Nein, Vatia, ich will nicht Diktator bleiben.«

»Nein? Warum hat Lepidus dann das alles arrangiert?«

»Um mir so lange die unumschränkte Macht zu sichern, bis Rom wieder eine ordentliche Regierung hat, das heißt so lange, bis ich selbst und ein Mann meiner Wahl zu Konsuln für das kommende Jahr gewählt sind. Ich hätte gerne dich als Amtskollegen.«

Das war zweifellos eine gute Nachricht. Vatia Isauricus strahlte.

»Welch große Ehre, Caesar!« Weniger aus Sorge als in Gedanken runzelte er die Stirn. »Wirst du wie Sulla nur zwei Kandidaten für die Konsulatswahlen zulassen?«

»Nein! Es ist mir ganz egal, wie viele Kandidaten gegen uns antreten wollen.«

»Die Senatoren werden keinen Widerstand leisten, aber die Ritter haben schreckliche Angst, daß du die Wirtschaft zugrunde richten könntest. Vielleicht fällt die Wahl also gegen dich aus.«

Caesar mußte lachen. »Sei unbesorgt, Vatia, die Ritter werden uns mit Begeisterung wählen. Ich will der Volksversammlung noch vor den Wahlen eine lex data zur Regulierung der Wirtschaft vorlegen. Das wird die Furcht beseitigen, ich könne einen allgemeinen Schuldenerlaß vorhaben oder sonst irgendwelche Dummheiten machen. Rom braucht Gesetze, um das Vertrauen der Geschäftsleute wiederzugewinnen; Gläubiger und Schuldner müssen wissen, woran sie sind. Meine lex data wird das auf behutsame und vernünftige Weise regeln. Der Mann, dem ich die Regierung der Stadt übertrage, sollte das auch sein — behutsam und vernünftig. Deshalb will ich dich als Amtskollegen. Bei dir weiß ich Rom gut aufgehoben.«

»Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen, Caesar.«

Danach sprach Caesar mit Lepidus, einem ganz anderen Menschen.

»In zwei Jahren wirst du wahrscheinlich Konsul sein, Lepidus«, sagte er freundlich, den Blick fest auf das schöne und doch seltsam irritierende Gesicht geheftet, das Gesicht eines hochmütigen Mannes, der bei allen Verdiensten unbestreitbare Schwächen hatte.

Lepidus war enttäuscht. »Erst in zwei Jahren?«

»Aufgrund der lex annalis ist es früher kaum möglich, und ich möchte Roms mos maiorum nicht mehr durcheinanderbringen als nötig. Ich bin nicht Sulla, auch wenn ich in seine Fußstapfen getreten bin.«

»Das sagst du ständig«, bemerkte Lepidus bitter.

»Du trägst einen alten patrizischen Namen und hast genügend Ehrgeiz, ihn zu Größe und Geltung zu führen«, sagte Caesar gelassen. »Du hast die Seite des Siegers gewählt, und das soll dein Vorteil sein, ich verspreche es dir. Bis dahin aber übe dich in der Tugend der Geduld, Lepidus.«

»Dagegen hätte ich ja nichts, Caesar, doch meine Kasse ist ungeduldig.«

»Eine aufschlußreiche Bemerkung, die nichts Gutes verheißt, wenn du erst über Rom herrschst. Aber ich biete dir einen Handel an.«

»Nämlich?« fragte Lepidus argwöhnisch.

»Wenn du mich über alles unterrichtest, was hier geschieht, werde ich Balbus anweisen, dein hungriges Säckel regelmäßig zu füttern.«

»Wieviel?«

»Das kommt auf die Genauigkeit deiner Informationen an. Ich will die Wahrheit wissen, nichts als die Wahrheit. Sieh dich also vor und verdrehe die Tatsachen nicht so, wie sie dir in den Kram passen. Du wirst nicht mein einziger Informant sein, ich bin schließlich kein Dummkopf.«

Besänftigt, wenn auch immer noch enttäuscht, ging Lepidus.

Zum Schluß war Marcus Antonius an der Reihe.

»Werde ich jetzt dein Stellvertreter, Caesar?« platzte er ungeduldig heraus.

»Ich werde nicht lange genug Diktator sein, um einen zu brauchen, Antonius.«

»Schade! Ich hätte das gut gemacht.«

»Das glaube ich dir gerne, so wie du dich während der letzten Monate in Italia verhalten hast. Auch wenn ich ernsthaft gegen Löwen, Sänften, Konkubinen und Komödianten protestieren muß. Wie gut, daß du nächstes Jahr keine Gelegenheit haben wirst, dich wie ein neuer Dionysus zu gebärden.«

Schmollend senkte Antonius den Blick. »Was heißt das?«

»Du begleitest mich, Antonius. Marcus Caelius wird praetor peregrinus von Italia sein. Dich brauche ich als Armeeführer.«

Antonius’ braune Augen leuchteten auf. »Das klingt schon besser!«

Wenigstens ihm hatte er eine Freude machen können, dachte Caesar. Was für ein Jammer, daß die Lepidusse dieser Welt so wählerisch waren!

Caesars lex data fand bei den Rittern der ersten achtzehn Zenturien und den vielen anderen tausend römischen Geschäftsleuten sofort Anklang. Das Gesetz galt nicht nur für Rom, sondern für ganz Italia. Besitz, Darlehen und Schulden wurden durch eine Reihe von Paragraphen geregelt, die weder die Schuldner noch die Gläubiger begünstigten. Gläubiger, die ihre Schulden als hoffnungslos abgeschrieben hatten, konnten sich zum Ausgleich Grundstücke ihrer Schuldner aneignen, deren Vorkriegswert allerdings erst von unparteiischen Schlichtern unter der Aufsicht des Stadtprätors geschätzt werden mußte. Schuldner, die ihre Zinsen pünktlich gezahlt hatten, durften von der geschuldeten Summe bis zu einem Viertel abziehen. Niemand durfte mehr als sechzigtausend Sesterzen in bar besitzen, und neue Darlehen durften höchstens mit zehn Prozent einfacher Verzinsung belegt werden. Zur großen und allgemeinen Erleichterung beinhaltete Caesars lex data auch eine Klausel, die für Sklaven, welche ihre Herren denunzierten, schwere Strafen vorsah; Sulla hatte die Sklaven damals sogar zur Denunziation ermutigt, indem er sie mit Geld und Freiheit belohnte. Das machte den Geschäftsleuten deutlich, daß Caesar kein Sulla war und daß es keine Proskriptionen geben würde.

Schuldner wie Gläubiger priesen Caesars Gesetz in den höchsten Tönen, kam es doch beiden Seiten gleichermaßen zugute. Gewissermaßen über Nacht kam die Wirtschaft wieder in Gang. Atticus war mächtig stolz darauf, daß er seit Caesars Gang über den Rubikon immer wieder gesagt hatte, Caesar sei kein Radikaler, und ließ sich geschmeichelt zu seinem Scharfblick beglückwünschen.

So war es auch nicht weiter überraschend, daß bei den Wahlen der kurulischen Beamten, der Quästoren und Militärtribunen, der Volkstribunen und der plebejischen Ädilen die von Caesar aufgestellten Kandidaten allesamt bestätigt wurden. Bei den Konsulatswahlen gab es zwar noch andere Kandidaten als Caesar und Vatia Isauricus, Caesar wurde aber als Erster Konsul gewählt und Vatia als sein Kollege. Dies war der Dank der achtzehn Ritterzenturien an Caesar.

Offene Stellen im Rat der Oberpriester wurden besetzt, das Latinerfest in den Albaner Bergen nachträglich gefeiert. Vieles geschah, aber schließlich war das unter Caesar immer so gewesen, und diesmal gab es keinen Bibulus, der ihn aufhalten konnte.

Da Caesar sein Konsulat erst am Neujahrstag antreten konnte, blieb er bis dahin Diktator. Kraft seines Amtes machte er alle Männer von Gallia Cisalpina zu Vollbürgern und half somit einem Versäumnis ab, das jahrelang Unmut und Verbitterung hervorgerufen hatte.

Außerdem gab er den Söhnen und Enkeln der von Sulla Proskribierten wieder das Recht zurück, für öffentliche Ämter zu kandidieren, und er holte alle die aus dem Exil zurück, deren Verbannung er unrechtmäßig fand, darunter Aulus Gabimus. Titus Annius Milo, Gaius Verres und einige andere mußten dagegen bleiben, wo sie waren.

Als Dank an das Volk verteilte Caesar an alle Römer eine Extraration Getreide, die er aus den Opfergaben im Tempel der Ops bezahlte. Die Schatzkammern waren zwar immer noch gut gefüllt, er würde aber eine weitere hohe Anleihe aufnehmen müssen, um den Makedonienfeldzug gegen Pompeius zu finanzieren.

Am zehnten Tag seines Aufenthalts in Rom fand er schließlich die Zeit, eine Senatssitzung abzuhalten, die er zwei Tage zuvor in solcher Eile einberufen hatte, daß die Senatoren Mühe hatten, der Aufforderung zu folgen; viele von ihnen hatten vergessen, was es bedeutete, wenn Caesar in Eile war.

»Ich reise morgen ab«, verkündete Caesar vom kurulischen Podest der Curia Pompeia. Er hatte diesen Versammlungsort absichtlich gewählt, weil es ihm Vergnügen bereitete, vor der selbstherrlichen Statue jenes Mannes zu stehen, der nicht mehr der Erste Mann Roms war. Andere hatten gemeint, man müsse die Statue entfernen, aber er hatte sich mit dem Argument geweigert, Pompeius Magnus solle ruhig mitansehen, was der Diktator Caesar zuwege brachte.

»Ihr habt sicher bemerkt, daß ich den Männern, die auf der anderen Seite des Adriatischen Meeres auf mich warten, das Bürgerrecht nicht entzogen habe. Nur weil sie mich nicht als Konsul wollten oder meine dignitas zu vernichten suchten, sind sie für mich noch keine Verräter. Meine Aufgabe ist, ihnen zu zeigen, daß sie unrecht haben, daß sie irregeleitet waren und blind für das Wohl Roms, und ich hoffe aufrichtig, daß mir das möglichst ohne Blutvergießen gelingt. Daß diese Leute ihr Land dem Chaos überantwortet haben und geflüchtet sind, ohne für das Wohl Roms Sorge zu tragen, kann ich ihnen allerdings nur schwer verzeihen. Nur mir ist es zu verdanken, daß es mit Rom wieder aufwärts geht, und dafür müssen sie bezahlen, nicht mir, sondern Rom. Den Numiderkönig Juba habe ich wegen des hinterhältigen Mordes an Gaius Scribonius Curio zum Staatsfeind erklärt. König Bocchus und König Bogud von Mauretanien hingegen sind unsere Freunde und Verbündete. Ich weiß nicht, wie lange ich fort sein werde, aber ich weiß, daß es Rom, Italia und den westlichen Provinzen in meiner Abwesenheit an nichts fehlen wird; für eine fähige Regierung habe ich gesorgt. Eine weitere Absicht meiner Reise besteht in der Rückeroberung der römischen Provinzen im Osten. Das Mittelmeer muß wieder unter römischer Herrschaft vereint werden.«

Auch die Zögerer unter den Senatoren waren anwesend: Caesars Onkel Lucius Aurelius Cotta, sein Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso und sein angeheirateter Vetter Lucius Marcius Philippus. Sie blickten abgeklärt in die Runde und schienen über jegliche interne Querelen erhaben. Bei Cotta war das verständlich, immerhin war er nach zwei Schlaganfällen noch teilweise gelähmt, und was Philippus anging, so war er von Natur aus unfähig, zu irgend etwas Stellung zu beziehen. Nur zu Lucius Piso paßte es ganz und gar nicht. Er war groß und dunkel und sah so wild aus, daß Cicero ihn zum Spaß einmal einen Barbaren genannt hatte; er dachte immer zuerst an den eigenen Vorteil, und seine anmutige Tochter hätte ganz bestimmt einen anderen zum Vater verdient.

Jetzt räusperte er sich.

»Willst du das Wort?« fragte Caesar.

»Ja.«

»Dann sprich!«

Piso erhob sich. »Gaius Caesar, wäre es nicht diplomatisch klüger, Gnaeus Pompeius Friedensverhandlungen anzubieten, bevor wir gegen ihn Krieg führen?«

Vatia Isauricus übernahm es, zu antworten. »Glaubst du nicht, daß es dazu zu spät ist, Lucius Piso?« fragte er scharf. »Pompeius lebt schon seit Monaten in Saus und Braus im Palast von Thessalonike — er hatte genügend Zeit, um Frieden zu bitten. Er will gar keinen Frieden. Und selbst wenn er ihn wollte, würden Cato und Bibulus das zu verhindern wissen. Setz dich und halte den Mund!«

»Köstlich, wie er ihn abgefertigt hat!« kicherte Philippus beim Essen an jenem Nachmittag. »>Setz dich und halte den Mund!< So feinfühlig!«

Auch Caesar grinste. »Er hatte eben das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Während du Schuft so stumm geblieben bist wie die goldene Barke des Ptolemaios Philopator.«

»Ein schönes Bild. Ich würde dieses Schiff übrigens gerne einmal sehen.«

»Das größte Schiff, das jemals gebaut wurde.«

Gaius Octavius Junior hörte ihnen mit aufgerissenen Augen zu.

»Hast du auch davon gehört, Octavius Junior?« fragte Caesar.

»Ja, und ich meine, daß ein Land, das so ein großes Schiff bauen und vergolden kann, sehr reich sein muß.«

»Kein Zweifel«, bestätigte Caesar und musterte den Jungen ruhig. Octavius war inzwischen vierzehn, mitten in der Pubertät, doch seine Schönheit war ungebrochen. Er hatte inzwischen Ähnlichkeit mit einem Alexandriner, und er trug seine üppigen, blonden Locken lang genug, um seine abstehenden Ohren zu bedecken. Was Caesar dagegen beunruhigte, war eine gewisse Weichheit — nicht Weiblichkeit, mehr das Fehlen männlicher Züge. Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß ihm die Zukunft des Jungen keineswegs gleichgültig war; er wollte nicht, daß Octavius eine Richtung einschlug, die eine spätere öffentliche Karriere erschwerte. Jetzt war freilich keine Zeit, in Ruhe mit Gaius Octavius Junior zu sprechen, aber er mußte sich das für später vornehmen.

Caesars letzter Besuch in Rom galt Servilia. Er traf sie allein in ihrem Wohnzimmer.

»Schön, die beiden weißen Bänder in deinem Haar«, sagte er, nachdem er sie freundschaftlich auf die Lippen geküßt und es sich in einem Sessel bequem gemacht hatte.

»Ich hatte gehofft, dich früher zu sehen.«

»Die Zeit ist meine Feindin, Servilia. Dich dagegen scheint sie zu mögen — du bist keinen Tag älter geworden.« »Ich bin gut versorgt.«

»Das habe ich gehört. Lucius Pontius Aquila.«

Ihr Gesicht erstarrte. »Woher weißt du das?«

»Meine Informanten überschütten mich geradezu mit Informationen verschiedenster Art.«

»Das muß wohl stimmen, wenn sie sogar das herausgefunden haben!«

»Du wirst ihn vermissen, wo er doch jetzt Pompeius hilft.«

»Man findet immer einen Ersatz.«

»Natürlich! Wie ich gehört habe, ist auch Brutus zu Pompeius gegangen.«

Mißmutig verzog sie den Mund. »Ich verstehe das nicht! Pompeius hat schließlich Brutus’ Vater getötet!«

»Das ist lange her, und vielleicht bedeutet ihm sein Onkel Cato mehr als eine Tat, die der Vergangenheit angehört.«

»Es ist allein deine Schuld! Hättest du seine Verlobung mit Julia nicht gelöst, wäre er in deinem Lager!«

»Wie deine anderen zwei Schwiegersöhne Lepidus und Vatia Isauricus. Da aber Gaius Cassius und Brutus auf der anderen Seite stehen, kannst du nicht verlieren, oder?«

Sie zuckte nur mit den Achseln; die kühle Unterhaltung mißfiel ihr. Caesar zeigte mit jedem Blick und jeder Bewegung, daß er ihre Liebesaffäre nicht wieder aufzunehmen gedachte, während ihr jetzt, da sie ihn nach fast zehn Jahren zum ersten Mal wieder sah, klar geworden war, welche Macht er immer noch über sie besaß. Sie würde ihm immer hörig sein. Nach Caesar waren alle Männer nur noch Langweiler gewesen. Gleichzeitig jung und doch so unendlich alt zu sein — das war Caesar. Sein Gesicht war zerfurcht von Falten, Zeugen eines an Taten und Entbehrungen reichen Lebens. Sein Körper aber war durchtrainiert und Wohlgestalt wie immer, und das galt zweifellos auch für jenen Teil seines Körpers, den sie nicht sehen konnte und wohl auch nie wieder sehen würde.

»Was ist eigentlich aus der blöden Kuh geworden, die mir aus Gallien geschrieben hat?« fragte sie barsch.

Caesars Gesicht verschloß sich. »Sie ist tot.«

»Und ihr Sohn?«

»Verschwunden.«

»Mit Frauen scheinst du kein Glück zu haben.«

»Da ich in anderer Beziehung so viel Glück habe, ist das nicht weiter verwunderlich, Servilia. Fortuna ist eine eifersüchtige Dame, und ich muß sie günstig stimmen.«

»Eines Tages wird sie dich im Stich lassen.«

»Das glaube ich nicht.«

»Du hast Feinde. Sie könnten dich töten.«

»Ich werde sterben«, sagte Caesar und erhob sich, »wenn meine Zeit gekommen ist.«