VIII. Der Westen, Italia, Rom und der Osten

6. April 49 v. Chr. bis 29. September 48 v. Chr.

Caesar verließ Rom am fünften Tag des April. Da es in diesem Winter in den Alpen viel geschneit hatte, marschierte er mit seinen Legionen an der Küste entlang in die Provinz Gallia Narbonensis. Auf dieser kurvenreichen Strecke betrug die Entfernung nach Massilia eher sechshundert als fünfhundert Meilen. Am neunzehnten Tag des April traf er vor der Stadt ein.

Er war froh gewesen, wieder marschieren zu können. Zu viele Jahre hatte er fern von Rom verbracht, und als er schließlich zurückgekehrt war, hatte er nur Schwierigkeiten vorgefunden. Die Stadt wurde so nachlässig regiert wie nie zuvor, die Wirtschaft lag darnieder, die Getreideversorgung war prekär. Die öffentlichen Gelder wurden gehortet statt ausgegeben, und wenn seine eigenen Bauvorhaben nicht gewesen wären, hätten die Handwerker Roms überhaupt nichts zu tun gehabt. Die Tempel waren heruntergekommen, das Straßenpflaster hatte Löcher, niemand regelte den chaotischen Verkehr, und in den zerfallenden Kornspeichern unterhalb des Aventin wimmelte es wahrscheinlich nur so von Ratten. Caesar wußte, daß Rom dringend eine starke Hand brauchte, andererseits verspürte er wenig Lust, selbst in der Stadt für Ordnung zu sorgen — eine undankbare Aufgabe, die eigentlich andere Beamte zu erledigen hatten. Und die Stadt Rom war noch das kleinste Problem im Vergleich zu Italia und zum ganzen Römischen Reich.

Ihm war klar geworden, daß er kein Stadtmensch war; er zog es bei weitem vor, an der Spitze einer starken Armee zu marschieren. Zum Glück hatte es plausible Gründe gegeben, Rom zu verlassen: Er mußte so schnell wie möglich Pompeius’ Legionen in den spanischen Provinzen unschädlich machen.

Massilia, die einzige große Stadt zwischen Rom und Spanien, lag an einem schönen Hafen vierzig Meilen östlich der Sümpfe um das Delta des Rhodanus. Gegründet von Griechen — die schon vor Jahrhunderten das Mittelmeer befahren hatten —, hatte sich die Stadt ihren griechischen Charakter und ihre Unabhängigkeit bewahrt. Massilia hatte zwar ein Bündnis mit Rom, besaß aber eine eigene Kriegsflotte und Armee (laut Bündnisvertrag nur zu Verteidigungszwecken) und herrschte über einen großen Teil des Hinterlandes, das die Versorgung mit Obst und Gemüse sicherte. Getreide mußte dagegen von der angrenzenden römischen Provinz gekauft werden. Die Einwohner der Stadt wachten eifersüchtig über ihre Unabhängigkeit, auch wenn sie es sich natürlich nicht leisten konnten, Rom vor den Kopf zu stoßen, den neuen Herrscher über die vormals griechische und phönizische Welt.

Der Rat der Fünfzehn, der die Stadt regierte, begab sich zu Caesars Lager vor den Toren der Stadt, um bei dem Mann vorzusprechen, der Gallia Comata erobert und sich zum Herrn Italias gemacht hatte.

Angetan mit den prokonsularischen Insignien und der corona civica empfing Caesar die Ratsherren feierlich. Während der vielen Jahre in Gallia Transalpina war er nie in Massilia gewesen, und er hatte sich auch nie in die Angelegenheiten der Stadt eingemischt. Die Ratsherren musterten ihn kalt und arrogant.

»Du hast kein Recht, hier zu sein«, sagte Philodemus, der Vorsitzende des Rates. »Massilia ist nur mit der rechtmäßigen Regierung Roms verbündet, das heißt mit Gnaeus Pompeius Magnus und den Männern, die du mit deinem Einmarsch zur Flucht gezwungen hast.«

»Durch ihre Flucht haben sie ihre Rechte verwirkt, Philodemus«, entgegnete Caesar ruhig. »Ich bin die rechtmäßige Regierung Roms.«

»Das bist du nicht!«

»Willst du damit sagen, daß Massilia die Feinde Roms unterstützt — Gnaeus Pompeius und seine Verbündeten?«

»Am liebsten würden wir überhaupt niemanden unterstützen, Caesar«, sagte Philodemus mit einem selbstgefälligen Lächeln. »Trotzdem haben wir Gesandte zu Gnaeus Pompeius nach Epirus geschickt, um ihm unsere Treue zu bekunden.«

»Das war unklug und äußerst unverschämt!«

»Wenn schon, du kannst nichts dagegen tun«, sagte Philodemus. »Massilia ist stark befestigt, du zwingst es nicht in die Knie.«

»Fordere mich nicht heraus!« Caesar lächelte.

»Tu, was du tun mußt, Caesar, aber laß Massilia in Frieden!«

»Zuerst brauche ich die Zusicherung, daß Massilia neutral bleiben wird.«

»Das wird es.«

»Trotz der Gesandtschaft an Pompeius?«

»Sie hatte taktische Gründe. Praktisch werden wir uns absolut neutral verhalten.«

»Das will ich für Massilia hoffen, Philodemus. Wenn mir etwas anderes zu Ohren kommt, belagere ich die Stadt.«

»Du kannst nicht eine Stadt mit einer Million Einwohnern belagern!« sagte Philodemus hochmütig. »Massilia ist nicht Uxellodunum und auch nicht Alesia!«

»Je mehr hungrige Mäuler eine Stadt zu füttern hat, desto sicherer wird sie fallen. Du kennst wahrscheinlich die Geschichte des römischen Feldherrn, der eine Stadt in Spanien belagerte. Man schickte ihm Speisen zum Geschenk zusammen mit der Nachricht, daß die Stadt genügend Lebensmittel gelagert habe, um zehn Jahre auszuhalten. Der Feldherr dankte für die Auskunft und sagte in vollem Ernst, dann würde er die Stadt eben im elften Jahr einnehmen. Daraufhin kapitulierte die Stadt. Ich warne dich also, Philodemus: Verbündet euch nicht mit meinen Feinden!«

Zwei Tage später traf Lucius Domitius Ahenobarbus mit einer Flotte und zwei Legionen etrurischer Soldaten vor Massilia ein. Er fand den Hafen mit einer schweren Kette versperrt, doch als er gerade wieder wegfahren wollte, holten die Massilioten die Kette ein und ließen ihn herein.

Seufzend fügte sich Caesar darein, seine Drohung wahr zu machen und Massilia zu belagern. Da die Überquerung der winterlichen Pyrenäen für Pompeius’ Truppen genauso beschwerlich sein würde wie für seine und widrige Winde eine Überfahrt von Spanien nach Rom unmöglich machten, war diese Verzögerung für Caesar nicht so schlimm, wie man in Massilia glaubte.

Seine Laune hob sich, als die Neunte, die Zehnte und die Elfte unter Gaius Trebonius und Decimus Brutus eintrafen.

»Die Fünfte habe ich in einem stark befestigten Lager an der Icauna zurückgelassen«, sagte Trebonius. Er sah Caesar mit fast verträumter Zuneigung an. »Die Haeduer und die Arverner sind sehr gefügig und haben gute, römisch ausgebildete Krieger, falls die Fünfte Verstärkung braucht. Die Nachricht von deinem Sieg in Italia hat bei den gallischen Stämmen Resignation ausgelöst, und sogar die aufsässigen Bellovacer fügen sich. Ich bin überzeugt, daß Gallia Comata dieses Jahr keine Probleme machen wird.«

»Das ist gut, denn ich kann nur die Fünfte dort lassen«, sagte Caesar. Er wandte sich an seinen anderen treuen Legaten. »Decimus, ich brauche eine gute Flotte, um Massilia zu bezwingen. Du bist der Fachmann. Soweit ich von meinem Vetter Lucius weiß, gibt es in Narbo ausgezeichnete Schiffbauer, die uns gerne einige Triremen verkaufen würden. Geh hin und schau, was wir kriegen können. Und bezahle großzügig!« Er lachte leise. »Kannst du dir vorstellen, daß Pompeius und die Konsuln vergessen haben, vor ihrer Flucht die Schatzkammer zu leeren?«

Trebonius und Decimus Brutus starrten ihn mit offenen Mündern an.

»Bei den Göttern!« rief Decimus Brutus, an den die Frage gerichtet war. »Ich wollte sowieso immer nur an deiner Seite kämpfen, Caesar, und jetzt danke ich den Göttern, daß ich dich kenne. Was sind das nur für Dummköpfe!«

»Tja. Aber vor allem kannst du daran erkennen, wie verwirrt sie sind und wie denkbar schlecht vorbereitet auf einen Krieg. Sie haben mir gedroht, mich beleidigt und mir alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt, aber die ganze Zeit keinen Augenblick lang geglaubt, daß ich Ernst machen würde. Jetzt haben sie keine Ahnung, was sie tun sollen, und sie haben kein Geld. Ich habe Antonius in Rom angewiesen, den Verkauf von pompeianischem Besitz nicht zu verhindern und auch zuzulassen, daß Pompeius den Erlös aus Italia herausschafft.«

»Ist das denn klug?« fragte Trebonius mit gewohnt besorgter Miene. »Pompeius den Geldhahn abzudrehen ist immerhin eine Möglichkeit, den Krieg ohne Blutvergießen zu gewinnen.«

»Nein, es wäre nur ein Aufschub«, entgegnete Caesar. »Pompeius ist einer der reichsten Männer des Landes, und Ahenobarbus ist auch nicht arm. Was er und seine Kumpane aber verkaufen, um ihren Krieg zu finanzieren, haben sie ein für allemal verloren. Ich treibe sie in den Ruin. Mittellose große Männer haben zwar Einfluß — aber keine Macht.«

»In anderen Worten«, sagte Decimus Brutus, »du willst sie, wenn alles vorbei ist, weder töten noch verbannen.«

»Genau. Ich will nicht wie Sulla als Ungeheuer gelten. Es gibt keine Verräter, weder auf der einen noch auf der anderen Seite; wir sehen die Zukunft Roms eben mit verschiedenen Augen. Ich will, daß die von mir Begnadigten ihren Platz in Rom wieder einnehmen und mich herausfordern. Eine solche Opposition kann mir bei der Bewältigung meiner Aufgaben nur hilfreich sein. Sulla hat das falsch gemacht. Außerdem könnte ich den Gedanken nicht ertragen, nur von Speichelleckern umgeben zu sein. Ich werde der Erste Mann in Rom sein, aber nur dadurch, daß ich es immer wieder beweise.«

»Hältst du uns auch für Speichellecker?« fragte Decimus Brutus.

Caesar lachte. »Nein! Speichellecker sind nicht in der Lage, eine Legion zu führen, und meine Legaten haben keine Angst, mich zu kritisieren.«

»War es schwierig?« fragte Trebonius.

»Was? Meine Drohung wahr zu machen und den Rubikon zu überschreiten?«

»Ja. Wir haben uns Sorgen gemacht.«

»Ja und nein. Ich will zwar nicht als einer von denen in die Geschichte eingehen, die gegen ihr Vaterland marschierten, aber ich hatte keine andere Wahl als anzugreifen oder lebenslang ins Exil zu gehen. Hätte ich mich für letzteres entschieden, so hätte sich Gallien spätestens nach drei Jahren gegen Rom erhoben, und Rom hätte seine sämtlichen Provinzen verloren. Es ist höchste Zeit, daß Leute wie die Claudier und Cornelier von Rechts wegen daran gehindert werden, ihre Provinzen auszubeuten; dasselbe gilt für Leute wie Brutus und Konsorten, die ihre Geschäfte unter dem Mäntelchen senatorischer Respektabilität betreiben. Ich muß dringend ein paar wichtige Reformen einleiten. Danach werde ich gegen die Parther ziehen. Ich muß sieben römische Adler aus Ekbatana holen und einen großen, unverstandenen Römer rächen. Außerdem brauchen wir Geld für den Bürgerkrieg. Ich weiß nicht, wie lange er dauern wird, aber ich hoffe, daß er mit weniger Blutvergießen als der Krieg gegen die Gallier verbunden ist.«

»In dieser Hinsicht hast du dich ja bis jetzt mächtig zurückgehalten«, warf Gaius Trebonius ein.

»Das soll auch so bleiben, solange ich mir das leisten kann.«

»Um die Finanzierung des Krieges brauchst du dir doch keine Sorgen zu machen«, sagte Decimus Brutus. »Du hast den Staatsschatz.«

»Der Staatsschatz gehört dem römischen Volk, nicht dem Senat. Und das hier ist ein Krieg zwischen zwei Parteien des Senats, das Volk hat damit wenig zu tun, von den Männern abgesehen, die am Kampf beteiligt sind. Ich leihe nur — ich plündere nicht. Da es in diesem Krieg keine Beute geben wird und ich auch nicht zulasse, daß meine Soldaten plündern, muß ich sie aus meinem eigenen Vermögen entschädigen. Dabei geht es um riesige Summen. Und dann muß ich auch noch das Darlehen aus der Staatskasse zurückzahlen. Wie soll ich das machen? Pompeius saugt mit Sicherheit den Osten aus, um seinen Feldzug zu finanzieren, so daß dort nichts mehr zu holen sein wird. Spanien ist arm, abgesehen von seinen Metallvorkommen, deren Gewinne aber Pompeius zufließen und nicht Rom. Das Partherreich dagegen ist reich, wir haben es nur nie geschafft, es anzuzapfen. Ich aber werde es schaffen, das verspreche ich euch.«

»Ich komme mit dir!« sagte Trebonius schnell.

»Ich auch!« fiel Decimus Brutus ein.

»Ich danke euch, aber vorher müssen wir noch mit Massilia und den spanischen Provinzen fertigwerden.«

»Und mit Pompeius!« warf Trebonius ein.

»Eins nach dem anderen«, sagte Caesar. »Zuerst schlage ich Pompeius im Westen. Dadurch verliert er seine erste Einnahmequelle.«

Das gut befestigte Massilia, verstärkt durch Ahenobarbus’ Soldaten und Schiffe, konnte Caesars Belagerung auf der Landseite leicht standhalten, denn es beherrschte immer noch das Meer. Seine Getreidespeicher waren voll, und verderbliche Lebensmittel wurden auf dem Seeweg geliefert. Außerdem waren die anderen griechischen Kolonien entlang der Küste von der Aussichtslosigkeit der Belagerung so überzeugt, daß auch sie der Stadt mit verschiedenen Gütern zu Hilfe kamen.

»Warum glaubt eigentlich keiner von denen, daß ich einen müden Feldherrn wie Pompeius schlagen kann?« fragte Caesar Trebonius Ende Mai.

»Die Griechen konnten Feldherrn noch nie richtig einschätzen«, erwiderte dieser. »Sie kennen dich nicht, Pompeius aber ist eine lebende Legende. Er hat die Meere von Piraten gesäubert. Das hat sich damals überall herumgesprochen.«

»Aber Gallia Comata ist auch nicht sehr weit weg, und das habe ich erobert.«

»Sie sind eben Griechen, Caesar. Die Griechen haben nie gegen Barbaren Krieg geführt; sie haben sich immer an der Küste niedergelassen und das barbarische Hinterland gemieden, am Schwarzen Meer genauso wie am Mittelmeer.«

»Dann werden sie jetzt eben sehen, daß sie auf der falschen Seite stehen!« erklärte Caesar aufgebracht. »Ich breche morgen nach Narbo auf. Decimus müßte mit einer Flotte hierher unterwegs sein. Er hat das Kommando über die Flotte, aber du hast das Oberkommando. Setze der Stadt hart zu und schone sie nicht! Massilia muß erniedrigt werden.«

»Wie viele Legionen habe ich?«

»Ich lasse die Zwölfte und die Dreizehnte hier. Von Mamurra weiß ich, daß es eine neue Sechste mit Rekruten aus Gallia Cisalpina gibt. Ich habe ihm befohlen, sie dir zu schicken. Bilde die Rekruten gut aus und verschaffe ihnen möglichst erste Kampferfahrung! Besser, sie kämpfen zuerst gegen Griechen und nicht gegen Römer. Obwohl das eigentlich einer meiner großen Vorteile in diesem Krieg ist.«

»Was?« fragte Trebonius verwirrt.

»Meine Soldaten sind aus Gallia Cisalpina, und die meisten kommen sogar von jenseits des Padus. Pompeius’ Soldaten kommen dagegen aus Italia, außer den Legionären der Fünfzehnten. Die italischen Soldaten sehen auf die Gallier herab, die Gallier aber hassen die italischen Soldaten. Da gibt es keine Bruderliebe.«

Lucius Caesar fühlte sich in Narbo inzwischen wie zu Hause. Sein Vetter Gaius mußte bei seinem Eintreffen an der Spitze von vier Legionen — der Neunten, seiner geliebten Zehnten, der Achten und der Elften — feststellen, daß der Statthalter drei Frauen hatte, mehrere hervorragende Köche und die Zuneigung aller Narbonenser.

»Sind meine Reiter angekommen?« fragte Caesar. Er aß mit großem Appetit. »Ich habe ganz vergessen, wie schmackhaft die Narbonenser Meeräschen sind!«

»Tja«, sagte Lucius Caesar zufrieden, »ich habe sie gallisch zubereiten lassen — in Butter gebraten, statt in Öl. Öl ist zu kräftig. Die Butter kommt von den Venetern.«

»Du bist ein richtiger Feinschmecker geworden!«

»Aber nicht dick.«

»Das scheint in der Familie zu liegen. Was ist jetzt mit den Reitern?«

»Alle dreitausend, die du namentlich benannt hast, sind hier, Gaius. Sie lagern auf Weideland südlich von Narbo, an der Mündung des Ruscino. Das liegt praktisch auf deinem Weg.«

»Und Fabius ist in Ilerda?«

»Ja, mit der Siebten und der Vierzehnten. Ich habe ihm zur Überquerung der Pyrenäen ein paar tausend Mann der Narbonenser Miliz geschickt. Wenn du bei ihm bist, schicke sie wieder zurück — sie sind gut und loyal, aber keine römischen Bürger.«

»Stehen ihm Afranius und Petreius immer noch gegenüber?«

»Ja, am anderen Ufer des Sicoris. Sie haben fünf Legionen, die beiden anderen sind immer noch mit Varro in Hispania Ulterior.« Lucius Caesar grinste. »Varro glaubt nicht so fest wie die anderen, daß du verlieren wirst, und hält sich entsprechend zurück. Er hat es sich den Winter über mit seinen Legionen in Corduba gemütlich gemacht.«

»Das ist weit von Ilerda weg.«

»Richtig. Du hast es also nur mit den fünf Legionen von Afranius und Petreius zu tun. Koste mal die Austern!«

»Danke — Meeräsche mag ich lieber. Dein Koch hat sie hervorragend filetiert.«

»Das ist bei einem so flachen Fisch nicht schwierig.« Lucius Caesar sah auf. »Weißt du eigentlich, daß Pompeius von Epirus aus seine Legionen in Spanien kräftig angepumpt hat? Sie haben gegeben, was sie hatten und die Rückzahlung ausgesetzt, bis du besiegt bist.«

»Aha! Pompeius hat Geldsorgen.«

»Geschieht ihm recht! Vergißt, die Schatzkammern zu leeren!«

Caesar lachte leise. »Das kann er nie wieder gutmachen, Lucius.«

»Mein Sohn hat sich, wie ich höre, Pompeius angeschlossen.«

»Das hat er wohl.«

»Er war noch nie besonders helle!«

»Was das betrifft — in Formiae habe ich ein bemerkenswertes Mitglied unserer Familie kennengelernt«, sagte Caesar und widmete seine Aufmerksamkeit dem Käse. »Der Junge ist erst dreizehn Jahre alt.«

»Wer?«

»Gaius Octavius Junior, Atias Sohn mit Gaius Octavius.«

»Ein zweiter Gaius Julius Caesar?«

»Er sagt nein. Er habe kein militärisches Talent, sagt er. Etwas nüchtern, aber sehr intelligent und sehr ehrgeizig.«

»Dieser Zweig der Octavier hat noch nie einen Konsul hervorgebracht.«

»Dann wird mein Großneffe der erste sein«, sagte Caesar bestimmt.

Ende Juni stieß Caesar zu Gaius Fabius und gebot damit über insgesamt sechs Legionen. Die Narbonenser Hilfstruppen schickte er mit Dank nach Hause.

»Hat dir Lucius Caesar erzählt, daß Pompeius von seinen spanischen Legionen Geld geliehen hat?« fragte Gaius Fabius. »Das hat er. Jetzt müssen sie gewinnen, oder?«

»Ja. Afranius und Petreius hat er auch angepumpt.«

»Und wir nehmen ihnen jetzt das letzte, was sie haben.«

Doch Caesars legendäres Glück schien zu Ende zu sein. Der Winter ging frühzeitig in endlosen Regen über, der Sicoris schwoll an und riß sämtliche Brücken fort, die Caesar für die Versorgung seiner Legionen brauchte. Als der Wasserstand schließlich fiel, verhinderte die Gegenwart von Afranius und Petreius auf der gegenüberliegenden Seite den Wiederaufbau der Brücken. Es regnete weiter, das Lager war in einem erbärmlichen Zustand, die Lebensmittel wurden knapp.

»Also gut, Männer, dann müssen wir eben die harte Methode anwenden«, rief Caesar den angetretenen Legionen zu.

Die harte Methode bestand darin, daß er sich mit zwei Legionen zwanzig Meilen flußaufwärts knöcheltief durch den Schlamm kämpfte und dort von seinen Gegnern unbemerkt eine Brücke über den Fluß schlug. Die Versorgung funktionierte jetzt wieder, die Zustände im Lager besserten sich allerdings nicht.

»Daraus besteht mein legendäres Glück in Wirklichkeit«, sagte Caesar zu Fabius. »Aus harter Arbeit! Jetzt müssen wir eben hier ausharren und auf besseres Wetter warten.«

Unterdessen ritten ständig Kuriere zwischen Rom und Caesars Lager und zwischen Massilia und dem Lager hin und her. Caesar wollte nie mehr als zwei Wochen mit den Nachrichten im Rückstand sein. Unter den vielen Briefen aus Rom war auch ein Eilbrief von Marcus Antonius.

Caesar, in Rom sagt man, alle Brücken über den Sicoris seien fortgeschwemmt und Du würdest ohne Lebensmittel festsitzen. Als gewisse Senatoren das hörten, veranstalteten sie vor Afranius' Haus auf dem Aventin ein Freudenfest. Lepidus und ich dachten, es wäre vielleicht lustig, dem beizuwohnen — keine Angst, ich mußte das pomerium nicht überschreiten! Es gab Sänger, Tänzerinnen und Akrobaten, dazu Garnelen und Austern aus Baiae in Hülle und Fülle. Unter uns gesagt, Lepidus und ich fanden alles etwas übereilt, denn Du wirst Deine Versorgungsprobleme inzwischen gelöst haben und mit deinen Gegnern schon fertig werden. Die Nachricht von Deinen Schwierigkeiten hatte eine weitere Folge. Nach dem Fest brachen alle bisher noch unentschlossenen Senatoren zu Pompeius nach Ostmakedonien auf. Dort werden sie, die gerne ihr Mäntelchen nach dem Wind hängen, bestimmt keine Entbehrungen leiden müssen. Schließlich residiert Pompeius im Palast des Statthalters in Thessalonike.

Ich hoffe, es war richtig von Lepidus und mir, daß wir den Massenauszug nicht verhinderten. Wir gingen davon aus, daß Du ohne diese Opportunisten in Italia besser dran bist — soll sich Pompeius mit ihnen herumschlagen. Cicero habe ich übrigens auch gehen lassen. Er hat seinen Widerstand nicht aufgegeben, auch mein Regierungsstil mißfiel ihm offenbar. Ich habe doch diesen tollen Wagen, der von vier Löwen gezogen wird — damit habe ich jedesmal, wenn ich in Ciceros Gegend war, eine Mordsschau abgezogen. Aber, ehrlich gesagt, praktisch ist er nicht. Ich hatte zwar große Löwen mit schwarzen Mähnen, aber sie waren faul und arbeitsscheu; alle paar Schritte haben sie sich hinplumpsen lassen, um zu schlafen, und ich habe sie gegen Löwinnen austauschen müssen. Aber insgesamt sind Löwen keine guten Zugtiere. Ich frage mich, wie Dionysos das mit den Leoparden gemacht hat.

Cicero ist an den Nonen des Juni von Caieta ausgelaufen — ohne seinen Bruder Quintus. Wie Du sicher weißt, trägt sich auch Quintus' Sohn mit dem Gedanken, auf Deiner Seite zu kämpfen; er hat wahrscheinlich auf seinen Vater gehört. Quintus Senior und Quintus Junior sind also in Italia geblieben — für wie lange, weiß allerdings niemand. Cicero hat an die Familiengefühle appelliert und bis zu seiner Abreise nur geklagt. Als ich ihn Anfang Mai sah, waren seine Augen in einem schrecklichen Zustand. Ich weiß, daß Du ihn hier in Italia haben wolltest, aber ich glaube, so ist es besser. Weder kann er Pompeius’ Erfolgsaussichten verbessern — die ich sehr gering einschätze —, noch wird er jemals so denken wie Du. Er soll also besser an einen Ort verschwinden, wo ihn niemand hören kann. Sein Sohn Marcus ist mit ihm gegangen.

Tullia hat übrigens im Mai nach sieben Monaten ein Kind geboren, es ist aber im Juni gestorben — am selben Tag wie Perperna. Stell Dir das vor! Perperna, der älteste Senator und Konsular Na ja, ich jedenfalls wäre glücklich, wenn ich achtundneunzig werden würde.

Caesar freute und ärgerte sich über den Brief. Wie konnte man Antonius zur Vernunft bringen? Löwen! Aber Antonius und Lepidus hatten recht: Ohne die Senatoren war er wesentlich besser dran, denn sie hätten Lepidus bei der Verabschiedung von dringend nötigen Gesetzen nur Schwierigkeiten gemacht. Mit Cicero war das allerdings anders; ihn hätten sie nicht gehen lassen dürfen.

Aus Massilia kamen erfreuliche Nachrichten. Decimus Brutus hatte mit seinem unerklärlichen Geschick auf See bereits erste Erfolge erzielt. Die Blockade des Hafens von Massilia hatte der Stadt so geschadet, daß Ahenobarbus mit den Schiffen der Stadt zum Gegenangriff auslief. Er wurde geschlagen und mußte schwere Verluste einstecken. Decimus Brutus’ Blockade ging unvermindert weiter, und in Massilia gab es immer weniger zu essen. Auch Ahenobarbus’ Beliebtheit in der Stadt schien erheblich gesunken.

»Das überrascht mich nicht«, sagte Fabius.

»Massilia hat die falsche Seite gewählt«, sagte Caesar und preßte die Lippen zusammen. »Es kann nur einer gewinnen, und das bin ich. Wieso sehen sie das nicht ein?«

»Pompeius kann mehr Erfolge aufweisen, Caesar. Aber sie werden schon noch begreifen.«

»Wie Afranius und Petreius.«

Mitte Quinctilis waren Afranius und Petreius in größten Schwierigkeiten. Es hatte zwar keine größeren Gefechte zwischen den beiden Armeen gegeben, aber Caesars dreitausend gallische Reiter setzten der Versorgung des Gegners hart zu. Da Pompeius’ Legaten selbst nicht genügend Reiter hatten, beschlossen sie, sich mit ihren Truppen in das Caesar unbekannte Gebiet südlich des Iberus zurückzuziehen, eine Gegend, deren Bevölkerung Pompeius treu ergeben war und die Caesar nicht mit Proviant versorgen würde. Einige größere spanische Städte glaubten inzwischen nämlich an einen Sieg Caesars und liefen unter Führung Oscas zu diesem über.

Südlich des Iberus war so etwas nicht zu befürchten, deshalb war es höchste Zeit für den Rückzug. Marcus Petreius zog mit Ingenieuren und Bauarbeitern voraus, um eine Pontonbrücke über den Fluß zu bauen, während Afranius gegenüber Caesar die Front scheinbar aufrechterhielt. Zu ihrem Pech war Caesar durch Kundschafter und Spitzel hervorragend informiert; als er erfuhr, daß Afranius heimlich Truppen abzog, führte er seine Armee genauso heimlich flußaufwärts.

Der Boden war wieder getrocknet, das Terrain gut begehbar. Caesar marschierte mit gewohnter Schnelligkeit; er holte Afranius’ Nachhut am Nachmittag ein und marschierte weiter, direkt in die Kolonne seines Gegners hinein. Diese hielt auf einen Hohlweg im bergigeren Hinterland zu, doch fünf Meilen davor sah Afranius sich aufgrund der pausenlosen Belästigung durch Caesars Legionäre gezwungen, anzuhalten und ein gut befestigtes Lager zu errichten. Dort verbrachte er eine lange, qualvolle Nacht ohne Petreius’ moralischen Beistand. Am liebsten hätte er sich heimlich davongemacht. Das konnte er aber nicht, weil er wußte, daß Caesar gerne nachts angriff. Am ärgsten plagte ihn die Sorge um die Moral der Truppe. In einem Bürgerkrieg mußte man immer mit Deserteuren rechnen, und die Männer murrten schon. Seine eigene Laune war auch nicht viel besser.

Afranius’ Erfahrungen als Feldherr lagen schon lange zurück.

Im Morgengrauen schlug Caesar sein Lager wesentlich schneller ab und erreichte den Hohlweg vor Afranius, der somit keine andere Wahl hatte, als sein Lager am Eingang der Schlucht aufzuschlagen. Als Petreius vom Iberus zurückkehrte, fand er einen erschöpften und niedergeschlagenen Afranius vor, der zu keiner wichtigen und richtigen Entscheidung mehr in der Lage war; er hatte nicht einmal an die Wasserversorgung gedacht. Ärgerlich machte sich Petreius daran, den Zugang zum Fluß durch Befestigungen zu sichern.

Während Petreius, seine Ingenieure und einige Soldaten damit beschäftigt waren, taten die meisten anderen Soldaten des Pompeius nichts. Caesars Lager war so nahe, daß die Wachen sich miteinander unterhalten konnten. Die Legionäre Caesars bedrängten ihre Gegner, sich zu ergeben.

»Ihr könnt Caesar nicht besiegen«, sagten sie. »Gebt doch auf, solange ihr noch am Leben seid! Caesar selbst will nicht gegen seine Landsleute kämpfen, aber die meisten von uns sehen der Schlacht ungeduldig entgegen und drängen Caesar zum Kampf. Ergebt euch, solange ihr noch könnt.«

Eine Delegation der ranghöchsten Zenturionen und Militärtribunen aus den Legionen des Pompeius sprach bei Caesar vor, darunter auch Afranius’ Sohn, der Caesar bat, seinen Vater zu schonen. So lax war die Moral im pompeianischen Lager, daß ein paar Soldaten Caesars hinüberschlenderten, während die Delegation mit Caesar verhandelte. Von ihnen erfuhren Afranius und Petreius zu ihrer Bestürzung, daß ihre Offiziere — darunter Afranius’ eigener Sohn! — mit dem Gegner verhandelten. Afranius wollte die Soldaten in ihr Lager zurückschicken, doch Petreius wollte davon nichts wissen und ließ sie von seiner spanischen Leibwache auf der Stelle töten. Caesar dagegen schickte die Delegation höflich in ihr Lager zurück und bot ihnen den Dienst in seinem Heer an. Der Unterschied zwischen Caesars und Petreius’ Verhalten fiel allen auf. Während Afranius und Petreius beschlossen, lieber nach Ilerda zu ziehen, als den Iberus zu überqueren, wurde die Unzufriedenheit in den Reihen ihrer Soldaten immer größer.

Der Rückzug nach Ilerda war ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen; Caesars Reiterei belästigte die pompeianische Nachhut ununterbrochen. Als Afranius und Petreius am Abend ihr Lager bezogen, schnitt Caesar sie mit rasch errichteten Wällen vom Wasser ab.

Afranius und Petreius baten um Frieden.

»An mir soll es nicht liegen«, sagte Caesar, »vorausgesetzt, die Verhandlungen werden vor allen Soldaten geführt.«

Caesars Bedingungen waren maßvoll und annehmbar. Er ließ niemanden hinrichten, auch nicht Afranius und Petreius, und er zwang keinen, bei ihm zu dienen, denn Soldaten, die gegen ihren Willen rekrutiert wurden, waren immer für Desertion anfällig. Wer wollte, konnte sich ihm anschließen, wenn er ihm den Treueid schwor. Soldaten aus den spanischen Provinzen konnten nach Hause zurückkehren, wenn sie ihre Waffen abgaben, die Soldaten aus Rom wurden zum Fluß Varus zurückgeführt, der Grenze zwischen Gallia Narbonensis und Ligurien, und dort entlassen.

Es war vorbei. Der Krieg in Spanien war praktisch ohne Blutvergießen entschieden worden. Quintus Cassius marschierte mit zwei Legionen in die südspanische Provinz, wo Marcus Terentius Varro nicht mehr getan hatte, als sich in Gades zu verschanzen. Bevor es zum Kampf kommen konnte, gingen die Bevölkerung und die beiden Legionen von Hispania Ulterior geschlossen zu Caesar über. Varro traf in Corduba auf Quintus Cassius und ergab sich ebenfalls.

Quintus Cassius die Statthalterschaft über Hispania Ulterior zu übertragen, war allerdings ein Fehler Caesars gewesen. Als Cassius’ für Edelmetalle so sensible Nase das Gold und Silber witterte, das diese Provinz immer noch in Hülle und Fülle hervorbrachte, widmete er sich skrupellos der Ausbeutung seiner Provinz.

Mitte September war Caesar wieder in Massilia, gerade rechtzeitig, um die Kapitulation der Stadt entgegenzunehmen. Ahenobarbus war weggefahren und hatte die Stadt dem Hunger preisgegeben und so geschwächt, daß sie Decimus Brutus nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Caesar beließ ihr ihre Unabhängigkeit, die Stadt mußte jedoch ihre Armee und ihre Kriegsschiffe und den größten Teil des Hinterlands abgeben. Zur Sicherheit ließ Caesar zwei Legionen des ehemals pompeianischen Heeres als Besatzung zurück. Die Vierzehnte Legion wurde unter dem Kommando von Decimus Brutus nach Gallia Comata zurückgeschickt; er sollte Gallia Comata in Caesars Abwesenheit regieren. Trebonius, Fabius, Sulpicius und die anderen sollten mit ihm nach Rom und Italia ziehen und dort als Prätoren dienen.

Rom hatte sich wieder beruhigt. Alle waren erleichtert, als Curio die Nachricht schickte, er habe Sizilien Ende Juni besetzt. Nachdem Orca Sardinien hielt und Curio Sizilien, würde in guten Erntejahren genügend Getreide nach Rom fließen. Wenn Curio auch noch die Provinz Africa besetzen konnte, brauchte niemand mehr Hunger zu leiden.

Africa war jedoch noch fest in pompeianischer Hand. Der fähige Legat Quintus Attius Varus war von Corfinium nach Sizilien und von dort nach Africa gezogen, wo er Aelius Tubero verdrängte und ein Bündnis mit dem Numiderkönig Juba schloß. Die einzige africanische Legion wurde durch Truppen verstärkt, die unter den in Africa siedelnden römischen Veteranen, ihren Söhnen und den Kriegern Jubas ausgehoben wurden. Juba hatte außerdem noch seine berühmte numidische Reiterei — Männer, die ohne Sattel ritten, keine Rüstung trugen und mehr als Lanzenreiter hervorstachen als im Nahkampf.

Im Senat hatte Lepidus es nach dem zweiten Auszug der Senatoren wesentlich einfacher. Nun konnte er Caesars Anweisungen ausführen. Zuerst verringerte er die Zahl der Senatoren, die nötig waren, um ein Quorum zu bilden. Der Senat, der nur noch aus Anhängern Caesars bestand, stimmte dem sofort zu, und auch die Volksversammlung sah keinen Grund, warum sie das Gesetz nicht verabschieden sollte. Künftig würden sechzig Senatoren für ein Quorum ausreichen.

Lepidus hielt ständigen Kontakt zu Marcus Antonius, der sich als Statthalter Italias beliebt gemacht hatte. Land-- und Stadtbewohner gleichermaßen schwärmten für seine Sänften voller Kon kubinen, sein Gefolge aus Zwergen, Tänzerinnen, Akrobaten und Musikanten und seinen berühmten, von Löwen gezogenen Wagen. Stets vergnügt, freundlich und umgänglich und immer für einen oder zwei Becher unverdünnten Weines zu haben, meisterte er seine Aufgaben trotzdem mit Bravour. Vor allem machte er nicht den Fehler, seine Soldaten in lächerlicher Aufmachung zu besuchen. Er genoß das Leben, eine berauschende Mischung aus Übermut und Strenge, in vollen Zügen, vor allem in seiner Lieblingsgegend Kampanien.

Aus Africa trafen gute Nachrichten ein. Curio war ohne Schwierigkeiten in Utica eingezogen, Attius Varus und Juba hatte er in ein paar Scharmützeln geschickt besiegt.

Im Sextilis freilich wendete sich in Africa und in Illyricum das Blatt. Marcus Antonius’ Bruder Gaius war mit fünfzehn Kohorten am anderen Ende des Adriatischen Meeres auf der Insel Curicta gelandet und dort von den pompeianischen Admirälen Marcus Octavius und Lucius Libo überrascht und angegriffen worden. Er bat Dolabella um Hilfe, und Dolabella, Caesars Admiral im Adriatischen Meer, folgte dem Hilferuf mit vierzig langsamen und nur leicht bewaffneten Schiffen. Es kam zu einer Seeschlacht, in der Dolabella seine Flotte einbüßte. Gaius Antonius wurde zusammen mit seinen Soldaten gefangengenommen. Übermütig geworden durch seinen Erfolg, griff Marcus Octavius die dalmatische Küste an, Salona aber schloß die Tore und bot ihm die Stirn, so daß er den Kampf abbrechen und mit dem gefangenen Gaius Antonius und dessen fünfzehn Kohorten nach Epirus zurückkehren mußte. Dolabella kam davon.

Marcus Antonius verfluchte die Dummheit seines Bruders von ganzem Herzen, machte sich dann aber daran, einen Fluchtplan für Gaius auszuarbeiten. Sein Hauptzorn galt allerdings Dolabella, hatte jener doch nicht nur eine Schlacht verloren, sondern auch noch alle seine Schiffe. Wie hatte Dolabella das nur zulassen können? So wütend war Marcus Antonius, daß er nicht zuhören wollte, als man ihm sagte, die pompeianischen Schiffe seien den Nußschalen, die der arme Dolabella kommandiert hatte, weit überlegen gewesen.

Fulvia war über ihr Leben ohne Curio nicht glücklich, aber sie hatte sich damit abgefunden. Die drei Kinder, die sie von Publius Clodius hatte, waren deutlich älter als der kleine Curio. Publius Junior war sechzehn, und im Dezember, am Fest der Juventas, würde er in die Gesellschaft der Männer aufgenommen werden; die vierzehnjährige Clodia träumte von einem Ehemann, und die kleine Clodilla, gerade acht, war vollauf mit dem kleinen Curio beschäftigt, der bald ein Jahr alt wurde und begonnen hatte, zu laufen und zu sprechen.

Fulvia verkehrte weiterhin, wenn auch weniger eng, mit Clodius’ beiden Schwestern Clodia, der Witwe des Metellus Celer, und Clodilla, der geschiedenen Witwe des Lucius Lucullus. Die beiden Damen genossen ihre Freiheit, denn sie waren reich, und sie verspürten auch keine Neigung, wieder zu heiraten. Fulvia dagegen mochte ihre Kinder, war gern verheiratet und brauchte keine Affären.

Ihr bester Freund war ein Mann.

»Jedenfalls körperlich gesehen«, scherzte sie.

»Ich weiß gar nicht, warum ich dich besuche, Fulvia«, sagte Titus Pomponius Atticus grinsend. »Ich bin glücklich verheiratet, und ich habe eine entzückende kleine Tochter.«

»Du brauchtest einen Erben für dein ganzes Geld, Atticus.«

»Vielleicht.« Er seufzte. »Dieser blöde Krieg! Ich kann weder nach Epirus reisen noch nach Athen. Athen ist voller Anhänger des Pompeius.«

»Aber du pflegst doch mit beiden Seiten gute Beziehungen.«

»Schon, für einen reichen Mann ist es allerdings klüger, sich mit den Anhängern Caesars gut zu stellen, meine bezaubernde Fulvia. Pompeius braucht dringend Geld, er pumpt jeden an, von dem er denkt, daß er ihm etwas geben könnte. Außerdem glaube ich, daß Caesar siegen wird. Wer Pompeius und seinen Leuten Geld leihen will, kann es gleich aus dem Fenster werfen. Athen ist also vorerst gestrichen.«

»Und die süßen Knaben?«

»Ich kann ohne sie leben.«

»Das weiß ich. Es tut mir nur leid, daß du auf sie verzichten mußt.«

»Den Knaben tut es auch leid, daß sie auf mich verzichten müssen«, sagte Atticus trocken. »Ich bin schließlich ein großzügiger Liebhaber.«

»Ich vermisse Curio ganz schrecklich!«

»Eigentlich merkwürdig.«

»Was?«

»Die Menschen verlieben sich gewöhnlich immer in denselben Typ. Bei dir ist das nicht so. Publius Clodius und Curio sind völlig verschieden, sowohl im Charakter als auch im Aussehen.«

»Das macht die Ehe zum Abenteuer, Atticus. Nach Clodius’ Tod war ich sehr einsam, und Curio war immer da. Ich habe ihn nie als Mann gesehen, aber je genauer ich ihn dann ansah, desto reizvoller erschien mir der Unterschied zu Clodius. Seine Sommersprossen, seine Unkompliziertheit, der schreckliche widerspenstige Haarschopf, die Zahnlücke — und schließlich die Aussicht auf ein rothaariges Kind.«

»Wie Kinder aussehen, hat nichts mit ihrem Erzeuger zu tun«, sagte Atticus nachdenklich. »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß die Mütter sie schon in der Gebärmutter nach ihren Wünschen formen.«

»Unsinn!« Fulvia kicherte.

»Nein, ich meine das im Ernst. Wenn sich ein Kind als Enttäuschung herausstellt, so hat die Mutter sich nicht genügend Mühe gegeben. Als meine Pilia mit Attica schwanger war, hat sie sich fest vorgenommen, ein Mädchen mit süßen, kleinen Ohren zu gebären, obwohl in ihrer und auch in meiner Familie eher große Ohren üblich sind. Sie hat sich nur auf das Geschlecht und die Ohren konzentriert, und siehe da: Attica hat kleine Ohren, und sie ist ein Mädchen.«

Solcher Art waren die Gespräche zwischen Fulvia und ihrem besten Freund Atticus. Fulvia erfuhr von ihm die männliche Sicht weiblicher Probleme, und Atticus hatte die eher seltene Gelegenheit, er selbst zu sein. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, und sie brauchten sich auch nicht gegenseitig zu beeindrucken.

Der vergnügliche Besuch Atticus’ bei Fulvia wurden jedoch von Marcus Antonius gestört, dessen Anwesenheit innerhalb des pomerium Fulvia so sehr erschreckte, daß sie bei seinem Anblick erblaßte und zu zittern begann.

Antonius’ Gesicht war hart und verschlossen; er konnte weder sitzen noch sprechen, unentschlossen stand er im Raum, und seine Augen irrten überallhin, nur um Fulvias Blick auszuweichen.

Fulvia streckte hilfesuchend die Hand nach Atticus aus. »Antonius, was ist geschehen?«

»Curio!« platzte es aus ihm heraus. »Ach, Fulvia, Curio ist tot!«

Ihr Kopf schien auf einmal wie mit Watte gefüllt. Mit offenem Mund und glasigen Augen starrte sie ihn an. Als würde eine unsichtbare Hand sie berühren, stand sie auf und fiel im selben Moment auch schon auf die Knie. Sie konnte Antonius’ Worte nicht begreifen, konnte nicht glauben, was sie da gehört hatte.

Antonius und Atticus hoben sie auf, setzten sie in einen Sessel mit hoher Lehne und rieben ihre schlaffen Hände.

Ihr Herz klopfte und raste, und sie wollte sterben. Sie fühlte keinen Schmerz, noch nicht; das würde später kommen. Sie hatte keine Worte, keine Luft, um aufzuschreien, keine Kraft, um wegzurennen.

Über ihren Kopf hinweg sahen Antonius und Atticus sich an.

»Wie ist es passiert?« fragte Atticus mit unsicherer Stimme.

»Juba und Varus haben Curio in eine Falle gelockt. Er hatte sich bis dahin gut geschlagen, aber er ist kein Stratege. Sie haben sein Heer vollständig niedergemetzelt, kaum ein Mann überlebte. Curio fiel in der Schlacht.«

»Ihn hätten wir nicht verlieren dürfen.«

Antonius wandte sich wieder Fulvia zu, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und nahm ihr Kinn in seine große Hand. »Hast du gehört, was ich gesagt habe, Fulvia?«

»Ich will es nicht hören!« sagte sie zitternd.

»Das weiß ich, aber du mußt.«

»Ich habe ihn geliebt, Marcus, geliebt!«

Warum war er hier? Aber er hatte kommen müssen, Imperium hin oder her. Die Nachricht hatte ihn und Lepidus mit demselben Kurier erreicht, und Lepidus war sofort zu Pompeius’ Villa auf dem Marsfeld hinausgeritten, wo Antonius, Caesars Beispiel folgend, wohnte, wenn er in der Nähe von Rom war. Curios Tod hatte Antonius schwer getroffen; er war von Jugendalter an Curios bester Freund gewesen und weinte jetzt um die alten Tage und um das, was aus Curio unter Caesar hätte werden können. Wie fröhlich er in den Kampf gezogen war, der Narr!

Für den ehrgeizigen Lepidus dagegen fiel mit Curios Tod ein Rivale weg. Er war allerdings nicht klug genug gewesen, seine Befriedigung vor Antonius zu verbergen, der sich bei Lepidus’ Eintreffen die Tränen aus den Augen gewischt und geschworen hatte, seinen Freund an Attius Varus und König Juba zu rächen. Lepidus hatte den jähen Stimmungswechsel Antonius’ mangelnder Zuneigung für Curio zugeschrieben und aus seinen eigenen Gefühlen keinen Hehl gemacht.

»Ich finde es gut«, hatte er zufrieden gesagt.

»Und warurn, wenn ich fragen darf?« fragte Antonius ruhig.

Lepidus zuckte mit den Achseln und verzog das Gesicht. »Curio war gekauft, man konnte ihm nicht trauen.«

»Dein Bruder Paullus war auch gekauft. Konnte man ihm auch nicht trauen?«

»Das waren andere Umstände«, sagte Lepidus steif.

»Da hast du allerdings recht. Curio hat Caesar für dessen Geld etwas gegeben, während Paullus das Geld ohne Gegenleistung geschluckt hat!«

»Ich bin nicht gekommen, um zu streiten, Antonius.«

»Auch gut. Du kannst mir sowieso nicht das Wasser reichen.«

»Ich werde den Senat einberufen und ihm die Nachricht mitteilen.«

»Aber bitte außerhalb des pomerium — und ich will die Nachricht überbringen!«

»Wie du wünschst. Das heißt dann wohl, mir bleibt die Aufgabe, es dieser gräßlichen Fulvia zu sagen.« Lepidus lächelte. »Aber es macht mir nichts aus, nicht das geringste. Ich werde es sogar genießen, die Nachricht jemandem mitzuteilen, den ich so wenig leiden kann.«

Antonius stand auf. »Ich sage es Fulvia.«

»Das geht nicht!« rief Lepidus. »Du darfst die Stadt nicht betreten.«

»Ich tue, was ich will!« schrie Antonius. »Glaubst du etwa, ich überlasse das einem Eisklotz wie dir? Lieber sterbe ich! Fulvia ist eine wunderbare Frau!«

»Ich verbiete es dir, Antonius. Du trägst ein Imperium.«

Antonius grinste. »Was für ein Imperium denn, Lepidus? Das Imperium, das Caesar mir gegeben hat, ist doch noch gar nicht rechtskräftig. Bis es soweit ist, bis ich also durch eine lex curiata von den Komitien bestätigt werde, komme und gehe ich, wie es mir paßt!«

Antonius hatte Fulvia immer gemocht. Bereit, noch einmal zu lieben und das Leben noch einmal neu zu beginnen, hatte sie sich nach Clodius’ Tod ohne Vorbehalt Curio hingegeben. Und sie war die einzige Frau in Rom, die keinerlei Neigung zur Untreue verspürte. Wie unverschämt von Lepidus, sie gräßlich zu nennen!

»Ich habe ihn geliebt, Marcus, geliebt«, wiederholte sie.

»Ich weiß, Fulvia. Er konnte sich glücklich schätzen.«

Jetzt flossen Fulvias Tränen. Von Mitleid überwältigt, rückte Atticus seinen Stuhl näher an den ihren und wiegte sie an seiner Brust. Er blickte Antonius an, und als dieser sah, daß Fulvia bei Atticus gut aufgehoben war, ließ er ihre Hand los, stand auf und ging.

Innerhalb von drei Jahren war sie so zum zweitenmal Witwe geworden. Trotz ihrer Stärke und ihres stolzen Erbes konnte die Enkelin des Gaius Gracchus den Blick auf ihr plötzlich sinnlos gewordenes Leben nicht ertragen. So mußte sich Gaius Gracchus vor zweiundachtzig Jahren im Hain von Furina unterhalb des Janiculum-Hügels gefühlt haben — seine Pläne gescheitert und seine Anhänger tot, hatte er sich durch einen Sklaven töten lassen. Seine Gegner hatten sich damit begnügen müssen, seine Leiche zu köpfen und ihr ein Begräbnis zu verweigern.

»Hilf mir sterben, Atticus!« schluchzte Fulvia.

»Damit deine Kinder zu Waisen werden? Du darfst nicht nur an Clodius und Curio denken. Was soll denn aus dem kleinen Curio werden?«

»Ich will sterben, nur sterben!« weinte sie. »Laß mich bitte sterben!«

»Das kann ich nicht, Fulvia. Der Tod ist das Ende von allem. Du mußt für deine Kinder weiterleben.«

Vor einem ausgedünnten, willfährigen Senat ging Lepidus daran, weitere Anordnungen Caesars umzusetzen.

»Ich möchte nicht an eine Zeit erinnern, die man am besten vergessen sollte«, sagte er zu der kleinen Zuhörerschaft, »ich möchte lediglich eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, daß Rom damals nach der Schlacht an der Porta Collina äußerst geschwächt und völlig unregierbar war. Lucius Cornelius Sulla wurde zum Diktator ernannt, weil Rom nur so wieder auf die Beine kommen konnte und weil damals nicht lange über verschiedene Meinungen debattiert werden konnte, wie es eigentlich notwendig ist. Immer wieder in der Geschichte der Republik war es notwendig, das Wohl Roms und des Römischen Reiches in die Hände eines starken Mannes zu legen, eines Diktators. Leider haben wir zuletzt Sulla als Diktator gehabt, der am Ende seiner Amtszeit, die ja höchstens sechs Monate dauern darf, nicht zurücktrat und der das Leben und den Besitz der führenden Bürger des Landes nicht respektierte.«

Die Senatoren hörten ihm besorgt zu. Wie wollte Lepidus die Tributkomitien je dazu überreden, den Erlaß zu verabschieden, den er ihnen hier vorstellte? Sie selbst hatten als Parteigänger Caesars keine andere Wahl, aber die Komitien wurden von den Rittern beherrscht, von jenem Stand, den sich der Diktator Sulla damals als Opfer für seine Proskriptionen ausgesucht hatte.

»Caesar ist nicht Sulla!« sagte Lepidus im Brustton der Überzeugung. »Sein Ziel ist nur, eine fähige Regierung zu bekommen und den Schaden wiedergutzumachen, den das Verschwinden Gnaeus Pompeius’ und der ihm hörigen Senatoren der Stadt zugefügt hat. Die Geschäfte liegen darnieder, die Wirtschaft ist zerrüttet, Schuldner und Gläubiger sind geschädigt. Wer sich ansieht, was Caesar bisher getan hat, weiß, daß Caesar kein Dummkopf ist und keine Vetternwirtschaft betreibt, sondern daß er tut, was getan werden muß. Und dazu müssen wir ihn zum Diktator ernennen. Wie ihr wißt, ist es kein Präzedenzfall, daß ein einfacher Prätor darum bittet. Aber wir brauchen Wahlen, wir brauchen Stabilität, und wir brauchen eine starke Hand — nicht die meine, Senatoren, das maße ich mir nicht an. Gaius Julius Caesar muß Diktator von Rom werden!«

Sein Antrag wurde angenommen, und Lepidus leitete ihn an die Versammlung der Tribus weiter, die Versammlung des gesamten römischen Volkes, gegliedert in patrizische und plebejische Tribus. Eigentlich hätte er ihn den Zenturiatskomitien vorlegen müssen, der nach Zenturien gegliederten Volksversammlung, dort aber besaßen die Ritter die Mehrheit, jene Klasse also, die sich der Ernennung eines Diktators sicher mit aller Macht entgegenstellen würde.

Der Zeitpunkt für den Antrag war umsichtig gewählt. Anfang September war Rom voller Besucher vom Land, die den ludi Romani beiwohnen wollten. Da die beiden für die Ausrichtung der Spiele zuständigen kurulischen Ädilen zu Pompeius geflohen waren, betraute Lepidus als vorläufiger Regent der Stadt kurzerhand zwei Senatoren damit und bezahlte sie aus Caesars privater Kasse, nicht ohne ständig zu betonen, daß die kurulischen Ädilen ihre Pflicht gegenüber Jupiter Optimus Maximus verletzt hätten und Caesar für sie in die Bresche gesprungen sei.

War aber die Landbevölkerung stark vertreten, konnte die Versammlung der Tribus nicht von den Wählern der ersten Klasse, den Rittern, manipuliert werden, denn die Stimmberechtigten aus den einunddreißig Landbezirken stellten die große Mehrheit und neigten trotz ihres beträchtlichen Wohlstandes dazu, für einen Mann zu stimmen, den sie kannten. Pompeius hatte sich keinen Gefallen getan, als er offen von landesweiten Proskriptionen gesprochen hatte, während die Milde, die Caesar wiederholt gezeigt hatte, diesem nun zugute kam. Die Leute mochten Caesar, sie glaubten an ihn, und sie stimmten in der Volksversammlung für seine Ernennung zum Diktator von Rom.

»Keine Angst!« beruhigte Atticus die reichen Geschäftsleute. »Caesar ist ein Gemäßigter, kein Radikaler! Er wird weder Schulden erlassen noch proskribieren, ihr werdet schon sehen!«