V. Das Land der langhaarigen Gallier

Januar bis Dezember 51 v. Chr.

Als die Nachricht von Vercingetorix’ Niederlage und Gefangennahme in Rom eintraf, ordnete der Senat ein Dankfest von zwanzig Tagen an. Das konnte freilich den Schaden nicht ungeschehen machen, den Pompeius und seine neuen Bundesgenossen, die boni, Caesar während dieses Jahres ununterbrochener Kämpfe zugefügt hatten. Sie hatten genau gewußt, daß Caesar weder die Zeit noch die Energie hatte, sich gegen ihre Machenschaften persönlich zur Wehr zu setzen. Caesar ließ sich über das Geschehen in Rom zwar auf dem laufenden halten, doch beschäftigten ihn dringendere Dinge. Er mußte Proviant für seine Legionen auftreiben, dafür sorgen, daß das Leben seiner Männer nicht unnötig aufs Spiel gesetzt wurde und nicht zuletzt Vercingetorix niederringen. Und auch wenn seine Agenten wie Balbus, Oppius und Rabirius Postumus sich nach Kräften bemühten, das Schlimmste abzuwenden, hatten sie doch weder Caesars politische Weitsicht noch seine unbestreitbare Autorität. Kostbare Zeit wurde mit dem Hin-- und Herschicken von Briefen und dem Warten auf Antworten verschwendet.

Kurz nachdem Pompeius Konsul ohne Amtskollege geworden war, heiratete er Cornelia Metella und wechselte vollständig ins Lager der boni über. Den ersten Beweis für seinen Gesinnungswandel lieferte er Ende März, als er einen Beschluß des Senats vom Vorjahr in geltendes Recht verwandelte. Oberflächlich betrachtet handelte es sich um eine harmlose Sache, ein unbedeutendes Gesetz, doch als Caesar den Brief von Balbus las, erkannte er sofort, was in Wirklichkeit dahintersteckte. Von nun an mußte jeder amtierende Prätor oder Konsul fünf Jahre warten, bevor er Statthalter einer Provinz werden konnte, ein Ärgernis, das noch dadurch verschlimmert wurde, daß dadurch eine Gruppe potentieller Statthalter geschaffen wurde, die jederzeit mit der Verwaltung einer Provinz betraut werden konnten: jene Männer nämlich, die es nach Ablauf ihrer Amtszeit als Prätor oder Konsul abgelehnt hatten, eine Provinz zu übernehmen. Jetzt waren sie gesetzlich verpflichtet, Statthalter zu werden, sobald der Senat es ihnen befahl.

Noch schlimmer als dieses Gesetz war ein anderes, das Pompeius durchsetzte und das vorschrieb, daß alle Kandidaten für das Amt eines Prätors oder Konsuls ihre Bewerbung persönlich in Rom anmelden mußten. Sämtliche Mitglieder von Caesars überaus mächtiger Partei protestierten heftig — es sei eine Ungerechtigkeit gegenüber Caesar, ein Verstoß gegen das Gesetz der Zehn Volkstribunen, nach dem Caesar in absentia für sein zweites Konsulat kandidieren durfte! Pompeius tat daraufhin, als habe er das ganz vergessen, und fügte seiner lex Pompeia de iure magistratuum eine Ergänzung hinzu, die Caesar von dieser Vorschrift ausnahm. Dumm war nur, daß er die Ergänzung nicht mit auf die Bronzetafel schrieb, auf der sein Gesetz stand, weshalb sie keine Gesetzeskraft erlangte.

Caesar erhielt die Nachricht, daß ihm eine Kandidatur in absentia verwehrt wurde, während er die Belagerungsterrasse in Avaricum baute. Auf Avaricum folgte Gergovia, auf Gergovia der Aufstand der Haeduer. Als sich Caesar in Decetia mit den Haeduern auseinandersetzte, erfuhr er, daß der Senat die Zuteilung der Provinzen für das kommende Jahr, von der die gegenwärtigen Prätoren und Konsuln für die nächsten fünf Jahre ausgeschlossen waren, auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Die Senatoren überlegten ratlos, woher sie die Statthalter für das nächste Jahr nehmen sollten, doch Pompeius lachte nur. Dann mußten eben jetzt die Männer Statthalter werden, die das nach Ablauf ihrer Amtszeit abgelehnt hatten, ob es ihnen gefiel oder nicht. Daraufhin entsandte man Cicero als Statthalter nach Kilikien und Bibulus als Statthalter nach Syrien — Aussichten, die die beiden Stubenhocker mit Schrecken erfüllten.

Vor Alesia erhielt Caesar einen Brief aus Rom, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß Pompeius erfolgreich die Wahl seines neuen Schwiegervaters Metellus Scipio zum Mitkonsul für das restliche Jahr betrieben hatte. Und — eine weitaus erfreulichere Nachricht — daß Cato, der sich für das kommende Jahr um das Amt des Konsuls beworben hatte, eine schmähliche Niederlage hatte hinnehmen müssen. Trotz seiner vielbewunderten Unbestechlichkeit hatte er die Wähler nicht überzeugen können, vermutlich deshalb, weil die Mitglieder der Ersten Klasse in den Zenturiatkomitien lieber einen Mann zum Konsul wählten, von dem sie sich (gegen eine kleine finanzielle Zuwendung) die eine oder andere Gefälligkeit erhofften.

Zum Jahreswechsel weilte Caesar immer noch im Land der langhaarigen Gallier. Er konnte unmöglich die Alpen überqueren, um von Ravenna aus das Geschehen in Rom zu verfolgen. Mit Servius Sulpicius Rufus und Marcus Claudius Marcellus würden in Kürze zwei feindlich gesinnte Konsuln ihr Amt antreten, eine Aussicht, die Caesar reichlich verdroß. Immerhin war es ein schwacher Trost, daß nicht weniger als vier der neuen Volkstribunen gekaufte Parteigänger Caesars waren. Marcus Marcellus, der zweite Konsul, sprach bereits davon, Caesar seine Befehlsgewalt, die Provinzen und das Heer abzuerkennen, obwohl das von Gaius Trebonius durchgebrachte Gesetz, das Caesar weitere fünf Jahre in Gallien bewilligte, ausdrücklich verbot, daß über diese Angelegenheit vor März nächsten Jahres, also in fünfzehn Monaten, gesprochen wurde. Aber Verfassungstreue war etwas für Kleingeister, die boni scherten sich, wenn sie es auf Caesar abgesehen hatten, einen Dreck um die Verfassung.

Und Caesar, dessen Leben zu jener Zeit von Trauer überschattet wurde, kam nicht zur Ruhe, um das zu tun, was er eigentlich hätte tun müssen: nämlich Männer wie Balbus oder Gaius Vibius Pansa, seinen wichtigsten Volkstribunen, nach Bibracte kommen zu lassen, sich mit ihnen zu besprechen und ihnen Anweisungen für ihr weiteres Vorgehen zu geben. Natürlich hätten seine Anhänger die eine oder andere Taktik versuchen können, doch dazu wäre ein Treffen mit Caesar persönlich notwendig gewesen. Pompeius sonnte sich weiterhin in der Anerkennung der boni und war glücklicher Mann einer Frau von höchstem Adel, aber wenigstens war er nicht mehr im Amt, und Servius Sulpicius, der neue erste Konsul, war ein zugängliches und besonnenes Mitglied der boni und kein unbeherrschter Hitzkopf wie Marcus Marcellus.

Anstatt sich mit Rom zu befassen, brach Caesar auf, um die Biturigen zu unterwerfen, und begnügte sich damit, auf dem Marsch einen Briet an den Senat zu diktieren. Angesichts seines beispiellosen Erfolgs in Gallien, so schrieb er, sei es nur recht und billig, wenn er genauso wie Pompeius als Statthalter von Spanien behandelt würde.

Pompeius’ »Wahl« zum Konsul ohne Kollegen habe ja bekanntlich in absentia stattgefunden, während Pompeius die spanischen Provinzen verwaltet habe, was er im übrigen noch immer tue und auch während seines gesamten Konsulats getan habe. Sollten die eingeschriebenen Väter des Senats also nicht auch seine, Caesars, Dienstzeit in Gallien und Illyricum verlängern, bis er in drei Jahren das Konsulat übernehmen könne? Was Pompeius zugestanden würde, solle auch Caesar zugestanden werden. Auf Pompeius’ neues Gesetz, nach dem man sich persönlich um das Amt des Konsuls zu bewerben hatte, ging Caesar gar nicht erst ein. Sein Schweigen in diesem Punkt gab deutlich genug zu verstehen, daß er voraussetzte, daß Pompeius’ Gesetz nicht für ihn galt.

Mindestens drei nundinae würden verstreichen, bevor er auf dieses Schreiben eine Antwort erhalten würde; Caesar verwendete sie dazu, die Biturigen in um Gnade winselnde Bittsteller zu verwandeln. Sein Feldzug bestand aus einer Reihe von Gewaltmärschen, bei denen am Tag fünfzig Meilen zurückgelegt wurden. Kaum hatte er einen Ort niedergebrannt und geplündert und die Bewohner getötet oder versklavt, tauchte er auch schon, noch bevor irgend jemand durch Zurufe hätte gewarnt werden können, fünfzig Meilen weiter auf. Inzwischen wußte er, daß die Gallier sich noch längst nicht geschlagen gaben. Ihre neue Strategie bestand darin, überall im Lande gleichzeitig kleinere Aufstände aufflackern zu lassen, die Caesar zwangen, vorzugehen wie jemand, der zehn Feuer an zehn verschiedenen Stellen gleichzeitig austreten muß.

Caesar konterte, indem er der Reihe nach einige der mächtigsten Stämme niederwarf, angefangen bei den Biturigen, die darüber empört waren, daß Biturgo nach Rom geschickt worden war, um in Caesars Triumphzug zu marschieren. Caesar setzte nur zwei Legionen ein, die Dreizehnte und die neue Fünfzehnte; die Dreizehnte, weil sie die Unglückszahl trug, und die Fünfzehnte, weil sie aus unerfahrenen Rekruten bestand. In dieser Legion mit der höchsten Nummer konnten die Legionäre Erfahrung sammeln, bis sie zum Auffüllen anderer Legionen gebraucht wurden. Die gegenwärtige Fünfzehnte war das Ergebnis eines von Pompeius Anfang letzten Jahres erwirkten Gesetzes, demzufolge alle männlichen römischen Bürger zwischen siebzehn und vierzig Jahren Militärdienst leisten mußten; ein nützliches Gesetz für Caesar, der zwar nie Schwierigkeiten hatte, genügend Freiwillige zu bekommen, jedoch häufig mit dem Senat in Konflikt geriet, weil er mehr Männer rekrutierte, als ihm genehmigt worden waren.

Am neunten Tag des Februar kehrte Caesar nach Bibracte zurück. Das Land der Biturigen war verwüstet, die meisten ihrer Krieger tot und Frauen und Kinder gefangen. In Bibracte erwartete ihn die Antwort des Senats auf seine Bitte um Verlängerung seiner Statthalterschaft. Er mochte mit dieser Antwort gerechnet haben, hatte sie sich aber trotzdem nicht wirklich vorstellen können, allein schon deshalb, weil die Ablehnung seines Gesuchs den Gipfel der Dummheit bedeutete.

Die Antwort lautete nein; der Senat sei nicht bereit, Caesar in gleicher Weise wie Pompeius zu behandeln. Wenn Caesar in drei Jahren Konsul werden wolle, gelte für ihn dasselbe wie für jeden anderen römischen Statthalter: Er müsse sein Imperium, seine Provinzen und sein Heer abgeben und sich persönlich in Rom als Kandidat aufstellen lassen. Worauf die Antwort nicht einging, war Caesars stillschweigende Annahme, er würde zum ersten Konsul gewählt werden. Jeder wußte, daß das ohnehin geschehen würde, denn bisher hatte Caesar noch bei jeder Wahl, an der er teilgenommen hatte, die meisten Stimmen erhalten. Dazu brauchte er niemanden zu bestechen, was er auch gar nicht gewagt hätte. Zu viele Feinde lauerten darauf, ihn anklagen zu können.

Caesar sah auf das kurz angebundene Schreiben in seiner Hand und beschloß, sich für alle Eventualitäten zu wappnen.

Sie wollen mir nicht geben, was mir zusteht. Aber einem halben Römer wie Pompeius kommen sie entgegen und verbeugen sich tief vor ihm. Tragen ihn auf Händen, reden ihm ein, wie wichtig er sei, während sie sich gleichzeitig hinter vorgehaltener Hand über ihn lustig machen. Hm, das ist sein Problem. Eines Tages wird er erkennen, was sie wirklich von ihm halten. Zu gegebener Zeit werden sie die Maske fallen lassen, und Pompeius wird aufwachen. Es ist genau wie bei Cicero, als Catilina das Konsulat schon sicher schien. Die boni machten sich plötzlich für den Bauerntölpel aus Arpinum stark, um einen Mann aus vornehmstem Patriziergeschlecht auszuschalten. Jetzt ergreifen sie Partei für Pompeius, um mich auszuschalten. Aber das werde ich nicht zulassen. Ich bin kein Catilina! Sie wollen mir nur deshalb ans Leder, weil meine Vortrefflichkeit ihnen das ganze Ausmaß ihrer eigenen Unzulänglichkeit vor Augen führt. Sie bilden sich ein, sie könnten mich zwingen, wegen der Kandidatur für das Konsulat das pomerium, die geheiligte Stadtgrenze von Rom, zu überschreiten und damit mein Imperium, das mich vor strafrechtlicher Verfolgung schützt, abzugeben. In Rom würden alle nur darauf warten, sich mit einem Dutzend erfundener Anklagen wegen Landesverrats, Erpressung, Bestechung und Unterschlagung auf mich zu stürzen — auch wegen Mordes, wenn sie jemanden auftreiben könnten, der bezeugt, daß ich mich in die Lautumiae geschlichen habe, um Vettius zu erdrosseln. Es würde mir wie Gabinius oder Milo ergehen. Ich würde von so vielen Gerichten für so viele Verbrechen verurteilt, daß ich mich nie wieder in Italia sehen lassen könnte. Man würde mir die Bürgerrechte aberkennen, meine Erfolge würden aus den Geschichtsbüchern getilgt, und Männer wie Ahenobarbus und Metellus Scipio würden in meine Provinzen kommen, um die Früchte meiner Arbeit zu ernten, so wie Pompeius es bei Lucullus getan hat.

Doch das wird nicht geschehen. Ich werde es nicht zulassen, egal was ich tun muß, um es zu verhindern. Inzwischen werde ich mich weiter um die Erlaubnis für eine Kandidatur in absentia bemühen, damit ich mein Imperium behalten kann, bis ich das Imperium des ersten Konsuls übernehme. Man soll mir nicht nachsagen können, ich würde gegen die Verfassung verstoßen. Alles muß streng nach dem mos maiorum geschehen. Mein größter Ehrgeiz besteht darin, mein zweites Konsulat auf legalem Weg zu erlangen. Sobald ich erst Konsul bin, werde ich mit den erfundenen Beschuldigungen schon fertig. Das wissen sie, und das fürchten sie. Aber sie können nicht verlieren. Denn wenn sie verlieren, käme das dem Eingeständnis gleich, daß ich ihnen in jeder denkbaren Hinsicht überlegen bin. Wenn ich sie auf legalem Weg schlage, werden sie keinen anderen Ausweg sehen, als sich den nächsten Felsen hinabzustürzen.

Doch ich muß auch mit dem Schlimmsten rechnen. Ich muß Vorkehrungen treffen, daß ich mein Ziel notfalls auch außerhalb des Gesetzes erreiche. Diese Narren! Immer unterschätzen sie mich.

Jupiter Optimus Maximus, wenn das der Name ist, auf den du hörst, Jupiter Optimus Maximus, welchem Geschlecht auch immer du den Vorzug gibst, Jupiter Optimus Maximus, der du sämtliche Götter und Naturgewalten Roms in dir vereinst, Jupiter Optimus Maximus, steh mir bei, auf daß ich siege! Wenn du das tust, werde ich dir opfern und die größte Ehre erweisen. . .

Der Feldzug gegen die Biturigen hatte insgesamt vierzig Tage gedauert. Sobald Caesar in das Lager unterhalb des von Haeduern bewohnten Bibracte zurückgekehrt war, ließ er die Legionäre der Dreizehnten und Fünfzehnten antreten und schenkte jedem eine biturgische Gefangene, die die Männer entweder als Dienerin behalten oder an Sklavenhändler verkaufen konnten. Zusätzlich schenkte er aus eigenen Mitteln jedem einfachen Soldaten zweihundert und jedem Zenturio zweitausend Sesterze.

»Das ist mein Dank für eure tüchtige Arbeit«, sagte er zu ihnen. »Was Rom euch bezahlt, steht auf einem anderen Blatt, aber es ist an der Zeit, daß ich, Gaius Julius Caesar, euch etwas aus meiner eigenen Tasche gebe, um euch meinen besonderen Dank auszudrücken. In den vergangenen vierzig Tagen haben wir nur geringe Beute machen können, aber ich habe von euch verlangt, an fast jedem dieser vierzig Tage fünfzig Meilen zu marschieren. Nach einem schrecklichen Winter, Frühjahr und Sommer im Feld gegen Vercingetorix hättet ihr es eigentlich verdient, auszuruhen und mindestens ein halbes Jahr lang nichts zu tun. Aber habt ihr etwa gemurrt, als ich euch gesagt habe, ihr müßtet marschieren? Nein! Habt ihr euch beschwert, als ich Herkulesarbeit von euch verlangt habe? Nein! Habt ihr getrödelt, mehr zu essen verlangt oder auch nur einen Moment lang weniger als euer Bestes gegeben? Nein und nochmals nein! Ihr seid Caesars Legionäre, und Rom hat nie euresgleichen gesehen! Ich liebe euch und werde das tun, solange ich lebe!«

Begeistert jubelten sie ihm zu, nicht nur wegen seiner Worte, sondern auch wegen des Geldes und der Sklavinnen, die ebenfalls aus seinem Privatvermögen stammten, da Erlöse aus dem Verkauf von Sklaven ausschließlich dem Feldherrn zustanden.

Trebonius sah Decimus Brutus an, der neben ihm stand. »Was, glaubst du, hat er vor, Decimus? Es ist eine schöne Geste, aber die Legionäre haben das doch gar nicht erwartet. Ich kann mir nicht erklären, was in ihn gefahren ist, daß er so etwas macht.«

»Im selben Sack, mit dem der Brief des Senats an Caesar kam, war auch ein Brief von Curio an mich«, sagte Decimus Brutus. Er sprach so leise, daß Marcus Antonius und die Tribunen ihn nicht verstehen konnten.

»Man will Caesar nicht in absentia kandidieren lassen, und die Senatoren wollen ihm offenbar sein Imperium so schnell wie möglich aberkennen. Sie wollen, daß er in Ungnade fällt und verbannt wird. Das will jedenfalls Pompeius Magnus.«

Trebonius grunzte verächtlich. »Das letzte überrascht mich überhaupt nicht. Pompeius ist noch nicht einmal den Absatz von Caesars Stiefeln wert.«

»Die anderen auch nicht.«

»Das versteht sich ja wohl von selbst.« Trebonius verließ zusammen mit Decimus Brutus den Paradeplatz. »Glaubst du, er würde es tun?«

Decimus Brutus zuckte mit keiner Wimper. »Ich glaube... ich glaube, wenn sie ihn provozieren, müssen sie wahnsinnig geworden sein. Ja, denn wenn sie ihm keine Wahl lassen, wird er nach Rom marschieren.«

»Und was passiert, wenn er es tut?«

Die fast unsichtbaren blonden Augenbrauen gingen nach oben. »Na, was wohl?«

»Dann bringt er sie um.«

»Das glaube ich auch.«

»Also müssen wir uns entscheiden, Decimus.«

»Du mußt dich vielleicht entscheiden, ich nicht. Ich bin Caesars Mann durch dick und dünn.«

»Ich auch. Trotzdem ist er kein Sulla.«

»Wofür wir dankbar sein sollten, Trebonius.«

Vielleicht lag es an dieser Unterhaltung, daß weder Decimus Brutus noch Gaius Trebonius beim Abendessen besonders gesprächig waren. Beide lagen gemeinsam auf dem lectus summus, während Caesar und Marcus Antonius jeweils ein Sofa für sich hatten, Caesar den lectus medius und Marcus Antonius den lectus imus gegenüber.

»Du warst sehr großzügig«, meinte Antonius, während er krachend einen Apfel mit zwei Bissen verschlang. »Ich weiß ja, daß du im Ruf stehst, freigebig zu sein, aber — «, er runzelte grimmig die Brauen und kniff die Augen zusammen, » — das waren immerhin insgesamt hundert Talente, die du heute verteilt hast, oder jedenfalls fast.«

Caesars Augen funkelten. Marcus Antonius amüsierte ihn außerordentlich, und er schätzte die Gutmütigkeit, mit der dieser seine Rolle als Zielscheibe von Caesars Spott hinnahm.

»Bei allem, was Merkur liebt, Antonius, deine mathematischen Fähigkeiten sind einfach phänomenal! Du hast diese Summe im Kopf ausgerechnet! Ich glaube, es wird wirklich Zeit, daß du die Pflichten eines Quästors übernimmst und den armen Gaius Trebatius das tun läßt, was seinen Neigungen und seiner Begabung mehr entspricht. Meint ihr nicht auch?« Er sah Trebonius und Decimus Brutus an.

Sie nickten grinsend.

»Ich scheiße auf die Pflichten eines Quästors!« murrte Antonius und ließ die Muskeln seiner Schenkel spielen, ein Anblick, bei dem vermutlich die gesamte Frauenwelt Roms in Ohnmacht gefallen wäre, der jedoch bei den Anwesenden keine Wirkung zeigte.

»Du mußt lernen, wie man mit Geld umgeht, Antonius«, sagte Caesar. »Mir ist klar, daß du glaubst, man könne es wie Wasser ausgießen, was deine immensen Schulden beweisen. Aber darüber hinaus ist es sehr nützlich für jemanden, der Konsul und Feldherr werden will.«

»Du weichst mir aus«, sagte Antonius vorwitzig, wobei er seine Frechheit durch ein gewinnendes Lächeln abschwächte. »Du hast hundert Talente an die Männer von zwei deiner elf Legionen ausgeteilt und jedem von ihnen eine Sklavin geschenkt, die er für noch einmal tausend Sesterze verkaufen könnte. Was aber vermutlich die wenigsten tun werden, weil du ihnen junge Frauen geschenkt hast.« Er rollte sich auf die andere Seite und ließ die Muskeln seiner kräftigen Waden spielen. »Was ich eigentlich wissen will, ist, ob du deine plötzliche Großzügigkeit auf diese zwei Legionen beschränken willst?«

»Das wäre unklug«, erwiderte Caesar ernst. »Ich plane weitere Feldzüge für den Herbst und Winter, bei denen ich jeweils zwei Legionen einsetzen werde. Allerdings immer verschiedene Legionen.«

»Schlau!« Antonius griff nach seinem Pokal und nahm einen kräftigen Schluck.

»Mein lieber Antonius, zwinge mich nicht dazu, den Wein wieder vom winterlichen Speiseplan zu streichen«, sagte Caesar. »Wenn du nicht in Maßen trinken kannst, werde ich ihn dir ganz verbieten. Verdünne ihn wenigstens mit Wasser.«

»Eines der vielen Dinge, die ich an dir nicht begreife, sind deine Vorbehalte gegen eines der schönsten Geschenke, die die Götter den Menschen gemacht haben. Wein ist ein Allheilmittel.«

»Er ist weder ein Allheilmittel noch ein Geschenk der Götter«, entgegnete Caesar. »Ich würde ihn eher einen Fluch nennen, direkt aus der Büchse der Pandora. Selbst sparsam genossen stumpft er das Schwert des Denkens so ab, daß man damit keine Haare mehr spalten kann.«

Antonius brüllte vor Lachen. »So ist das also, Caesar! Du bist nichts als ein Haarspalter!«

Achtzehn Tage nach seiner Rückkehr nach Bibracte brach Caesar erneut auf, um die Carnuten zu unterwerfen. Trebonius und Decimus Brutus begleiteten ihn, während Antonius sehr zu seinem Mißfallen zurückbleiben mußte, um im Lager nach dem Rechten zu sehen. Quintus Cicero kam mit der Siebten Legion aus dem Winterquartier in Cabillonum, Publius Sulpicius, der nicht selbst gebraucht wurde, schickte die Vierzehnte aus Matisco.

»Ich bin selbst gekommen, weil ich soeben einen Brief meines Bruders erhielt, mit der Aufforderung, ihn im April nach Kilikien zu begleiten«, sagte Quintus Cicero.

»Du scheinst nicht gerade glücklich darüber, Quintus«, meinte Caesar freundlich. »Du wirst mir fehlen.«

»Du mir auch. Die drei Jahre mit dir in Gallien waren die schönste Zeit meines Lebens.«

»Das höre ich gern, denn sie waren nicht leicht.«

»Nein, das waren sie wirklich nicht. Aber vielleicht waren sie gerade deshalb so schön. Ich... ich danke dir für dein Vertrauen, Caesar. Es gab Zeiten, da hätte ich ein gehöriges Donnerwetter verdient, etwa damals bei dem Zusammenstoß mit den Sugambrern, aber du hast mich nie angebrüllt oder mir das Gefühl gegeben, versagt zu haben.«

»Mein lieber Quintus«, sagte Caesar lächelnd, »warum hätte ich das tun sollen? Du warst ein hervorragender Legat, und ich wünschte, du würdest bis zum Ende bleiben.« Das Lächeln erlosch, und die Augen blickten plötzlich in die Ferne. »Wie immer das Ende aussehen mag.«

Verblüfft sah Quintus Cicero Caesar an, doch war dessen Gesicht völlig ausdruckslos geblieben. Natürlich hatte Ciceros Bruder in seinem Brief das Geschehen in Rom in aller Ausführlichkeit geschildert, doch kannte Quintus Caesar weniger gut als Trebonius oder Decimus Brutus und war auch nicht in Bibracte dabeigewesen, als Caesar die Männer der Dreizehnten und der Fünfzehnten Legion belohnt hatte.

Während Caesar nach Cenabum aufbrach, machte sich Quintus Cicero also schweren Herzens auf den Weg nach Rom, um Legat seines Bruders zu werden, ein Amt, das weder so schön noch so einträglich wie die Arbeit mit Caesar sein würde. Zurück unter die Fuchtel des großen Bruders, seinen Mahnungen und Predigten! Manchmal war die Familie schon eine furchtbare Plage. Ach ja...

Es war Ende Februar, und es wurde zunehmend kälter. Noch immer glich Cenabum einer verkohlten Trümmerlandschaft, und Caesar konnte in das oppidum einziehen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Im Schutz der Mauern ließ er das Lager aufschlagen. Einige Soldaten kamen in den noch stehenden Häusern unter, die anderen deckten die Dächer ihrer Zelte mit Stroh ab und verstärkten die Wände mit Grasnarben gegen die Kälte.

Dann ritt Caesar nach Carnutum zu Cathbad, dem Oberhaupt der Druiden, der, wie Caesar fand, viel älter und abgehärmter aussah als damals vor vielen Jahren. Das leuchtend goldene Haar war zu einem stumpfen Graublond verblaßt, der Blick der blauen Augen erschöpft.

»Es war dumm, sich gegen mich aufzulehnen, Cathbad«, sagte er.

Er sieht wirklich jeder Zoll wie ein Sieger aus, dachte Cathbad. Gab es denn nichts, was diese unglaubliche Selbstsicherheit erschüttern konnte, die kraftvolle Energie, die dieser Mann ausstrahlte? Warum mußten die Tuatha Caesar schicken, um gegen die Gallier zu kämpfen? Warum ausgerechnet ihn, wo es in Rom doch von Nieten nur so wimmelte?

»Ich hatte keine andere Wahl«, entgegnete Cathbad. Stolz reckte er das Kinn empor. »Ich nehme an, du bist gekommen, um mich gefangenzunehmen, damit ich mit den anderen in deinem Triumphzug marschiere.«

Caesar lächelte. »Cathbad, Cathbad! Hältst du mich für einen Narren? Gefangene zu machen und aufständische Könige unschädlich zu machen, ist das eine. Aber die Priester eines Landes zu demütigen, wäre absoluter Wahnsinn. Du hast hoffentlich bemerkt, daß kein Druide verhaftet oder daran gehindert wurde, seiner Arbeit als Heiler oder Ratgeber nachzugehen. Das ist mein fester Grundsatz, und meine Legaten wissen das.«

»Warum haben die Tuatha dich geschickt?«

»Ich nehme an, sie haben einen Pakt mit Jupiter Optimus Maximus geschlossen. Genau wie in unserer Welt gibt es auch in der Welt der Götter bestimmte Gesetze und Regeln. Offenbar hatten die Tuatha das Gefühl, daß die Kräfte, die sie mit den Galliern verbanden, auf rätselhafte Weise schwanden. Nicht, weil es den Galliern an der Bereitschaft gemangelt hätte, die religiösen Gebote zu befolgen, nein, Cathbad, einfach deshalb, weil nichts bleibt, wie es ist. Die Welt ändert sich, die Menschen ändern sich, die Zeit kommt und geht. Nicht anders die Götter aller Völker. Vielleicht mögen die Tuatha keine Menschenopfer mehr, so wie auch andere Götter ihrer überdrüssig wurden. Ich glaube, auch die Götter bleiben nicht ewig dieselben, Cathbad.«

»Interessant, daß ein so politisch und praktisch denkender Mensch zugleich so tief religiös sein kann.«

»Ich glaube von ganzem Herzen an unsere Götter.«

»Und was ist mit deiner Seele?«

»Wir Römer glauben anders als ihr Druiden nicht an Seelen. Was den Körper überdauert, ist nur ein unbeseelter Schatten. Der Tod ist ein Schlaf.«

»Dann müßtet ihr ihn mehr fürchten als die, die glauben, daß es ein Leben danach gibt.«

»Ich glaube, wir fürchten ihn weniger.« Aus den blaßblauen Augen leuchteten plötzlich Kummer und Leidenschaft. »Weshalb sollte sich jemand noch mehr von alldem wünschen? Das Leben ist ein Tränental, ein schrecklicher, kräftezehrender Kampf. Jeder Zoll, den wir gewinnen, wirft uns eine Meile zurück. Das Leben will bezwungen werden, Cathbad, aber um welchen Preis! Um welchen Preis! Niemand wird mich je besiegen, weil ich es nicht zulasse. Ich glaube an mich, und ich habe meine Pläne.«

»Worin besteht dann das Tränental?« fragte Cathbad.

»In den Methoden, in der Halsstarrigkeit der Menschen, ihrem Mangel an Voraussicht, im Nichterkennen des besten, des würdevollsten Weges. Sieben lange Jahre habe ich versucht, deinem Volk begreiflich zu machen, daß es nicht siegen kann, daß es sich der Zukunft Galliens wegen unterwerfen muß. Aber was machen die Gallier statt dessen? Sie stürzen sich in mein Feuer wie Motten ins Licht, sie zwingen mich, noch mehr von ihnen zu töten, noch mehr von ihnen zu versklaven, noch mehr Häuser, Dörfer und Städte zu zerstören. Ich würde viel lieber sanfter, milder vorgehen, aber sie lassen mich nicht.«

»Die Antwort ist einfach, Caesar. Da sie nicht aufgeben werden, mußt du es tun. Du hast Gallien ein Bewußtsein seiner Identität, seiner Macht und seiner Stärke gegeben, das durch nichts mehr auszulöschen ist. Wir Druiden werden noch in tausend Jahren von Vercingetorix singen.«

»Die Gallier müssen aufgeben, Cathbad! Ich kann es nicht. Deshalb bin ich zu dir gekommen. Ich bitte dich, ihnen zu sagen, daß sie aufgeben sollen. Sonst habe ich keine Wahl. Dann muß ich mit Gallien tun, was ich gerade mit den Biturigen getan habe. Aber ich will das nicht. Außer den Druiden würde niemand übrigbleiben. Was wäre das für ein Schicksal?«

»Ich werde ihnen nicht befehlen aufzugeben«, sagte Cathbad.

»Dann fange ich hier in Carnutum an. Nirgendwo sonst habe ich die Schätze verschont, aber hier galten sie als unantastbar. Wenn du dich mir in den Weg stellst, werde ich Carnutum plündern. Zwar wird weder einem Druiden noch seiner Frau oder seinen Kindern ein Haar gekrümmt, aber Carnutum verliert die Schätze an Opfergaben, die ihr über Jahrhunderte angehäuft habt.«

»Dann plündere Carnutum.«

Caesar seufzte aus tiefstem Herzen. »Zwar wird es im Alter nicht gerade tröstlich sein, sich seiner Greueltaten zu erinnern, aber was sein muß, muß sein.«

Cathbad lachte. »Unsinn, Caesar! Du weißt doch, wie sehr dich alle Götter lieben! Warum quälst du dich mit Gedanken, von denen du doch besser als alle anderen weißt, daß sie unnütz sind? Du wirst nicht alt werden, das würden die Götter nie zulassen. Sie werden dich in der Blüte deiner Jahre zu sich holen. Ich habe es in den Zeichen gesehen.«

Er hielt inne, doch jetzt lachte auch Caesar. »Für diese Auskunft danke ich dir! Ich verschone Carnutum.« Er wandte sich zum Gehen und sagte, immer noch lachend, über die Schulter: »Gallien verschone ich allerdings nicht!«

In den ersten Tagen eines harten, strengen Winters jagte Caesar die Carnuten durch ihr Land. Es erfroren mehr von ihnen auf den Feldern, als durch die Hand der Legionäre der Siebten und Vierzehnten Legion starben, denn die Carnuten hatten nichts mehr, wo sie hätten Schutz suchen können, weder Häuser noch andere Zufluchtsorte. Außerdem begann sich das Verhalten der Stämme zueinander zu ändern; wo noch vor einem Jahr benachbarte Stämme bereitwillig Flüchtlinge aufgenommen hatten, blieben jetzt die Türen verschlossen und Hilferufe verhallten — angeblich ungehört. Caesars Zermürbungstaktik begann zu wirken. Angst besiegte den Trotz.

Mitte April, als der Winter am kältesten war, ließ Caesar die Siebte und Vierzehnte bei Trebonius in Cenabum zurück und brach zu den Remern auf, die Alarm geschlagen hatten.

»Die Bellovacer«, sagte Dorix nur. »Correus ist mit seinen Männern nicht zur Heeresversammlung in Carnutum gezogen, und sowohl die zweitausend Mann, die er Commius mitgegeben hatte, als auch seine viertausend Atrebaten kamen unversehrt aus Alesia zurück. Jetzt haben sich Correus und Commius mit Ambiorix verbündet, der von der anderen Seite des großen Flusses zurückgekehrt ist. Sie haben die gesamten belgischen Torfmoore nach Männern durchkämmt — Nerviern, Eburonen, Menapiern, Atuatucern, Condrusern — und auch weiter im Süden und Westen gesucht — bei den Aulercern, Ambianern, Morinern, Veromanduern, Caleten und Verliocassen. Einige dieser Stämme sind ebenfalls nicht nach Carnutum gegangen, andere haben überlebt, weil sie schnell genug fliehen konnten. Wie ich höre, versammelt sich eine große Armee.«

»Bist du angegriffen worden?« fragte Caesar.

»Bisher noch nicht. Aber ich rechne damit.«

»Dann muß ich etwas unternehmen, bevor es geschieht. Du hast die Verträge mit uns immer eingehalten, Dorix. Jetzt bin ich dran.«

»Ich muß dich allerdings warnen, Caesar. Die Sugambrer sind keineswegs erfreut über die Beziehungen zwischen dir und den Ubiern. Die Ubier sind sehr reich geworden, seit sie dich mit Reitern versorgen, was die Sugambrer ärgert. Ihrer Meinung nach sollten alle Germanen davon profitieren, nicht nur die Ubier.«

»In anderen Worten, die Sugambrer kommen über den Rhenus, um Correus und Commius zu unterstützen.«

»Soweit ich weiß, ja. Commius und Ambiorix werben überall für ihre Ziele.«

Diesmal befahl Caesar die Elfte aus dem Winterquartier in Agedincum und forderte von Labienus die Achte und Neunte an. Gaius Fabius sollte mit der Zwölften und Sechsten in Suessionum an der Matrona, der Grenze zwischen dem Land der Remer und dem der Suessionen, in Stellung gehen. Als die Kundschafter mit der Nachricht zurückkehrten, daß es in Belgica gärte, wurden erneut Legionen verlegt. Die Siebte wurde zu Caesar geschickt, die Dreizehnte zu Titus Sextius bei den Biturigen, und Trebonius übernahm die Fünfte Alauda, um die Siebte in Cenabum zu ersetzen.

Als Caesar und seine Legionen jedoch bellovacisches Gebiet betraten, fanden sie es verlassen vor; lediglich Leibeigene, Frauen und Kinder kümmerten sich um Haus und Hof, während die Krieger ausgerückt waren — den Kundschaftern zufolge versammelten sie sich im Nordwesten auf einer trockenen Anhöhe inmitten eines bewaldeten Sumpfes.

»Wir machen es diesmal anders«, sagte Caesar zu Decimus Brutus. »Anstatt einzeln hintereinanderher lassen wir die Siebte, Achte und Neunte in Kolonnen nebeneinander marschieren, dann sieht der Feind auf den ersten Blick unsere gesamte Stärke. Der Troß folgt unmittelbar danach, und die Elfte stecken wir in die Nachhut, so daß der Feind sie gar nicht zu sehen bekommt.«

»Ein guter Plan. Sie werden glauben, wir hätten Angst und wären nur drei Legionen stark.«

Der Anblick des Gegners war erschreckend: Auf der Anhöhe wimmelte es von Tausenden und Abertausenden von Kriegern.

»Mehr als ich erwartet habe«, sagte Caesar und schickte nach Trebonius, der unterwegs noch Titus Sextius und die Dreizehnte einsammeln sollte.

Während Caesar seine Männer in einem stark befestigten Lager unterbrachte, kam es zu einigen Täuschungsmanövern und Geplänkeln. Der Befehlshaber der Gallier, Correus, trat in Kampfformation an, änderte seine Meinung dann aber wieder, obwohl vereinbart worden war, daß er Caesar angreifen sollte, solange dieser nur drei Legionen hatte.

Die Reiter, die Caesar von den Remern und Lingonen angefordert hatte, trafen noch vor Trebonius ein. Sie wurden von Dorix’ Onkel Vertiscus, einem tapferen, kampflustigen alten Krieger, angeführt. Da die Bellovacer Vercingetorix’ Taktik der verbrannten Erde nicht übernommen hatten, fanden die Römer reichlich Nahrung und Getreide vor, und als der Feldzug länger als ursprünglich angenommen zu werden drohte, ließ Caesar möglichst große Vorräte anlegen. Obwohl sich Correus’ Armee weigerte, ihre hochgelegene Stellung zu verlassen und in voller Stärke anzugreifen, stellte sie bis zur Ankunft der Remer ein großes Ärgernis für die auf Nahrungssuche umherstreifenden Römer dar. Danach wurde es einfacher. Doch Vertiscus ließ sich von seiner Kampflust verführen. Trotz der Stärke der belgischen Truppen, die die nahrungssuchenden Römer bedrängten, nahmen seine als Begleitschutz bestimmten Remer die Verfolgung der Belgen auf und wurden in einen Hinterhalt gelockt. Vertiscus kam dabei zur Freude der Belgen ums Leben. Correus beschloß daraufhin, daß es nun Zeit für einen Großangriff sei.

Genau in diesem Augenblick marschierte Trebonius mit der Fünften Alauda und der Vierzehnten und Fünfzehnten Legion auf.

Jetzt umzingelten sieben Legionen und mehrere tausend Reiter die Belgen, und der Platz, der ihnen wie geschaffen für Angriff und Verteidigung erschienen war, entpuppte sich plötzlich als Falle. Caesar ließ Rampen über die Sümpfe bauen, die die beiden römischen Lager voneinander trennten, besetzte einen Hügelkamm im Rücken des belgischen Lagers und begann die Artillerie einzusetzen — mit vernichtender Wirkung.

»Ach Correus, du hast die Chance verpaßt!« rief Commius bei seiner Ankunft. »Was nützen uns jetzt noch fünfhundert Sugambrer? Und was soll ich Ambiorix sagen, der immer noch neue Leute anwirbt?«

»Ich begreife es nicht«, jammerte Correus händeringend. »Wie konnten die zusätzlichen Legionen so schnell hier sein? Niemand hat mich gewarnt, dabei hätte ich gewarnt werden müssen!«

»Das wird man doch nie«, sagte Commius grimmig. »Dein Fehler war, daß du dich die ganze Zeit zurückgehalten hast. Du hast die Römer noch nicht im Einsatz erlebt. Sie rücken in sogenannten Gewaltmärschen vor, wobei sie bis zu fünfzig Meilen am Tag zurücklegen. Und sobald sie am Ziel ankommen, kämpfen sie wie wütende Hunde drauflos.«

»Was machen wir jetzt? Wie kommen wir hier heraus?«

Das wußte Commius. Er ließ die Belgen alles an Zunder, Stroh und Reisig sammeln, was sie auftreiben konnten. Im Lager der Gallier herrschte völliges Chaos, alles drängelte durcheinander, um rechtzeitig fliehen zu können, und Frauen und Hunderte von Ochsenkarren vergrößerten das Durcheinander noch, sehr zum Leidwesen des an römischem Ordnungssinn geschulten Commius.

Correus ließ seine Männer zum Kampf antreten und hieß sie sich nach Landessitte auf den Boden setzen. Der Tag verging. Nichts rührte sich, außer daß heimlich Holz, Stroh, Zunder und Reisig vor den feindlichen Linien aufgeschichtet wurden. Bei Einbruch der Dunkelheit schließlich wurde alles Brennmaterial auf der gesamten Länge angezündet, und die Belgen nutzten die Gelegenheit zur Flucht.

Doch die große Chance war vertan worden. Dabei erwischt, wie er den Römern in einem Hinterhalt auflauerte, fand Correus plötzlich zu der Kraft und dem Mut zurück, an denen es ihm, als seine Lage noch sehr viel besser gewesen war, gemangelt hatte. Er lehnte es ab, sich zurückzuziehen, und fiel mit den Besten seiner Männer. Während die Belgen Caesar um Frieden baten, überquerte Commius den Rhenus und begab sich zu den Sugambrern und Ambiorix.

Inzwischen neigte sich der Winter dem Ende zu. In Gallien herrschte Ruhe. Caesar kehrte nach Bibracte zurück und bedankte sich mit Geschenken in Form von Geld und Frauen bei den Legionären, die sich daraufhin — für ihre Verhältnisse — sehr reich vorkamen. Im Lager fand Caesar außerdem einen Brief von Gaius Scribonius Curio vor.

Es war eine glänzende Idee, Caesar, eine gesammelte Ausgabe Deiner Schriften über den Krieg in Gallien herauszugeben, so daß alle sie lesen können! Tatsächlich lesen sie alle, und die boni — vom Senat ganz zu schweigen — schäumen vor Wut. Cato brüllte, ein Prokonsul, der einen Krieg führe, von dem er auch noch behaupte, er sei ihm aufgezwungen worden, dürfe sich nicht so aufblasen und seine angeblichen Heldentaten durch die ganze Stadt posaunen. Aber niemand beachtete ihn, und die Exemplare finden so reißenden Absatz, daß es bereits eine Warteliste gibt. Na ja, kein Wunder. Deine Schriften sind so spannend wie Homers Ilias und haben außerdem den Vorteil, daß sie aktuell sind, von heutigen Ereignissen handeln.

Du weißt ja selbst, was für ein Ekel der zweite Konsul Marcus Marcellus ist. Fast alle klatschten Beifall, als Deine Volkstribunen ihm verboten, an den Kalenden des März über Deine Provinzen zu verhandeln. Du hast dieses Jahr wirklich ein paar gute Männer auf der Tribunenbank.

Ich war schockiert, als Marcellus dann noch verkündete, die Einwohner der von Dir gegründeten Kolonie Novum Comum seien keine römischen Bürger. Du seist nicht berechtigt, das römische Bürgerrecht zu verleihen, behauptete er — während Pompeius das darf! Daß Marcellus mit verschiedenem Maß mißt, ist ja hinlänglich bekannt. Aber daß der Senat verfügt, daß die Menschen in Gallia Cisalpina jenseits des Padus keine römischen Bürger sind und auch nie welche sein werden — das ist Selbstmord. Trotz des Vetos der Tribunen war Marcellus nicht zu bremsen. Er ließ den Beschluß auf eine Bronzetafel schreiben und hängte ihn öffentlich aufder Rednerbühne aus.

Du weißt vermutlich nicht, was die Folge davon war: Das ganze Land von den Alpen im Norden Gallia Cisalpinas bis zum südlichen Fuß Italias hat Angst. Die Menschen machen sich große Sorgen, Caesar. Die Einwohner der Städte des italischen Gallien sagen, sie, die Rom so viele Tausende ihrer besten Soldaten gegeben hätten, müßten jetzt vom Senat erfahren, daß sie nicht gut genug seien. Die Menschen südlich des Padus haben Angst, daß ihnen die Bürgerrechte aberkannt werden, während jene im Norden befürchten, daß sie ihnen überhaupt nie verliehen werden. Diese Angst herrscht überall, Caesar. In Kampanien habe ich Hunderte von Menschen sagen hören, Caesar solle wieder nach Italia zurückkehren, Caesar, der unermüdlichste Fürsprecher des gemeinen Volkes, den es jemals in Italia gegeben habe — er werde die Kränkung und himmelschreiende Ungerechtigkeit des Senats nicht hinnehmen. Die Angst wächst, aber glaube ja nicht, ich oder sonst jemand hätte diesen Holzköpfen im Lager der boni klarmachen können, daß sie mit dem Feuer spielen.

Unterdessen hockt dieser selbstzufriedene Trottel Pompeius wie eine Kröte in der Jauchegrube und tut, als ginge ihn das alles nichts an. Er für seinen Teil ist glücklich. Die eiskalte Harpyie Cornelia Metella hat ihre Krallen so tief in sein dickes Fell gebohrt, daß er nickt, seufzt und angekrochen kommt, sobald sie ihm winkt. Womit ich übrigens gar nicht an etwas Anstößiges denke. Im Gegenteil, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß die beiden jemals in einem gemeinsamen Bett geschlafen haben, und ich bezweifle, daß sie überhaupt eines haben.

Aber wieso schreibe ich Dir eigentlich, obwohl ich doch nie wirklich Dein Freund war?Nun, aus verschiedenen Gründen, und ich werde sie Dir offen nennen. Erstens habe ich die boni gründlich satt. Bisher dachte ich immer, alle, denen das mos maiorum so sehr am Herzen liegt, hätten selbst dann noch recht, wenn sie die entsetzlichsten politischen Fehler machten. Aber in den letzten Jahren habe ich sie, glaube ich, durchschaut. Sie schwafeln von Dingen, von denen sie — und das ist leider die Wahrheit — nicht das geringste verstehen, nur um ihre eigene Charakterlosigkeit und Dummheit zu verbergen. Auch wenn um sie herum Rom zusammenfallen würde, würden sie tatenlos dastehen und es einen Teil des mos maiorum nennen, wenn jemand von einer Säule erschlagen würde.

Zweitens verabscheue ich Cato undBibulus. Zwei so heuchlerische Schwätzer sind mir noch nicht begegnet. Obwohl sie nicht einmal eine Kuchenschlacht im Freudenhaus gewinnen könnten, verstehen sie es meisterhaft, Deine Bücher zu kritisieren — Du hättest das eine besser machen können, jenes schneller und das dritte geschickter. Ihr blinder Haß auf Dich ist mir ein Rätsel. Was hast Du ihnen angetan? Soviel ich weiß, nichts weiter, als sie so klein aussehen zu lassen, wie sie wirklich sind.

Drittens warst Du als Konsul sehr anständig zu Publius Clodius. Sein Untergang war seine eigene Schuld. Der Hang seiner Familie zu unorthodoxem Handeln hat sich bei Clodius zu einer Art Wahnsinn ausgewachsen. Er wußte nicht, wann er aufhören mußte. Inzwischen ist sein Tod über ein Jahr her, aber ich vermisse ihn noch immer, obwohl wir uns zum Schluß gestritten haben.

Der vierte Grund ist sehr persönlich, obwohl er mit den ersten drei Gründen zusammenhängt. Ich habe schrecklich hohe Schulden, von denen ich mich aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann. Als mein Vater letztes Jahr starb, dachte ich, das Problem würde sich von selbst lösen. Er hinterließ mir jedoch nichts. Ich weiß nicht, wohin sein Geld verschwunden ist, sicher ist nur, daß es weg war, nachdem er von seinem Leiden erlöst wurde. Alles, was ich geerbt habe, ist das Haus, und das ist hoch belastet. Die Geldverleiher mahnen mich immer gnadenloser, und die Beamten der Schatzkammer, auf die die Hypothek ausgestellt ist, drohen mit der Vollstreckung.

Dazu kommt, daß ich Fulvia heiraten will. Na also, höre ich Dich sagen, die Witwe von Publius Clodius ist doch eine der reichsten Frauen Roms, und wenn ihre Mutter stirbt — was nicht mehr lange dauern kann —, wird sie noch viel reicher sein. Aber, Caesar, ich kann nicht die Frau heiraten, die ich seit Jahr und Tag mehr liebe als jede andere, solange ich bis zum Hals in Schulden stecke. Obwohl ich nie gedacht hätte, daß sie etwas für mich übrig haben könnte, hat sie mir doch gestern einen so deutlichen Wink gegeben, daß ich vollkommen geplättet war. Ich sehne mich schrecklich danach, Fulvia zu heiraten, aber ich kann nicht, jedenfalls nicht, solange ich nicht selbst für mich aufkommen und ihr in die Augen sehen kann.

Deshalb mache ich Dir einen Vorschlag. Angesichts der Entwicklung in Rom brauchst Du den fähigsten und brillantesten Volkstribunen, den Rom je hervorgebracht hat. Denn Deine Gegner sehnen schon die Kalenden des März nächsten Jahres herbei, wenn im Senat über Deine Provinzen entschieden wird. Gerüchten zufolge wollen die boni alles dransetzen, sie Dir wegzunehmen und Dich — aufgrund des Fünfjahresgesetzes — durch Ahenobarbus ersetzen. Er hat ja nach seinem Konsulat keine Provinz übernommen, weil er zu reich und zu faul dazu war. Aber dafür, daß er Dich ersetzen kann, würde er auf den Händen nach Placentia laufen.

Wenn Du meine Schulden bezahlst, Caesar, gebe ich Dir mein heiliges Ehrenwort als Scribonius Curio darauf, daß ich der fähigste und brillanteste Volkstribun sein werde, den Rom je hervorgebracht hat, und stets in Deinem Interesse handeln werde. Solange ich im Amt wäre, würde ich alles tun, um die boni in Schach zu halten, und das ist kein leeres Versprechen. Ich brauche mindestens fünf Millionen.

Nachdem Caesar Curios Brief gelesen hatte, saß er lange Zeit regungslos da. Er hatte wieder Glück, und was für ein unglaubliches Glück! Curio als von ihm gekaufter Volkstribun! Ein ausgesprochener Ehrenmann, obwohl das nicht das Entscheidende war. Eine der bindendsten Normen der römischen Politik galt für Empfänger von Bestechungsgeldern. War jemand erst gekauft, blieb er es auch, denn die Schande bestand nicht darin, bestechlich zu sein, sondern darin, es nicht zu bleiben. Wer Bestechungsgelder annahm, sich dann aber nicht an die Abmachung hielt, wurde von diesem Tag an von der Gesellschaft geächtet. Caesars Glück war, daß sich ihm ein Volkstribun von Curios Kaliber anbot. Ob sich Curio wirklich als so gut erwies, wie er sagte, war nebensächlich, auch halb so gut war er immer noch eine Perle von unschätzbarem Wert.

Caesar setzte sich an seinen Schreibtisch, griff zur Feder, tauchte sie ins Tintenfaß und begann zu schreiben.

Mein lieber Curio, ich bin überwältigt. Nichts würde mir größere Freude bereiten, als Dir aus Deiner mißlichen finanziellen Lage heraushelfen zu dürfen. Bitte glaube mir, wenn ich sage, daß ich für dieses Privileg keinerlei Gegenleistung von Dir verlange. Die Entscheidung liegt ganz allein bei Dir.

Falls Du allerdings die Herausforderung annehmen möchtest, Dich als Roms fähigster Volkstribun auszuzeichnen, wäre es mir eine Ehre, Dich auf meiner Seite wissen zu dürfen. Wie Du schon sagst, hängen mir die boni am Hals wie die Schlangen der Medusa. Auch ich habe keine Ahnung, warum sie sich seit nunmehr fast so vielen Jahren, wie ich im Senat bin, auf mich als Zielscheibe eingeschossen haben. Aber das Warum ist nicht wichtig. Was zählt, ist die Tatsache, daß ich ihr Opfer bin.

Damit es uns gelingt, die boni an den Kalenden des nächsten März zu besiegen, sollte unser kleiner Pakt allerdings ein Geheimnis bleiben. Außerdem solltest Du Deine Kandidatur für das Volkstribunat nicht ankündigen. Suche Dir doch irgendeinen Bedürftigen — nicht aus dem Senat natürlich —, der gewillt ist, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, gleichzeitig aber bereit, im allerletzten Moment zurückzutreten. Für ein schönes Honorar selbstverständlich. Das überlasse ich Dir. Wende Dich wegen des nötigen Kleingelds an Balbus. Wenn der bedürftige Kollege dann unmittelbar vor den Wahlen zurücktritt, trittst Du einfach vor und bietest Dich als Ersatzkandidat an, als wärst Du gerade erst auf diese Idee gekommen. So wird Dich niemand verdächtigen, im Interesse eines anderen zu handeln.

Auch wenn Du Volkstribun bist, mußt Du so tun, als würdest Du unabhängig handeln. Wenn Du eine Liste mit nützlichen Gesetzen benötigst, lasse ich Dir gern eine zukommen, obwohl ich annehme, daß Dir auch ohne meine Anleitung einige einfallen werden. Wenn Du dann an den Kalenden des März Dein Veto gegen die Debatte über meine Provinzen einlegst, werden die boni dastehen wie vom Skorpionbolzen getroffen.

Ich überlasse es Dir, eine geeignete Strategie zu entwickeln. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Mann, der seinem Mitarbeiter keine Freiheit läßt. Wenn Du eine Strategie mit mir besprechen willst, stehe ich Dir zur Verfügung, sei aber versichert, daß ich das nicht erwarte.

Sei jedoch gewarnt, daß die boni ihre Munition noch lange nicht verschossen haben. Noch bevor Du offiziell Dein Amt antrittst, werden sie sich bereits einiges überlegen, um Dir die Arbeit schwerzumachen. Das kann auch gefährlich sein. Was einen wirklich großen Volkstribunen unter anderem auszeichnet, ist die Bereitschaft zum Märtyrer. Aber ich mag Dich, Curio, und ich will nicht erleben, daß auf dem Forum die Messer gegen Dich gezückt werden oder Du vom Tarpejischen Felsen gestürzt wirst.

Reichen zehn Millionen, um einen freien Mann aus Dir zu machen? Wenn ja, sollst Du sie haben. Ich schicke Balbus im selben Postsack einen Brief, so daß Du, wenn Du diesen erhältst, jederzeit mit ihm sprechen kannst. Obwohl er als Klatschmaul gilt, ist er die Diskretion in Person. Was Balbus herumerzählt, hat er sich vorher gründlich überlegt.

Ich gratuliere Dir zur Wahl Deiner künftigen Gattin. Fulvia ist eine interessante Frau, und interessante Frauen sind selten. Sie tritt mit aufrichtiger Leidenschaft für ihre Überzeugungen ein und wird absolut treu zu Dir und Deinen Zielen halten. Aber das weißt Du besser als ich. Bitte richte ihr meine besten Grüße aus, und sage ihr, daß ich mich darauf freue, sie zu sehen, wenn ich nach Rom zurückkehre.

So, damit waren zehn Millionen sinnvoll angelegt. Aber wann konnte er nach Gallia Cisalpina zurückkehren? Inzwischen war es Juni, und die Aussicht, Gallia Transalpina verlassen zu können, war, sofern das überhaupt noch möglich war, in noch weitere Ferne gerückt. Die Belgen würden sich vermutlich nicht mehr von ihrer Niederlage erholen, aber Ambiorix und Commius waren noch frei, deshalb mußte er noch einmal gegen die Belgen ziehen. Die Stämme Zentralgalliens waren endgültig besiegt, die glimpflich davongekommenen Arverner und Haeduer würden auf keinen Vercingetorix oder Litaviccus mehr hören. Als Caesar an Litaviccus dachte, erschauderte er. Nicht einmal hundert Jahre römischer Fremdherrschaft hatten den Gallier in Litaviccus zum Schweigen bringen können. Ob das für die anderen Gallier genauso galt? Die Vernunft sagte Caesar, daß eine über lange Zeit fortgesetzte Schreckensherrschaft weder Rom noch Gallien nützen konnte. Aber wie brachte man die Gallier dazu, sich in ihr Schicksal zu fügen? Sollte man jetzt eine Schreckensherrschaft aufrichten, damit sie später über deren Lockerung dankbar waren? Eine Herrschaft, die sie, auch wenn sie längst Vergangenheit war, nie vergessen würden? Für andere Völker als die Römer war Krieg eine Sache der Leidenschaft; sie zogen in den Krieg, weil sie gerechten Zorn empfanden und nach dem Blut ihrer Feinde lechzten. Der für Emotionen solcher Art notwendige Siedepunkt ließ sich allerdings nicht ewig aufrechterhalten. Wenn alles gesagt und getan war, wollte jedes Volk wieder in Frieden leben, Kinder großziehen, sich satt essen und im Winter im Warmen sitzen. Nur Rom hatte aus dem Krieg ein Geschäft gemacht. Weshalb Rom am Ende immer siegte. Denn die römischen Soldaten entwickelten zwar ebenfalls einen gesunden Haß auf ihre Feinde, zogen aber mit nüchternem Verstand in den Krieg, hervorragend ausgebildet, pragmatisch und selbstbewußt. Sie kannten den Unterschied zwischen einer verlorenen Schlacht und einem verlorenen Krieg. Außerdem wußten, sie, daß Schlachten gewonnen werden, noch ehe der erste Speer geworfen wurde, daß Schlachten auf dem Übungsplatz und im Ausbildungslager gewonnen werden. Disziplin, Selbstbeherrschung, Sachverstand, Tapferkeit und Stolz auf die eigene Tüchtigkeit prägten die Legionäre. Kein anderes Volk besaß diese Einstellung zum Krieg, und in keinem anderen römischen Heer war dieses Berufsethos so ausgeprägt wie in dem Caesars.

Anfang Quinctilis trafen höchst beunruhigende Nachrichten aus Rom ein. Caesar weilte immer noch mit Antonius und der Zwölften Legion in Bibracte. Labienus hatte er den Befehl erteilt, zum vernichtenden Schlag gegen die Treverer auszuholen, er selbst war im Begriff, nach Belgica aufzubrechen, in das Land des Ambiorix. Den Eburonen, Atrebaten und Bellovacern mußte ein für allemal gezeigt werden, daß Widerstand sinnlos war.

Marcus Claudius Marcellus, der zweite Konsul, hatte öffentlich einen Bürger aus Caesars Kolonie in Novum Comum ausgepeitscht. Nicht mit seinen eigenen Händen natürlich, die Tat wurde auf seinen Befehl ausgeführt. Der Schaden war nicht wiedergutzumachen. Kein römischer Bürger durfte ausgepeitscht werden. Er durfte zwar mit den Ruten aus den fasces eines Liktors gezüchtigt werden, aber sein Rücken war unantastbar, gesetzlich vor der Berührung durch die Knute geschützt. Mit seiner Tat gab Marcus Marcellus ganz Gallia Cisalpina und Italia zu verstehen, daß noch lange nicht alle Menschen, die sich für Bürger hielten, damit auch Bürger waren.

»Das lasse ich mir nicht bieten!« sagte Caesar, bleich vor Zorn, zu Antonius, Decimus Brutus und Trebonius. »Die Bewohner von Novum Comum sind römische Bürger! Sie sind meine Klienten, und es ist meine Pflicht, sie zu schützen.«

»So etwas geschieht immer öfter«, meinte Decimus Brutus mit grimmiger Miene. »Die ganze Sippe von Marcus Marcellus ist aus demselben Holz geschnitzt, und drei sind in dem Alter, um Konsul zu werden. Gerüchten zufolge sollen sie auch alle Konsuln werden — Marcus dieses Jahr, sein Vetter Gaius nächstes Jahr und sein Bruder Gaius übernächstes Jahr. Die boni werden immer frecher und üben bei den Wahlen mittlerweile eine so dominierende Rolle aus, daß es aller Voraussicht nach bis zu deinem Amtsantritt keine Konsuln einer anderen Partei geben wird. Und selbst du hast womöglich einen zweiten Bibulus am Hals oder — die Götter mögen es verhüten! — Bibulus selbst.«

Caesar war nicht zum Lachen zumute. Wütend preßte er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, seine Augen funkelten vor Zorn. »Ich werde nicht dulden, daß Bibulus mit mir Konsul wird, und damit basta! Ich suche mir meinen Amtskollegen selbst aus, und dagegen können sie nichts tun, auch wenn sie sich auf den Kopf stellen. Aber das ändert nichts an der jetzigen Situation im italischen Gallien — meiner Provinz, Decimus! Wie kann Marcus Marcellus es wagen, in meiner Provinz Leute auszupeitschen?«

»Du hast kein volles imperium maius«, sagte Trebonius.

»Natürlich, ein solches Imperium bekommt nur Pompeius«, stieß Caesar ungehalten hervor.

»Fragt sich, was du dagegen tun kannst«, meinte Antonius.

»Eine ganze Menge«, sagte Caesar. »Ich habe Labienus geschrieben, er soll die Fünfzehnte und Publius Vatinius abkommandieren. Er kann statt dessen die Sechste haben.«

Trebonius straffte sich. »Die Fünfzehnte hat inzwischen einige Kampferfahrung«, sagte er, »auch wenn die Soldaten erst seit einem Jahr im Feld stehen. Und wenn ich mich recht erinnere, stammen sie alle aus dem Gebiet jenseits des Padus. Viele von ihnen kommen aus Novum Comum.«

»Richtig«, sagte Caesar.

»Und Publius Vatinius ist dein treuester Gefolgsmann«, meinte Decimus Brutus nachdenklich.

Caesar mußte unwillkürlich lächeln. Er sah Trebonius und Decimus an. »Nicht treuer als ihr zwei, hoffe ich doch.«

»Und ich?« fragte Antonius entrüstet.

Trebonius grinste. »Du gehörst zur Familie, also halt den Mund.«

»Demnach willst du die Fünfzehnte unter Publius Vatinius in Gallia Cisalpina stationieren«, sagte Decimus Brutus.

»Richtig.«

»Ich weiß zwar, daß es kein Gesetz gibt, das dich daran hindern könnte, Caesar«, sagte Trebonius, »aber glaubst du nicht, daß

Marcus Marcellus und der Senat das als Kriegserklärung auffassen werden? Ich meine nicht einen richtigen Krieg, sondern einen, der im Kopf stattfindet.«

»Ich habe eine gute Ausrede«, entgegnete Caesar, der langsam seine gewohnte Ruhe wiederfand. »Letztes Jahr sind die Japuden in Tergeste eingefallen und haben die illyrische Küste bedroht. Es war nichts Ernstes, die dortige Miliz konnte sie zurückschlagen, aber ich werde Publius Vatinius und die Fünfzehnte nach Gallia Cisalpina schicken, um — ich zitiere — >die Kolonien mit römischem Bürgerrecht jenseits des Padus vor einer Invasion der Barbaren zu schützen<.«

»Dabei ist der einzige Barbar weit und breit Marcus Marcellus«, sagte Antonius entzückt.

»Ich nehme an, er wird die Formulierung richtig verstehen, Antonius.«

»Was soll Vatinius tun?« wollte Trebonius wissen.

»Vatinius wird mich in Gallia Cisalpina und Illyricum vertreten. Er soll verhindern, daß römische Bürger ausgepeitscht werden, und Recht sprechen, also die Provinz regieren, wie ich selbst es täte, wenn ich dort wäre.«

»Und wo willst du die Fünfzehnte stationieren?« fragte Decimus Brutus. »In der Nähe der illyrischen Grenze? In Aquileia vielleicht?«

»Nein, in Placentia.«

»Ein Steinwurf von Novum Comum entfernt.«

»Genau.«

»Ich wüßte zu gern, was Pompeius von der Auspeitschung hält«, sagte Antonius. »Schließlich hat er im italischen Gallien ja auch Kolonien mit römischem Bürgerrecht gegründet, und deren Bürger sind durch Marcus Marcellus genauso gefährdet wie die aus deinen Kolonien.«

Caesar verzog den Mund. »Pompeius hat nichts gesagt und nichts getan. Gegenwärtig ist er in Tarentum — Privatangelegenheiten, soviel ich weiß. Aber er hat zugesagt, an einer Senatssitzung außerhalb des pomerium teilzunehmen, die später im Monat stattfinden soll. Vorwand der Sitzung ist eine Debatte über die Bezahlung der Legionäre.«

»Daß ich nicht lache!« rief Decimus Brutus. »Die Legionäre haben doch seit hundert Jahren keine Solderhöhung mehr bekommen.«

»Stimmt«, sagte Caesar, »darüber habe ich auch schon nachgedacht.«

Die Zermürbungstaktik wurde fortgesetzt. Die Belgen wurden noch einmal überfallen, ihre Häuser niedergebrannt, das angebaute Getreide herausgerissen oder untergepflügt, das Vieh getötet, Frauen und Kinder zu Obdachlosen gemacht. Stämme wie die Nervier, die in den Anfangs Jahren von Caesars Gallienfeldzug noch fünfzigtausend Mann in den Kampf geschickt hatten, konnten kaum noch tausend aufstellen. Die meisten Frauen und Kinder waren in die Sklaverei verkauft worden, Belgica war zu einem Land von Alten, Druiden, Krüppeln und Schwachsinnigen geworden. Am Ende konnte Caesar sicher sein, daß niemand übriggeblieben war, der Ambiorix oder Commius in Versuchung geführt hätte, und daß deren eigene Stämme aus Angst vor den Römern nichts mehr von ihren früheren Königen wissen wollten. Ambiorix allerdings war wieder einmal entwischt; er wurde nie aufgespürt und gefangengenommen. Und Commius, genauso hartnäckig wie Caesar, hatte sich nach Osten abgesetzt, um den Treverern gegen Labienus beizustehen.

Gaius Fabius wurde mit zwei Legionen zu Rebilus abkommandiert, der mit ebenfalls zwei Legionen bei den Pictonen und Anden stationiert war. Die beiden Stämme hatten zwar weder in Alesia große Verluste erlitten noch sich sonst im Widerstand gegen Rom hervorgetan, doch schien es, als wollten sich alle Völker Galliens nacheinander ein letztes Mal verzweifelt gegen Caesar aufbäumen, vielleicht weil sie glaubten, sein Heer sei nach so vielen Kriegsjahren erschöpft und ausgelaugt. Wieder täuschten sie sich. Zwölftausend Anden starben in einer Schlacht an einer Brücke über den Liger, weitere in kleineren Kämpfen.

Folglich schrumpfte der noch wehrhafte Teil Galliens langsam aber sicher auf Aquitanien im Südwesten zusammen, wo sich der Senone Drappes, von seinem eigenen Volk ausgestoßen, Lucterius angeschlossen hatte.

Von den großen gallischen Heerführern waren nur wenige übriggeblieben. Der Carnute Gutruatus war von seinen eigenen Leuten aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Römer an Caesar ausgeliefert worden. Weil Gutruatus in Cenabum römische Bürger umgebracht hatte, konnte Caesar nicht allein über sein Schicksal entscheiden, sondern mußte einen Rat aus Vertretern des Heeres hinzuziehen. Trotz aller Argumente Caesars, daß Gutruatus am Leben bleiben müsse, um in seinem Triumphzug mitzumarschieren, setzten sich die Vertreter des Heeres durch. Gutruatus wurde ausgepeitscht und geköpft.

Kurze Zeit später begegneten sich Commius und Gaius Volusenus zum zweiten Mal. Während Caesar mit der Reiterei Richtung Süden vorrückte, blieb Marcus Antonius als Befehlshaber in Belgica zurück; er gab den Bellovacern den Rest und bezog dann bei Nemetocenna auf atrebatischem Gebiet ein Lager. Die Atrebaten, Commius’ Volk, verweigerten aus Angst vor weiterer Zermürbung durch die Römer jede Zusammenarbeit mit Commius. Der schloß sich daraufhin einer Bande gleichgesinnter germanischer Sugambrer an und zog mit ihnen plündernd und brandschatzend durchs Land der Nervier. Als der den Römern treu ergebene Vertico daraufhin Antonius dringend um Hilfe bat, schickte dieser Volusenus und eine große Reiterarmee los.

Volusenus’ Haß auf Commius war mit der Zeit nicht geringer geworden, und so machte er sich mit grimmiger Wut an dessen Verfolgung. Systematisch wie ein Schäfer seine Schafe trieb er Commius und die Sugambrer zusammen, bis die beiden Männer sich zuletzt gegenüberstanden. Es kam zu einem Zweikampf, bei dem sie mit gezückten Speeren aufeinander losgingen. Volusenus sank zu Boden, Commius’ Speer hatte seinen Oberschenkel durchbohrt; der Knochen war zersplittert, das Fleisch zerfetzt, Nerven und Adern durchtrennt. Zwar wurden die meisten von Commius’ Männern getötet, doch Commius selbst konnte in einem unbeobachteten Moment auf seinem schnellen Pferd entkommen.

Der schwerverletzte Volusenus wurde nach Nemetocenna gebracht. In der römischen Armee gab es ausgezeichnete Chirurgen; sie amputierten das Bein oberhalb der Wunde, und Volusenus überlebte.

Commius schickte einen Gesandten mit einem Brief zu Marcus Antonius.

Marcus Antonius, ich glaube inzwischen nicht mehr, daß Caesar etwas mit dem Verrat des wolfsköpfigen Volusenus zu tun hatte, aber ich habe gelobt, nie wieder in die Nähe eines Römers zu kommen. Die Tuatha meinten es gut mit mir. Sie schickten mir meinen Feind, und ich habe ihn so schwer verletzt, daß er sein Bein, wenn nicht sein Leben verlieren wird. Damit ist meine Ehre wiederhergestellt.

Aber ich bin sehr müde. Mein eigenes Volk fürchtet sich so sehr vor den Römern, daß es mir weder zu essen und zu trinken noch ein Dach über dem Kopf geben will. Ein Leben als Straßenräuber ist eines Königs unwürdig. Ich möchte nur in Frieden gelassen werden. Als Pfand meiner Aufrichtigkeit biete ich Dir meine Kinder an, fünf jungen und zwei Mädchen. Sie stammen zwar nicht alle von derselben Mutter, sind aber alle Atrebaten und noch so klein, daß sie zu guten Rötnern werden können.

Bevor Volusenus mich verriet, habe ich Caesar gute Dienste geleistet. Aus diesem Grund bitte ich Dich, mich irgendwohin zu schicken, wo ich den Rest meiner Tage verbringen kann, ohne noch einmal das Schwert erheben zu müssen. An einen Ort, an dem es keine Römer gibt.

Antonius mit seiner altmodischen Auffassung von Tapferkeit, Treue und Kriegerehre gefiel der Brief. Commius war für ihn ein Hektor, Volusenus ein Paris. Was konnte es Rom oder Caesar nützen, Commius zu töten und die Leiche mit dem Triumphwagen des Siegers durch die Gegend zu schleifen? Überzeugt, daß Caesar genauso denken würde, schickte er einen Gesandten mit einem Brief zu Commius.

Commius, ich nehme Deine Geiseln an, denn ich halte Dich für einen aufrichtigen Mann, dem man Unrecht getan hat. Caesar wird sich persönlich um Deine Kinder kümmern. Er wird sie, davon bin ich überzeugt, wie die Kinder eines Königs behandeln.

Ich verbanne Dich hiermit ins Exil nach Britannien. Wie Du dorthin kommst, ist Deine Sache. Ich lege einen Paß bei, den Du in Itius oder Gesoriacus vorzeigen kannst. Du kennst Britannien aus Deiner Zeit mit Caesar. Wahrscheinlich hast Du dort mehr Freunde als Feinde.

Der Arm Roms reicht so weit, daß mir nichts einfällt, wo ich Dich sonst hinschicken könnte. Sei versichert, daß Du dort keinem Römer begegnest. Caesar haßt das Land.

Vale.

Endgültig besiegelt wurde das Schicksal der Gallier in Uxellodunum, einem oppidum der Cadurcer.

Während Gaius Fabius abrückte, um die Senonen endgültig zu unterwerfen, stieß Gaius Caninius Rebilus in Richtung Süden nach Aquitanien vor. Er wußte, daß er bald Verstärkung bekommen würde; Fabius sollte, sobald die Senonen unterworfen waren, zu ihm stoßen.

Obwohl sowohl Drappes als auch Lucterius vor Alesia dabeigewesen waren, hatten sie nicht gelernt, wie sinnlos es war, einer Belagerung durch die Römer standhalten zu wollen. Als sie von der Niederlage der Anden und dem Anrücken Rebilus’ erfuhren, zogen sie sich in das befestigte Uxellodunum auf der Kuppe eines steil aufragenden, in einer Schleife des Oltis gelegenen Hügels zurück. Leider gab es in der Stadt keine Quelle; das Wasser mußte von zwei nahegelegenen Stellen bezogen werden, vom Oltis und von einer Quelle, die unmittelbar unterhalb der Kuppe aus den Felsen sprudelte.

Da Rebilus nur über zwei Legionen verfügte, versuchte er bei seiner Ankunft gar nicht erst, Caesars Taktik vor Alesia nachzuahmen, zumal der Oltis mit seiner starken Strömung nicht umgeleitet werden konnte und auch den Bau von Dämmen oder einer Umwallung unmöglich machte. Rebilus begnügte sich einstweilen damit, seine Armee in drei Lager aufzuteilen, deren Lage verhinderte, daß die Gallier unbemerkt aus der Festung abzogen.

Was Alesia Drappes und Lucterius allerdings gelehrt hatte, war, daß gewaltige Vorräte an Proviant notwendig waren, um einer Belagerung standzuhalten. Beide Männer wußten, daß Uxellodunum auch von einem Caesar nicht im Sturmangriff genommen werden konnte, denn die Anhöhe, auf der die Festung lag, war von zerklüfteten Felsen umgeben, die die Legionäre nicht hinaufklettern konnten. Auch eine Belagerungsterrasse wie in Avaricum ließ sich hier nicht errichten; die Mauern von Uxellodunum ragten so hoch und gewaltig auf, daß sich auch die römischen Ingenieure an ihnen die Zähne ausbeißen würden. Wenn also die Verpflegung Uxellodunums sichergestellt war, konnte die Stadt einer Belagerung bis zum Ende von Caesars Amtszeit als Statthalter Galliens widerstehen.

Folglich mußten große Mengen an Nahrungsmitteln aufgetrieben werden. Während Rebilus die Lager errichten ließ, zogen Lucterius und Drappes mit zweitausend Männern durch die umliegende Gegend. Die Cadurcer sammelten eifrig Getreide, eingesalzenes Schweinefleisch, Speck, Bohnen, Kichererbsen und Wurzelgemüse ein; sie steckten Hühner, Enten und Gänse in Käfige und trieben Rinder, Schweine und Schafe zusammen. Die hauptsächlich von den Cadurcern angebaute Pflanze, der Flachs, war leider nicht eßbar; sie wurde zur Herstellung des besten Leinens außerhalb von Ägypten verwendet. Daher waren Einfälle ins Gebiet der Petrocorier und ihrer Nachbarstämme nötig, die nicht annähernd so begeistert wie die Cadurcer darüber waren, Drappes und Lucterius ihre Nahrungsmittel zu überlassen. Doch was sie nicht freiwillig herausrückten, wurde ihnen gewaltsam weggenommen, und erst als jeder Maultier-- und Ochsenkarren beladen war, traten Drappes und Lucterius den Heimweg an.

Während sie unterwegs waren, machten die in Uxellodunum zurückgelassenen Krieger Rebilus das Leben so schwer wie möglich. Nacht für Nacht griffen sie das eine oder andere seiner drei Lager an, und sie gingen dabei so listig vor, daß Rebilus schon Zweifel bekam, ob er die Befestigungen, mit denen er Uxellodunum von der Umgebung abschneiden wollte, jemals fertigstellen würde.

Der gewaltige Proviantzug machte auf dem Rückweg zwölf Meilen vor Uxellodunum Halt. Unter dem Befehl von Drappes, der beim Zug bleiben und ihn vor einem möglichen römischen Angriff schützen sollte, wurde ein Lager aufgeschlagen. Boten aus Uxellodunum versicherten Drappes und Lucterius, daß die Römer nichts von der Existenz des Lagers ahnten. Die Aufgabe, die Nahrungsmittel in die Stadt zu bringen, wurde Lucterius übertragen, der die Gegend kannte. Lucterius riet davon ab, weiter Karren zu verwenden. Für die letzten Meilen sollte alles auf Maultiere gepackt werden, und die letzten paar hundert Schritt würde man in tiefster Nacht und in möglichst großer Entfernung von den römischen Lagern zurücklegen.

Durch den Wald zwischen dem Lager des Proviantzuges und Uxellodunum führten zahlreiche Wege. Lucterius führte die Maultiere so nah an die Festung heran, wie er es wagte, und wartete dann. Vier Stunden nach Mitternacht gab er das Signal zum erneuten Aufbruch. Die Männer zogen den Maultieren dickgepolsterte Leinenschuhe über die Hufe und hielten ihnen die Mäuler zu. So waren sie verblüffend leise, und Lucterius war guten Mutes. Die Posten auf den Wachtürmen des nächstgelegenen römischen Lagers — das allerdings näher lag, als Lucterius lieb war — würden sicher nicht bei ihrem Nickerchen gestört werden.

Doch römische Posten auf Wachtürmen machten im Dienst kein Nickerchen. Für derartige Vergehen wurde man zu Tode geprügelt, und die Kontrollen der Wachen waren hart und erfolgten ohne vorherige Ankündigung.

Bei Wind oder Regen wäre Lucterius durchgekommen, doch die Nacht war so still, daß sogar das Rauschen des Oltis auf der anderen Seite von Uxellodunum deutlich zu hören war. Und genauso deutlich waren andere, seltsame Geräusche zu hören — dumpfe Tritte, Scharren, gedämpftes Flüstern, Rascheln.

»Weck den Feldherrn auf«, befahl der Chef der Wache einem seiner Männer. »Aber mach dabei nicht solchen Lärm wie die Leute da draußen.«

Rebilus, der einen Überraschungsangriff befürchtete, schickte Kundschafter aus und machte schnell und geräuschlos mobil. Im Morgengrauen schlug er zu — so lautlos, daß die Maultierführer nicht wußten, wie ihnen geschah. In Panik flohen sie ohne die Maultiere nach Uxellodunum. Warum Lucterius ihnen nicht in die Festung folgte, blieb ein Rätsel; er konnte zwar in den Wald fliehen, versuchte aber nicht, zu Drappes zurückzukehren und ihm von dem Vorfall zu berichten.

Nachdem Rebilus von einem Gefangenen den Standort des Proviantzuges erfahren hatte, schickte er seine Germanen dorthin. Die ubischen Reiter wurden diesmal von ubischen Fußsoldaten begleitet — eine tödliche Kombination. Ihnen folgte im Schnellschritt eine der beiden Legionen von Rebilus. Der Kampf war für die Römer ein Kinderspiel. Drappes und seine Männer wurden gefangengenommen, der gesamte Proviant fiel in die Hände der Römer.

»Darüber freue ich mich besonders!« sagte Rebilus am nächsten Tag, als er Fabius herzlich die Hand zur Begrüßung schüttelte. »Obwohl wir jetzt noch zwei Legionen mehr haben, brauchen wir nicht mehr auf Proviantsuche zu gehen.«

»Dann laß uns mit der Belagerung anfangen«, meinte Fabius.

Als Caesar von Rebilus’ Erfolg hörte, beschloß er, sofort mit seinen Reitern nach Uxellodunum aufzubrechen; Quintus Fufius Calenus sollte mit zwei Legionen im normalen Marschtempo nachkommen.

»Denn ich glaube nicht, daß Rebilus und Fabius in Gefahr sind«, sagte Caesar zu Calenus. »Wenn du unterwegs auf Widerstand stößt, merze ihn gnadenlos aus. Es wird höchste Zeit, daß die Gallier sich der römischen Herrschaft beugen.«

Bei seiner Ankunft in Uxellodunum stellte Caesar fest, daß die Arbeiten an den Belagerungsanlagen bereits weit gediehen waren. Weder Rebilus noch Fabius hatten mit seinem Kommen gerechnet, doch waren sie froh, daß er da war.

»Wir sind beide keine Techniker, und die Techniker, die wir haben, verdienen diesen Namen nicht«, klagte Fabius.

»Ihr wollt ihnen also die Wasserzufuhr abschneiden«, sagte Caesar.

»Uns bleibt nichts anderes übrig. Andernfalls müssen wir warten, bis der Hunger sie hinaustreibt, und alles deutet darauf hin, daß sie trotz Lucterius’ gescheitertem Versuch, zusätzlichen Proviant zu besorgen, genügend zu essen haben.«

»Ich bin ganz deiner Meinung, Fabius.«

Sie standen auf einer felsigen Anhöhe, von der aus sie die Wasserversorgung von Uxellodunum überblicken konnten: den Weg von der Festung zum Fluß und die Quelle. Den Zugang zum Fluß hatten Rebilus und Fabius bereits erschwert, indem sie Bogenschützen so postiert hatten, daß sie die Wasserträger unter Beschuß nehmen konnten, ohne selbst von den auf den Mauern des oppidum stehenden Bogenschützen und Speerwerfern getroffen zu werden.

»Das genügt noch nicht«, sagte Caesar. »Fahrt die Geschütze auf, und beschießt den Weg mit Zweipfündern. Setzt auch Skorpione ein.«

So blieb Uxellodunum nur noch die Quelle, die für die Römer ein weitaus größeres Problem darstellte. Sie entsprang direkt unterhalb der Stelle, an der die Mauer der Festung am höchsten emporragte, und unmittelbar daneben befand sich ein Tor. Da das Gelände ringsum zerklüftet war und nicht zuließ, daß eine Kohorte dort Stellung bezog, schied ein Sturmangriff aus.

»Jetzt stecken wir in der Klemme«, seufzte Fabius.

Caesar grinste. »Unsinn! Wir bauen zunächst eine Rampe aus Erde und Steinen, so daß wir dort drüben, fünfzig Schritt von der Quelle entfernt, Stellung beziehen können. Es geht zwar steil bergauf, aber damit verschaffen wir uns eine Plattform, die sechzig Fuß höher liegt als unser jetziger Standort. Oben auf der Rampe bauen wir einen zehnstöckigen Belagerungsturm, von dem wir die Quelle überblicken und mit Skorpionen auf jeden schießen können, der versucht, Wasser zu holen.«

»Tagsüber vielleicht.« Rebilus klang ratlos. »Aber dann holen sie eben nachts Wasser. Außerdem können wir unsere Männer beim Bau der Rampe nicht schützen.«

»Dafür gibt es doch Sturmdächer, Rebilus«, sagte Caesar. »Hauptsache, es sieht so aus, als meinten wir es ernst. Was natürlich bedeutet, daß auch die Legionäre in diesem Glauben gelassen werden müssen.« Er hielt inne und betrachtete die Quelle, die als stattlicher Wasserfall aus dem Felsen schoß. »Aber das Ganze ist nur ein Täuschungsmanöver«, fuhr er fort. »Ich habe solche Quellen schon oft gesehen, vor allem in Anatolien. Diese hier wird von mehreren unterirdischen Zuflüssen gespeist, der Größe nach zu schließen zehn bis zwölf. Wir graben das Wasser einfach ab. Die Pioniere werden sofort mit dem Untertunneln beginnen. Sie sollen alle Zuflüsse, auf die sie stoßen, in den Oltis umleiten. Ich habe zwar keine Ahnung, wie lange das dauert, aber wenn der letzte Zufluß umgeleitet ist, wird die Quelle versiegen.«

Fabius und Rebilus starrten Caesar bewundernd an.

»Aber könnten wir die Stollen nicht auch ohne das ganze oberirdische Theater graben?«

»Damit sie merken, was wir in Wirklichkeit machen? Es gibt in diesem Teil Galliens jede Menge Silber-- und Kupferminen, Rebilus. Wahrscheinlich gibt es auch in Uxellodunum Bergarbeiter. Ich will auf keinen Fall, daß sich wiederholt, was wir bei der Belagerung der Atuatucer erlebt haben — ein Gewirr von Minen und Gegenminen, die wie die Tunnel einer Schwadron wahnsinnig gewordener Maulwürfe ineinander verschlungen waren. Die unterirdischen Gänge müssen streng geheim bleiben. Nur die Pioniere dürfen davon wissen. Deshalb müssen Rampe und Belagerungsturm die Verteidiger in Atem halten.« Und Caesar fügte mit Nachdruck hinzu: »Ich verliere ungern Legionäre, und wir werden alles tun, um es zu vermeiden, aber ich will hier fertig werden, und zwar bald.«

Also schob sich eine Rampe hangaufwärts, und dann wuchs nach und nach ein Belagerungsturm in die Höhe. Die überraschten und verängstigten Bewohner von Uxellodunum antworteten mit Speeren, Pfeilen, Steinen und Feuergeschossen. Als sie schließlich erkannten, wie hoch der Turm werden sollte, stürmten sie zum Tor heraus und griffen wütend an. Ein hitziger Kampf entbrannte, denn die von der Wichtigkeit ihres Tuns überzeugten römischen Soldaten verteidigten verbissen ihre Stellung. Bald stand der Turm in Flammen, und die zu beiden Seiten der Rampe angelegten Schutzdächer und Befestigungen gerieten in ernste Gefahr.

Da die Breite der Front durch das Gelände sehr begrenzt war, waren die meisten römischen Soldaten nicht am Kampfgeschehen beteiligt. Sie drängten sich so dicht wie möglich zusammen und feuerten ihre Kameraden an, während die in der Festung gebliebenen Cadurcer die Mauerkrone besetzten und ebenfalls ihre Krieger anspornten. Auf dem Höhepunkt der Schlacht jagte Caesar die zuschauenden Legionäre fort und befahl ihnen, an anderen Stellen um das oppidum Lärm zu schlagen, so als wollte das Heer von allen Seiten den Hügel stürmen.

Die Cadurcer fielen auf die List herein und zogen sich zurück, um über die neue Bedrohung zu beratschlagen. Dadurch gewannen die Römer Zeit zum Löschen der Brände.

Der zehnstöckige Belagerungsturm wuchs erneut in die Höhe, allerdings sollte er nie benutzt werden. Die unterirdischen Gänge waren unaufhaltsam vorwärtsgetrieben worden, und ein Quellzufluß nach dem anderen wurde umgeleitet. Etwa zur gleichen Zeit, als der Turm mit Artilleristen hätte bemannt und in Betrieb genommen werden können, versiegte zum ersten Mal seit Menschengedenken die Quelle, die Uxellodunum mit Wasser versorgte.

Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel und traf den Lebensnerv der Verteidiger ins Mark. Zu klar war die Botschaft: Die Tuatha beugten sich der Macht Roms und ließen die Gallier zugunsten Caesars im Stich. Aber wozu sollte man weiterkämpfen, wenn selbst die Tuatha Caesar und den Römern wohlgesinnt waren?

Uxellodunum kapitulierte.

Am nächsten Morgen ließ Caesar sämtliche Legaten, Präfekten, Militärtribunen und Zenturionen in die Versammlungshalle der gallischen Festung kommen, darunter auch Aulus Hirtius. Er war mit den beiden Legionen gekommen, die Quintus Fufius Calenus nach Uxellodunum geführt hatte.

»Ich werde es kurz machen«, begann Caesar. Er saß in voller Rüstung auf seinem Amtsstuhl, den Elfenbeinstab seines Imperiums an den rechten Unterarm gelegt. Vielleicht lag es am Licht, das durch die geöffneten Läden des großen Fensters im Rücken der fünfhundert Männer auf Caesars Gesicht fiel, daß seine Erschöpfung so offen zutage trat. Obwohl noch keine fünfzig, hatten sich bereits tiefe Faltenringe in seinen langen Hals gegraben, auch wenn noch keine schlaffen Hautsäcke den ebenmäßigen Unterkiefer entstellten. Seine Stirn war von Falten durchzogen, Falten gingen fächerförmig von seinen Augenwinkeln aus, und zu beiden Seiten der Nase hatten sich tiefe Furchen in die Wangen gegraben, die die markanten Backenknochen betonten. Auf Feldzügen verschwendete Caesar keinen Gedanken an sein schütter werdendes Haar, heute aber hatte er die corona civica, den Eichenkranz, aufgesetzt, denn er wollte höchste Würde ausstrahlen. Wenn er mit der corona civica irgendwo eintrat, mußten alle aufstehen und ihm applaudieren — sogar Bibulus und Cato. Caesar verdankte es dieser Auszeichnung, daß er im Alter von zwanzig Jahren in den Senat hatte eintreten können; dank ihr wußte jeder Legionär, der unter ihm diente, daß sein Feldherr mit Schwert und Schild in der vordersten Reihe gekämpft hatte, auch wenn die Männer seiner gallischen Legionen dieser Erinnerung nicht bedurften, da sie es oft genug selbst erlebt hatten.

Caesar sah zutiefst müde aus, doch die Anwesenden wußten, daß es nicht körperliche Müdigkeit war; seine körperliche Verfassung war ausgezeichnet, er verfügte über Bärenkräfte. Nein, Caesar litt unter seelischer Erschöpfung, wie sie zu ihrem Erstaunen erkennen mußten.

»Es ist Ende September und Sommer«, sagte er in knappem, abgehacktem Tonfall, der dem Rhythmus seiner in gewähltem Latein gesprochenen Worte jede poetische Färbung nahm. »Noch vor zwei oder drei Jahren hätten alle gesagt, der Krieg in Gallien wäre jetzt endlich vorbei. Aber die, die heute hier sind, wissen es besser. Wann werden die Völker von Gallia Comata ihre Niederlage endlich zugeben? Wann werden sie sich der sanft lenkenden Hand Roms beugen und einsehen, daß sie heute sicher und behütet sind wie nie zuvor? Gallien ist ein Stier, dem man die Augen ausgestochen hat, dessen Wut aber geblieben ist. Immer wieder stürmt er blind gegen Mauern, Felsen und Bäume an und richtet dabei nur sich selbst zugrunde. Er wird zwar ständig schwächer, aber keineswegs ruhiger. Bis er sich schließlich selbst zerschmettert hat und stirbt.«

Im Saal herrschte Totenstille; niemand regte sich, nicht einmal ein Räuspern war zu hören. Worauf wollte Caesar hinaus?

»Wie können wir diesen Stier besänftigen? Wie können wir ihn dazu bringen stillzuhalten, damit wir Salbe auf seine Wunden streichen und sie heilen können?«

Caesars Stimme änderte sich, wurde dunkler. »Ihr alle kennt die großen Schwierigkeiten, denen ich mich in Rom gegenübersehe. Der Senat will mich vernichten, aus dem Weg schaffen... meinen Ruf zerstören, meine dignitas, die auch eure dignitas ist, weil ihr meine Leute seid, das Rückgrat meiner tapferen Armee. Wenn ich stürze, stürzt auch ihr, wenn ich entehrt werde, seid auch ihr entehrt. Wir alle sind bedroht, doch nicht das ist es, was ich euch sagen will. Ich erwähne es nur, um dem folgenden Nachdruck zu verleihen.«

Er holte tief Luft. »Man wird mein Kommando nicht verlängern, es wird an den Kalenden des März übernächsten Jahres auslaufen, vielleicht schon im März nächsten Jahres, obwohl ich tun werde, was in meinen Kräften steht, um das zu verhindern. Ich brauche das nächste Jahr dafür, aus Gallia Comata eine richtige römische Provinz zu machen. Deshalb muß der unnütze, sinnlose, zerstörerische Krieg noch dieses Jahr endgültig beendet werden. Ich verabscheue es, nach den Schlachten über die Schlachtfelder zu reiten, denn dort liegen auch tote Römer. Und viele Gallier, Belgen wie Kelten, die für einen Traum gestorben sind, zu dessen Verwirklichung sie weder das Wissen noch den nötigen Weitblick haben. Das hätte auch Vercingetorix festgestellt, wenn er gesiegt hätte.«

Caesar stand auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und runzelte die Stirn. »Ich will, daß der Krieg dieses Jahr endet.

Ich will keine vorübergehende Einstellung der Feindseligkeiten, sondern einen wirklichen Frieden, einen Frieden, der länger währt als das Leben eines jeden in diesem Saal Anwesenden und das Leben seiner Kinder und deren Kinder. Wenn das nicht gelingt, werden die Germanen Gallien erobern und seine Geschichte verändern. Wie die Geschichte unseres geliebten Italia zeigt, würden sich die Germanen nicht mit der Eroberung Galliens begnügen. Das letzte Mal, als sie kamen, hat Rom Gaius Marius hervorgebracht. Ich glaube, daß Rom dieses Mal mich hervorgebracht und auf diesen Platz gestellt hat, damit die Germanen nie wieder kommen. Nicht die Alpen, sondern Gallia Comata ist unsere natürliche Grenze. Wenn unsere Welt, und dazu gehört auch die Welt der Gallier, blühen soll, müssen wir dafür sorgen, daß die Germanen jenseits des Rhenus bleiben.«

Er schritt einige Male auf und ab, blieb wieder stehen und sah die Legaten und Zenturionen lange und tiefernst an.

»Die meisten von euch dienen mir bereits sehr lange, aber ihr alle dient mir lang genug, um zu wissen, was für ein Mensch ich bin. Daß ich nicht von Natur aus grausam bin. Es macht mir weder Vergnügen zuzusehen, wie jemandem Schmerz zugefügt wird, noch entsprechende Befehle zu geben. Aber ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Gallia Comata eine Lektion braucht, die so hart, so entsetzlich ist, daß die Erinnerung daran die Generationen überdauert und künftige Aufstände verhindert. Deshalb habe ich euch heute hierher gerufen. Ich will euch sagen, was ich tun werde, allerdings nicht, um euch um Erlaubnis zu bitten. Ich bin der Feldherr, und ich allein treffe die Entscheidung. Ich habe sie getroffen, ihr könnt nichts daran ändern. Die Griechen glauben, daß nur der, der ein Verbrechen begeht, sich des Verbrechens schuldig macht. Daher lastet die Schuld allein auf meinen Schultern. Keiner von euch ist daran beteiligt oder wird darunter zu leiden haben. Ich allein trage die Last. Ihr habt mich oft sagen hören, daß es im Alter kein Trost sei, sich früherer Greueltaten zu erinnern, doch seit ich neulich mit dem Druiden Cathbad gesprochen habe, fürchte ich dieses Schicksal nicht mehr.«

Er kehrte zu seinem Amtsstuhl zurück und setzte sich aufrecht hin.

»Morgen nehme ich mir die Männer vor, die Uxellodunum verteidigt haben. Ich schätze, es werden etwa viertausend sein. Ja, ich weiß, es sind mehr, aber viertausend reichen, die viertausend, die uns am meisten hassen. Ich werde ihnen beide Hände abhacken lassen.«

Er hatte ganz ruhig gesprochen, doch ein entsetztes Aufstöhnen ging durch den Saal. Zum Glück waren weder Decimus Brutus noch Gaius Trebonius unter den Anwesenden! Aber Hirtius starrte ihn aus tränenerfüllten Augen an, und das ging ihm nahe. Er mußte schlucken, er hoffte nur, daß man es nicht sah.

»Ich werde von keinem Römer verlangen, diese Aufgabe zu übernehmen. Gallier aus Uxellodunum sollen es tun, Freiwillige, achtzig Männer, von denen jeder fünfzig Männern die Hände abhackt. Ich biete jedem Freiwilligen an, seine Hände zu verschonen, das wird für genügend Freiwillige sorgen. Die Schmiede stellen bereits Werkzeuge dafür her, die ich mir ausgedacht habe, eine Art kleine Meißel mit einer fünfzehn Zoll breiten Klinge. Sie werden unterhalb des Handgelenks auf den Handrücken aufgesetzt und mit einem Hammerschlag durch die Hand getrieben. Das Blut wird zuvor mit einem Riemen um den Unterarm abgebunden. Danach wird das Handgelenk in Pech getaucht. Manche mögen dabei verbluten, doch die meisten werden es überleben.«

Jetzt, da er das Reich der Gedanken verlassen hatte und in die Welt der Praxis zurückgekehrt war, sprach er flüssig und leicht.

»Die viertausend Männer werden anschließend verbannt und müssen fortan als Bettler durch Gallien ziehen. Und jeder, der einen Mann ohne Hände sieht, wird an die Lektion nach der Belagerung von Uxellodunum denken. Wenn die Legionen sich auf die verschiedenen Winterquartiere verteilen, was schon bald geschehen wird, nimmt jede einige der handlosen Männer mit. So ist gewährleistet, daß sie überall anzutreffen sind. Denn die Lektion wäre verschwendet, wenn der Beweis nicht überall zu sehen wäre.

Abschließend einige Informationen, die meine im Stillen wirkenden tüchtigen Sekretäre zusammengestellt haben. Die acht Kriegsjahre haben die Gallier eine Million tote Krieger gekostet. Eine Million Menschen wurden in die Sklaverei verkauft, vierhunderttausend gallische Frauen und Kinder sind tot, eine Viertelmillion gallische Familien wurden obdachlos. Das entspricht der Gesamtbevölkerung Italias. Es ist ein schrecklicher Beweis für die Blindheit und Wut des gallischen Stieres. Das muß aufhören, und zwar jetzt, hier in Uxellodunum! Wenn ich Gallien als Statthalter verlasse, wird hier Frieden herrschen.«

Caesar nickte, und schweigend verließen die Männer den Saal. Niemand sah Caesar an außer Hirtius, der geblieben war.

»Ich will nichts hören!« sagte Caesar barsch.

»Ich wollte nichts sagen«, entgegnete Hirtius.

Nach der Kapitulation von Uxellodunum beschloß Caesar, die Stämme Aquitaniens aufzusuchen. Dieser Teil Galliens war am wenigsten in den Krieg verwickelt gewesen und daher als einziger noch in der Lage, eine Armee ins Feld zu schicken. Als Beweis für die Entschlossenheit Roms, den Widerstand der Gallier zu brechen, nahm Caesar einige der Männer ohne Hände aus Uxellodunum mit.

Die Reise verlief friedlich; die Stämme hießen ihn beflissen willkommen, wandten die Augen von den Handlosen ab, unterschrieben jeden Vertrag, den er ihnen vorlegte, und schworen hoch und heilig, Rom für immer treu zu bleiben. Im großen und ganzen war Caesar bereit, ihnen Glauben zu schenken, denn einige Tage, nachdem er sich auf den Marsch nach Burdigala begeben hatte, der ersten Station seiner Reise durch Aquitanien, hatte ihm ausgerechnet ein Arverner Lucterius ausgeliefert, ein Zeichen dafür, daß kein Stamm in Gallien mehr bereit war, einem von Vercingetorix’ Feldherrn Schutz zu gewähren. Das bedeutete, daß wenigstens einer der beiden Verteidiger Uxellodunums in Caesars Triumphzug marschieren würde. Der andere, Drappes von den Senonen, hatte jede Nahrung verweigert und war gestorben, ohne seinen Widerstand gegen die Anwesenheit der Römer in Gallien aufzugeben.

Ende Oktober, besuchte Lucius Caesar seinen Vetter in Tolosa. Er wußte von vielen Neuigkeiten zu berichten.

»Der Senat kam Ende September zusammen«, sagte er. »Ich muß zugeben, daß ich vom ersten Konsul, den ich für einen vernünftigeren Mann als seinen Mitkonsul hielt, enttäuscht bin.«

»Servius Sulpicius ist zwar vernünftiger als Marcus Marcellus, aber er ist genauso auf meinen Sturz aus«, entgegnete Caesar. »Worüber wurde gesprochen?«

»Der Senat beschloß, an den Kalenden des März auf jeden Fall über deine Provinzen zu debattieren. Marcus Marcellus sagte, der Krieg in Gallia Comata sei endgültig vorbei, deshalb gebe es keinen Grund mehr, dir zu diesem Datum nicht dein Imperium, deine Provinzen und deine Armee abzuerkennen. Er sagte, das neue Fünfjahresgesetz habe eine Gruppe möglicher Statthalter geschaffen, die dich sofort ersetzen könnten. Jede Verschiebung sei Beweis der Schwäche des Senats und dürfe keinesfalls hingenommen werden. Er schloß seine Rede mit der Forderung, man müsse dich ein für allemal lehren, daß du Diener und nicht Herr des Senats seist. Als er das sagte, soll von Catos Platz ein lautes >Hört, hört!< gekommen sein.«

»Cato muß schon laut rufen, denn Bibulus ist in Syrien — oder zumindest auf dem Weg dorthin. Erzähl weiter, Lucius. Ich kann dir am Gesicht ablesen, daß es noch schlimmer kommt.«

»Viel schlimmer! Der Senat erließ nämlich ein Dekret, demzufolge ein Veto eines Volkstribunen gegen die Debatte über deine Provinzen im nächsten März als Landesverrat gilt. Der betreffende Volkstribun würde festgenommen und im Schnellverfahren abgeurteilt.«

»Das ist völlig illegal!« rief Caesar erregt. »Niemand darf einen Volkstribunen an der Ausübung seiner Rechte hindern oder sein Veto ignorieren, solange kein senatus consultum ultimum in Kraft ist. Ist es vielleicht das, was der Senat an den Kalenden des nächsten März vorhat? Einen solchen Beschluß zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung?«

»Vielleicht, gesagt wurde es nicht.«

»Ist das alles?«

»Nein«, antwortete Lucius Caesar ruhig. »Der Senat erließ noch eine weitere Verfügung, daß er sich nämlich das Recht vorbehält zu entscheiden, wann nach Ablauf deines Imperiums deine Veteranen entlassen werden.«

»Aha, verstehe! Das ist ein Präzedenzfall, ja, Lucius? Denn bis heute hatte in der Geschichte Roms noch nie jemand das Recht zu entscheiden, wann Soldaten ihren Dienst quittieren, außer ihrem Oberbefehlshaber. Ich nehme an, der Senat wird an den Kalenden des nächsten März verfügen, daß meine Veteranen sofort entlassen werden.«

»Sieht ganz so aus, Gaius.«

Caesar schien seltsam unbesorgt, dachte Lucius; er lächelte sogar. »Bilden die sich wirklich ein, sie könnten mich mit so etwas unterkriegen?« fragte Caesar. »Das ist doch lächerlich, Lucius!« Er stand auf und reichte seinem Vetter die Hand. »Ich danke dir aufrichtig für die Nachrichten. Aber jetzt genug davon. Ich glaube, ich nehme ein Bad.«

Doch Lucius Caesars Neugier war noch nicht befriedigt. Ergeben folgte er Caesar hinaus. Dann fragte er: »Was willst du gegen die boni tun?«

»Das Nötige.« Mehr wollte Caesar nicht sagen.

Die Vorbereitungen für den Winter waren getroffen. Gaius Trebonius, Publius Vatinius und Marcus Antonius zogen mit vier Legionen ins atrebatische Nemetocenna, um in Belgica für Ruhe zu sorgen; zwei Legionen wurden zu den Haeduern nach Bibracte verlegt, zwei zu den Turonern, den Nachbarn der Carnuten, und weitere zwei zu den Lemovicern, die südwestlich der Arverner siedelten. So war jeder Teil Galliens in Reichweite einer römischen Armee. Caesar reiste mit seinem Vetter Lucius durch die Provinz Gallia Narbonensis, dann brach er wieder nach Norden auf, um mit Trebonius, Vatinius und Marcus Antonius den Winter in Nemetocenna zu verbringen.

Mitte Dezember bescherte er seinen Legionären eine willkommene und unerwartete Überraschung; er erhöhte den Sold der gemeinen Soldaten von vierhundertachtzig Sesterzen jährlich auf neunhundert — es war das erste Mal seit über hundert Jahren, daß ein römisches Heer eine Solderhöhung erlebte. Gleichzeitig teilte er an alle eine Geldprämie aus und gab bekannt, daß der Anteil des Heeres an der Beute erhöht würde.

»Wer bezahlt das alles?« erkundigte sich Gaius Trebonius bei Publius Vatinius. »Die Schatzkammer? Doch sicher nicht!«

»Bestimmt nicht«, sagte Vatinius. »Caesar hält sich streng an die Gesetze. Nein, er zahlt das aus eigener Tasche, von seinem eigenen Anteil.« Der kleine, verkrüppelte Vatinius runzelte die Stirn. Er war nicht dabeigewesen, als Caesar das Antwortschreiben des Senats auf seine Bitte um Gleichbehandlung mit Pompeius erhalten hatte. »Ich weiß, er ist sagenhaft reich, aber er gibt auch ungeheuer viel aus. Kann er sich das denn leisten, Trebonius?«

»Ich glaube schon. Allein durch den Verkauf von Sklaven hat er zwanzigtausend Talente verdient.«

»Zwanzigtausend?Beim Jupiter! Crassus galt als reichster Mann Roms, und er hinterließ nur siebentausend Talente!«

»Marcus Crassus prahlte stets mit seinem Geld, aber hast du je Pompeius sagen hören, wie reich er ist? Was glaubst du, warum die Bankiers in diesen Tagen um Caesar herumschwänzeln und ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen. Balbus war schon immer sein Anhänger und Oppius nicht viel kürzer. Sie kennen sich noch aus deiner Zeit, Vatinius. Aber Leute wie Atticus sind erst in letzter Zeit dazugestoßen.«

»Rabirius Postumus verdankt ihm, daß er wieder auf die Beine kam«, meinte Vatinius.

»Ja, aber erst nachdem Caesar in Gallien reich wurde. Der Schatz der Germanen, den er bei den Atuatucern erbeutete, war sagenhaft. Sein Anteil daran betrug sicher ein paar tausend Talente.« Trebonius grinste. »Und falls ihm das Geld ausgehen sollte, werden die Schätze in Carnutum nicht unangetastet bleiben; sie sind seine Reserve. Caesar ist doch nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß, daß sich sonst der nächste Statthalter von Gallia Comata alles aus Carnutum unter den Nagel reißen würde. Ich wette, der Schatz aus Carnutum ist noch vor der Ankunft des nächsten Statthalters verschwunden.«

»In den Briefen, die ich aus Rom bekommen habe, steht, daß er in — gütige Götter, wie die Zeit vergeht — gut drei Monaten abgelöst wird. Die Kalenden des März kommen immer näher! Was will er dann tun? Sobald er sein Imperium nicht mehr hat, wird er von hundert Gerichten angeklagt. Und dann ist er erledigt, Trebonius.«

»Tja, höchstwahrscheinlich«, meinte Trebonius gelassen.

Doch auch Vatinius war nicht auf den Kopf gefallen. »Soweit wird er es nicht kommen lassen, wie?«

»Nein, Vatinius, sicher nicht.«

Sie schwiegen. Vatinius kaute auf seinen Lippen und musterte das traurige Gesicht seines Gegenübers. Ihre Blicke trafen sich und blieben aneinander hängen.

»Dann habe ich also recht«, sagte Vatinius. »Er hat seine Soldaten noch enger an sich gebunden.«

»Richtig.«

»Und notfalls marschiert er nach Rom.«

»Nur, wenn ihm nichts anderes übrigbleibt. Caesar legt schließlich Wert darauf, daß alles in suo anno vor sich geht — ohne Ausnahmegenehmigungen, unter Einhaltung der Zehnjahresfrist zwischen den Konsulaten, immer alles streng legal. Wenn er wirklich nach Rom marschieren muß, Vatinius, wird etwas in ihm sterben. Aber er weiß, daß er auf diese Möglichkeit notfalls zurückgreifen muß. Glaubst du, er würde einen von denen fürchten? Etwa den vielgerühmten Pompeius Magnus? Nein! Sie werden umfallen wie Zielscheiben auf einem Übungsplatz für germanische Speerwerfer. Das weiß er. Aber er will nicht, daß es dazu kommt. Er will, was ihm zusteht, aber auf legale Weise. Nach Rom marschiert er nur, wenn er mit seinem Latein am Ende ist. Sein Ruf ist bisher tadellos, und er will, daß das so bleibt.«

»Er wollte schon immer vollkommen sein«, sagte Vatinius traurig und schauderte. »Beim Jupiter, Trebonius, was wird er mit ihnen tun, wenn sie ihn zum Marsch auf Rom zwingen?«

»Das stelle ich mir lieber gar nicht vor.«

»Laß uns den Göttern opfern, damit die boni zur Vernunft kommen.« »Ich opfere schon seit Monaten, und ich glaube, die boni würden vielleicht sogar zur Vernunft kommen, gäbe es da nicht ein Hindernis.«

»Cato«, sagte Vatinius sofort.

»Cato«, wiederholte Trebonius.

Wieder trat Schweigen ein. Vatinius seufzte. »Wie auch immer, ich gehe mit ihm durch dick und dünn.«

»Ich auch.«

»Wer sonst noch?«

»Decimus, Fabius, Sextius, Antonius, Rebilus, Calenus, Basilus, Plancus, Sulpicius und Lucius Caesar«, zählte Trebonius auf.

»Labienus nicht?«

Trebonius schüttelte heftig den Kopf. »Nein.«

»Warum will er nicht?«

»Caesar will ihn nicht.«

»Aber er äußert sich nie abschätzig über Labienus.«

»Das wird er auch in Zukunft nicht tun. Labienus hofft immer noch, sein Mitkonsul zu werden, auch wenn er weiß, daß Caesar seine Methoden nicht billigt. Aber Caesar hat davon kein Wort an den Senat geschrieben, also hofft Labienus weiter. Aber wenn Caesar nach Rom marschiert, wird er den boni ein Geschenk machen — Titus Labienus.«

»Ach Trebonius, hoffentlich kommt es nicht zum Bürgerkrieg!«

Das hoffte auch Caesar, während er gleichzeitig seine ganze Kraft darauf konzentrierte, im Einklang mit dem mos maiorum, Roms ungeschriebener Verfassung, die Bedrohung durch die boni abzuwehren. Die Konsuln für das nächste Jahr waren gewählt; Lucius Aemilius Lepidus Paullus würde erster, Gaius Claudius Marcellus zweiter Konsul sein. Gaius Marcellus war ein Vetter ersten Grades sowohl des gegenwärtigen zweiten Konsuls, Marcus Marcellus, wie des Mannes, von dem es hieß, er würde im übernächsten Jahr Konsul werden — ein weiterer Gaius Marcellus. Um ihn nicht mit letzterem zu verwechseln, nannte man ihn gewöhnlich Gaius Marcellus den Älteren und seinen Vetter Gaius Marcellus den Jüngeren. Gaius Marcellus der Ältere war ein unerbittlicher Feind Caesars, auf ihn konnte Caesar nicht hoffen. Anders Paullus. Er war wegen Beteiligung an dem von seinem Vater Lepidus angezettelten Aufstand verbannt worden und wurde erst sehr spät Konsul, und das auch nur, weil er die Basilica Aemilia, das imposanteste Bauwerk auf dem Forum Romanum, wieder aufgebaut hatte. An dem Tag, an dem Publius Clodius im Senat verbrannte, war es allerdings zu einer Katastrophe gekommen. Die fast vollendete Basilica Aemilia war ebenfalls abgebrannt, und Paullus fehlte das Geld, noch einmal von vorn zu beginnen.

Paullus hatte zwar keinen Einfluß, und Caesar wußte das, aber er kaufte ihn trotzdem. Es lohnte sich immer, den ersten Konsul auf seiner Seite zu haben. Im Dezember bekam Paullus sechzehnhundert Talente von Caesar und wurde als Caesars Mann auf die Gehaltsliste von Balbus gesetzt. Damit konnte er die Basilica Aemilia in noch größerer Pracht aufbauen. Wichtiger war für Caesar freilich Curio, der nur fünfhundert Talente gekostet hatte. Er hatte Caesars Rat befolgt und so getan, als habe er sich erst im letzten Moment entschlossen, für das Tribunat zu kandidieren, und man hatte ihn — für einen Scribonius Curio kein Problem — mit den meisten Stimmen gewählt.

Aber damit waren Caesars Handlungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft. Nicht nur die größeren Städte in Gallia Cisalpina, sondern ebenso die der Provinz Gallia Narbonensis und des restlichen Italia erhielten große Geldbeträge, um öffentliche Gebäude zu errichten oder Marktplätze zu verschönern. All diese Städte hatten eines gemeinsam: Sie standen auf Caesars Seite. Er dachte auch daran, in den spanischen Provinzen, in der Provinz Asia und in Griechenland Bauwerke zu stiften, entschied dann aber, daß ihm solche Auslagen nicht genügend Hilfe einbrachten, wenn Pompeius, der in diesen Gebieten ein weitaus mächtigerer Patron war, seinen Klienten verbot, Caesar zu unterstützen. Mit seinen Geschenken wollte Caesar nicht Anhänger für den Fall eines Bürgerkriegs gewinnen, sondern einflußreiche Vertreter der Geldaristokratie auf seine Seite ziehen, die den boni klarmachen sollten, daß sie besser die Finger von Caesar ließen. Ein Bürgerkrieg war nur der letzte Ausweg, und Caesar glaubte fest, daß auch die boni davor zurückschrecken würden. Er wollte sie in die Knie zwingen, indem er es ihnen unmöglich machte, gegen den Willen der Mehrheit von Rom, Italia, Gallia Cisalpina, Illyricum und der Provinz Gallia Narbonensis zu handeln.

So viel Verständnis Caesar hatte, er konnte sich selbst in pessimistischen Augenblicken nicht vorstellen, daß eine Gruppe römischer Senatoren lieber einen Bürgerkrieg herbeiführen würde als sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden und ihm das zu geben, was ihm ohnehin zustand: zum zweiten Mal Konsul und zugleich Erster Mann von Rom zu werden. Das war er seiner Familie, seiner dignitas und der Nachwelt schuldig. Er würde keinen Sohn hinterlassen, aber er brauchte auch gar keinen, denn ein Sohn hätte ihn nicht mehr übertreffen können. Außerdem waren die Söhne bedeutender Männer stets unbedeutend. Man brauchte nur an den jungen Marius oder an Faustus Sulla zu denken...

In der Zwischenzeit mußte er sich um die neue römische Provinz Gallia Comata kümmern, sie wieder aufbauen, für Ruhe und Ordnung sorgen und unter den Galliern tüchtige Männer für die Verwaltung finden. Auch einige eher taktische Probleme mußten gelöst werden, wie man zum Beispiel die zweitausend Gallier loswurde, die sich nach Caesars Ansicht erneut gegen Rom erheben würden, sobald er als Statthalter abzog. Tausend davon waren Sklaven, die er nicht zu verkaufen wagte, weil er fürchtete, sie könnten an ihren neuen Eigentümern blutige Vergeltung üben oder nach dem Beispiel des Spartacus bewaffnete Aufstände anzetteln. Die anderen waren freie Gallier, zumeist Adlige, die nicht einmal der Anblick der verstümmelten Opfer von Uxellodunum hatte einschüchtern können.

Schließlich ließ er sie nach Massilia marschieren und unter schwerer Bewachung Schiffe besteigen. Die tausend Sklaven kamen nach Galatien zu König Deiotarus, der selbst Gallier war und immer dringend gute Reiter brauchte; er würde die Sklaven bei ihrer Ankunft freilassen und dann für seine Zwecke einspannen. Die tausend freien Gallier schickte Caesar zu König Ariobarzanes von Kappadokien. In beiden Fällen handelte es sich um Geschenke, kleine Opfer auf dem Altar Fortunas. Glück war ein Gunstbeweis der Götter, aber es konnte auch nicht schaden, selbst zu seinem Glück beizutragen. Erfolg nur auf Glück zurückzuführen, war zu einfach. Niemand wußte besser als Caesar, daß sich hinter dem Glück eine Unmenge harter Arbeit und angestrengter Überlegungen verbarg. Seine Legionäre sollten ruhig mit dem Glück ihres Feldherrn angeben, das störte ihn nicht im geringsten. Solange sie an sein Glück glaubten, fühlten sie sich sicher, wenn er bei ihnen war und seinen schützenden Mantel über sie breitete. Das Schicksal des armen Marcus Crassus war von dem Tag an besiegelt gewesen, an dem seine Soldaten zu der Überzeugung gekommen waren, daß das Glück ihn verlassen habe. Niemand war frei von Aberglauben, aber Männer niedriger Abstammung und geringer Bildung waren besonders abergläubisch. Caesar nützte das aus. Denn wenn das Glück von den Göttern kam und seine Soldaten glaubten, er sei vom Glück begünstigt, rückte ihn das in die Nähe der Götter. Und das konnte nicht schaden.