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Ich kam nach Hause, um einer Hölle zu entfliehen, und landete unversehens in der nächsten. Wahrscheinlich geschah es mir recht. Ich war mit achtzehn fortgegangen und hatte nie auch nur einen Blick zurückgeworfen.

Die Cherokee nennen die Berge, in denen ich geboren bin, Sah-ka-na-ga oder Gottes Große Blaue Berge. Ich hatte diese Bezeichnung immer für eine Übertreibung gehalten, doch inzwischen war ich mir da nicht mehr so sicher. In meiner derzeitigen Gemütsverfassung kamen mir die Blue Ridge Mountains tatsächlich ein bisschen wie der Himmel vor.

„Andererseits wäre verglichen mit dem hier sogar ein Feuersee eine verlockende Aussicht“, murrte ich, mit düsterer Miene das Chaos auf meinem Schreibtisch betrachtend.

„Hast du schon mal einen Feuersee gesehen? Kein hübscher Anblick.“

Zu meiner Überraschung stand Grace McDaniel in der Tür.

Während der Highschool waren wir beste Freundinnen gewesen. Bis ich das College besucht und anschließend einen Job bei einem Fernsehsender in der großen, bösen Stadt Atlanta ergattert hatte, während sie hiergeblieben war. Heute war Grace der Sheriff von Lake Bluff, und ich war die Bürgermeisterin. So viel zu den Sünden der Väter

Im Vorzimmer läuteten mehrere Telefone. Meine Assistentin hatte mich informiert, dass drei Wähler darauf warteten, von mir empfangen zu werden, bevor sie weiß der Himmel wohin verschwunden war, um weiß Gott was zu tun.

Man sagte, Joyce Flaherty habe schon als Assistentin des Bürgermeisters gearbeitet, seit es in Lake Bluff, Georgia, den ersten Bürgermeister gab. In Anbetracht der Tatsache, dass die Stadt lange vor der Revolution von den schottischen Iren gegründet wurde, wäre Joyce damit definitiv ein übernatürliches Wesen. Falls das Gerücht zutraf.

In Wirklichkeit war Joyce während der dreißig plus x Jahre, die mein Vater hier regiert hatte, seine rechte Hand gewesen, und jetzt war sie meine. Die Frau besaß die ärgerliche Angewohnheit, meine Arbeit zu machen und mich erst hinterher darüber zu informieren. Dumm nur, dass sie von meinem Job viel mehr verstand als ich.

„Gibt’s ein Problem?“, fragte ich.

Grace tauchte nicht oft in meinem Büro auf; sie rief an, hinterließ eine Nachricht, schickte einen Bericht. Wir waren Freundinnen gewesen, aber jetzt Nun ja, sie schien ein bisschen sauer auf mich zu sein, ohne dass ich genau wusste, warum.

»Das kann man wohl sagen«, brummte sie in ihrem trägen, weichen Südstaatenakzent. Ich hatte nie realisiert, wie sehr ich diese Klangfarbe die ich selbst schon vor Jahren abgelegt hatte – vermisste, bis ich nach Hause zurückgekehrt war.

Grace sah sich nach hinten um, bevor sie in mein Büro trat und die Tür schloss. Ich deutete auf einen freien Stuhl, aber sie schüttelte den Kopf und begann auf und ab zu laufen, bis der kleine Raum von ihrer nervösen Energie zu knistern schien.

Grace war die denkbar unwahrscheinlichste Kleinstadtpolizistin, die man sich vorstellen konnte. Sie hatte nicht nur den Körperbau und die Kraft der schottischen Vorfahren, die uns beiden eigen waren, sondern wies darüber hinaus auch die hohen Wangenknochen und das schnurgerade tintenschwarze Haar der Cherokee auf, die jahrhundertelang in diesen Bergen umhergewandert waren, bevor sie im Zuge der beschämenden Aktion, die uns allen als Pfad der Tränen geläufig ist, in den Westen vertrieben wurden.

Die leicht dunkle Tönung ihrer perfekten Haut deutete außerdem darauf hin, dass auch ein oder zwei Sklaven an ihrem Genpool beteiligt waren. Was in diesen Teilen des Landes nicht so selten vorkam, da auch die Cherokee früher afroamerikanische Sklaven hielten.

Grace hätte als Model arbeiten können, nur war sie sich ihrer Schönheit ebenso wenig bewusst, wie ich von meiner Arbeit als Bürgermeister verstand. Sie liebte Lake Bluff mehr als irgendetwas oder irgendjemanden sonst; sie würde nie von hier weggehen, wie ich es getan hatte.

Plötzlich hörte sie auf hin und her zu laufen und stemmte die Handflächen auf die Schreibtischplatte. „Du musst mitkommen.“

Grace war schnell im Denken und Handeln, dementsprechend führte sie eine Entscheidung unverzüglich aus, sobald sie sie getroffen hatte. Manchmal – um ehrlich zu sein, meistens – wunderte ich mich, warum nicht sie Bürgermeisterin war. Nur dass in Lake Bluff die Menschen in die Fußstapfen ihrer Eltern traten, und wer darauf keine Lust hatte, der verließ die Stadt.

„Am See kampiert eine Zigeunerkarawane“, erklärte sie.

Ich blinzelte. „Entschuldige, aber hast du gerade ‚Zigeunerkarawane‘ gesagt?“

Sie lächelte herablassend. „Mit deinem Gehör ist alles in Ordnung.“

Die Art, wie sie das sagte, schien anzudeuten, dass dafür mit anderen Teilen von mir etwas nicht in Ordnung war. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber Grace wusste das nicht. Niemand wusste es.

„Claire.“ Sie seufzte. „Was ist in Atlanta mit dir passiert? Früher hast du Sarkasmus verstanden und Paroli geboten. Man konnte Spaß mir dir haben.“

„Jetzt bin ich Bürgermeisterin“, konterte ich lahm.

„Da hast du es.“ Unsere Blicke trafen sich, und sie zwinkerte. „Aber wir werden dich schon wieder hinbiegen.“

Ich würde nie mehr derselbe Mensch sein wie vor meinem Weggehen, aber zumindest konnte ich jetzt, da ich wieder zu Hause war, endlich aufhören, bei jedem Schatten zusammenzuzucken. Das schrille Brrrrring des Telefons ließ mich mit pochendem Herzen vom Stuhl springen.

So viel dazu.

Grace gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. Hatte sie sich je im Leben vor etwas gefürchtet?

„Geh nicht ran!“, befahl sie. Ich zog fragend eine Braue hoch. „Du wirst dich nur mit irgendwelchem Hinterwäldlermist rumschlagen müssen, und ich will, dass du mich begleitest.“

„Hinterwäldlermist?“ Gott, wie ich sie vermisst hatte!

Grace zuckte die Achseln. „Du weißt doch, wie das hier ist. Jamies Kuh hat sich in Harolds Maisfeld verirrt. Lucys Katze hat Carols Hund eins auf die Nase gegeben. Irgendein unterbelichtetes Gör steckt mit dem Kopf zwischen den Stangen des Klettergerüsts fest und schreit seit einer Stunde Zeter und Mordio.“

„Das klingt eher nach deiner Art von Hinterwäldlermist als nach meiner.“ Ich war erleichtert, als mein Telefon endlich zu klingeln aufhörte und der Anrufbeantworter ansprang.

„Na schön.“ Grace öffnete die Tür. „Dann musst du dir eben nicht das Gejammer von jemandem anhören, der sich über Grenzlinien, Steuern oder ungerechte Gemeindeverordnungen beschweren will.“

Das wäre tatsächlich meine Art von Hinterwäldlermist.

An Joyce’ Schreibtisch machte ich kurz halt, um eine Notiz zu kritzeln und mein Handy darauf zu überprüfen, ob es eingeschaltet war, anschließend zeigte ich mit dem Daumen zum Hintereingang.

Wir hatten die Tür fast erreicht, als jemand rief: „Bürgermeisterin?“ Ich wollte mich gerade umdrehen, doch Grace versetzte mir einen Stoß zwischen die Schulterblätter.

Ich stolperte auf meinen mattweißen Pumps, die die perfekte Ergänzung zu meinem blass pfirsichfarbenen Sommerkostüm waren, und wäre beinahe aufs Gesicht gefallen, als die Hintertür aufflog und wir in der Sommersonne landeten.

„Ah.“ Mit amüsierter Miene ließ Grace den Blick über den Parkplatz schweifen. „Weißt du noch, wie wir hier draußen während der Highschool Gras geraucht haben?“

„Grace!“

„Was denn?“ Sie schob eine dunkle Sonnenbrille vor ihre hellgrünen Augen.

„Jemand könnte dich hören.“

„Und wenn schon. Es ist ja nicht so, als ob wir uns erst gestern zugekifft hätten. Wir waren sechzehn.“

„Es würde einen schlechten Eindruck machen“, entgegnete ich streng. „Man erwartet von dir, Recht und Ordnung zu vertreten.“

„Soll ich mich etwa höchstpersönlich für etwas verhaften, das ich vor zehn Jahren angestellt habe? Tut mir leid, aber die Verjährungsfrist für dieses Verbrechen ist abgelaufen.“

Grace marschierte los, wobei ihre langen, gertenschlanken Beine die Distanz schneller überwanden, als meine das je geschafft hätten. Nicht, dass ich klein gewesen wäre, trotzdem fehlten mir gut sieben Zentimeter zu Grace’ ein Meter achtundsiebzig. Und ich war auf keinen Fall gertenschlank; ich war eher rundlich. Nicht fett – zumindest noch nicht. Aber ich musste mich zügeln: fettarmer Joghurt, fettarmes Dressing, Nachtisch nur zu besonderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel der Wiederkunft des Herrn.

Grace langte am Streifenwagen an und setzte sich hinters Steuer. Ich kletterte auf den Beifahrersitz, zerriss mir dabei die Strümpfe an der Tür und stieß eine Verwünschung aus.

„Wenn du diese dämlichen Dinger nicht tragen würdest, könntest du sie auch nicht ruinieren. Das hier ist nicht Atlanta.“

Ich musterte Grace’ Kombination aus dunkler Hose und ebenso dunkler Bluse, auf der ein schicker Aufnäher prangte, der sie als Sheriff von Lake Bluff auswies.

„Sag es nicht“, warnte sie mich.

„Sag was nicht?“

„Dass jemand in einem Aufzug wie meinem keine Modetipps geben sollte.“

„Okay.“ Ich schaute stur geradeaus. „Ich werde es nicht sagen.“

Grace bedachte mich über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg mit einem langen Blick, dann konzentrierte sie sich aufs Fahren.

Ich war drei Wochen zuvor anlässlich der Beerdigung meines Vaters nach Lake Bluff zurückgekehrt. Er war erst fünfundsechzig gewesen, und obwohl er nie auf sein Gewicht oder seinen Nikotin- und Whiskeykonsum geachtet hatte, war sein Tod ein Schock gewesen. Dass ich zugestimmt hatte, zu bleiben und seine verbleibende Amtsperiode als Bürgermeister zu Ende zu bringen, hatte sich als noch größerer Schock entpuppt, aber trotzdem war ich nun hier.

Ich sah aus dem Fenster, als wir die Stadt verließen und die Schnellstraße nahmen, die zum Lunar Lake führte. Die Stadt in ihrer heutigen Form kauerte wenige Kilometer vom See entfernt auf einem Hügel, sodass man eine atemberaubende Aussicht hatte, ganz gleich, wo in Lake Bluff man sich aufhielt.

Der Großteil der Bevölkerung – knapp fünftausend Menschen – verdiente seinen Lebensunterhalt in den Geschäften, Restaurants und urigen kleinen Pensionen, die die Hauptstraßen säumten. Einen nicht unerheblichen Teil unseres Einkommens verdankten wir unserem alljährlichen Vollmondfestival.

Die Leute reisten von weit her, um die einwöchige Feierlichkeit mitzuerleben, die an dem Tag beziehungsweise in der Nacht des August-Vollmonds mit einer Parade, einem Picknick und einem Feuerwerk ihren Höhepunkt fand. Wir rechneten in diesem Jahr mit einem gewaltigen Ansturm, denn in dieser Nacht würde eine sehr seltene totale Mondfinsternis eintreten.

Jedes Jahr ereigneten sich zwei bis vier Mondfinsternisse, doch nur in den wenigsten Fällen schnitt die Erde den Mond vollständig vom Licht der Sonne ab.

Soweit ich wusste, war das Vollmondfestival noch nie mit einem solchen Vorkommnis zusammengefallen. Dementsprechend würden wir nicht nur die üblichen Sommertouristen beherbergen, sondern auch Sterngucker – Amateure wie Profis –, die herbeiströmten, um sich das Naturschauspiel anzusehen. Da viele der geplanten Veranstaltungen am See stattfinden sollten, verstand ich Grace’ Besorgnis wegen der Zigeuner.

Wir schlängelten uns die asphaltierte, kiesgesäumte, zweispurige Landstraße hinab ins Tal, wo der Lake Lunar glitzerte.

Die Sonne warf ihre Strahlen durch die prächtigen immergrünen Bäume auf seine glatte Oberfläche. Auf der anderen Seite des Tals ragten die Berge in einen Himmel, der dieselbe Farbe hatte wie der See.

„Also “ – ich riss mich von dem Anblick los – „… kommen hier zur Zeit viele Zigeunerkarawanen durch?“

Grace bog auf die festgefahrene Schotterpiste ab, die zum See führte. „Keine einzige.“

„Gibt es in der Gegend überhaupt noch Zigeuner?“

„Sie sind wohl zur selben Zeit ausgestorben wie die Indianer.“

„Noch mehr Sarkasmus. Spitze!“

Ihre Lippen zuckten, brachten aber kein Lächeln zustande. Das taten sie nur sehr, sehr selten. „Zigeuner gibt es überall, Claire. Die meisten Leute bemerken sie nur nicht.“

Wir nahmen eine letzte Kurve, dann trat Grace auf die Bremse. Für einen Augenblick hatte ich den Eindruck, als wären wir in die Vergangenheit gereist – vielleicht nach Rumänien im siebzehnten Jahrhundert?

Ich weiß nicht, was ich vorzufinden erwartet hatte. Eine Gruppe Obdachloser? Jedenfalls hatte ich definitiv nicht damit gerechnet, auf ein Wirrwarr pferdegezogener Planwagen und eine Horde bunt gekleideter Zigeuner zu treffen.

„Nun, du hast ja gesagt, dass es auch heute noch Zigeuner gibt“, bemerkte ich.

Grace warf mir einen finsteren Blick zu – zumindest vermutete ich, dass er finster war. Ich konnte ihre Augen hinter der Knallharter-Bulle-Sonnenbrille nämlich nicht erkennen.

Kaum dass wir in Sicht kamen, trat plötzliche Stille ein. Während Grace und ich aus dem Streifenwagen stiegen, musterten sie uns ebenso aufmerksam wie wir sie.

Sie wirkten, als wären sie der Disney-Version von Der Glöckner von Notre-Dame entsprungen. Die Männer trugen schwarze Hosen und bunte, bauschige Hemden, die Frauen lange Röcke in allen Farben des Regenbogens, dazu weiße Bauernblusen und Kopftücher. Überall funkelten goldene Armreife, Perlenketten und Kreolen.

Mehrere Wagen waren mit Gitterstäben versehen, hinter denen Tiere unruhig auf und ab liefen, allerdings waren die Fuhrwerke zu weit entfernt, der Wald zu dicht und dämmrig, als dass man irgendwelche Spezies hätte ausmachen können. Die Pferde, die die Wagen zogen, waren riesig – Clydesdales vielleicht, auch wenn sie, abgesehen von ihrer Größe, keine Ähnlichkeit mit der Budweiser-Crew aufwiesen. Sie waren scheckig grau statt braun, und bei näherem Hinsehen hatten sie breitere Brustkörbe und gedrungenere Rümpfe.

„Polizei von Lake Bluff.“ Grace nahm ihre Sonnenbrille ab und hakte den Bügel in ihre Bluse, bevor sie mit einer Hand auf dem Knauf ihrer Pistole auf die Gruppe zusteuerte.

Die, die in der vordersten Reihe standen, wichen zurück. Hinter ihnen erhob sich fremdsprachiges Gemurmel.

„Wie ein Elefant im Porzellanladen“, schimpfte ich leise. Ich mochte mich verändert haben, sie hatte das nicht getan.

Nachdem ich mein bestes CNN-Moderatorinnenlächeln aufgesetzt hatte, schloss ich zu ihr auf. „Ich bin Claire Kennedy, die Bürgermeisterin von Lake Bluff. Darf ich fragen, was Sie hier machen?“

Das Gemurmel erstarb fast vollständig, aber noch immer starrten uns alle an. Ein paar bekreuzigten sich sogar, zumindest machte es den Eindruck. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich angenommen, dass sie sich vor mir fürchteten. Möglicherweise fürchteten sie sich aber einfach nur vor Grace.

„Nimm die Hand von der Waffe“, flüsterte ich.

„Nein.“

„Du jagst ihnen Angst ein.“

„Vor dem Sheriff Angst zu haben, ist gut für die Gesundheit.“

Ich presste die Lippen aufeinander. Mein veränderter Ausdruck ließ das unverständliche Gebrabbel von Neuem anschwellen. Ich erhob die Stimme. „Gibt es hier einen Verantwortlichen?“

„Jemand, der Englisch spricht?“, ergänzte Grace.

„Das wäre dann wohl ich.“

Eine Art Welle – der Geräusche und Bewegungen – entstand in den hinteren Reihen, begleitet von einer Aura der Unterwürfigkeit, als die Menschen die Köpfe neigten. Die Menge teilte sich, und ein Mann kam uns entgegen.

„Heilige Scheiße!“, entfuhr es Grace.

Mir verschlug es die Sprache, allerdings nicht wegen ihrer Formulierung, sondern wegen seines Anblicks. „Heilige Scheiße!“ traf den Nagel auf den Kopf.

Er trug die gleichen schwarzen Hosen wie die anderen Männer, dazu schimmernde, kniehohe schwarze Stiefel, aber sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß oder Seewasser – ohne eine Geschmacksprobe ließ sich das schwer feststellen.

Der Gedanke ließ mich blinzeln, denn mir waren Gedanken von dieser Sorte in letzter Zeit nicht viele gekommen.

Seidige gebräunte Haut floss über geschmeidige Muskeln und einen harten Waschbrettbauch. Eine frische Brise wehte aus Richtung Berge heran, und die plötzliche Kühle bewirkte, dass sich sein Körper mitsamt seinen Bizepsen anspannte.

Aber es war nicht ausschließlich seine Figur, die mich sprachlos machte. Seine Augen glänzten wie Blut im Mondschein; Wangen, Kinn und Nase waren wie aus Granit gemeißelt – wer könnte es mir also verdenken, dass ich ihn anstarrte?

Jemand reichte ihm ein Handtuch, und er rieb sich mit ebenso effektiven wie aufreizenden Bewegungen die Brust trocken. Mein Bauch fing an zu flattern, und ich musste mich beherrschen, den Blick nicht von seinem plötzlich amüsierten Gesicht abzuwenden, um den Bewegungen seiner Hände zu folgen.

Er hob das Handtuch zu seinem leicht lockigen pechschwarzen Haar, das gerade lang genug war, dass es den Ansatz seines Schlüsselbeins berührte. Während er es trocken rubbelte, flogen Wassertropfen nach allen Richtungen davon, und die Strähnen spielten Verstecken mit dem silbernen Kreuz, das an seinem linken Ohr baumelte.

Er warf das Handtuch hinter sich, als erwartete er, dass jemand es auffing, was auch geschah, bevor man ihm ein unglaublich weißes Hemd reichte. Während er es sich über den Kopf zog, schaute ich zu Grace, die die Augen verdrehte.

„Sheriff“, begrüßte er sie mit einem Akzent, der so irisch war, dass ich Klee zu riechen glaubte. „Bürgermeisterin Kennedy. Mein Name ist Malachi Cartwright.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Nennen Sie mich Mal.“

„Es lohnt sich nicht, vertraulich zu werden“, belehrte Grace ihn. „Sie werden nämlich nicht bleiben.“

Cartwright zog die Augenbrauen und einen Mundwinkel hoch. „Ach, werden wir nicht?“