16
Wir waren noch nicht weit gekommen, als Cartwright das Tier mit einem weichen Zungenschnalzen anhielt. Vermutlich hatte er sich dieses Tricks die ganze Zeit über bedient, und die vermeintlich geräuschlose Kommunikation hatte es nie gegeben. Trotzdem war die Show unglaublich eindrucksvoll gewesen. Was suchte ein Mann wie er an einem Ort wie diesem?
Ich verlagerte meine Position und wurde durch die Bewegung enger an ihn gepresst. Entweder hatte ihn seine Darbietung in Aufregung versetzt – oder aber ich.
Ich versuchte, nach vorn zu rutschen, aber er hielt mich fest. „Nicht.“
Die Band spielte einen sanften, melodischen Walzer. Ich schaute mich zur Manege um, aber unser wilder Galopp hatte uns mehrere hundert Meter weit in den Wald geführt, und ich sah nichts als Bäume.
„Die Vorstellung“, erinnerte ich ihn.
„Da kommt jetzt nur eine Vogelshow. Sie fliegen hin und her. Du verpasst nicht viel.“
„Nach allem, was ich bisher gesehen habe, bin ich mir da nicht so sicher.“
„Es hat dir also gefallen?“
„Sehr sogar. Aber warum bleibst du dabei?“
Er spannte sich spürbar an. „Was meinst du damit?“
„Du könntest in New York auftreten. In Las Vegas. Sogar im Fernsehen. Oder du könntest Tiere dressieren und die Vorstellungen aufgeben.“
„Nein“, widersprach er leise. „Das könnte ich nicht.“
Ich wartete auf eine Erklärung, aber es kam keine.
„Du magst es, in einem Planwagen durch das Land zu reisen?“
Cartwright zuckte mit den Schultern, wobei seine Brust gegen meinen Rücken rieb. Ich widerstand dem Bedürfnis, mich an ihn zu kuscheln wie eine Katze, die sich in sonnenwarmem Gras zusammenrollt. „Wir sind für dieses Vagabundenleben bestimmt. Die Roma sind in dieser Welt nirgends willkommen.“
„Manchmal redest du, als ob du im siebzehnten Jahrhundert stecken geblieben wärst.“
„Manchmal fühle ich mich auch so.“
„Dein Pferd ist wunderschön.“
„Ja, das ist es. Die Roma glauben übrigens, dass ein weißes Pferd von der Magie geküsst wurde.“
„Du schreibst ihm Zauberkräfte zu?“
Er lachte leise. „Wenn Benjamin mit dieser Leichtigkeit durch die Luft fliegt, frage ich mich immer, ob wir auf Engelsschwingen getragen werden.“
Ich konnte nicht anders, als zu schnauben. An solche Dinge hatte ich noch nie geglaubt.
„In Wahrheit“, fuhr er fort, „eignen sich Tiere mit weißem Fell am besten für Darbietungen wie meine, weil man an ihnen die Kreide, die ich für meine Füße benutze, um besser die Balance zu halten, nicht sehen kann. Falls du je einen Zirkus besuchst, wird dir auffallen, dass die auftretenden Tiere in der Regel weiß, bestenfalls grau sind.“
Seine Hände, mit denen er sachte meine Hüften umfasst hatte, um mich sicher auf dem Pferderücken zu halten, glitten nach vorn zu meinem Bauch. Ich vergaß alles über weiße Pferde und Magie. Als er sich nach vorn lehnte, strich sein Atem an meinem Ohr vorbei. Ich erschauderte, aber daran war nicht der dünne Nebel schuld, der vom See herübertrieb.
Er drückte die Lippen in meine Halsbeuge, nahm ein Stück Haut zwischen die Zähne, um sanft daran zu knabbern und zu saugen. Die Empfindung war atemberaubend – scharf und zärtlich zugleich –, und ich erbebte in seinen Armen.
Benjamin bewegte sich unter uns, und ich erschrak, aber Malachi beschwichtigte mich mit weichem Gemurmel und sanften Berührungen, bis ich mich zusammen mit dem Pferd beruhigte.
Mein Kopf sank gegen seine Schulter, und ich starrte zu dem schmalen Himmelsausschnitt empor, der durch das hohe Dach der Bäume sichtbar war: eine marineblaue Samtdecke, durchbrochen nur von weißlich funkelnden Sternen und dem silbernen Schimmer eines nebelverhangenen aufgehenden Monds.
Seine Finger streichelten über meine Rippen, mein Schlüsselbein. Meine Bluse sprang auf. Wie hatte er sie so schnell aufgeknöpft?
Es spielte keine Rolle, denn zu sehr genoss ich die nächtliche Brise an meiner erhitzen Haut. Seine Hände wölbten sich um meine von einem Büstenhalter gebändigten Brüste, und meine Brustwarzen strebten ihm entgegen, als er langsam und erotisch seine Handflächen über ihnen kreisen ließ.
„Das ist Wahnsinn“, flüsterte ich. „Man könnte uns entdecken.“
„Alle sehen sich die Show an.“
Für einen Sekundenbruchteil glaubte ich, dass wir die Show wären, dann hörte ich die ferne Musik, den donnernden Beifall und verstand, was er meinte. Wir waren allein im Wald. Nur er und ich.
Und Benjamin.
„Sag mir, was du willst.“
Mit Daumen und Zeigefingern rieb er durch den Stoff meine Brustwarzen, bis ich stöhnte. Ich hätte mich schrecklich geschämt, wäre ich nicht so erregt gewesen, dass kein Raum für ein anderes Gefühl blieb.
Sein Atem wärmte mein Ohr; seine Zunge leckte über mein Ohrläppchen. „Wo soll ich dich berühren? Wie fest?“ Sein Daumennagel schnippte gegen meine Brust. „Oder wie sanft?“ Sein Zeigefinger strich zärtlich über die Wölbung der anderen. „Du bekommst alles von mir, was du willst, Claire, du musst nur danach fragen.“
Ich wollte ihn sehen. Den Oberkörper berühren, den er im grellen Scheinwerferlicht präsentiert hatte. Aber ich fand nicht die richtigen Worte, deshalb drehte ich mich zu ihm herum, bis wir uns ins Gesicht sehen konnten.
Er stabilisierte mich, indem er meine Knie über seine Oberschenkel legte, dann ließ er die letzten Knöpfe seines Hemds aufspringen, während er dem Pferd, das nervös unter uns tänzelte, beruhigende Worte zuraunte.
Ich konnte den Blick nicht von seiner breiten, muskulösen Brust losreißen. Das Mondlicht sickerte durch die Bäume und glitzerte wie Feenstaub auf seinem Ohrring. Schatten huschten über seinen Körper. Ich wollte sie mit der Zunge nachzeichnen.
Seine Haut war kühl von dem Nebel, der uns einhüllte, und gleichzeitig warm von dem Blut, das unter ihr pulsierte. Ich fuhr mit den Zähnen über sein Schlüsselbein, ließ meine Zunge um seine Brustwarze kreisen, schmeckte den Duft des Sees entweder auf seiner Haut oder in der Luft und leckte an ihm, um mich zu vergewissern.
Er schmeckte gleichzeitig nach Sommer und nach Winter; ich wollte mein Gesicht an ihm reiben und mir seinen Geschmack, seinen Duft für immer unauslöschlich einprägen.
Malachi legte den Kopf in den Nacken, hob sein Gesicht der Nacht entgegen und ließ mich tun, was ich wollte.
Die meisten anderen Männer hätten sich nicht beherrschen können, mich zu berühren, die Hände um meinen Kopf zu legen und mir zu zeigen, was sie wollten, indem sie meinen Mund nach unten zwangen, tiefer und tiefer, bis …
Ich richtete mich auf. Verdammt. Ich musste mich auf diesen Mann, diesen Moment konzentrieren und auf sonst nichts.
Seine Haut glänzte von der Feuchtigkeit, die mein Mund und der Nebel auf ihr hinterlassen hatten. Seine schwarze Hose war im Schritt zum Zerreißen gespannt.
„Möchtest du mich berühren?“
Ich hob den Blick. Seine Augen waren unglaublich dunkel, mit nur einem winzigen silbernen Leuchten, einer Reflexion des Mondes, in ihrer Mitte.
„Nein.“ Ich schluckte. „Noch nicht.“
„Darf ich dich berühren?“
Ich zögerte. Wie weit würde das hier gehen? Wie weit konnte es gehen, hier im Wald, auf dem Rücken eines Pferdes? Ich nahm an, nicht sehr weit, deshalb nickte ich.
Er streckte die Hand aus, streichelte mit einem Finger über meine Wange, meine Lippen, dann glitt sein Fingernagel tiefer, fuhr über mein Kinn, meinen Hals, meinen BH und darunter.
Plötzlich waren mir meine Kleider zu eng. Ich wollte mich nackt der Nacht zeigen, fühlen, wie die Luft meinen Körper liebkoste, bevor Malachi es ihr nachtäte.
Es war etwas unglaublich Erotisches an dem Nebel auf meinem Gesicht, dem Wind in meinem Haar, der leisen Musik, dem Raunen des Publikums. Wir waren allein und gleichzeitig auch wieder nicht. Ich fühlte mich nicht wie in einer Falle, so wie in der Vergangenheit, aber ich wusste nicht, ob das an ihm lag oder an mir oder an dieser großartigen Atmosphäre unter freiem Himmel. Das Einzige, was ich wusste, war: Ich wollte nicht, dass es zu Ende ging. Noch nicht.
Er sah mich unverwandt an, während sein Finger langsam über meine Brustwarze strich. „Darf ich dich weiterhin berühren?“, raunte er.
Als Antwort ließ ich den Kopf nach hinten fallen und bot ihm mehr von mir an. Er legte die Hände um meine Schultern und hob mich auf seinen Schoß, als wäre ich ein Dankopfer an den Mond. Meine Beine öffneten sich weiter; seine Erektion drängte genau an der Stelle gegen mich, wo ich es brauchte; ich überkreuzte die Knöchel hinter seinem Rücken. Falls ich fiele, würde er mit mir fallen.
Ich wartete darauf, seine Finger am Verschluss meines BHs zu spüren, doch stattdessen fiel sein dunkles Haar über meinen Oberkörper, als er durch den Stoff den Mund auf meine Brust legte.
Ich presste mich an ihn und wob die Finger in seine weichen Locken. Seine Zunge tauchte in das Körbchen, und Hitze breitete sich von meiner Brust bis in meinen Schoß aus. Ich spannte die Beine an, um mich noch fester an ihn zu pressen. Seine Finger wanderten zu meinem BH-Träger; gleich würde er mich entblößen, meine Brustwarze in den Mund nehmen und an ihr saugen, bis ich stöhnend in seinen Armen kam.
Er zog sich zurück, und ich hätte vor Enttäuschung schreien mögen, denn ich befürchtete, dass es schon vorbei war, bevor es richtig begonnen hatte.
„Schsch“, machte er, der Laut wie ein leiser Luftzug an meiner feuchten Haut.
Dann hörte ich es: ein Rascheln, gefolgt von Schritten. Jemand kam.
Cartwright fluchte; ich hätte es auch gern getan. Rasch brachten wir unsere Kleidung in Ordnung – besser gesagt, ich tat das. Sein Hemd war in einen nahe stehenden Busch geflogen und hing an ihm wie eine Flagge.
„Ruvanush?“, rief eine Männerstimme.
„Was heißt das?“, flüsterte ich.
„Es ist mein Titel und bedeutet Anführer, Ältester.“
„Ältester?“
„Die Übersetzung ist ungenau. Der Ausdruck besagt, dass ich die Befehle gebe und sie gehorchen.“
„Ein bisschen feudalistisch, oder?“
Er runzelte die Stirn, aber bevor er auf etwas antworten konnte, das eigentlich keine Frage gewesen war, erklang der Ruf wieder, näher dieses Mal.
„Ruvanush?“
„Was ist?“, fragte Malachi
Wer auch immer dort draußen war, wusste es besser, als sich zu zeigen. Er murmelte etwas in ihrer Sprache, und Malachi gab ein paar Worte in derselben Sprache zurück. Seinem Tonfall nach waren es keine Schmuseworte.
„Ich muss gehen.“ Er saß ab und streckte mir die Arme entgegen.
„Jetzt?“
Die Frage war töricht. Ich errötete und war froh über die Bäume, die Dunkelheit, den Nebel, die verhinderten, dass Malachi es bemerkte.
Mein Körper bettelte um Erlösung; mir war schwindlig vor Lust und Beschämung.
Ich rutschte vom Pferd. Es war ein weiter Weg nach unten, und so plumpste ich unbeholfen in Cartwrights Arme, anstatt anmutig hineinzugleiten.
Er fing mich auf und hielt mich fest, als ich versuchte, unter seinem Arm wegzutauchen und davonzulaufen.
„Es tut mir leid, aber sie brauchen mich. Ich bin …“ – er holte tief Luft und stieß sie seufzend wieder aus – „… ihr Chef. Du weißt, wie das ist.“
Das wusste ich. Falls jemand nach mir gerufen, mich gebraucht hätte, hätte ich gehen müssen, ganz egal, was ich gerade tat – oder mit wem.
„Ich sollte in die Stadt zurückfahren“, erklärte ich. Ich musste Grace anrufen und herausfinden, wie ihre kleine Spritztour in die Wildnis verlaufen war. Es wunderte mich, dass ich noch nichts von ihr gehört hatte.
„Ja“, erwiderte er geistesabwesend. „Wir sehen uns später.“
Damit rechnend, dass Malachi mich zu meinem Auto begleiten, mir möglicherweise sogar einen Gutenachtkuss geben würde, wandte ich mich der Musik und den Lichtern zu. Ich zermarterte mir das Gehirn nach einem Weg, das zu vermeiden – was mir gerade noch fehlte, wäre, dabei ertappt zu werden, wie ich mit einem Fremden Küsse austauschte –, als mich donnerndes Hufgetrappel herumwirbeln ließ.
Gerade noch rechtzeitig, um Malachi Cartwright und sein Pferd verschwinden zu sehen.