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»Oje«, sagte sie. »Sie müssen denken, dass Annie
heute wirklich in einer pupsie-dupsie Laune ist. Ich wünschte, Sie
würden sich entspannen, Paul.« Sie legte die Spritze auf den
Beistelltisch. »Das ist Scopolamin, eine Droge auf Morphiumbasis.
Sie haben Glück, dass ich überhaupt Morphium habe. Ich habe Ihnen
erzählt, wie genau sie in den Krankenhausapotheken darauf achten.
Ich lasse es hier, weil es hier unten feucht ist und Ihre Beine
wahrscheinlich ziemlich wehtun werden, bevor ich zurück bin.
Einen Augenblick.« Sie zwinkerte ihm zu, ein
Zwinkern, das einen seltsam beunruhigenden Unterton hatte - wie ein
Verschwörer dem anderen zuzwinkern mochte. »Sie werfen einen
bedummdusselten Aschenbecher, und ich habe alle Hände voll zu tun.
Bin gleich wieder da.«
Sie ging nach oben und kam wenig später mit den
Sofakissen aus dem Wohnzimmer und der Bettdecke aus seinem Zimmer
zurück. Sie richtete die Kissen so hinter seinem Rücken, dass er
ohne größeres Unbehagen sitzen konnte - aber er spürte die
unfreundliche Kälte des Steins trotz der Matratze und der Kissen,
und sie schien nur darauf zu warten, sich heranzuschleichen und ihn
zu erfrieren.
Auf dem zusammengebrochenen Beistelltisch standen
drei Flaschen Pepsi. Sie machte mit dem Flaschenöffner an ihrem
Schlüsselbund zwei auf und reichte ihm eine davon. Sie führte ihre
an den Mund und trank sie auf einen Zug halb leer; dann
unterdrückte sie damenhaft ein Rülpsen mit der vorgehaltenen
Hand.
»Wir müssen reden«, sagte sie. »Oder besser, ich
muss reden, und Sie müssen zuhören.«
»Annie, als ich sagte, dass Sie verrückt sind
…«
»Pst! Kein Wort darüber. Vielleicht reden wir
später darüber. Nicht dass ich mir je anmaßen würde zu versuchen,
Ihre Meinung zu ändern - eines Mister Neunmalklug wie Ihnen, der
mit Denken seinen Lebensunterhalt verdient. Ich habe nichts weiter
getan, als Sie aus Ihrem Unfallwagen herauszuholen, bevor Sie
erfrieren konnten, Ihre gebrochenen Beine zu schienen, Ihnen
Medikamente gegen die Schmerzen zu geben, mich um Sie zu kümmern
und Ihnen ein schlechtes Buch auszureden, das Sie geschrieben
hatten, um Sie dann dazu zu bringen, das beste zu schreiben, das
Sie jemals verfasst haben. Und wenn das verrückt ist, dann
bringen Sie mich in die Klapsmühle.«
Oh, Annie, wenn das nur jemand tun würde,
dachte er, und bevor er es verhindern konnte, bellte er: »Sie haben
mir auch meinen beschissenen Fuß abgehackt!«
Ihre Hand schoss schnell wie eine Peitsche nach
vorn und schlug ihm mit einem leisen Knall den Kopf zur
Seite.
»Gebrauchen Sie nicht dieses Wort in meiner
Gegenwart«, sagte Annie. »Ich wurde anständig erzogen, Sie offenbar
nicht. Seien Sie froh, dass ich Ihnen nicht Ihre Männerdrüse
abgeschnitten habe. Ich habe nämlich daran gedacht, wissen
Sie.«
Er sah sie an. Sein Magen fühlte sich wie das
Innere einer Eiswürfelmaschine an. »Das weiß ich, Annie«, sagte er
leise. Sie riss die Augen auf, und für einen Augenblick sah sie
verblüfft und schuldbewusst zugleich aus - ungezogene Annie statt
böse Annie.
»Hören Sie mir zu. Hören Sie mir gut zu, Paul. Es
wird alles gut, wenn es dunkel wird, bevor jemand kommt
und sich nach diesem Burschen erkundigt. In eineinhalb Stunden
wird es ganz dunkel sein. Wenn vorher jemand kommt …«
Sie griff in die Khakitasche und brachte die.44er
des Polizisten zum Vorschein. Das Kellerlicht spiegelte sich in der
zickzack-förmigen Narbe, die die Klinge des Rasenmähers in den Lauf
gerissen hatte.
»Wenn vorher jemand kommt, dann haben wir das
hier«, sagte sie. »Für denjenigen, der kommt, und dann für Sie und
mich.«