22
»Wie oft waren Sie insgesamt draußen?«
Das Messer. O Christus, das Messer.
»Zweimal. Nein - warten Sie. Gestern Nachmittag gegen fünf Uhr war ich noch einmal draußen. Um den Wasserkrug aufzufüllen.« Das stimmte; er hatte den Krug aufgefüllt. Aber den wahren Grund für seinen dritten Ausflug verschwieg er ihr. Der wahre Grund befand sich unter der Matratze. Die Prinzessin auf der Erbse. Paulie auf dem Schlachtermesser. »Dreimal, das Wasserholen mit eingerechnet.«
»Sagen Sie die Wahrheit, Paul.«
»Nur dreimal, ich schwöre es. Und niemals, um zu fliehen. Um Jesu Christi willen, ich schreibe hier ein Buch, falls Sie es nicht bemerkt haben sollten.«
»Missbrauchen Sie niemals den Namen unseres Erlösers, Paul.«
»Dann hören Sie auf, meinen so zu gebrauchen, und dann werde ich das vielleicht tun. Beim ersten Mal hatte ich solche Schmerzen, dass ich glaubte, jemand hätte mich bis zu den Knien in die Hölle gesteckt! Und das hat auch jemand getan. Sie, Annie!«
»Halten Sie den Mund, Paul!«
»Beim zweiten Mal wollte ich nur etwas zu essen holen und sichergehen, dass es noch weitere Vorräte gab, für den Fall, dass Sie länger wegbleiben sollten«, fuhr er fort, ohne sie zu beachten. »Dann bekam ich Durst. Und das ist alles. Keine große Verschwörung.«
»Ich nehme an, Sie haben niemals das Telefon ausprobiert oder sich die Schlösser angesehen - Sie sind ja so ein lieber guter Junge.«
»Natürlich habe ich das Telefon probiert. Natürlich habe ich mir die Schlösser angesehen … nicht, dass ich in dem Schlammbad dort draußen sehr weit gekommen wäre, selbst wenn Ihre Türen sperrangelweit offen gestanden hätten.« Die Droge setzte ihm in immer heftigeren Schüben zu, und er wünschte sich, sie würde einfach den Mund halten und weggehen. Die Dosis, die sie ihm gegeben hatte, war so stark, dass er ihr die Wahrheit sagte - er fürchtete, bald würde er die Folgen zu spüren bekommen. Aber zuerst wollte er schlafen.
»Wie oft waren Sie draußen?«
»Ich habe Ihnen gesagt …«
»Wie oft?« Ihre Stimme schwoll an. »Sagen Sie die Wahrheit!«
»Das tue ich! Dreimal!«
»Wie oft, gottverdammt?«
Trotz der Wagenladung Drogen, die sie ihm verpasst hatte, begann Paul Angst zu haben.
Wenn sie mir etwas antut, dann wird es wenigstens nicht allzu wehtun … und sie möchte, dass ich das Buch zu Ende schreibe … das hat sie gesagt …
»Sie behandeln mich wie eine Närrin.« Er stellte fest, wie glänzend ihre Haut war, wie Plastikfolie, die straff über einen Stein gespannt wurde. Ihr Gesicht schien überhaupt keine Poren zu haben.
»Annie, ich schwöre …«
»Oh, Lügner können schwören! Lügner lieben es zu schwören! Machen Sie nur weiter und behandeln Sie mich wie eine Närrin, wenn Sie das möchten! Prima. Guti-guti für Sie. Behandle eine Frau, die keine Närrin ist, getrost wie eine, und diese Frau wird am Ende immer die Oberhand behalten. Ich will Ihnen etwas sagen, Paul - ich habe überall im Haus Haare von meinem Kopf als Fäden gespannt, und ich habe später festgestellt, dass viele zerrissen waren. Zerrissen oder völlig verschwunden … einfach weg … paff! Nicht nur in meinem Notizbuch, auch auf diesem Flur und über meinen Kommodenschubladen im oberen Stock und im Schuppen … überall.«
Annie, wie sollte ich bei all den Schlössern an der Küchentür denn in den Schuppen gelangen können?, wollte er sie fragen, aber sie ließ ihm keine Zeit dazu, sondern fuhr unbeirrt fort.
»Und jetzt machen Sie getrost so weiter und erzählen mir, dass es nur dreimal gewesen ist, Mister Neunmalklug, dann werde ich Ihnen erzählen, wer hier der Narr ist.«
Er sah sie benommen, aber erschrocken an. Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Es war alles so paranoid … so verrückt …
Mein Gott, dachte er und vergaß plötzlich den Schuppen, im oberen Stock? Hat sie IM OBEREN STOCK gesagt?
»Annie, wie in Gottes Namen sollte ich nach oben kommen?«
»Oh, RICHTIG!«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme. »Oh, SICHER! Ich kam vor ein paar Tagen hier herein, da konnten Sie ganz allein in Ihren Rollstuhl klettern! Wenn Sie das können, dann können Sie auch nach oben! Sie könnten kriechen!«
»Ja, auf meinen gebrochenen Beinen und dem zertrümmerten Knie«, sagte er.
Wieder dieser schwarze Ausdruck der Kluft; die pechschwarze Finsternis unter der Wiese. Annie Wilkes war fort. Die Bienengöttin der Bourkas war da.
»Sie werden doch nicht vorlaut zu mir sein, Paul«, flüsterte sie.
»Nun, Annie, einer von uns sollte versuchen, vernünftig zu sein, und Sie sind gerade nicht besonders gut darin. Wenn Sie nur versuchen würden, einzusehen, wie ver…«
»Wie oft?«
»Dreimal.«
»Das erste Mal, um Medikamente zu holen.«
»Ja. Novrilkapseln.«
»Und das zweite Mal, um Essen zu holen.«
»Ganz recht.«
»Das dritte Mal, um den Krug aufzufüllen.«
»Ja. Annie, mir ist so schwindlig …«
»Sie haben ihn im Badezimmer hier unten aufgefüllt.«
»Ja …«
»Einmal für Medizin, einmal für Essen, einmal für Wasser.«
»Ja, das habe ich doch gesagt!« Er versuchte zu brüllen, aber es kam nur ein kraftloses Krächzen heraus.
Sie griff wieder in die Rocktasche und holte das Fleischermesser heraus. Die Klinge funkelte im heller werdenden Morgenlicht. Plötzlich drehte sie sich nach links und warf das Messer. Sie warf es mit der tödlichen, fast beiläufigen Anmut einer Zirkuskünstlerin. Es blieb zitternd in der Wand unter dem Bild des Triumphbogens stecken.
»Ich habe ein wenig unter Ihrer Matratze nachgeforscht, bevor ich Ihnen Ihre Prä-Op-Spritze gegeben habe. Ich erwartete, die Kapseln zu finden; das Messer hat mich völlig überrascht. Ich hätte mich fast geschnitten. Aber Sie haben es dort nicht versteckt, richtig?«
Er antwortete nicht. Sein Verstand wirbelte wie ein außer Kontrolle geratenes Jahrmarktskarussell. Prä-Op-Spritze? Hatte sie das gesagt? Prä-Op? Plötzlich war er sich völlig sicher, dass sie vorhatte, das Messer aus der Wand zu ziehen und ihn damit zu kastrieren.
»Nein, Sie haben es nicht dort versteckt. Sie sind einmal wegen Medizin, einmal wegen Essen und einmal wegen Wasser hinausgefahren. Dieses Messer muss … nun, es muss von ganz allein hier herein und unter die Matratze geschwebt sein. Ja, so muss es gewesen sein!« Annie brach in kreischendes Hohngelächter aus.
PRÄ-OP??? Mein Gott, hat sie das wirklich gesagt?
»Verdammt!«, kreischte sie. »Gottverdammt? Wie oft?«
»Also gut! Also gut! Ich habe das Messer mitgenommen, als ich das Wasser holen war! Ich gestehe! Wenn Sie meinen, das bedeutet, dass ich öfter draußen war, dann denken Sie sich doch selbst etwas aus! Wenn Sie wollen, dass es fünfmal war, dann war es fünfmal. Wenn Ihnen zwanzig, fünfzig oder hundert lieber ist, dann eben das. Ich werde es zugeben. So viele Male, wie Sie denken, Annie, so oft war ich draußen.«
Einen Augenblick hatte er in seinem Zorn und seiner drogeninduzierten Verwirrung das nebulöse, Furcht einflößende Versprechen vergessen, welches in dem Ausdruck Prä-Op-Spritze anklang. Er wollte ihr so vieles erzählen, wollte es ihr erzählen, obwohl er wusste, dass eine außer Kontrolle geratene Paranoide wie Annie sich schlichtweg weigern würde, das Offensichtliche einzusehen. Es war feucht gewesen; Klebeband vertrug keine Feuchtigkeit; in vielen Fällen waren ihre kleinen Fallen zweifellos einfach abgefallen und von einem willkürlichen Luftzug fortgeweht worden. Und die Ratten. Eine Menge Wasser im Keller und die Herrin aus dem Haus; er selbst hatte sie im Gemäuer gehört. Natürlich. Sie kamen im ganzen Haus herum - besonders all das pupsige Zeug, das Annie hatte herumliegen lassen, musste es ihnen angetan haben. Wahrscheinlich waren die Ratten die geheimnisvollen Besucher gewesen, welche die meisten von Annies Fäden zerrissen hatten. Aber solche Einwände würde sie natürlich sofort von der Hand weisen. In ihrer Vorstellung war er schon fast wieder so weit, beim New Yorker Marathon mitzulaufen.
»Annie … Annie, was haben Sie gemeint, als Sie sagten, Sie hätten mir eine Prä-Op-Spritze gegeben?«
Aber Annie war immer noch auf das andere Thema fixiert. »Ich sage, es war siebenmal. Mindestens siebenmal«, sagte sie leise. »War es siebenmal?«
»Wenn Sie wollen, dass es siebenmal war, dann war es siebenmal. Was haben Sie damit gemeint, als Sie sagten …«
»Wie ich sehe, möchten Sie störrisch sein«, sagte sie. »Ich vermute, Leute wie Sie haben sich so daran gewöhnt, mit Lügen ihr Geld zu verdienen, dass sie im wirklichen Leben einfach nicht damit aufhören können. Aber das macht nichts, Paul. Denn das Prinzip ändert sich nicht, ob Sie siebenmal, siebzigmal oder siebenmal siebzigmal draußen waren. Das Prinzip ändert sich nicht, und die Reaktion auch nicht.«
Er schwebte, schwebte, schwebte davon. Er schloss die Augen und hörte sie wie aus weiter Entfernung sprechen … wie eine übernatürliche Stimme aus einer Wolke. Göttin, dachte er.
»Haben Sie jemals über die Anfangszeit der Kimberly-Diamantenminen gelesen, Paul?«
»Ich habe das Buch darüber geschrieben«, sagte er ohne ersichtlichen Grund und lachte.
(Prä-Op? Prä-Op-Spritze?)
»Manchmal stahlen die eingeborenen Arbeiter Diamanten. Sie wickelten sie in Blätter und schoben sie sich ins Rektum. Wenn sie aus dem Big Hole herauskamen, ohne entdeckt zu werden, rannten sie davon. Und wissen Sie, was die Engländer mit ihnen machten, wenn sie erwischt wurden, bevor sie den Oranjerivier überquert hatten und ins Burengebiet entkommen waren?«
»Wahrscheinlich getötet«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen.
»O nein! Das wäre etwa so gewesen, als würde man ein teures Auto verschrotten, nur weil ein Stoßdämpfer gebrochen ist. Wenn sie sie erwischten, dann stellten sie sicher, dass sie weiterarbeiten konnten … aber sie stellten auch sicher, dass sie nie wieder fortlaufen konnten. Diesen Vorgang nannten sie hobbeln, Paul, und das werde ich jetzt mit Ihnen machen. Für meine eigene Sicherheit … und auch für Ihre. Glauben Sie mir, es ist notwendig, Sie vor sich selbst zu schützen. Bedenken Sie, ein wenig Schmerzen, und dann ist es vorbei. Versuchen Sie, das im Kopf zu behalten.«
Ein Entsetzen, das so scharf war wie ein Windstoß, der Rasierklingen mit sich trieb, schnitt durch die Droge, und Paul riss die Augen auf. Sie war aufgestanden, nun zog sie die Bettdecke weg und entblößte seine verstümmelten Beine und bloßen Füße.
»Nein«, sagte er. »Nein … Annie … was immer Sie vorhaben, wir können doch darüber reden, nicht …? Bitte …«
Sie beugte sich hinab. Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie in einer Hand die Axt aus dem Schuppen, in der anderen einen Propanbrenner. Die Klinge der Axt schimmerte. Auf dem Propanbrenner stand das Wort Bernz-O-matiC geschrieben. Sie beugte sich wieder hinab, diesmal brachte sie eine dunkle Flasche und eine Packung Streichhölzer zum Vorschein. Auf der dunklen Flasche befand sich ein Etikett. Auf dem Etikett stand das Wort Betadin.
Er vergaß diese Dinge niemals, diese Worte, diese Namen.
»Annie, nein!«, schrie er. »Annie, ich werde hierbleiben! Ich werde nicht einmal mehr das Bett verlassen! Bitte! Mein Gott, bitte tun Sie mir nichts!«
»Schon gut«, sagte sie, und nun hatte ihr Gesicht wieder diesen schlaffen, abgeschalteten Ausdruck - den Ausdruck ratloser Leere -, und bevor sein Denken völlig von dem Waldbrand der Panik verzehrt wurde, begriff er, wenn dies vorbei war, würde sie nur sehr vage Erinnerungen an das haben, was sie getan hatte, wie sie nur vage Erinnerung daran hatte, dass sie die Kinder und Greise und unheilbar Kranken getötet hatte und Andrew Pomeroy. Immerhin war dies die Frau, die ihm vor wenigen Minuten gesagt hatte, dass sie zehn Jahre lang Krankenschwester gewesen war, wenngleich sie ihre Haube bereits 1966 erhalten hatte.
Sie hat Pomeroy mit dieser Axt umgebracht. Ich weiß es.
Er fuhr fort, zu kreischen und zu flehen, aber seine Worte waren zu einem unverständlichen Brabbeln geworden. Er versuchte sich umzudrehen, sich von ihr abzuwenden, und seine Beine schrien auf. Er versuchte sie anzuziehen, damit sie nicht so verwundbar waren, kein so gutes Ziel, und sein Knie heulte.
»Nur noch eine Minute, Paul«, sagte sie und schraubte die Betadinflasche auf. Sie schüttete eine rotbraune Brühe über seinen linken Knöchel. »Nur noch eine Minute, dann ist es vorbei.« Sie neigte die Klinge der Axt waagerecht, die Sehnen an ihrem kräftigen rechten Handgelenk traten hervor, und er konnte den Amethystring blitzen sehen, den sie immer noch am Ringfinger dieser Hand trug. Sie goss Betadin über die Klinge. Er konnte es riechen, der typische Geruch einer Arztpraxis. Dieser Geruch bedeutete, dass man eine Spritze bekam.
»Nur ein wenig Schmerzen, Paul. Es wird nicht schlimm sein.« Sie drehte die Axt um und begoss die andere Seite der Klinge. Auf dieser Seite konnte er verstreute Rostblüten erkennen, bevor die Flüssigkeit sie überdeckte.
»Annie Annie o Annie bitte bitte nein bitte nicht Annie ich schwöre Ihnen ich werde brav sein ich schwöre bei Gott ich werde brav sein bitte geben Sie mir eine Chance brav zu sein O ANNIE BITTE LASSEN SIE MICH BRAV SEIN …«
»Nur ein wenig Schmerzen. Dann werden wir beide diese unschöne Sache hinter uns haben, Paul.«
Sie warf die offene Flasche Betadin über die Schulter, ihr Gesicht war leer und ausdruckslos und dennoch so unbestreitbar massiv; sie glitt mit der rechten Hand am Stiel der Axt entlang fast bis zum Stahlkopf. Mit der linken Hand umfasste sie den Griff weiter unten und spreizte wie ein Holzfäller die Beine.
»ANNIE O BITTE BITTE TUN SIE MIR NICHT WEH!«
Ihre Augen waren sanft und blickten ins Leere. »Keine Bange«, sagte sie. »Ich bin eine ausgebildete Krankenschwester.«
Die Axt sauste pfeifend nieder und grub sich knapp oberhalb des Knöchels in Paul Sheldons linkes Bein. Schmerzen rasten in einem einzigen gigantischen Schwall durch seinen Körper. Dunkelrotes Blut spritzte ihr ins Gesicht und zeichnete es wie eine indianische Kriegsbemalung. Es spritzte an die Wand. Er hörte die Schneide am Knochen quietschen, als sie sie herauszog. Er sah ungläubig an sich herunter. Das Laken färbte sich rot. Er sah, wie sich die Zehen bewegten. Dann sah er, wie sie die triefende Axt erneut hob. Das Haar hatte sich aus den Haarklammern gelöst und hing ihr in das leere Gesicht.
Trotz der Schmerzen in seinem Bein und dem Knie wollte er es zurückziehen, stellte aber fest, dass sich zwar sein Bein bewegte, aber der Fuß nicht. Er erweiterte nur den Einschnitt der Axt und bewirkte, dass er sich öffnete wie ein Mund. Er hatte gerade noch genügend Zeit zu erkennen, dass sein Fuß jetzt nur noch durch das Fleisch des Unterschenkels mit dem Bein verbunden war, da sauste die Axt erneut herab, direkt in den klaffenden Schnitt; sie hieb durch den Rest seines Beines und vergrub sich tief in der Matratze. Die Bettfedern ächzten und quietschten.
Annie zog die Axt heraus und warf sie beiseite. Sie blickte einen Augenblick abwesend auf den blutenden Stumpf, dann griff sie nach der Packung mit den Streichhölzern. Sie zündete eins an. Dann nahm sie den Propanbrenner mit dem Wort Bernz-O-matiC auf der Seite und öffnete das Ventil. Das Gas fauchte. Blut strömte aus der Stelle, wo sein Fuß nicht mehr war. Annie hielt das Streichholz vorsichtig unter die Düse des Bernz-O-matiC. Es machte fuuff! Eine lange, gelbe Flamme erschien. Annie stellte ihn so ein, dass er mit kräftigem, blauem Feuer brannte.
»Kann nicht zunähen«, sagte sie. »Keine Zeit. Aderpresse geht auch nicht. Kein zentraler Druckpunkt. Muss
(nachwischen)
ausbrennen.«
Sie bückte sich. Paul schrie, als die Flamme über den rohen und blutenden Stumpf leckte. Rauch stieg auf. Er roch süßlich. Er und seine erste Frau hatten die Flitterwochen auf Maui verbracht. Dort hatten sie ein Luau-Fest besucht. Dieser Geruch erinnerte ihn an den Geruch des Schweins, als sie es aus der Grube geholt hatten, wo es den ganzen Tag gegart hatte. Das Schwein war an einem Spieß befestigt gewesen, es war schlaff, schwarz und fiel auseinander.
Die Schmerzen schrien. Er schrie.
»Fast vorbei«, sagte sie und drehte das Ventil, und jetzt fing das Laken Feuer unter dem Stumpf, der nicht mehr blutete, dem Stumpf, der so schwarz war wie die Haut des Schweins, als sie es aus der Luau-Grube geholt hatten - Eileen hatte sich abgewendet, aber Paul hatte fasziniert zugesehen, wie sie die knisternde Haut des Schweins so mühelos abgezogen hatten, wie man das Trikot nach einem Footballspiel abstreifte.
»Fast vorbei …«
Sie schaltete den Brenner aus. Sein Bein lag in einer Flammenlinie, sein abgetrennter Fuß war flackernd dahinter zu erkennen. Sie bückte sich, und diesmal hob sie seinen alten Freund auf, den gelben Putzeimer. Sie schüttete den Inhalt über die Flammen.
Er schrie, schrie. Die Schmerzen! Die Göttin! Die Schmerzen! O Afrika!
Sie sah ihn und das dunkle, blutige Laken mit vager Fassungslosigkeit an - ihr Gesicht war das Gesicht einer Frau, die im Radio hört, dass ein Erdbeben in Pakistan oder der Türkei Tausende Menschenleben gefordert hat.
»Sie werden schon wieder, Paul«, sagte sie, aber plötzlich klang ihre Stimme ängstlich. Ihr Blick huschte unablässig umher, genau wie damals, als es so ausgesehen hatte, als würde das Feuer seines brennenden Buches außer Kontrolle geraten. Plötzlich richtete ihr Blick sich fast erleichtert auf etwas. »Ich werde den Abfall wegschaffen.«
Sie hob seinen Fuß auf. Die Zehen zuckten noch immer. Sie trug ihn durchs Zimmer. Als sie bei der Tür angekommen war, hatten die Zehen aufgehört, sich zu bewegen. Er sah eine Narbe an der Sohle und erinnerte sich, dass er sich die geholt hatte, als er als Kind in eine Glasscherbe getreten war. War das am Revere Beach gewesen? Ja, er glaubte schon. Er hatte geweint, und sein Vater hatte ihm gesagt, dass es nur ein kleiner Schnitt war. Sein Vater hatte ihm gesagt, er solle aufhören, sich wie jemand zu benehmen, dem gerade der Fuß abgehackt worden war. Annie blieb in der Tür stehen und drehte sich zu Paul um, der kreischte und sich auf dem verkohlten, blutgetränkten Laken wand; sein Gesicht war totenbleich.
»Jetzt sind Sie gehobbelt«, sagte sie. »Und machen Sie mir deswegen keine Vorwürfe. Sie sind selbst schuld daran.«
Dann war sie fort.
Und Paul ebenfalls.
Sie
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