***

 

 

 

Geschickt wich ich Chesters Schlägen aus. Er keuchte, als sie knapp über meinem Kopf ins Leere führten, fing sich gleich wieder und versetzte mir einen festen Tritt, der mich an meiner linken Seite traf und aus dem Gleichgewicht brachte. Schmerz pochte von der Hüfte ausgehend durch mein Bein, sodass ich es leicht hinter mir herzog. Chester grinste. Ich holte aus und versuchte ihn mit einer Kombination aus Faustschlägen zu treffen, doch er drehte sich geschickt zur Seite und ich erwischte ihn nur seicht am Oberarm. Chester lachte auf. Während ich mich vorbeugte, um ihn mit einem Schulterwurf zu Fall zu bringen, hob er sein Knie. Es kollidierte mit meinem Kopf und Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich stieß mich von ihm ab, kämpfte die Benommenheit nieder. Schnell setzte ich zu einem Tritt an und traf. Chester krümmte sich zusammen.

Mein Atem ging schwer, als ich vor ihn trat. »Na? War’s das schon?«

Der Kampf dauerte bereits eine ganze Weile und ich spürte, wie ich an das Ende meiner Kräfte gelangte. Dennoch blickte ich Chester herausfordernd an.

Er machte eine wegwerfende Geste. »Meinst du nicht, es reicht langsam an Spuren, die ich auf dir hinterlassen habe?« Er grinste breit.

»Quatsch, wir haben doch gerade erst angefangen.« Ich schnaubte, mein Ehrgeiz war geweckt. Doch er hatte recht: Meine Arme waren voll blauer Flecken, und diverse rötliche Verfärbungen deuteten darauf hin, dass ein paar weitere dazukommen würden. Ebenfalls ein Teil meiner Tarnung: ein Zeichen von Misshandlungen, die in Wirklichkeit auf rein freiwilliger Basis geschehen waren. Doch auch meine Kampfkünste hatten auf Chesters Haut Spuren hinterlassen.

»Ich denke, für heute sollten wir es gut sein lassen. Dein Auge wird übel aussehen.«

Ich erspürte mit der Hand die empfindliche Haut an meinem Lied und zuckte vor meiner eigenen Berührung zurück. Es war bereits geschwollen.

Chester lachte leise. »Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich kein bisschen Schadenfreude verspüre. Nachdem du mir immer so zugesetzt hast …«

Ich knuffte ihn gegen die Schulter, während wir uns nebeneinander vom Kampfplatz entfernten. Einige der Umstehenden schenkten uns anerkennende Blicke, doch ich versuchte sie zu ignorieren. Seit Beginn meines Trainings hatte es sich schnell herumgesprochen, was meine Aufgabe war.

»Weißt du, was ich dich, seit ich hier bin, schon die ganze Zeit fragen wollte?« Ich nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die Chester mir anbot, und reichte sie ihm zurück. Er schob einige der Karten beiseite und setzte sich auf die Kante des massiven Besprechungstisches. Schmunzelnd blickte er mich an.

»Was ist passiert, als ich weg war? Ich meine, nimm mir das nicht übel, aber Kämpfen war an sich nie deine Stärke, und trotzdem bist du nun … hier.« Ich lächelte zerknirscht, doch Chester schien nicht beleidigt. Auch wenn sein Ausdruck ernst wurde, lag in seinen Augen etwas durch und durch Freundliches.

»Damals als du von den Schlingern entführt wurdest, hab ich mich gefühlt wie der letzte Idiot. Wie ein verdammter Feigling. Und der Meinung war nicht nur ich. Du hättest Sim hören sollen.«

Zu dem Zeitpunkt von Sims Strafpredigt hatte ich noch ohnmächtig im Medizinzelt gelegen. Erst später war mir zu Ohren gekommen, dass Sim Chester die Schuld daran gab.

»Chester, Sim war …«

Er unterbrach mich, indem er die Hand hob. »Nein, Kay, du brauchst mich nicht zu verteidigen. Er hatte recht. Es lag an mir und das weiß ich inzwischen. Ohne dieses Bewusstsein hätte ich niemals zu trainieren angefangen und dann würde ich heute nicht an dieser Position stehen. Insofern, egal was mit Sim ist oder war, ich sollte ihm dankbar sein.«

»Du konntest nichts dafür, dass die Schlinger mich erwischt haben. Wärst du geblieben, hätten sie dich getötet oder wir hätten beide in der Falle gesessen. Bis die anderen uns gefunden hätten, wären wir längst tot gewesen.«

»Ja, das mag sein, aber ich hätte in der Nähe bleiben und aus sicherer Entfernung beobachten sollen, wo sie dich hinbringen, bevor ich kopflos zurück in die Kristallstadt stürme. Und ich wusste eigentlich, dass das der richtige Weg wäre. Weißt du, warum ich es nicht getan habe? Ich hatte Angst.« Chester wich verlegen meinem Blick aus.

»Das ist etwas vollkommen Natürliches. Ich bezweifle, dass Sim anders gehandelt hätte.« Noch immer beherrschte mich das Gefühl, Chesters Verhalten rechtfertigen zu müssen.

Er legte die Hand auf meinen Arm, lachte leise. »Lass gut sein, Kay. Ich sage ja, ich bin froh, dass alles so gekommen ist. Sonst stünde ich nicht hier, sondern wäre immer noch der tollpatschige Chester.« Er zwinkerte mir zu.

»Ich mochte auch den unbeholfenen Chester«, sagte ich kleinlaut.

Er stand auf, lachte und zog mich zu einer Umarmung an sich. »Ich habe gehört, nächste Woche geht es los?«

»Ja, Joff hat sein Okay gegeben.«

»Das will was heißen«, entgegnete Chester und nickte anerkennend.

»Vielleicht.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Du wirst das schon machen. Und rate mal, wer auserwählt wurde, dich in das sichere Zwischenlager zu bringen?« Er drückte sein Kreuz durch und hob stolz das Kinn.

Ich grinste. »Hm, du vielleicht?«

»Ja, kann also nix schiefgehen.«

»Na dann!« Ich lachte leise und zwinkerte ihm zu. »Ich mache mich jetzt auf den Weg zurück ins Zelt, ich wollte später noch mal versuchen, Lydia zu besuchen.«

Chesters Miene wurde wieder ernst. »Lässt Doc dich immer noch nicht zu ihr?«

»Er sagt, das wäre für alle besser«, entgegnete ich matt.

»Vielleicht hat er ja seine Gründe?«, fragte Chester vorsichtig.

»Das hoffe ich für ihn.«

Centro 03 - Das Ende
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