10
Der Teil, in dem Dinge ans Licht kommen
DAPHNES MIXTAPE
Belle & Sebastian – Ease Your Feet In The Sea
»Hey! Wo bist du?«
»Biarritz.« Die Sonne war untergegangen. Ich saß auf der Kaimauer und blickte auf das dunkle Meer und den leeren Strand. Auf dem Hügel hinter mir leuchteten die Lichter der Stadt. Meine Haare klebten vom Salzwasser, trotzdem fühlte ich mich auf eine besondere Art und Weise sauber. »Wir waren heute zum ersten Mal schwimmen.«
»Und? War’s schön?«
»Es war kalt. Aber ja. Schön.« Ich hatte Richard gegenüber ein schlechtes Gewissen, deswegen hatte ich ihn angerufen. Er war in Hamburg und dachte, alles wäre wie immer. Und auch, wenn es das nicht war, nicht für mich, hatte ich das Gefühl, ihn in dem Glauben lassen zu müssen. Eine Blase der Normalität schaffen. Er konnte ja sowieso nichts machen. Nichts besser. Nichts anders. »Und bei euch so?«
»Alles wie immer.« Das war die Blase. »Wetter ist gut, Hannes hat sich ein bisschen gefangen.«
»Hat er?«
»Sollte er nicht?«
»Richard, kann ich dir etwas erzählen, ohne dass du es Hannes weitersagst?«
»Ich kann es mir schon denken …«
»Wir haben vor drei Tagen diese Anhalter mitgenommen. Ich war von Anfang an dagegen, aber du kennst ja Betty.«
»Und?«
»Na ja, zwischen Lucy und dem einen, Karol heißt der, hat es wohl irgendwie gefunkt. Ich finde das alles sehr seltsam, der ist gerade mal neunzehn oder so, aber Lucy ist anscheinend total verknallt in ihn. Vorhin haben sie sich sogar geküsst, und jetzt sitzen sie da, am Strand und halten Händchen, ich weiß auch nicht …«
Richard atmete am anderen Ende der Leitung schnaufend aus. »Das werde ich Hannes auf gar keinen Fall erzählen, der springt aus dem Fenster.«
»So schlimm?«
»Ja.«
»Ich dachte, er hätte sich wieder gefangen?«
»Daphne, in Hannes-Schritten bedeutet das, dass er zwischendurch auch mal die Wohnzimmervorhänge aufzieht und Tageslicht auf seine trauerumflorte Seele scheinen lässt.« Richard klang genervt, als würde er mir insgeheim vorwerfen, ihn mit unserem depressiven Freund zurückgelassen zu haben, während ich in den Urlaub fuhr. Aber das war ja keine Absicht gewesen. Sondern eine Aneinanderreihung von unglücklichen Umständen.
»Musst du mich deswegen so anmachen?«, fragte ich und merkte, dass ich selbst meinen Ton auch nicht gut unter Kontrolle hatte. »Es tut mir ja leid, dass ich das nicht wusste, aber woher sollte ich auch. Ich bin ja nicht da.«
Am anderen Ende der Leitung produzierte Richard ein zynisches Lachen. »Richtig. Gut für dich, was?«
»Mann, was soll denn das?« Ich wollte mich nicht schon wieder am Telefon mit ihm in die Haare kriegen. Das war nicht nur nervig, langsam wurde es auch peinlich. Der genervte Seufzer kam wie von selbst. »Ich hab keine Lust auf Streit.«
»Ich auch nicht. Aber ich bin ziemlich fertig, viel zu tun bei der Arbeit …«
Ja, ja, die Arbeit, dachte ich.
»… und irgendwie ist es im Moment nicht wirklich erheiternd, Hannes um sich zu haben.«
»Dann lass uns über etwas anderes reden, wenn das Hannes-Thema dich nervt. Ich muss auch nicht unbedingt über Hannes reden. Ich mach mir Sorgen um ihn, ja, aber ich telefonier ja nicht nur mit dir, um zu hören, wie es ihm geht.«
Hätten wir uns also etwas anderes zu erzählen gehabt, wäre dies der perfekte Zeitpunkt gewesen. Aber wir schwiegen beide.
Das Meer rauschte, die Leitung rauschte, in meinem Kopf rauschte es, während ich angestrengt nachdachte, mir aber einfach nichts einfiel, worüber ich mit Richard reden konnte. Oder wollte. Währenddessen kam aber auch von ihm nichts.
»Tja. Sieht so aus, als hätten wir uns nichts zu sagen«, stellte er irgendwann trocken fest. In meinen Ohren klang das bloß wie ein weiterer Vorwurf. Als hätte ich versagt und nicht wir.
Als Richard damals in New York lebte, hatte ich jeden Abend seinem Anruf entgegengefiebert. Manchmal telefonierten wir stundenlang. Ich wusste nicht mehr, womit wir all diese Stunden gefüllt hatten, mit welchen Themen, mit welchen Worten. Sonst hätte ich jetzt ein paar davon einfach wieder aufwärmen können. Wie einen Eintopf, der schmeckte ja auch immer besser, je öfter man das tat. Aber nichts, mein Kopf war leer. Streiten oder Schweigen, das waren jetzt, zwei Jahre später, die Optionen.
»Was siehst du gerade?«, fragte er, und er bemühte sich hörbar, versöhnlich zu klingen.
»Nicht viel«, antwortete ich, »es ist dunkel. Das Meer.«
»Na gut«, sagte Richard schließlich. »Na dann.«
»Tut mir leid.«
»Ist in Ordnung.«
Eben nicht. »Grüß Hannes von mir.«
»Okay.« Er wartete.
Ich wartete auch. Von ihm kam nichts mehr. »Ich liebe dich?« Ich ließ es wie eine Frage klingen, weil ich nicht lügen wollte.
»Ja«, sagte Richard müde.
Jeder Mensch hat etwas, das ihn aufheitert, wenn es ihm nicht gut geht, und das, wenn alles perfekt ist, das Leben noch schöner macht. Für Betty waren das dicke Nudeln mit Speck und Ei. Und genau die bereitete sie gerade auf dem kleinen Gasherd in unserem Bus zu. Es brutzelte und roch gut, selbst durch die geschlossene Schiebetür hindurch. Ich erhob mich von der Mauer, ging barfuß über den noch warmen Asphalt des Parkplatzes und zog am Türhebel.
»Oh, wie hübsch!« Ich war ehrlich begeistert, aber ich merkte, ich klang traurig.
Sie hatte den kleinen Klapptisch unter dem Fenster mit einem karierten Geschirrtuch, drei Tellern, Besteck und einer Kerze gedeckt, die in der Zugluft flackerte, und rührte mit einem Holzlöffel in der überladenen Pfanne. »Ist gleich fertig, du kannst Lucinda Bescheid sagen.« Eine Nudel fiel über den Rand, und sie nahm sie mit zwei Fingern, pustete drauf und steckte sie sich in den Mund.
»Die sitzt mit Karol am Strand.« Meine Finger suchten unbewusst den Mückenstich an meinem Bein und kratzten daran herum.
»Der kann ja mitessen, wir haben genug für alle.«
Ich warf das Handy auf die Sitzbank, »Ich frag mal«, und ging zum Strand. Auf halbem Weg kam mir Lucy entgegen. Allein. »Wo ist Karol?«
Sie zog sich ihre Strickjacke enger um den Körper. »Mit Viktor losgegangen.« Sie klang äußerst enttäuscht. »Er fühlt sich sonst vernachlässigt, sagt Karol.« Ihr war deutlich anzumerken, dass jetzt sie diejenige war, die sich vernachlässigt fühlte. Es war eben nicht leicht, seine Aufmerksamkeit gerecht aufzuteilen, besonders wenn man es mit einem so einnehmenden Menschen wie Lucy zu tun hatte. Sie war wie ein Kind. Sie hielt sich für das Zentrum der Welt und ging einfach davon aus, ihr stünde zu, dass jeder so viel Zeit mit ihr verbrachte, wie sie es wollte. Hannes hatte sich immer dementsprechend verhalten. Aber das erwähnte ich nicht. Stattdessen legte ich ihr einen Arm um die Schulter und schob sie zum Bus. »Betty hat Nudeln mit Speck gemacht, und wir möchten unbedingt mit dir zusammen essen. Weil wir uns nämlich auch ein bisschen vernachlässigt fühlen.«
Nachdem gefühlte vier Tonnen Abendessen ihren Weg in unsere Mägen gefunden hatten, war die Kerze zur Hälfte heruntergebrannt, und Betty legte sich zufrieden schnaufend auf den Boden des Busses und zündete sich eine Zigarette an. »Wenn es nur eine Sache auf der Welt gäbe, die ich essen dürfte, dann sollten es Nudeln mit Speck sein.«
»Was ist mit dem Meerschweinchen-Menü?«, fragte ich und machte es mir in der Ecke neben dem Fenster gemütlich, indem ich meinen Kapuzenpulli zu seiner Rolle eindrehte und mir in den Nacken legte.
»Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß ja noch gar nicht, wie die schmecken.«
»Du willst wirklich Meerschweinchen essen?« Lucy machte ein entsetztes Gesicht. »Kleine, süße Meerschweinchen?«
»Klaro.« Betty blies entspannt eine Rauchwolke aus.
»Kleine, süße, flauschige Meerschweinchen?«
»Ja, Lucinda.«
»O Gott! Wie grausam!«
»Das sagst du jetzt. Aber vielleicht ist es ja wichtig, dass ein Teil der Meerschweinchen gegessen wird. Für das Gleichgewicht, weißt du? Vielleicht würden sie sonst immer mehr und mehr werden und irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen und die Menschen unterdrücken.« Betty zog an ihrer Zigarette und sah nachdenklich einem kleinen Rauchschwaden hinterher. »Wenn ich es mir genauer überlege, könnte das vielleicht die Rettung für unseren Planeten sein …«
»Was wollen wir denn mit diesem angebrochenen Abend anfangen?«, versuchte ich einen Themenwechsel – Weltrettung durch Meerschweinchen, das war mir zu komplex und mein Magen für eine Diskussion darüber zu voll. Aus demselben Grund hatte ich auch keine große Lust, den Bus an diesem Abend noch einmal zu verlassen. Am liebsten wollte ich zum Klang der Wellen einschlafen, und das schnell, und ich hoffte, die anderen wären mit mir einer Meinung. Der Tag saß mir in den Knochen.
Lucy lächelte schon wieder und betrachtete schüchtern ihre Hände in ihrem Schoß. »Ich hoffe, Karol kommt bald wieder.«
»Langweilig!«, verkündete Betty und rappelte sich auf. Ein bisschen Asche fiel von der Spitze ihrer Zigarette. »Ich bin dafür, dass wir dieser Männerproblematik auf den Grund gehen. Ich glaube, wir hätten alle mehr Spaß, wenn wir das aus der Welt schaffen.«
»Wenn wir was aus der Welt schaffen?«
»Eure Fixination auf die Kerle. Auf Richard. Und Hannes …«
»Ich bin nicht fixiert auf Hannes.« Lucy verzog ihren Mund zu einem Schmollen.
Betty machte: »Ha!«
»Abgesehen davon heißt es Fixierung.« Mein grammatikalisches Ablenkungsmanöver verpuffte in der frischen Abendluft der Biskaya.
»Ich weiß, Schätzelein. Fixination ist eine Wortmischung aus Fixierung und Faszination. Cool, oder?«
»Auf jeden Fall effizient.«
»Es ist doch nun mal so: Wir sind hier im Urlaub. Wir fahren in den Süden. Wir übernachten direkt am Meer. Wir sind frei. Wir sollten Spaß haben. Und was macht ihr? Ihr jammert. Die ganze Zeit. Wegen irgendwelcher Männer.«
»Also, ich jammer nicht!« Kaum war der Satz draußen, fiel Lucy offenbar die vergangene Nacht neben der Wanderdüne ein, und sie wurde still.
»Merkste selber, nä?«
»Ja.«
»Gut.« Betty drückte die Zigarette auf ihrem leeren Teller aus. »Ihr geht mir auf die Nerven. Ich versteh einfach nicht, wie man einem Mann so viel Platz in seinem Leben einräumen kann, dass er einem den Spaß auch dann noch verdirbt, wenn er zweitausend Kilometer weit weg ist.«
»Echt? Zweitausend Kilometer? So weit sind wir schon gefahren?«
»Fast, Lucy.«
»Wow.«
»Es kommt mir vor, als wäre das alles, worum es euch geht. In eurem ganzen Leben. Männer, Beziehungen … Seid ihr wirklich so leer?«
»Ich bin nicht leer. Ich hab eine Familienration Nudeln mit Speck in mir drin.« Ich rieb über meinen runden Bauch und wartete, dass Betty auf den Witz einstieg. Tat sie aber nicht, und ich dachte: Gut, wenn sie reden will, dann reden wir eben. Das war schließlich schon immer mein Spezialgebiet. »Dir geht es doch auch immer nur um Männer und Sex, Betty.«
»Das ist was anderes. Sex ist zu meinem Vergnügen da. Da geht es um mich.«
»Und dass meine Beziehung mit Richard gut läuft ist zu meinem Vergnügen da. Die ist mir mindestens so wichtig wie dir Sex. Und die hat mich schon beschäftigt, bevor ich losgefahren bin, das weißt du.«
»Aber deswegen macht man doch Urlaub. Um mal wegzukommen von all dem.«
»Davon kommt man nicht einfach so weg. Oder«, ich hob den Zeigefinger, »eben nur dann, wenn einem das alles nicht mehr wichtig ist. Aber dann ist die Sache eh klar. Dann ist da auch keine Liebe mehr und nichts …«
»Aha!«
Ich warf Betty einen irritierten Blick zu. »Was, aha?«
»Vorhin hast du noch gesagt, du glaubst, dass du Richard nicht mehr liebst, und jetzt gibst du zu, dass du dir nur deswegen so ’nen Kopf machst, weil du ihn noch liebst.«
»Das stimmt«, pflichtete Lucy ihr bei, froh fürs Erste aus der Schusslinie zu sein.
Ich konnte schlecht abstreiten, dass Betty einen Logikfehler in meiner Argumentation gefunden hatte. Das war offensichtlich. Und trotzdem meinte ich, was ich gesagt hatte, beides, auch wenn es widersprüchlich war. »Ich hab Angst, dass Richard nicht der richtige Mann für mich ist. Und ich suche nach Beweisen, dass er es doch ist. Und wenn ich sie nicht finde, werde ich nervös, aber wenn ich sie finde, dann werde ich auch nervös, weil ich nicht sicher bin, ob ich mir die ganze Sache nicht einfach nur schönrede, weil ich jetzt nun mal mit Richard zusammen bin und es ja auch okay ist. Die meiste Zeit zumindest. Und es kann ja sein, dass Richard der Beste ist, den ich haben kann. Aber vielleicht mach ich mich auch nur selber klein und stürze mich aus reiner Unsicherheit ins Verderben und muss den Rest meines Lebens mit einem Mann zusammen sein, der gar nicht zu mir passt. Wenn man zu verschieden ist, dann lebt man doch irgendwann nur noch nebeneinander her und langweilt sich, in gewisser Weise tun Richard und ich das ja jetzt schon, und irgendwann hasst man sich … Und ich dachte, dass allein die Tatsache, dass ich so was denke, der Beweis dafür ist, dass ich ihn nicht mehr liebe, denn sonst wäre ich mir doch eigentlich sicher. Oder nicht? Oder doch?« Ich warf einen verzweifelten Blick in die Runde.
Lucy starrte mich mit offenem Mund an.
Betty schüttelte fassungslos den Kopf. »Deinen Kopf haben zu müssen, das wäre die schlimmste Strafe für mich, die ich mir vorstellen kann. Das ist ja wie Achterbahnfahren.«
Ich nickte. »Ganz genau. Wie Achterbahnfahren.«
»Meine Güte, du solltest wirklich mehr kiffen.«
»Glaub mir, das nützt nichts.« Aber im Ansatz war die Idee ganz gut. Ich streckte mich nach Bettys Tabak aus und begann mit der Herstellung einer Zigarette.
Lucy räusperte sich. »Ja, aber wie stellst du dir denn den Richtigen vor?«
»Hm?« Ich war gerade dabei, konzentriert Tabak zu portionieren.
»Wenn du ihn dir aussuchen könntest oder bestellen oder so, meine ich. Wie würde dann dein Richtiger aussehen??«
»Hm …« Ich rollte die Blättchenseiten gegeneinander, bis der Tabak gleichmäßig verteilt war. Ich leckte den Klebestreifen an und legte ihn fest um die Zigarette. Ich strich das Endprodukt glatt, griff nach dem Feuerzeug, zündete die Zigarette an und nahm einen Zug. Und selbst nachdem all diese Zeit zum Nachdenken verstrichen war, lautete die Antwort: »Ich weiß es nicht.«
»Richtig so.« Betty nickte anerkennend. »Diese Traummannidee ist was für kleine Mädchen mit Romantikpostern an den Wänden.« Lucy schnappte empört nach Luft. Aber Betty war gnadenlos. »Im Ernst, Lucinda. Überleg doch mal. Hast du dir irgendwann im Leben schon mal etwas wirklich, wirklich richtig doll gewünscht?«
Lucy überlegte und sagte schließlich: »Klingt vielleicht doof, aber am meisten wollte ich wohl immer ein Pony. Als ich klein war, natürlich.«
»Siehst du. Und ich wollte immer riesige Brüste. Schau mich an!« Betty zeigte auf ihren Oberkörper. »Ich hab keine riesigen Brüste. Schau dich an!« Sie zeigte auf Lucy, »Du hast kein Pony.«
»Aber …«, begann Lucy.
»Kein Aber. Was lernen wir daraus? Ganz einfach: Pass auf, was du dir wünschst. Denn wenn du es dir erst mal gewünscht hast, wirst du es nie bekommen.« Eine Gesprächspause entstand, in der Betty uns herausfordernd ansah, ich nachdenklich an meiner Zigarette zog und Lucy anscheinend panisch darüber nachdachte, was sie sich in letzter Zeit alles gewünscht hatte und jetzt niemals bekommen würde. Das tat mir leid.
»Das ist Unsinn, Lucy. Mach dir keine Sorgen.« Und um zu beweisen, dass Betty mir keine Angst hatte machen können, ließ ich mich jetzt doch auf diese Wunschlistensache ein. »Also, es gibt ja schon so Eigenschaften, die ich mir bei einem Mann wünsche. Humor, zum Beispiel …«
»Richard«, sagte Betty.
»… und eine gewisse Lockerheit …«
»Richard«, sagte Betty.
»… dass er Spaß am Leben hat und keine Angst davor …«
»Ri…«
»Ja, ich weiß!« Das war ja das Debakel. »Und er liebt mich, das weiß ich auch, das ist eigentlich das Allergrößte. Und trotzdem schau ich ihn mir an und frage mich, ob er auch noch in fünf Jahren der Mann für mich ist. Oder in zehn. Oder wenn ich siebzig bin. Wenn er mir jetzt schon regelmäßig auf die Nerven geht …«
Betty stöhnte entnervt auf. »Ja, aber Schätzelein … Das weiß doch niemand, was die Zukunft bringt. Zum Glück. Du machst dir immer diesen Druck, ich kapier gar nicht, wieso. Erst muss unbedingt ein Kerl her, dann hast du einen, dann ist der Druck weg, und jetzt machst du dir neuen Druck, weil dieser Kerl nun aber auch bis an dein Lebensende halten muss.«
»Aber darum geht es doch.«
»Nö. Nur wenn man sich selbst schlechte Laune machen will.«
Ich fragte mich, ob in Bettys Welt die Dinge wirklich so einfach waren, oder ob sie nur den Konflikt scheute. »Es stimmt eben so vieles nicht. Er kümmert sich nicht um die Sachen, die mir wichtig sind. Er wird einfach nicht erwachsen.«
»Ist doch scheißegal.«
»Find ich nicht.«
»Okay, fein!« Betty war plötzlich wütend. »Dann such dir eben einen Besseren. Vorsichtshalber, weil ja Richard eventuell nicht der Richtige ist.« Sie stand auf, öffnete den Knoten aus Haaren auf ihrem Kopf, drehte ihn neu und pöbelte: »Weißt du, was? Du brauchst keinen Mann, du brauchst eine Wahrsagerin, die immer schön für dich in die Zukunft schaut und dich vor allen Gefahren warnt, damit dir ja nichts Schlimmes passiert. Das ist doch eigentlich das, was du willst. Du feige Kuh.«
Jetzt war ich also eine feige Kuh. Gut, von mir aus. Ich ließ meinen Zigarettenstummel neben Bettys auf dem Teller liegen und sagte nichts mehr. Betty war eben nicht ich. Und es war offensichtlich zu viel von ihr verlangt, sich in meine Lage zu versetzen. Ich beugte mich über den Tisch und stützte mein Kinn auf der Handfläche auf.
Lucy kaute an ihren Haaren.
In einer plötzlichen Bewegung stand Betty auf und öffnete die Schiebetür. »Ich geh los, mal schauen, was am Dienstagabend so in Biarritz los ist.« Sie stieg aus und blieb draußen stehen. »Kommt eine von euch mit?« Sie wusste selbst, dass diese Frage von uns allerhöchstens rhetorisch verstanden werden würde.
Ich schüttelte den Kopf.
Lucy ließ die angesabberten Haare aus ihrem Mund fallen und warf Betty einen schnellen schüchternen Blick zu. »Ich warte lieber, dass Karol wiederkommt.«
Betty zuckte mit den Schultern. »Kann ja jeder machen, was er will, nä? Ist ja schließlich Urlaub.« Der Satz, der aus ihrem Mund sonst immer so euphorisch klang, hatte eine kalte, zynische Färbung bekommen. Die Tür schloss sich mit dem üblichen Knall, vielleicht war er aber auch ein wenig heftiger als sonst.
Ich konnte nicht schlafen. Ich tat bloß so, weil mir nichts Besseres einfiel. Die Wellen rauschten immer gleich. Und auch meine Gedanken waren noch dieselben, allerhöchstens verstärkt durch Dunkelheit und Stille, wie das eben so ist. Irgendwann reichte es mir. Ich zog so leise wie möglich, um Lucy nicht zu wecken, meinen Pullover und die Turnschuhe an und kletterte aus dem Bus. Das Meeresrauschen wurde lauter, die Nachtluft war kühl. Ich schlang mir die Arme um den Körper und überquerte die Straße. Sobald ich auf der niedrigen Mauer oberhalb des Strandes saß, wusste ich nicht, was ich als Nächstes tun sollte. Mich hier hinzusetzen war ein kleines Ziel gewesen, das ich schnell erreicht hatte. Jetzt konnte ich nur warten, dass etwas passierte. Dass ich müde wurde. Oder Betty zurückkam. Oder plötzlich ein Eiscremewagen vorbeifuhr und ich mir zwei Kugeln mit Streuseln im Becher kaufen konnte. Wobei ich keine Ahnung hatte, wie man auf Französisch Eis bestellte. Ich müsste auf das zeigen, was ich wollte. Wenn ich überhaupt wusste, was das war.
»Ich kann nicht schlafen.« Wie ein Geist war Lucy in dem gelblichen Lichtschein einer Straßenlaterne neben mir erschienen. Komisches Licht, dachte ich, es macht nichts heller und strengt bloß die Augen an. Sie trug ihre Strickjacke, die Knöpfe hatten die Form von Röschen, und eine Decke unter dem Arm, die sie über unseren Beinen ausbreitete, nachdem sie sich neben mich gesetzt hatte. So wie ich es am Tag zuvor in Bologne-sur-Mer getan hatte. »Das mit Richard und dir tut mir leid. Ich wusste gar nicht, dass ihr euch nicht mehr so gut versteht«, sagte sie.
Ich winkte ab und kratzte unter der Decke an einem neuen Mückenstich, ziemlich direkt neben dem anderen. »Sieht ja ganz so aus, als sei ich das Problem.«
Lucy stützte sich mit den Armen auf der Mauer ab und sank in sich zusammen, sodass ihr Kopf zwischen ihren Schultern steckte und sie entfernt an eine Schildkröte erinnerte. So saßen wir dort, schwiegen und sahen den schwarzen Wellen zu – die Schildkröte und die feige Kuh. Welches Geräusch machten Schildkröten eigentlich? Sie fauchten, oder?
»Ich hatte ja schon mal Sex«, sagte Lucy, als nähme sie eine alte Unterhaltung wieder auf, die wir nie geführt hatten. Sie schien etwas erschrocken darüber zu sein, wie unerwartet laut ihre Stimme klang, denn sie sank noch ein bisschen mehr in sich zusammen.
»Ja?« Das war nicht unbedingt eine der Fragen gewesen, die mich in der letzten Zeit beschäftigt hatten. Ob Lucy schon einmal Sex gehabt hatte oder nicht. Das war ihre Sache, das ging mich nichts an.
»Nur falls du dich das gefragt hast.«
»Na ja …« Eben nicht.
»Wegen Hannes.«
»Ich weiß.«
»Also, nicht mit ihm.« Sie räusperte sich. »Aber das weißt du ja.«
Ich nickte.
Lucy ließ noch ein paar Augenblicke verstreichen, bevor sie weiterredete. »Das war damals, als ich auf die Realschule gegangen bin. Da war ich fünfzehn.« Sie stockte.
Ich wandte mich ihr zu, aber sie sah mich nicht an, als erzählte sie die Geschichte gar nicht mir, sondern dem menschenleeren Strand. »Du musst darüber nicht reden, wenn du nicht willst.«
»Doch. Will ich.« Ein schneller Seitenblick. »Wenn du es hören willst.«
»Klar.« Nicht aus Neugier. Sondern um für sie da zu sein. So machten Freunde das.
»Okay, also, er hieß Oliver und ging in meine Klasse. Ich war in ihn verliebt. Schon richtig lange, seit der ersten Klasse eigentlich. Er war wirklich süß, mit lauter Sommersprossen und so. Und seine eine Augenbraue war so geteilt«, sie zog ihren Zeigefinger einmal quer über ihre rechte Augenbraue, »da hatte er eine Narbe, ich weiß nicht, wovon. Er ist immer mit dem Fahrrad zur Schule gekommen, und am Nachmittag saßen er und seine Freunde beim Sportplatz auf den Bänken. Er hatte viele Freunde. Manchmal bin ich da auf dem Heimweg vorbeigegangen, nur damit ich heimlich rübergucken konnte, aber er hat mich nie bemerkt.«
»Hast du dich in den Büschen versteckt?«
»Nein! Ich bin vorbeigegangen, ganz normal. Manchmal haben seine Freunde gelacht, wenn ich gekommen bin. Aber Oliver hat immer woanders hingeguckt.«
Fünfzehn sein ist hart, dachte ich.
»Irgendwann hat ein Mädchen aus meiner Klasse, Laura hieß die, ihren Geburtstag gefeiert. Ihre Eltern hatten ein Restaurant mit einer Kegelbahn im Keller, und da sollte eine richtig große Party stattfinden, richtig groß, deswegen war sogar ich eingeladen, obwohl ich sonst nie irgendwo eingeladen worden bin. Aber da dann schon, weil alle kommen sollten. Sie hat sich vorne vor die Klasse gestellt und gesagt, dass sie am Samstag feiert und jeder kommen kann, der will. Erst wollte ich nicht, aber meine Mutter meinte, ich soll da hingehen, weil ich ja sonst nicht so viele Freunde habe.«
Schon dieser Teil der Geschichte sorgte dafür, dass ich einen fetten Kloß im Hals hatte. Ich musste an das Poesiealbum in Lucys Kinderzimmer denken und hatte so eine leise Ahnung, dass der Kloß noch größer werden würde. Am liebsten hätte ich sie umarmt. Und noch lieber hätte ich ihr fünfzehnjähriges Ich umarmt und ihm gesagt, dass das alles irgendwann vorbeiging. Dass irgendwann ein neues Leben anfangen würde, dass sie jede Menge Freunde finden würde, solche, die wirklich zu ihr passten und sie von Herzen mochten, so wie sie war. Aber wenn ich an mein eigenes Teenager-Ich dachte, wurde mir klar, was für eine sinnlose Idee das war. Selbst wenn es die Möglichkeit gäbe, ich hätte damals einer dahergelaufenen Dreißigjährigen kein Wort geglaubt. Was wussten die schon über den Schmerz der Pubertät? Nichts.
»Und dann?«, fragte ich.
»Bin ich auf die Party gegangen.« Lucy hielt inne und schluckte angestrengt. »Oliver war natürlich auch da und seine Freunde auch. Als ich reinkam, haben sie wieder gelacht, und sie haben Bier getrunken, obwohl Lauras Eltern das eigentlich nicht erlaubt hatten. Aber alle hatten Alkohol dabei, alle außer mir. Ein paar Mädchen aus meiner Klasse hatten mir auch etwas angeboten, aber ich wollte nicht. Ich saß die ganze Zeit an einem Tisch und hab Cola getrunken, bestimmt sechs Gläser.« Sie leckte sich die Lippen, als würden sie noch danach schmecken. »Irgendwann ist Oliver mit einer Flasche Bier zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich gar nichts trinken will. ›Doch, Cola‹, hab ich gesagt, und er meinte, das wäre ›doch nichts Richtiges‹. Dann hat er mir ein Bier in die Hand gedrückt und mit mir angestoßen.
Ich hätte es nicht trinken müssen, das weiß ich. Aber ich hab mich so gefreut, dass er mit mir gesprochen hat und mir sogar ein Getränk gebracht hat, und dann hab ich es eben getrunken. Ich war so aufgeregt. Und es hat eklig geschmeckt. Aber er hat mir noch eins gebracht und noch eins, er hat immer mehr geholt und gesagt, dass das zu einer Party dazugehört. Ich hab auf ihn gehört, weil ich ihm gefallen wollte. Irgendwann war mir voll schlecht.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Ich hatte vorher ja noch nie Alkohol getrunken. Alles hat sich gedreht. Und die anderen haben plötzlich gelacht, und die Musik war so laut. Mir war ganz heiß, das weiß ich noch. Und dann irgendwann sind Oliver und ich aus dem Partyraum gegangen. Er musste mich stützen, daran erinnere ich mich noch. Wir sind die Treppen zum Restaurant hochgegangen, und er hat gesagt, ich soll mich zusammenreißen, damit Lauras Eltern nichts merken und dann die Party abbrechen, denn dann wäre alles meine Schuld. Das wollte ich natürlich nicht, also hab ich mich zusammengerissen.
Als wir draußen auf dem Parkplatz vom Restaurant standen, hab ich ihm gesagt, dass ich nicht mehr weiterlaufen kann, weil sich alles dreht. Da hat er mich in so einen Schuppen oder eine Garage neben dem Restaurant gebracht, es roch da drin ganz doll nach Farbe, das weiß ich noch, und überall auf dem Boden lagen Pappen, die waren dreckig, aber das war mir egal, weil ich mich hinlegen musste. Mir war sooo schwindelig. Ich hab die Augen zugemacht, und dann weiß ich nur noch, dass er angefangen hat, mir die Strumpfhose runterzuziehen, und dass ich mich geschämt hab, weil ich so fett war. Ich war immer so fett.« Lucys Stimme zitterte. Sie zog die Nase hoch und atmete tief aus. Einatmen, ausatmen, gegen die Tränen. Seltsam, dass sie sonst immer weinte, und es ihr egal zu sein schien, wer es sah oder hörte. Aber ausgerechnet jetzt kämpfte sie mit aller Macht dagegen an.
Ich rutschte näher an sie heran und legte einen Arm um ihre Hüfte.
»Das war mein erstes Mal«, sagt sie. »Auf dreckigen Pappen in einem Schuppen. Ich lag nur da und konnte mich nicht bewegen, weil mir so schlecht war. Und weißt du was: Ich war froh, dass es wenigstens mit dem Jungen passierte, in den ich verliebt war.« Ein bittersüßes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich hab mal in einer Zeitschrift gelesen, dass das wichtig ist. Aber irgendwie ist es wohl nicht das Wichtigste.«
Mein Mund war trocken. »Nein«, brachte ich heraus, »da gibt es noch andere Dinge, die wichtig sind …«
Lucy zuckte mit den Schultern und fuhr fort, als würde sie von einem langweiligen Tag im Büro berichten. »Jedenfalls, als ich aufgewacht bin, war es schon hell, und alle anderen waren weg, auch Oliver. Ich bin zu Fuß nach Hause gegangen, und da hat dann meine Mutter mit mir geschimpft, weil sie sich Sorgen um mich gemacht hat und ich nach Alkohol gerochen hab und mein neues Kleid ganz dreckig war. Ich hab ihr nicht gesagt, was passiert ist.«
»Mann, Lucy, der hat dich vergewaltigt!«
»Nenn das nicht so.« Ihr Blick war sowohl flehend als auch wütend.
»Wie soll ich das denn sonst ne…«, begann ich fassungslos. Weiterzusprechen machte allerdings wenig Sinn, denn Lucy hielt sich die Ohren zu, summte und hörte damit erst auf, als sich meine Lippen nicht mehr bewegten.
»Nenn das nicht so«, wiederholte sie ernst und schaute auf ihre Hände. »Das ist mir peinlich.«
»Peinlich?!« Ich war außer mir. Ich wäre am liebsten auf der Stelle nach Remscheid gefahren und hätte den Kerl zur Verantwortung gezogen. Mit Kratzen, Beißen, Spucken, an den Haaren ziehen und natürlich der Staatsgewalt im Schlepptau. Apropos: »Warst du nicht bei der Polizei?«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nein. Hätte ich wahrscheinlich machen sollen …« Sie zuckte mit den Schultern. »War mir zu peinlich. Das alles.«
Ich hielt mir die Hand vor den Mund, sonst hätte ich bloß Dinge gesagt, die Lucy noch mehr unter Druck setzten. Dass sie selbst so viele Jahre später noch dachte, es wäre ihre Schuld und müsste ihr peinlich sein, machte mich rasend.
»Am Montag«, fuhr Lucy mit ihrer Geschichte fort, sachlich, als würde sie über jemand anderen reden, »in der Schule, haben mich alle ausgelacht. Sie haben gesagt, dass ich auf der Party total betrunken gewesen bin und mich voll lächerlich gemacht habe. Das war mir unangenehm, aber ich hab nicht wirklich hingehört, weil ich Oliver gesucht hab. Er saß mit seinen Freunden vor der Schule. Ich hab mich neben ihn gestellt und ganz leise, sodass kein anderer es hören konnte, gesagt, dass ich mit niemandem über die Sache im Schuppen gesprochen habe, und ihn gefragt, ob er irgendjemandem davon erzählt hat. ›Welche Sache?‹, hat er gefragt, und ich hab ihm gesagt, was ich meinte. Das war echt schwer für mich.«
»Wie hat er reagiert?«
»Er hat bloß gelacht. Und alle haben zu uns hergesehen. Und dann hat er ganz laut gesagt, so laut, dass jeder es hören konnte: ›Bist du bescheuert? Dich fette Sau würde ich nicht mal ficken, wenn mich jemand dafür bezahlt.‹«
Ich wünschte, ich hätte Lucy damals schon gekannt. Ich wünschte, ich wäre damals ihre Freundin gewesen, jemand, mit dem sie hätte reden können. Aber Lucy hatte alles mit sich selbst ausmachen müssen. Sie hatte ihren Eltern nie davon erzählt. Weil sie sie nicht aufregen oder unglücklich machen wollte oder – und das war das Schlimmste – befürchtete, sie könnten wütend auf sie sein. Und mit wem hätte sie sonst reden sollen? Mit dem Leonardo-DiCaprio-Poster an ihrer Wand vielleicht? Manchmal tat sie das, aber wirklich helfen konnte ihr das eindimensionale, glänzende Papiergesicht natürlich nicht.
Weil Lucy eine Wiederholung dieser Ereignisse verständlicherweise für den Rest ihres Lebens und um jeden Preis verhindern wollte, beschloss sie, Alkohol in Zukunft strikt aus dem Weg zu gehen und Männern gegenüber äußerst vorsichtig zu sein. Freundlich sein konnte schließlich jeder, Getränke spendieren und dann, eh man sich’s versah, fand man sich unten ohne auf einem Haufen dreckiger Pappen wieder und wurde zum Gespött der Leute.
Ein Test musste her, mit dem sie unter all den Bösewichten den einen Prinzen finden konnte, der edel war und gut. Wie im Märchen, wo der Held etwas Bestimmtes tun oder sagen muss, um den bösen Zauber zu bannen. Lucy nahm sich ihre Eltern zum Vorbild, die seit zweiunddreißig Jahren verheiratet waren. Meistens glücklich und immer füreinander da. Heiraten, das war das Zauberwort.
Lucy versprach sich selbst, erst wieder mit einem Mann zu schlafen, wenn dieser sie zur Frau genommen hatte. Mit keinem sonst und nicht, bevor das passiert war. Denn wenn ein Mann eine Frau heiratete, war das der ultimative Beweis dafür, dass sie ihm vertrauen konnte.
Hannes wollte vom Heiraten nichts wissen, obwohl er Lucys Geschichte kannte. Aber Misstrauen war für ihn ein schlechter Grund, ihr einen Antrag zu machen, ein negativer Grund. Hannes verstand Lucys Sorgen, doch er wusste, dass er der Mann war, dem sie vertrauen konnte. Auch ohne Trauschein würde er sie nie verletzen. Umgekehrt verletzte es aber ihn, dass sie an seiner Liebe zu ihr zweifelte, obwohl er wieder und wieder beteuerte, für immer mit ihr zusammenbleiben zu wollen und so sicher fühlte, dass er es ernst meinte.
Es waren schöne Versprechen, die er ihr machte. Aber Versprechen waren aus Worten gemacht, und Worte reichten Lucy nicht. Sie wollte Beweise sehen.