24
Als das Taxi davonbrauste, prüfte Alex noch einmal, ob er das Handy tatsächlich ausgeschaltet hatte, Anrufe oder auch nur ein Klingeln konnte er jetzt nicht gebrauchen. Er stand in der Parallelstraße zu Lisas Haus, dem er sich nicht von der Straße her nähern wollte, sondern über ein gegenüberliegendes Gebäude, um erst einmal die Lage zu sondieren.
Es war zu spät, um irgendwo auf Verdacht zu läuten und was von »Werbesendung« zu nuscheln - das war so unglaubwürdig, dass er es sich als letzte Option aufsparte. Also joggte er die schmale, kaum befahrene Straße entlang und drückte gegen jede Tür, um auszuprobieren, ob eine offen stand oder ein Schloss nicht richtig eingeschnappt war, aber er hatte kein Glück.
Am Ende der Häuserzeile fand sich eine verrauchte Eckkneipe, die Fußball übertrug. Mann, der Quatsch lief wirklich jeden Tag. Ein Blick zeigte ihm, dass der Laden so voll war, dass er niemandem groß auffallen würde, wenn er sich entsprechend verhielt. Gut. Ausnehmend rücksichtsvoll drängte sich Alex an den Leuten vorbei, die mit verkniffenen Gesichtern schweigend auf die Großbildleinwand starrten oder irgendwen beschimpften, überwiegend Leute auf der Leinwand.
»Ich sag’s euch, Hertha holt die Schüssel«, sagte ein Betrunkener mit rotem Gesicht und blau-weißem Trikot.
Ein anderer klopfte seinem Nachbarn auf die Schulter: »Kopf hoch. In der Relegation schafft das Energie, das sind Kämpfer, und wenn es gegen Greuther-Fürth geht, ist alles klar. Die sind unaufsteigbar.«
»Erst mal Sechzehnter werden.« Der Getröstete zog geräuschvoll Rotz hoch und nahm einen tiefen Zug von seinem Weizen. »Die wollen uns doch gar nicht in der Liga haben. Wenn uns die Scheißschiris nicht dauernd verpfiffen hätten, wären wir schon längst gerettet.«
Alex hielt das Gesicht möglichst gesenkt und von der Theke abgewandt, höchstens der Wirt achtete in dem Gewühl auf Neuankömmlinge. Er hatte zwar weder vor, ein Attentat auf Merkel zu verüben, noch irgendeine Bank auszurauben, aber es war besser, wenn sich niemand an ihn erinnerte. Wahrscheinlich war das übertrieben, aber er war einfach nervös, er tat so was nicht täglich und hatte Angst um Lisa.
Mit eingezogenem Kopf stahl er sich auf die Toilette, drei Männer standen vor den Pissoirs und debattierten über nicht gegebene Elfmeter, eine der beiden Kabinen war besetzt, jedoch nirgends ein Fenster zu sehen. Das half ihm nicht weiter.
Er trat den Rückzug an und huschte in die Damentoilette. Wie bei der überwiegend männlichen Kundschaft vorne zu erwarten gewesen war, war sie verlassen. Oder fast, eine der Kabinen war verschlossen, irgendwer zog dort geräuschvoll Papier von der Rolle. Hinter den Kabinen entdeckte er, was er gesucht hatte: ein Fenster zum Innenhof. Wenn er sich beeilte, würde er es schaffen, bevor sie da rauskam.
Mit wenigen schnellen Schritten war er am Fenster und warf einen kurzen Blick hinaus. Niemand war zu sehen; etliche Fahrräder standen kreuz und quer im Innenhof und eine kleine Laube aus dunkel gebeiztem Holz für die Mülltonnen an der gegenüberliegenden Wand. Hinter ihm wurde die Spülung betätigt, er hörte, wie jemand seufzend die Hose hochzog. Alex zerrte sich den Ärmel über die Hand, bevor er den Griff packte und das Fenster aufriss. Er sprang hinaus und eilte davon, hörte nur noch, wie die Kabinentür aufgeschlossen wurde, dann tauchte er in den Eingang des Hinterhauses.
Von den braun lackierten Briefkästen im schmalen Flur splitterte bereits die Farbe ab, die Treppe war ausgetreten, aber frisch geputzt. Ohne Licht zu machen, schlich er leise hinauf. Hinter den meisten Türen war Ruhe, nur im Erdgeschoss stritt ein Paar lautstark, irgendwas ging zu Bruch. In der Wohnung darüber lief der Fernseher und im obersten Stock Musik, Turbo Lover von Judas Priest. Das war gut, mit Glück übertönte es alle kommenden Geräusche. Alex ging weiter bis zum Dach.
Wie er gehofft hatte, war die Tür dort nicht besonders massiv - allerdings abgeschlossen. Jetzt konnte er testen, wie stark er wirklich war. Wieder zog er die Ärmel über die Hände, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, so viele Krimis hatte er dann doch gelesen. Er lehnte sich gegen die Tür und übte ganz langsam immer mehr Druck aus. Das Holz knirschte, und er presste seinen Körper gegen die Türplatte, um möglichst jedes Geräusch zu dämpfen. Schließlich barst das Schloss. Reaktionsschnell hielt er die aufschwingende Tür fest, bevor sie gegen die Wand schlagen konnte.
Unten dudelte die Musik weiter.
Gut. Aus den anderen Wohnungen war immer noch nichts zu hören. Sehr gut.
Behutsam schob er die Tür hinter sich wieder zu, beinahe sah es abgeschlossen aus. Vielleicht kam in den nächsten Tagen ja niemand hier herauf, und wenn er nichts von der Wäscheleine stahl, würde es wohl keine großen Untersuchungen geben. Die Polizei hatte Besseres zu tun, gerade im Augenblick, sie würde die aufgebrochene Tür einem Junkie in die Schuhe schieben, der sich in Ruhe einen Schuss hatte setzen wollen.
Rechts von ihm erstreckte sich eine Reihe gezimmerter Boxen aus ungeschliffenen Dachlatten, in denen alte Möbel, Gesellschaftsspiele, Schlauchboote, Schlittschuhe, Stofftiere, Matratzen und anderes ausgelagert waren. Links von ihm öffnete sich ein großer Speicherraum mit unverputzten Wänden, durch den quer eine Wäscheleine neben der anderen gespannt war, und zwischen diesen fanden sich auch vier Dachfenster. Leise öffnete er das nächstgelegene und zog sich mit einem Klimmzug hinaus.
Es war unglaublich, wie leicht das ging. Auch wenn diese unmenschliche Stärke erst jetzt ausgebrochen war, ging er mit ihr um, als wäre er längst mit ihr vertraut. Es war noch immer sein Körper, er war ihm durch die Veränderung nicht fremd geworden. Es waren seine Muskeln, die sich spannten, sein Blut, das trotz der Anstrengung erstaunlich ruhig durch seine Adern floss, seine Haut, durch die er die Blechverkleidung des Fensters spürte.
Draußen hielt er mühelos die Balance auf der Dachschräge und eilte über die roten Dachplatten hinauf zur Mitte, wo das Dach flach verlief. Sollten ihn tatsächlich Vampire erwarten, würden sie auf der Straße mit ihm rechnen, und er würde sie von oben überraschen.
Haus um Haus eilte er durch die Nacht, die Dächer gingen beinahe ansatzlos ineinander über. Auf einem Schornstein saß eine gescheckte Katze und starrte ihn mit grünen Augen an. Amüsiert nickte er ihr zu und eilte weiter. Es war, als wäre er auf der Pirsch, und das war ein gutes Gefühl. Es kam ihm richtig vor.
Und doch konnte er es nicht genießen, zu groß war die Angst um Lisa. Sie durften sie nicht erwischen, sie durften sie nicht zu einer der ihren machen. Nicht sie.
Am Ende der Straße bog er nach rechts und rannte auch diese Häuserzeile entlang bis ans Ende. Dabei hielt er sich gebückt, er näherte sich Lisas Straße und Haus und wurde vorsichtig. So leise wie möglich trat er auf, die letzten Meter schlich er bis zur Dachkante, dort kauerte er sich hin und starrte nach unten.
Auf den ersten Blick war nichts Auffälliges zu erkennen, eine beinahe verlassene Straße, wie sie in jedem Wohnviertel jeder Stadt nachts zu finden war. Kein Verkehr zu sehen, aber die Geräusche fahrender Autos in Hörweite, die meisten Parkplätze belegt, nur neben einem mickrigen Baum waren zwei frei. Die Scheinwerfer eines Wagens glommen schwach, der Fahrer musste sie vergessen haben und würde morgen über eine leere Batterie fluchen und zu spät zur Arbeit kommen. Alles nichts Ungewöhnliches.
Ein paar Meter nach links saß eine brünette Frau auf einer Parkbank, von hier oben würde er sie auf Mitte vierzig schätzen, auch wenn er ihr Gesicht kaum erkennen konnte. Sie warf eine Kippe zu Boden und drückte sie mit der Fußspitze aus. Dann zog sie mechanisch eine Zigarettenschachtel aus ihrer dünnen schwarzen Jacke und zündete sich lustlos eine weitere an. Dabei sah sie betont gelangweilt nach rechts und links. Vor ihr lagen bereits drei zerquetschte Filter am Boden.
Ein Stück die Straße runter stand ein junger Mann mit kurz geschorenem Haar, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet, an einer Telefonsäule und hielt sich den Hörer lässig ans Ohr. Aufmerksam blickte er in alle Richtungen, doch sagte er nichts, nickte nicht, schüttelte nicht den Kopf, zeigte überhaupt keine Reaktion auf seinen angeblichen Gesprächspartner.
Zwei Leute, die er instinktiv verabscheute, als er sie sah.
In der dunklen Wohnung im zweiten Stock von Lisas Haus bewegte sich ein Vorhang.
Danielle hatte Recht gehabt! Das roch nach einer Falle.
Langsam zog er sich zwei Schritte zurück, nicht dass einer von ihnen doch den Kopf hob. In der Hocke überlegte er, was er nun tun sollte. Sollte er abwarten, wann und wohin die Vampire abzogen oder zurück zu Danielle gehen?
Sie hatte gesagt, dass sie ihn brauche, und als er daran dachte, bekam er einen Steifen, scheinbar aus dem Nichts überschwemmte ihn das Verlangen nach ihr, er dachte an ihre Lippen und Küsse, an ihre Brüste und … Verdammt, nicht jetzt!
Mühsam drängte er Danielle aus seinem Kopf, doch der Penis blieb hart und drückte gegen die Jeans.
»Du kannst mich mal«, sagte Alex lautlos.
Was würden die Vampire tun, wenn er nicht auftauchte? Würden sie heimkehren in ihre Wohnungen oder zu ihrem Blutvater gehen? Er könnte warten und ihnen folgen, oder einem von ihnen, falls sie sich trennten, und sehen, was er herausfand. Sie hatten ihn nicht gesehen, er war im Vorteil.
Aber was geschah mit Lisa, während er hier ausharrte? Wie lange würden die Vampire auf ihn warten?
Unbewusst blickte er zu ihrem Haus hinüber, auch wenn er von seiner Position aus die Wohnung nicht sehen konnte. Doch auf dem Dach entdeckte er eine schwarze Gestalt. Ganz vorne an der Kante kauerte ein großer drahtiger Mann in schwarzen Klamotten und starrte zu ihm herüber. Der Spinner mit den Haiaugen. Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen, er hatte Alex gesehen und offenbar auch erkannt.
Alex unterdrückte einen Fluch und bemühte sich, ebenso kalt zurückzulächeln. Er würde keine Furcht zeigen. Er empfand auch gar keine Furcht, sondern Abscheu, eine tief in ihm sitzende Abneigung. Sein Herz schlug schneller, er bleckte die Zähne.
Der Vampir hob den Arm, deutete auf Alex und zischte: »Hier ist er, hier oben!«
Das Zischen steckte voller Hass und Wut, es war nicht laut, und doch durchschnitt es die Nacht, dass Alex dachte, man müsse es in ganz Berlin als kalten Luftzug spüren. Es drang ihm bis ins Mark, und er hatte keine Zweifel, dass es nicht nur er und die beiden auf der Straße gehört hatten, sondern auch jeder Vampir, der in Lisas Wohnung lauerte, egal, wie dick die Fensterscheiben waren.
Misstrauisch beäugte er den Zwischenraum zwischen den beiden Dächern. Er durchmaß bestimmt fünfzehn Meter. Im Traum war Alex bei dem Versuch, ihn zu überqueren, gestürzt. Aber wozu war der Vampir dort drüben fähig?
Alex wollte es nicht darauf ankommen lassen, nicht auf einen Kampf, in dem der andere jeden Augenblick Unterstützung bekommen würde. Er hob den Mittelfinger, drehte sich um und rannte los. Nicht an der Straße entlang, sondern diagonal durch den Häuserblock, quer über Seitenflügel und Hinterhöfe, so mussten seine Verfolger sich trennen, weil sie nicht wissen konnten, auf welcher Straße er rauskommen würde, wenn er schließlich nach unten stieg. Nach den ersten Schritten drehte er sich um, ob der Vampir ihm folgte, ob er die Kluft zwischen den Dächern irgendwie hatte überwinden können. Doch er war verschwunden.
Ihn erst mal nicht im Nacken zu haben, war gut, obwohl es ihn nervös machte, nicht zu wissen, wo seine Verfolger waren. Und wie viele es waren.
Irgendwo dort unten vermeinte er Füße über das Pflaster trappeln zu hören.
Alex stürmte weiter und blickte rechts und links in die Innenhöfe, suchte nach dem geschicktesten Weg hinunter, nach einem Fluchtweg, der die Vampire überraschte. Da entdeckte er eine große, ausladende Kastanie. Schneller kam er wohl nicht hinunter. Er sprang.
Mit Wucht prallte er ins Geäst, klammerte sich fest und war froh, sich kein Auge ausgestochen zu haben. Die Schrammen und Striemen würden rasch verheilen.
Schnell hangelte er sich von Ast zu Ast nach unten, ließ sich immer wieder ein Stück rutschen, hörte sein Longsleeve reißen, auch die Hose schien etwas abzubekommen. Aus dem Augenwinkel entdeckte er an der Seitenwand zwischen mehreren Balkons ein graues Ziergestänge für Kletterpflanzen, fast so praktisch wie eine Feuerleiter. Ganz toll, warum hatte er das von oben nicht gesehen?
Die letzten drei Meter ließ er sich fallen und rollte sich über die frisch gemähte Rasenfläche neben dem Baum ab. Er federte auf die Beine und knickte sofort wieder ein, sank auf das rechte Knie, stützte die Hände auf den Boden. Eine plötzliche Welle der Müdigkeit überlief ihn, zwang ihn, die Augen zu schließen, Sekundenschlaf trotz Adrenalin, und die Mauern der umstehenden Häuser stürzten auf ihn ein.
Schützend riss er die Arme nach oben, kniff die Augen weiter zu. Blut regnete in Strömen vom Himmel, große, schwere, dunkle Tropfen. Irgendwo in der Ferne schrie Lisa, sie schrie und schrie und schrie, so fern und leise, und doch dröhnten seine Trommelfelle davon wie irr.
Alex rappelte sich auf, rannte los, torkelte mit ausgestreckten Armen, die Augen noch immer geschlossen. Irgendetwas bohrte sich durch die Erde, lebte unter dem Asphalt und unter der kleinen gepflegten Rasenfläche. Schlangen, Tentakel oder doch nur die Wurzeln der Kastanie? Irgendetwas griff nach seinen Füßen, schlug nach seinen Fesseln. Alex stürzte. Er musste die Augen öffnen, aber er konnte nicht, sie waren von Schlaf verklebt, der wie eine dicke Schicht Leim auf den Wimpern lag, und die Lider waren so furchtbar schwer.
Was geschah mit ihm?
Was geschah mit Lisa?
Noch immer gellten ihre Schreie in der Ferne.
Mit den Fingernägeln kratzte er über seine Lider, brach den verkrusteten Schlaf von der Haut und riss sie dabei auf. Ein Tropfen Blut rann wie eine Träne über seine Wange, doch endlich konnte er die Augen wieder öffnen. Keine Hauswand war eingestürzt, der Boden lag noch immer friedlich da, der Rasen akkurat geschnitten, nichts hatte sich aus der Tiefe nach oben gewühlt, nicht einmal ein Mauseloch oder Maulwurfshügel war zu sehen. Niemand schrie.
Alex sprang auf und stürzte durch die geöffnete Tür, die mutmaßlich nach draußen führte. Je länger er wartete, desto mehr Kameraden konnten die Vampire zusammenrufen, umso länger hatten sie Lisa in ihren Fängen. Nur wo, verdammt?
Jetzt achtete er nicht mehr darauf, keinen Lärm zu machen, er raste einfach den langen Flur mit dem schmutzigen und abgetretenen Fußbodenmosaik und den frisch ausgebesserten Stuckengeln entlang, alberne weiße Puttengesichter mit aufgeblasenen Backen. Durch die raue Glasscheibe in der Eingangstür sah er schon einen massigen undeutlichen Schemen, der auf ihn wartete. Nur einer, zum Glück.
»Eine Sau kriege ich«, knurrte Alex, er musste nur schneller sein als sie. Er riss die Tür auf, warf sich gegen die wartende Gestalt, stieß sie einfach zur Seite und gab Stoff. Das war leichter gewesen als gedacht, viel zu leicht. Im Weiterrennen drehte er sich um und stellte fest, dass er keinen Vampir umgeworfen hatte, sondern einen jungen Mann, der sich langsam und schimpfend wieder aufrappelte. »Blöder Wichser!«
Ihm blieb keine Zeit, dem Kerl aufzuhelfen oder sich zu entschuldigen. Ein Stück hinter sich hörte er Schritte über den Beton trampeln und einen triumphierenden Schrei: »Hier! Hier ist er!«
Ohne sich umzudrehen, rannte er weiter. Weiter, weiter und weiter. Die Schritte kamen langsam näher, und es wurden mehr, mindestens zwei Vampire waren ihm auf den Fersen, vielleicht drei. Warum nur hatte er nicht auf Danielle gehört?
Wieder schwappte eine Welle der Müdigkeit über ihn hinweg, doch schwächer diesmal, und er zwang sich, die Augen offen zu halten. Trotzdem kam er kurz aus dem Tritt, weil ihm die Beine schwer wurden und tapsig. Diese Müdigkeit war doch nicht normal! Wie ein Anfall kam sie über ihn, und wenn das noch mal passierte, würden sie ihn einholen.
Voller Angst rannte er weiter. Wenn sie ihn erwischten, würden sie ihn töten, da war sich Alex sicher.
Zwei entgegenkommende Frauen starrten ihn entgeistert an und wichen zur Seite. Kein Wunder, seine Kleidung war zerrissen und das Gesicht noch immer voll getrocknetem Blut.
Die Verfolger kamen stetig näher, sie waren schneller, er würde ihnen nicht entkommen können.
Und jetzt schlenderte vor ihm auch noch ein Paar mit Rad und Pfund durch die lauschige Nacht. Der Mann schob das Rad lässig mit der linken Hand und hielt mit der Rechten die der Frau, die mit ihrer Rechten wiederum den Hund an der Leine führte. Nebeneinander füllten sie fast den gesamten Fußweg aus, die parkenden Autos verhinderten einen schnellen Wechsel auf die Fahrbahn.
Rechts oder links vorbei?, überlegte Alex. Egal, renn’ einfach durch, das werden die schon überleben, aber du überlebst es nicht, wenn sie dich kriegen. Dabei waren sie sowieso schneller, sie würden ihn auf jeden Fall erwischen, wenn ihm nicht bald etwas einfiel.
Links, dachte er, stieß ein verzweifeltes Lachen aus und riss dem Mann das Rad aus der Hand, schob es weiter und sprang auf.
»Hey!«, rief der verdatterte Mann, die Frau kreischte, der Hund kläffte.
Alex reagierte nicht, er trat einfach in die Pedale, trat um sein Leben. Es war ein gutes Rad, ein gepflegtes Rennrad, das nannte er Glück. So ein stylisches, alternatives Omarad ohne Gangschaltung hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt! Trotzdem, auf den ersten Metern konnten sie ihn einholen. Er biss die Zähne zusammen und gab alles. Wenn er erst mal beschleunigt hatte, hatte er gewonnen, und es sah gut aus. Lachend schaltete er einen Gang hoch.
Hinter sich hörte er Leute zu Boden stürzen, irgendwer wurde gegen eine Wand geklatscht, die Frau und der Mann keuchten und schrien vor Schmerz, das Kläffen des Hundes wurde hysterisch.
»Wir kriegen dich!«, hörte er die Stimme des Spinners, doch die gezischten Worte verloren sich im Wind, sie trafen Alex nicht. Auch der Pflasterstein nicht, der an ihm vorbeiflog und in die Scheibe eines parkenden Autos platzte. Unwillkürlich zog er den Kopf ein, strampelte dabei jedoch weiter. Mit Karacho legte er sich in die nächste Kurve, bog in eine größere Straße ein und gab Gas. Kurz schielte er über die Schulter zurück. Drei Vampire standen an der Kreuzung und starrten ihm hinterher, sie hatten nichts in der Hand, das sie schmeißen konnten. Er hob den Mittelfinger und stieß ihn triumphierend in die Luft. Dabei überlegte er, wie er von hier am schnellsten zu Danielle zurückkäme.