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Schicken Sie sie auf ein Internat, damit sie etwas Raffinesse und List lernt. Dann, mein Herr, sollte sie eine eingebildete Kenntnis von Geschäftsbüchern haben …

R. B. Sheridan, The Rivals, 1775

 

Als Olivia erwachte, bemerkte sie das Zwitschern der Vögel und einen nebligen Dunst. Sie hielt ihren schweren Stock immer noch umklammert. Wieder erinnerte er sie an den Feuerhaken, und sie war versucht, ihn von sich zu schleudern. Aber war er nicht ihr einziger Schutz vor Wildhunden, wenn nicht gar vor bösen Männern?

Die aufgehende Sonne glitzerte durch das Dach der Äste, die mit einzelnen hartnäckigen Blättern geschmückt waren. Olivias Gliedmaßen waren steif, ihre Zehen fühlten sich taub an, nachdem sie auf dem kalten, wurzeligen Boden geschlafen hatte. Sie rieb sich erst die Hände, dann die Füße warm, bevor sie wieder in ihre Schuhe schlüpfte. Wenn sie gewusst hätte, was gestern passieren würde, hätte sie sich Zeit genommen, ein Paar Halbstiefel zu schnüren, anstatt ihre hauchdünnen Ziegenlederslipper anzuziehen.

Die entsetzliche Szene wiederholte sich in ihrem Kopf.

Sie war spät von ihrer Stelle in Miss Cresswells Schule nach Hause gekommen. Auf einem umgeworfenen Stuhl hatte sie den Mantel ihres Vaters gefunden. Unter ihren Schuhen hatte zerbrochenes Glas geknirscht. Was hatte er dieses Mal geworfen? Ein Trinkglas? Eine Flasche? Ein schriller Schrei trieb sie ins Schlafzimmer, das nicht erleuchtet, aber hell genug für einen schaurigen Anblick war – den Rücken eines Mannes, dessen Hände um die Kehle ihrer Mutter lagen … die weit aufgerissenen Augen ihrer Mutter, die nach Luft rang …

Olivia hatte nicht überlegt, sondern nur reagiert. Plötzlich hatte sie den Schürhaken in der Hand gehabt. Sie hob ihn in die Höhe, ließ ihn mit einem ekelhaften Krachen heruntersausen, und der Mann fiel mit dem Gesicht nach unten zu Boden. Die Wucht ihres Schlags zog durch ihren Arm bis in die Schulter hinauf. Ein betäubender Schock folgte wie eine eisige Welle. Sie starrte reglos auf ihre Mutter, die keuchend nach Luft rang.

Dann war ihre Mutter plötzlich neben ihr, zog ihr den Feuerhaken aus den steifen Fingern und zog sie aus dem Zimmer, durch die Küche und zur Vordertür. Sie zitterten beide.

»Habe ich ihn getötet?«, hatte Olivia geflüstert und einen Blick auf die verdunkelte Schlafzimmertür geworfen. »Das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur –«

»Pst. Er atmet noch und kann jeden Moment zur Besinnung kommen. Du musst verschwinden, bevor er dich sieht. Bevor er erfährt, wer ihn niedergeschlagen hat.«

Im Licht des Küchenfeuers sah Olivia die Schwellungen, die sich bereits am Hals ihrer Mutter zeigten. »Dann musst du mitkommen. Er hätte dich töten können!«

Dorothea Keene nickte und presste sich die zitternden Finger gegen die Schläfen, um einen klaren Gedanken zu fassen. »Aber zuerst werde ich zu Muriel gehen. Sie wird wissen, was zu tun ist. Aber er darf niemals erfahren, dass du hier warst. Du … du hast das Dorf verlassen, um … eine Stelle anzunehmen. Ja, das ist gut.«

»Aber wo? Ich weiß von keiner –«

»Weit weg von hier.« Ihre Mutter kniff die Augen zusammen und dachte nach. »Geh zu meiner … geh nach St. Aldwyns. Östlich von Barnsley. Ich kenne eine der Schwestern, die dort die Schule leiten. Vielleicht haben sie eine Stellung für dich oder können dich wenigstens aufnehmen.«

Ihre Mutter drehte sich um und eilte auf die andere Seite der Küche. Sie zuckte zusammen, als sie sich streckte und ein kleines Bündel hinter dem Rahmen eines Porträts hervorzog.

»Ich kann dich nicht so zurücklassen, Mama – du bist verletzt.«

Ihre Mutter kehrte zurück und packte sie am Arm. »Sollte er sterben, bedeutet das die Henkersschlinge für dich. Und das wäre viel tödlicher für mich als alles, was er mir antun könnte.«

Sie schob das Bündel in Olivias Umhangtasche. »Nimm das und geh. Und versprich mir, nicht zurückzukehren. Ich werde zu dir kommen, wenn ich kann. Wenn es sicher ist.«

Ein leises Stöhnen erklang aus dem anderen Zimmer und beide Frauen wurden von Schrecken ergriffen. »Geh jetzt. Lauf!«

Und Olivia rannte.

Die Szene verblasste vor Olivias innerem Auge und sie erschauderte. Sie zog das kleine Bündel hervor und untersuchte es im Morgenlicht. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein altes, gefaltetes Taschentuch, aber bei näherer Betrachtung entdeckte sie, dass es Nähte hatte und einen perlenbesetzten Verschluss.

Warum hatte ihre Mutter es angefertigt? Hatte sie die Ereignisse des vergangenen Abends kommen sehen und geahnt, dass Olivia einmal fliehen müsste? Oder hatte sie ihre eigene Flucht vor einem Mann, dessen Gewaltausbrüche seit Monaten immer schlimmer wurden, vorbereitet?

Olivia öffnete das verborgene Geldtäschchen und untersuchte seinen Inhalt. Vier Guineamünzen wurden von Fäden darin festgehalten, vermutlich, damit sie nicht aneinander klimpern und auf diese Weise ihr Versteck verraten konnten. Auch ein Brief lag dabei. Sie nahm ihn in die Hand, sah jedoch, dass er fest mit Wachs versiegelt war. Sie drehte ihn um und las die winzigen Buchstaben in der zarten Handschrift ihrer Mutter: Erst nach meinem Tod zu öffnen. Olivias Herz setzte einen Schlag lang aus. Was sollte das bedeuten? Sie dachte wieder an die eifersüchtigen Wutausbrüche ihres Vaters – die umgeworfenen Stühle, das zerbrochene Glas, die in die Wand geschlagenen Löcher. Trotzdem hatte Olivia nie geglaubt, dass er seiner eigenen Frau tatsächlich etwas antun würde. Hatte ihre Mutter sich vor genau dieser Bedrohung gefürchtet? Die Neugier nagte an ihr, aber sie legte den Brief schnell wieder an seinen Platz zurück.

Dabei ertastete sie eine dünne Scheibe in den Falten des Stoffs, offenbar eine fünfte, kleinere Münze. Ein schmaler Riss im Futter verriet, an welcher Stelle man sie entnehmen konnte. Neugierig schob sie die Münze mit steifen Fingern zu diesem Loch. Als sie den Schilling herauszog, kam ein Stückchen Papier mit. Es war ein herausgerissenes Stück aus einer Zeitung, ungefähr eineinhalb auf acht Zentimeter groß und vom Alter vergilbt. Offenbar handelte es sich um den kurzen Teil einer Heiratsanzeige.

… der Earl von Brightwell die Vermählung seines Sohnes,
Lord Bradley, mit Miss Marian Estcourt
von Cirencester, Tochter von …

BrightwellEstcourt … die Namen verhallten dumpf in Olivias Kopf. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte ihre Mutter sie nie zuvor erwähnt. Warum hatte sie die Anzeige aufbewahrt?

Olivias Magen knurrte und sie steckte den Zettel – und ihre Fragen – weg, um sich später einmal damit zu beschäftigen. Vorsichtig erhob sie sich und zupfte sich Laub und Tannennadeln aus den Haaren. Sie klopfte sich den Umhang und ihr Kleid ab und verzog das Gesicht, als sie den langen Riss in ihrem Oberteil bemerkte. Ihr Unterhemd und ein Träger ihres Mieders schauten hervor. Als sie an die Gefahren der vergangenen Nacht zurückdachte, wurde ihr bewusst, dass der Schaden wesentlich größer hätte sein können. Sie zog das herunterhängende Stück des Leibchens nach oben und verknotete es behelfsmäßig mit dem Streifen zerrissenen Stoffs an ihrer Schulter. Sie hoffte, dass sie nicht so furchtbar aussah, wie sie sich fühlte.

Olivia versuchte, sich mit den Fingern durchs Haar zu kämmen und stellte fest, dass es ein verfilztes Durcheinander war, nachdem sich ihr ordentlicher Knoten schon lange aufgelöst hatte. Sie sehnte sich nach einer Badewanne und einem Kamm. Es nützt nichts, sich jetzt darüber zu grämen, sagte sie sich. Wenn ich mich nicht in Bewegung setze, werden die Bäume ohnehin die Einzigen sein, die mich zu Gesicht bekommen.

Wieder suchte sich Olivia ihren Weg zwischen den Bäumen und durch das Unterholz hindurch. Sie fragte sich, ob die Schulleiterin, die Bekannte ihrer Mutter, wirklich eine Fremde aufnehmen würde und was sie tun sollte, falls die Frau das ablehnte. Olivia biss sich auf die Innenseite der Wange, um Selbstmitleid und Tränen abzuwehren. Mit einem geflüsterten kurzen Gebet für ihre Mutter ging sie weiter, während ihr Atem in der kalten Morgenluft aufstieg.

Der Wald lichtete sich, als die Sonne höher in den Himmel stieg, und auch ihre Stimmung hob sich. Sie sah das Band einer Straße vor sich und beschloss, ihr zu folgen. Wenn nötig, könnte sie jederzeit in den Schutz des Waldes zurückkehren.

Sie wanderte einige Minuten die Straße entlang und nahm dann das Angebot eines Bauern an, hinten auf seinem Wagen ein Stück mitzufahren. Seine Frau beäugte misstrauisch den Stock in ihrer Hand, äußerte sich aber nicht dazu.

Nach vielen holprigen, ruckelnden Kilometern rief der Bauer seinem Gaul schließlich »Brr!« zu und drehte sich mit einem Lächeln zu Olivia um. »Dort am Ende des Wegs liegt unser Hof, also können wir Sie nur bis hierhin mitnehmen.«

Olivia dankte dem Paar, kletterte steif aus dem Wagen und fragte, wie sie nach St. Aldwyns kommen könnte.

»Folgen Sie dem Fluss dort«, erklärte der Bauer und wies ihr die Richtung. »Das wird für Sie schneller sein, auch wenn Sie dann keinen Wagen mehr treffen.«

Olivia ging am Fluss entlang, der sich durch ein hügeliges Tal zog, eine kleine Ansiedlung passierte und dann eine weitere. Kurz darauf verschwand der Fluss in einem Wäldchen. Nicht schon wieder ein Wald … jammerte Olivia innerlich. Sie wollte jedoch ihren Weg nicht verlieren, deshalb holte sie tief Luft und betrat das Gehölz.

Die Bäume standen nicht sehr dicht und dahinter sah sie schon wieder das offene Feld. Nachdem sie am Abend vorher für ihren Geschmack genug Bäume gesehen hatte, beschleunigte sie ihre Schritte.

Da hörte sie ein Geräusch und blieb erschrocken stehen. Sie lauschte über ihr pochendes Herz hinweg und da war es wieder: Gebell. Ihr Magen zog sich ängstlich zusammen. Schon wieder Wildhunde? Sie näherten sich schnell! Unwillkürlich fing Olivia an zu rennen und der Stock schlug ihr dabei gegen das Bein. Mit ihrer freien Hand raffte sie ihre Röcke und stürmte aufs Feld hinaus. Ohne auf das heftige Brennen in ihrer Seite zu achten, rannte sie weiter. Sie traute sich nicht, anzuhalten und einen Blick hinter sich zu werfen. Ein weiteres Geräusch gesellte sich zu dem Bellen – ein gedämpftes Grollen, das stetig lauter wurde. War das Donner? Oder ein Suchtrupp?

Die Hunde kamen näher, sie konnte ihr Kläffen jetzt deutlich hören, sie hatten sie fast erreicht. Panik erfasste Olivia. Etwas zog an ihrem Rock, und sie wirbelte herum, schwang den Stock und schrie aus Leibeskräften.

»Haut ab! Weg mit euch!« Die bellenden Hunde flitzten um sie herum und sprangen hoch. Sie erwischte einen am Rumpf, der daraufhin aufjaulte und davonjagte.

Langsam gewann sie einen klareren Blick für das verschwommene Durcheinander von geflecktem Fell, und sie merkte, dass dies keine Wildhunde waren. Donnernd näherten sich Pferdehufe. Benommen schaute sie hoch, als eine Armee roter Jacken und schwarzer Hüte – Männer in Jagdkleidung – von allen Seiten auf sie zupreschte.

»Aus dem Weg!«, rief einer der Reiter, während sein Rotschimmel bedrohlich nah an ihr vorbei galoppierte.

Olivia sprang zur Seite. Im nächsten Moment schrie sie auf und hob die Arme schützend über den Kopf – denn sie war direkt in den Weg eines anderen heranpreschenden Pferdes gesprungen. Dessen Reiter riss die Zügel zurück, das schwarze Pferd schwankte und bäumte sich auf. Die hochgeschleuderte Erde spritzte in Olivias Gesicht. Die Pferdehufe zuckten dicht vor ihrem Kinn vorbei und trafen donnernd auf dem Boden neben ihr auf.

»Was in aller Welt fällt dir ein?«, brüllte der Reiter des Rappen wütend. »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«

Die anderen Reiter – Piköre und Gentlemen auf weißen, grauen und kastanienbraunen Jagdpferden – umringten Olivia mit ärgerlich erhobenen Stimmen.

»Du hast eine hervorragende Jagd verdorben!« Dieser Ausruf kam von einem älteren Mann, dem Jagdherrn, erkennbar an seinem Samthut, unter dem ein silberner Backenbart hervorschaute. Sein faltiges, aristokratisches Gesicht war beinahe so rot wie seine Jacke.

»Sie hat versucht, die Jagdhunde zu töten!«, beschuldigte sie ein anderer. »Der Leithund lahmt.«

»Ich dachte, es wären Wildhunde!«, stotterte Olivia in einem schwachen Versuch, sich zu verteidigen.

»Wildhunde?«, wiederholte der Jäger, dem ein kupferrotes Horn um den Hals hing. »Das ist nicht zu fassen. Bist du nicht ganz bei Verstand?«

Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, um sich den Schmutz abzureiben und einen klaren Gedanken zu fassen. »Nein, ich … ich …«

»Ich glaube ihr, Gentlemen.« Der Reiter des Rappen glitt vom Pferd und nahm ihr den Stock aus der Hand. »Sie hat sich offensichtlich bewaffnet, um Wildhunde abzuwehren.«

»So wie die Kleine aussieht«, rief der beleibte Reiter des Rotschimmels, »würde ich sagen, sie hat eher gegen eine Dreckpfütze gekämpft – und verloren.«

Die anderen Männer lachten. Olivia ignorierte ihren Spott und richtete ihren Blick weiterhin auf den großen jungen Mann, der vor ihr stand.

Obwohl er nicht der Jagdherr und allem Anschein nach auch nicht älter als sie selbst war, hatte er offensichtlich eine führende Rolle inne und gab in seiner Jagduniform und den Reitstiefeln eine stattliche Figur ab.

Sie bemühte sich, ruhige Höflichkeit in ihre Stimme zu legen, und sagte: »Das mit Ihrem Hund tut mir sehr leid. Bitte geben Sie mir jetzt freundlicherweise den Stock zurück, Sir.«

Seine Augen glitzerten wie blaues Glas. Ohne den herrischen, ärgerlichen Zug wäre sein Gesicht attraktiv gewesen. »Ich denke nicht, dass ich das tue. Du bist viel zu gefährlich.«

Olivia spürte, wie Wut in ihr aufstieg, während die Männer weiter über sie lachten und spotteten. Aber es war vor allem das herablassende Grinsen des jungen Mannes vor ihr, das ihre Selbstbeherrschung auf die Probe stellte. Nach der vergangenen Aufregung und aufgrund des Mangels an ausreichend Schlaf war sie ohnehin schon angeschlagen. Sie streckte ihre Hand aus. »Geben Sie mir den Stock sofort zurück.«

Der ältere Jagdherr rief in verächtlichem Ton: »Hast du eine Ahnung, mit wem du sprichst, Mädchen

Die Augen weiterhin auf den jungen Mann vor ihr gerichtet, antwortete sie gleichmütig: »Jemand mit sehr schlechten Manieren.«

Die anderen reagierten mit beinahe unverhohlen hervorprustendem Gelächter. Gut, dachte Olivia. Mal sehen, wie es ihm gefällt, selbst ausgelacht zu werden.

Eine neue Gefühlsregung huschte über das Gesicht des Mannes, aber der Ausdruck wurde schnell von Verachtung überdeckt. Seine breiten Schultern zeichneten sich unter der eng anliegenden Jacke ab, als er den Stock mit einer lässigen Bewegung viele Meter weit ins Gebüsch warf.

Olivia öffnete den Mund, um zu protestieren, doch der alte Jagdherr rief ihr mit stählerner Stimme eine Warnung zu: »Vorsicht, Mädchen. Bradley hier ist nicht nur Lord, sondern auch Friedensrichter. Du tätest gut daran, nicht seinen Zorn auf dich zu ziehen.«

Sie richtete den Blick wieder auf den Mann mit Namen Bradley. Goldene Koteletten waren ein Hinweis auf blondes Haar unter seinem Hut. Unter dessen Krempe schauten blaue Augen hervor, die sich momentan völlig auf ein wenig Schmutz an seiner Ärmeljacke konzentrierten. Mit einem winzigen Seitenblick auf sie schnippte er ihn mit dem Finger weg, und Olivia wusste, dass sie selbst mit dieser Geste genauso achtlos abgetan war.

»Ross!«, rief er, und ein junger Mann trottete herbei, allem Anschein nach sein Stallbursche. »Wie geht es dem Hund von Mr Linton?«

»Es geht ihm gut, Mylord, er hat nur eine Prellung.«

»Nimm ihn trotzdem zu dir aufs Pferd. Lintons Hundepfleger wird sicher einen Blick auf ihn werfen wollen.«

»Jawohl, Mylord.«

»Danke, Bradley«, sagte der Jagdherr. »Ich denke, wir müssen die Jagd für heute abblasen.«

Der Jäger nickte und verstaute das Horn in seiner Tasche. »Der Fuchs wird auf jeden Fall inzwischen in Wiltshire sein.«

»Vielleicht könnte sie unser Fuchs sein«, spottete der beleibte Reiter des Rotschimmels und deutete mit seiner Reitgerte auf Olivia.

»Ein ausgezeichneter Plan«, stimmte ein anderer zu. »Es tut uns so leid, Herr Wachtmeister, wir hielten die erbärmliche Kreatur für einen Fuchs.«

»Nein – für einen tollwütigen Hund!« Ein zweiter Mann pikste Olivia mit seiner Reitpeitsche in die Schulter, und im nächsten Moment wurde sie von drei Männern auf ihren Pferden umkreist, die fortwährend lachten.

»Gentlemen!«, ertönte ein lauter Befehl.

Die drei Männer zügelten ihre Pferde und blickten zu Bradley.

»Das genügt«, sagte er. »Bauern sind nicht dazu da, herumgestoßen zu werden.«

»Wie wahr«, schnaubte ein anderer. »Sie sind dazu da, ihre Pacht zu zahlen.«

Lord Bradley machte ein finsteres Gesicht. Er war offensichtlich nicht amüsiert.

»Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen«, bemerkte der Jagdherr tröstend. »Die Saison hat gerade erst angefangen. Wir werden viele weitere Jagden reiten, bevor der Winter kommt.«

Lord Bradley machte Anstalten, sein großes schwarzes Pferd wieder zu besteigen. Er hielt inne und sein eisiger Blick blieb für einen Moment an Olivia hängen. »Bist du immer noch da?«

Sie stieß die Luft aus. »Nein, Sir. Ich bin bereits komplett verschwunden.«

Er kniff die Augen zusammen. »Musst du nicht irgendwohin?« Das war keine Frage.

»Ich –«

»Geh!«, befahl er und streckte seine Reitgerte ruckartig Richtung Süden aus.

Olivia schritt blind über das Feld, gedemütigt und empört. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie ihm gehorchte und genau in die Richtung floh, in die er gezeigt hatte. War sie denn ein Hund? Sicher hatte er nicht gemeint, sie solle diese bestimmte Richtung einschlagen. Sie sollte nur verschwinden. Ich war ohnehin in dieser Richtung unterwegs, sagte sie sich hitzig, und marschierte wieder auf den Fluss zu.

Das Schweigen der Miss Keene
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