Kapitel 34
Zahltag
Es kam Ella wie ein Wunder vor, dass sie Kimis Fahrrad unbeschädigt bis zu der
Adresse manövrierte, die Sören ihr eben am Telefon durchgegeben hatte. Sie war mit den Nerven am Ende, sodass ihr die eine oder andere tiefrote Ampel auf dem Weg glatt
entgangen war. Und auch die Bremse hatte sie ignoriert, selbst wenn sie deshalb
halsbrecherisch die Kurven nehmen musste. Zu wertvoll erschien ihr jede Minute.
Es ging bereits auf einundzwanzig Uhr zu. Obwohl Ella, nachdem sie voller Entsetzen im Spiegelzimmer erwacht war, nicht länger als eine knappe Stunde gebraucht hatte, um einen Plan zu fassen und vor diesem modernen Wohnhaus aufzuschlagen, kam sie sich vor, als hätte sie ein halbes Leben vertan. Das Bild von Gabriel, wie er im Labyrinth umherirrte, hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt, und mit jeder ungenutzt verrinnenden Sekunde glaubte sie, neue Risse in seinem Abbild zu entdecken. Ihr blieb also nicht einmal die Zeit, über das nachzudenken, was sie sich vorgenommen hatte. Aber selbst wenn ihr diese Zeit
zugestanden worden wäre, hätte es nichts geändert. Es gab nur einen Weg, um Gabriel zu retten, und den würde sie beschreiten, egal, was es kostete.
Glücklicherweise hatte Sören nicht nachgefragt, warum sie Bernadette einen Besuch
abstatten wollte, sondern ihr ohne Weiteres die Adresse genannt. Mit seinen Gedanken war er währenddessen eindeutig bei seinem Sohn gewesen. Unter anderen Umständen hätte Ella sich darüber gefreut, dass bei ihrem Bruder endlich ein Umdenken stattfand. Obwohl Kimi vermutlich wenig Neigung verspürte zurückzukehren, so brauchte er seine Eltern doch.
Zumindest seinen Vater, korrigierte sie sich sofort. Bei Liv mit ihrer Eiseskälte war sie sich da nicht mehr so sicher.
Als Ella an der Wohnungstür dieser Bernadette klingelte, fragte sie sich zum ersten Mal, mit was für einer Frau sie eigentlich rechnete. Wer war die Person, die Gabriel in ihr Bett genötigt hatte? Bevor Ella sich eine Vorstellung machen konnte, öffnete sich die Tür, und eine atemberaubende Brünette stand im Spalt. Auf dem Weg zur Tür hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, ihr Whiskeyglas abzustellen, und nun schlugen die Eiswürfel gegen die Innenseite, weil ihre Hand zitterte.
»Ich hoffe, es ist etwas Wichtiges«, raunte sie mit einer für eine Frau ungewöhnlich tiefen Stimme.
»Bernadette, nehme ich an? Ich komme wegen Gabriel.«
Mit einem Aufschrei wollte die Frau die Tür zuschlagen, doch diese Reaktion hatte Ella erwartet und hielt dagegen. Als würden sie die letzten Reste an Kraft verlassen, gab Bernadette nach.
Ohne auf eine Einladung zu warten, trat Ella ein. Entgegen ihrer sonstigen Art musterte sie ihr Gegenüber vom Kopf bis zu den Füßen. Bernadette war eine schöne Frau, der die Natur von allem genau das richtige Maß mit auf den Lebensweg gegeben hatte. An manchen
Stellen sogar ein wenig mehr, wie Ella dank des Spitzennachthemds bemerkte. Instinktiv verschränkte Bernadette die Arme vor der Brust, ohne zu bedenken, dass sie das volle Whiskeyglas in der Hand hielt. Als ihr die bernsteinfarbene Flüssigkeit über die Taille rann und auf den Boden tropfte, sah es für einen Moment so aus, als würde sie in Tränen
ausbrechen.
Bei so viel Elend musste Ella sich in Erinnerung rufen, wer das war, der dort vor ihr stand.
Es fiel ihr nur schwer, dieses zerrüttete Geschöpf mit der Frau in Verbindung zu bringen, die Gabriel betrogen und an den Inkubus ausgeliefert hatte. »Ich muss zugeben, dass ich
verblüfft bin«, gestand sie. »Jemanden, der ein solches Unheil anzurichten in der Lage ist, stelle ich mir eigentlich anders vor. Nicht so armselig irgendwie. Seltsam. Aber die ganze Geschichte ist ja ausgesprochen seltsam.«
Bernadette straffte sich, soweit ihr das möglich war. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer Sie eigentlich sind, aber Sie sollten jetzt wirklich gehen. Ich fühle mich nicht sonderlich wohl.«
»Das glaube ich gern.« Ella deutete auf ihre blutig eingerissenen Fingernägel. »Das sieht böse aus. Ich tippe darauf, dass Ihr Mittagsschlaf sich heute in einen richtig üblen Albtraum verwandelt hat und Sie sich aus Angst ins Bettzeug verkrallt haben. Bleibt nur zu hoffen, dass Gabriel Ihnen, wie geplant, auch wirklich die Hölle heißgemacht hat. Genau das haben Sie nämlich verdient.«
Das Whiskeyglas glitt aus Bernadettes Hand und zerschlug auf dem Boden, während sie
das Gesicht verzog, als würde sie von einer grausamen Erinnerung heimgesucht. »Gabriel hat dir von seinem riskanten Plan erzählt? Lass mich raten: Dir gehört der Traum, den er dem Inkubus ums Verrecken nicht als Entschädigung anbieten wollte.« Ganz unvermittelt schlich sich ein gieriger Ausdruck auf ihre Züge – vermutlich lag es an dem Reiz, den ein so starker Traum auf sie ausübte.
Wut stieg in Ella auf. »Dass Gabriel sich dafür entschieden hat, können Sie bestimmt nicht nachvollziehen, oder? Nun ja, vermutlich waren Sie auch niemals in der Gefahr, zu
zersplittern, weil Sie dem Dämon nur allzu freiwillig einen passenden Traum besorgt haben.
Egal, auf wessen Kosten.«
Als das Wort »zersplittern« fiel, wurde Bernadette aschfahl und stierte auf die
Glasscherben zu ihren Füßen. Ein erneutes Beben durchlief ihren Körper, und sie setzte einen Schritt zurück, ungeachtet der Wand, gegen die sie stieß. »Du dumme Gans«,
murmelte sie. »Du hast ja keine Ahnung, weder von Männern noch von Träumen und schon gar nicht von der Macht des Inkubus.«
»Der Inkubus ist mir gleichgültig, alles, was ich will, ist Gabriel.«
»Als ob du den jemals gehabt hättest, ausgerechnet eine wie du. Der ist auf und davon, dieser verdammte Mistkerl. Er hat meinen Traum genommen und hat ihn …« Bernadette
verstummte, und Ella war froh, dass sie an der Wand lehnte, sonst wäre sie in sich
zusammengesackt.
»Was Gabriel getan hat, war nur fair, nach allem, was Sie ihm angetan haben. Und wenn ich mir alles richtig zusammenreime, war es noch lange nicht genug. Deshalb werden Sie mir jetzt auch helfen, ihn wieder zurückzubringen.«
»Auf keinen Fall. Meinetwegen kann er bis in alle Ewigkeit in meinem Traum festsitzen.
Falls er es überhaupt aushält, ausschließlich auf der anderen Seite zu existieren. Wir Menschen sind nämlich nicht dafür gemacht, unser Geist braucht die feste Bindung an die Realität, ansonsten zerbricht er irgendwann. Ich wünsche ihm viel Vergnügen bei dieser Erfahrung.«
Die Worte waren so gehässig, dass Ella ausholte und der Frau eine Ohrfeige versetzte.
Bernadette schrie vor Überraschung nicht einmal auf, sondern fasste sich nur ins Gesicht.
»Das reicht jetzt. Ich will wissen, wie ich Gabriel helfen kann. Ersparen Sie mir Ihre Hasstiraden.«
Eine Pause entstand, die für beide Frauen nur schwer erträglich war. Schließlich senkte Bernadette den Blick, die Hand fest auf ihre gerötete Wange gedrückt. »Mir fällt nur eine Möglichkeit ein, wenn wir den Inkubus umgehen wollen. Du musst im Traum erwachen und dich auf die Suche nach Gabriel begeben.«
»Nichts leichter als das. Kann ich mich zum Einschlafen bei Ihnen aufs Sofa legen?«
Bernadette hob die Hände. »Es gibt ein kleines Problem«, gestand sie widerwillig ein. »Als Gabriel mich besucht hat, ist meine Pforte in Mitleidenschaft gezogen worden. Es wird eine Zeit lang dauern, bis ich wieder wandeln kann … wenn überhaupt. Aber ich kenne jemanden, der diese Aufgabe mir zuliebe übernehmen würde. Jemand, der sehr viel Erfahrung darin hat, einen Träumenden zu wecken.«
»Spielen Sie auf denjenigen an, der Ihnen zum ersten Mal den Weg in die Träume
gewiesen hat? Würde mich ja ernsthaft interessieren, wie lang diese Kette aus
Traumwandlern ist. Ein Schutzschild vor dem anderen, und als Letztes stehen jetzt Sie da, nachdem Gabriel sich davongemacht hat. Muss ganz schön beängstigend sein für Sie.«
Bernadettes Augen verengten sich zu Schlitzen. »Woher weißt du von dieser
Schutzblockade gegen den Inkubus? Hat Gabriel etwas darüber herausgefunden?«
Treffer, stellte Ella befriedigt fest, ich lag mit meiner Theorie richtig. »Eigentlich war es keine große Sache, hinter dieses System zu kommen – zumindest, wenn man nicht derartig geblendet ist wie Gabriel. Da haben Sie wirklich ganze Arbeit geleistet, ihn mit der überwältigenden Seite der Träume abzulenken, sodass es ihm gar nicht erst in den Sinn kam, Ihr Angebot zu hinterfragen. Dabei ging es Ihnen nur darum, sich hinter Gabriel vor dem Dämon in Sicherheit zu bringen. Für mich sieht das Ganze nach einer Art Pyramide aus: Irgendjemandem ist es gelungen, den Inkubus mit einem Traum abzulenken, vielleicht ein Zufallsergebnis, als der Dämon gerade mit ihm spielte. Jedenfalls hat derjenige die Tradition begründet, andere ihren Traum opfern zu lassen, damit der Inkubus befriedigt ist. Nicht, dass es wichtig wäre, aber Sie haben wohl keine Idee, wie weit diese Linie an Traumwandlern zurückreicht?« Bernadette schüttelte lediglich den Kopf, aber Ella hatte ohnehin keine Antwort erwartet. »Eigentlich ist es auch gleichgültig, denn wenn Gabriel wegfällt, fallen als Nächstes Sie. Womit wir bei dem einzigen Thema wären, das für Sie von Bedeutung ist: Ihre eigene Sicherheit, um die es im Augenblick nicht besonders gut bestellt ist. Gabriel hat Ihren Zugangramponiert, aber der Inkubus, der hat Sie trotzdem imVisier. Und schlafen … schlafen müssen wir alle früheroderspäter.«
»Ja, so ist es«, stimmte Bernadette zu und fasste sich dabei an die Kehle, als spürte sie den Griff des Inkubus bereits. »Aber wie steht es mit meinem Angebot? Soll ich den Kontakt herstellen?«
»Ja, natürlich sollen Sie das. Je schneller, desto besser!«
»Da ist nur eine Sache …« Bernadette leckte sich über die Lippen. »Der Preis für meine Hilfe. Dein Traum. Ich will ihn.«
Diese Forderung erwischte Ella kalt. Sollte sie wirklich
ihren Garten ausgerechnet
derjenigen überlassen, die für das ganze Unglück verantwortlich war? Aber musste die Frage nicht eher lauten, wie weit sie bereit war, für Gabriel zu gehen? Das konnte sie eindeutig leichter beantworten: bis ans bittere Ende. Außerdem glaubte sie an das, wovon sie Gabriel nicht hatte überzeugen können: mit dem Verlust ihres Traums würde sie
zurechtkommen –, damit, ihn zu verlieren, nicht.
»Sie wollen also meinen Traum als Gegenleistung für Ihre Hilfe …«, setzte Ella an, kam dann jedoch nicht weiter, weil ihr jemand ins Wort fiel.
»Dieses habgierige Biest hat schon genug an sich gerissen. Jetzt ist Schluss damit!«
Bernadettes Kinnlade klappte herunter. »Liv, was machst du denn hier?«
»Dir klarmachen, was ich davon halte, wenn man sich in meine Familienangelegenheiten einmischt. Die Wohnungstür stand übrigens offen, und eure Diskussion war bis ins
Treppenhaus zu hören.« Obwohl Ella wusste, dass mit ihrer Schwägerin nicht zu spaßen war, freute sie sich nun zum ersten Mal über Livs granitharte Persönlichkeit. Wie ein Racheengel im göttlichen Auftrag hatte sie sich vor Bernadette aufgebaut. »Ich weiß nicht, was genau hier gespielt wird, aber eins steht vollkommen außer Frage: Du hast mir etwas geraubt, Bernadette. Meine Gefühle, die mich an mein Kind binden. Es ist mir erst jetzt klar geworden. In mir klafft ein Loch.«
»Das ist ja vollkommen verrückt. Jetzt soll ich plötzlich dafür verantwortlich sein, dass deine Muttergefühle unterentwickelt sind? Unsinn.«
»Kein Unsinn«, schnitt Liv ihr das Wort ab. »Ich habe keine Ahnung, wie du es angestellt hast, aber du hast mir etwas genommen, einen Traum, der meine Familie enthielt. Mir fehlt dadurch etwas, darum ist Konstantin für mich zu einem Fremden geworden. Ich habe es
lange Zeit nicht begriffen, weil da nur Leere war, wo eigentlich Vertrautheit und
Zusammengehörigkeit sein sollten.«
»Du meinst, dass du Kimi gegenüber so abweisend bist, liegt daran, dass Bernadette sich deinen Traum von einer Familie unter den Nagel gerissen hat?« Fast hätte Ella sich mit der Hand vor die Stirn geschlagen, als ihr einiges einleuchtete. »Natürlich. Dein Traum war vielleicht nicht stark genug, um ihn dem Inkubus anzubieten, aber immer noch gut genug, um Kapital aus ihm zu schlagen. Tja, Bernadette, ich muss sagen: Das überrascht mich nicht.
Für Sie sind Träume nichts anderes als Freiwild. Aber damit ist jetzt Schluss.«
Bernadette blickte panisch von ihr zu Liv. Einen Moment lang befürchtete Ella, sie könnte die Beherrschung verlieren und fortlaufen, aber dann warf sie ihr rot schimmerndes Haar zurück und sagte: »Bei Liv war nicht viel zu holen. Dieser läppische Traum davon, wie sie mit ihrem Kind an der Hand über eine kitschige Blumenwiese läuft, ist kaum der Rede wert. Ich habe ihn ihr auch nicht geraubt, sondern mich nur ein wenig daran bedient.«
»Ganz egal, was auch immer du getan hast, du wirst es nie wieder tun«, sagte Liv.
»Tatsächlich?« Bernadette lächelte abfällig. »Hörst du etwa auf zu träumen, sodass ich mich nicht mehr bei dir einladen kann?«
Liv winkte ab. Ihre Selbstbeherrschung war verblüffend, wenn man bedachte, dass sie nicht einmal ansatzweise begriff, um was es eigentlich ging. »Wohl kaum. Aber wenn es mir
innerhalb der nächsten Wochen nicht gelingen sollte, mich meinem Kind anzunähern, dann werde ich mir die Zeit nehmen, eine Kampagne der besonderen Art auf die Beine zu stellen.
Ihr Titel wird lauten: Der plötzlicheund extrem zügige Untergang der Sandferner PR-Lady B.
Du arbeitest lang genug mit mir zusammen, um zu wissen, dass meine Kampagnen immer
erfolgreich sind, Bernadette.«
Bernadettes Lächeln wurde breiter, aber der gehetzte Zug um ihre Augen kehrte
angesichts Livs Drohung zurück. »Die Geschichte über geraubte Träume wird dir niemand abnehmen, selbst wenn deine Schwägerin dir mit ihrem Wissen zur Seite steht. Sie werden euch beide für verrückt erklären.«
Demonstrativ langsam verschränkte Liv ihre Arme vor der Brust. »Du beleidigst meine
Professionalität. Natürlich würde ich diesen Hintergrund mit keinem Wort erwähnen, Gott bewahre. Mir schwebt eher eine klassische Rufmordkampagne vor, in der unsere
Werbeagentur nicht nur strikt jeden geschäftlichen Kontakt zu dir abbricht, was sicherlich viele Fragen bei deinen Klienten aufwerfen wird. Sondern wir werden uns auch keine
Gelegenheit entgehen lassen zu erklären, dass du dich unserer Erfahrung nach
ausgesprochen unseriöser Techniken bedienst. Ich kenne dich gut genug, um da aus dem Vollen zu schöpfen: unschöne Abwerbeaktionen, kleine Erpressungen und so weiter und so fort. Und wenn eine PR-Agentin eins zu verlieren hat, dann ist es ihr guter Ruf.«
Bernadettes Lächeln verschwand endgültig. Mehr als ein Nicken brachte sie nicht
zustande.
»Ich deute das als ein Ja.« Liv war ganz die Geschäftsfrau, die soeben eine Verhandlung erfolgreich zu Ende geführt hat. »Nun, dann können wir ja über den Handel sprechen, den du Ella gerade aufzwängen wolltest. Mein Vorschlag: Du tust, was sie von dir verlangt, und bekommst als Gegenleistung rein gar nichts von ihr.«
Bernadette stieß ein heiseres Lachen aus, das völlig freudlos klang. »Was ich mit Ella verhandle, geht dich nichts an.Schließlich hast du oft genug erwähnt, dass die Anwesenheit deiner Schwägerin in Sandfern so überflüssig wie ein Kropf ist.«
Liv ließ die Anspielung an sich abprallen und ging stattdessen zum Angriff über. »Ich habe auf Ellas Gartenfest Harold Boysen kennengelernt. Netter Mann, dem zwar nur ein Käseblatt gehört, der aber trotzdem über ein überraschend gutes Näschen für Geschichten verfügt. Der wäre sicherlich interessiert an einer Story mit dem Titel ›BekanntePR-Dame erschleicht sich Kontakte durch das Vermitteln junger Männer‹. Darin ist alles enthalten, was sich das Herz eines Boulevardjournalisten wünscht, von der geheimnisvollen Strippenzieherin im
Hintergrund bis zum dreckigen Geschäft der Kuppelei. Allerdings kann ich mir kaum
vorstellen, dass du damit in Verbindung gebracht werden möchtest.«
»Nein, das möchte ich ganz bestimmt nicht«, gab Bernadette erschöpft nach.
Obwohl sie gerade eine eiskalte Erpressung ausgesprochen hatte, zuckte Liv nicht einmal mit der Wimper. »Freut mich zu hören. Dann sind wir uns also einig. Gibt es von deiner Seite aus noch etwas zu sagen, Ella? … Nein. Wunderbar, dann können wir jetzt ja aufbrechen.
Bernadette macht den Eindruck, als ob sie dringend ihre Ruhe benötigte. Oder besser noch eine Auszeit, eine möglichst lange.« Entschlossen packte Liv ihre Schwägerin am Oberarm und zog sie mit sich in Richtung Ausgang, ehe sie sich noch einmal unvermittelt umdrehte.
»Ein Tipp noch von Frau zu Frau, Bernadette: Zieh diesen Fetzen aus. Spitze ist doch so von gestern.«
Während sie das Treppenhaus Seite an Seite hinabstiegen, fand Ella ihre Sprache wieder.
»Wie bist du denn auf diese Nummer eben gekommen, gehört das mit zur Grundausbildung bei euch Werbeleuten?«
Im ersten Moment antwortete Liv nicht, aber dann stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Ein Ausdruck, der zwar noch ungeübt aussah, ihr aber ausgesprochen gut stand. »Das habe ich von meinem Sohn gelernt. Mit einer ähnlichen Taktik hat Konstan … hat Kimi mich auf deinem Gartenfest zur Räson gebracht, als er mir mit dem Jugendamt gedroht hat. Er ist wirklich ein cleverer Junge.«
Schwang in dieser Feststellung etwa Mutterstolz mit? Ella konnte es kaum glauben.
Vielleicht mussten manchmal ja schreckliche Dinge passieren, damit am Ende doch noch alles gut wurde.