27

Toppe litt still vor sich hin.

Astrid hatte sich den Montag nachmittag frei genommen und Toppe zu seiner Operation gefahren. Die hatte er, für seine Verhältnisse, außerordentlich tapfer überstanden. Auf der Rückfahrt hatte er sogar Witze gerissen und behauptet, das Ganze sei doch wirklich ein Klacks, und er verstünde gar nicht, wieso manche Männer so ein Theater darum machten.

Aber jetzt, zwei Stunden später, ließ so langsam die Betäubung nach, und es fing an, gemein weh zu tun.

Mit weit gespreizten Beinen saß er in seinem Lieblingssessel. Astrid hatte ihm zwei Eisbeutel gebracht und sich zum Händchenhalten neben ihn gesetzt, aber er hatte behauptet, er wolle ein wenig schlafen. Wenn es ihm schlecht ging, war er schon immer am liebsten allein gewesen. Sie war dann zu Gabi in die Küche gegangen.

Die beiden Frauen tranken Tee und plauderten gemütlich.

»Wann fängst du denn jetzt in Goch an?« fragte Gabi.

»Im Januar, aber eigentlich habe ich das Gefühl, ich arbeite schon da. Die Chefin will, daß ich die ganze Vorbereitung mitgestalte. Wenn wir nicht gerade Eulenspiegel am Hals hätten, wäre ich wahrscheinlich kaum noch im Präsidium. Vor ein paar Tagen kam sie wieder mit einer neuen Idee. Die Frau hat ein Tempo am Leib, da bleibt dir die Luft weg! Sie hat mich gefragt, ob ich, wenn das Dezernat in Goch in Schwung gekommen ist, nicht Lust hätte, Psychologie zu studieren. Bei dem Mangel an Polizeipsychologen würde ich vermutlich sogar das ganze Studium finanziert kriegen, meinte sie.«

»Und was hast du gesagt?«

»Noch nichts, aber reizen tät’s mich schon.«

Gabi verschränkte die Hände im Nacken und lächelte versonnen. »Ich habe im Augenblick ganz andere Sachen im Kopf.« Sie betrachtete bewundernd Astrids Busen. »Ich glaube, ich kaufe mir auch so ein Ding. Henry steht auf so was. Sind die eigentlich teuer?«

Astrid verstand kein Wort. »Ist wer teuer?«

»Na, diese Push-up Bras, diese Wonderdinger.«

»Ich habe keine Ahnung. Ich trage doch so gut wie nie einen BH.«

Gabi guckte ungläubig. »Dann muß deine Bluse eingelaufen sein.«

»Quatsch, die …« Astrid hielt mitten im Satz inne, und sie sahen sich mit großen Augen an.

»Kann es sein, daß du.« Gabi wollte es nicht aussprechen.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Astrid schnell.

»Obwohl, ich habe ziemlich geschlampt mit der Pille in letzter Zeit, und wenn ich’s mir genau überlege …« Sie sprang auf. »Wie spät ist es?«

»Viertel nach sechs.«

»Dann hat unsere Apotheke ja noch auf.«

Sie lief zu Toppe ins Zimmer, besann sich aber. »Du, ich muß noch schnell was besorgen, bevor die Läden zu machen.«

Er sah sie aus waidwunden Augen an. »Ich brauche neue Eisbeutel. Die hier sind schon ganz warm.«

»Ich sage Gabi Bescheid. Bis gleich. Bin in einer Viertelstunde zurück.«

Gabi war beinahe genauso aufgeregt wie Astrid. »Diese neuen Tests sind toll. Als ich meine Schwangerschaften hatte, funktionierten die nur mit Morgenurin, und danach durftest du auch noch stundenlang warten.«

»Welch ein Glück, daß ich vorhin so viel Tee getrunken habe.«

»Ich geh solange raus.«

»Blödsinn! Gib mir mal das Teströhrchen.«

Es dauerte nur wenige Minuten.

Schwanger!

Gabi zog sie in ihre Arme. »Warum weinst du denn?«

»Wenn ich das wüßte«, schniefte Astrid. »Wahrscheinlich habe ich einfach zu viele Gefühle auf einmal, und die streiten sich ganz furchtbar.«

Gabi streichelte sie. »Du hast es dir so lange gewünscht.«

»Ja, schon, aber.« Dann wischte sie sich mit einer trotzigen Geste die Tränen weg, riß ein Stück Klopapier ab und putzte sich die Nase. »Ich gehe jetzt und sag’s ihm.«

»Ja, tu das.« Gabis Lächeln war warm und ein ganz kleines bißchen wehmütig.

Toppe saß immer noch mit geschlossenen Augen unbeweglich im Sessel.

»Helmut?«

Nur zögernd hob er die Lider.

»Ich bin schwanger, Helmut. Wir kriegen ein Kind.«

Seine Schmerzen waren schlagartig verschwunden, aber sprechen konnte er nicht. Auch mit dem Denken haperte es noch ziemlich lange.

Es wurde schon hell, als sie endlich alles zu Ende gedacht, gefühlt und geredet hatten. Sie lagen in Toppes Bett, er unbequem breitbeinig auf dem Rücken, Astrid sehr vorsichtig an ihn gekuschelt.

»Du müßtest jetzt eigentlich deine Hand auf meinen Bauch legen und irgendwas ganz Romantisches sagen.«

»Ich würde meine Hand ganz woanders hinlegen, wenn ich nicht …« Und dann lachte er auf einmal laut: »Völlig absurd! Aber verdammt schön. Am liebsten würde ich das Unternehmen Eulenspiegel abblasen. Stell dir vor, dir passiert was. Stell dir vor, ich verliere meine Arbeit.«

»Ach was«, murmelte Astrid, schon im Halbschlaf. »Nichts wird passieren, alles wird gut gehen.«