14
Der Winter schien endlos, und Catharina vermisste ihre Base sehr. Kurz vor Weihnachten heiratete Lene wie angekündigt ihren Hauptmann in Ensisheim, von ihrer Familie hatten nur Christoph und Marthe den weiten Weg ins Elsass auf sich genommen. Die Reise musste eine einzige Strapaze gewesen sein, mit Wolkenbrüchen und Erdrutschen, aber dafür hatten sie ein prachtvolles Hochzeitsfest und eine strahlende, ausgelassene Lene erlebt. Catharina wünschte ihr von ganzem Herzen, dass sie glücklich werden möge, glücklicher, als sie es mit Michael war.
Ihre Taktik der Annäherung abends im Bett hatte nicht lange Früchte getragen. Schon nach wenigen Wochen erlahmte Michaels Interesse an ihr wieder, und es kam sogar vor, dass er, wenn er spät zu Bett ging, in der ehemaligen Kammer seiner Schwester schlief. Er wolle sie nicht wecken, hatte er ihr beim ersten Mal erklärt.
Eines Abends im Januar hatten sie im Kreise der Gesellen ein kleines Festessen gegeben, da die Männer einen wichtigen Auftrag rechtzeitig zu Ende gebracht und dafür einen unvorhergesehen hohen Erlös erzielt hatten. Der alte Bantzer und Michael waren bester Laune, was sich im Laufe des Abends auf Catharina übertrug. Lustige Schwänke machten die Runde, Neckereien flogen hin und her, bis Catharina feststellte, dass es Benedikt Hofer war, mit dem sie die meiste Zeit scherzte. Benedikt erinnerte sie immer häufiger an Christoph, auch in seiner Art von Humor. Als sie zu Bett gingen, bekam Catharina große Lust, mit Michael zu schlafen, doch er reagierte nicht auf ihre Umarmung. Plötzlich schob er ihre tastende Hand fast gewaltsam zur Seite und herrschte sie an, sie solle ihn gefälligst schlafen lassen. Catharina war entsetzt. Obwohl er sich am nächsten Morgen entschuldigte – «Tut mir Leid, ich war wohl ein wenig betrunken» –, hatte sein Verhalten ihrer Seele einen Riss versetzt. Sie kam sich vor wie eine zurückgewiesene Dirne und war froh, als er die nächsten Tage in der Nachbarkammer schlief.
Trotz der Wärme, die die Kamine und der Kachelofen verbreiteten, erschien Catharina das Haus kalt und freudlos. Sie langweilte sich mehr denn je und dachte mit Wehmut an die Wintertage in Lehen zurück, an denen die Bäume ihre kahlen Arme in den blauen Himmel gereckt hatten und die Sonne die verschneiten Flächen wie Kristall glitzern ließ. Hier in der Stadt verwandelte sich der Schnee binnen kürzester Zeit in schmutzigen Matsch, der ihr jeden Gang durch die Gassen verleidete.
Die langen Abende verbrachte sie jetzt oft im Bücherkabinett. Der Alte hatte ihr anstandslos einen Schlüssel machen lassen mit der Bitte, den Raum immer abzuschließen und die Bücher wieder an ihren Standort zurückzustellen. Mit einer Öllampe neben sich machte sie es sich in dem schweren Lehnstuhl bequem und blätterte in den Büchern.
Gleich in Augenhöhe standen ein paar lateinische Schriften, und sie fragte sich, wer in dieser Familie so gut Latein konnte. Sie selbst verstand davon kein Wort, und auch die Namen der Schreiber sagten ihr nichts, bis auf Erasmus von Rotterdam, von dem sie wusste, dass er ein berühmter Gelehrter war und einige Jahre in Freiburg gewohnt hatte. Abgesehen von Meisterliedern der Singschulen in Mainz und Nürnberg, einer ziemlich neuen Fassung von Reineke Fuchs sowie zwei Bänden mit Fastnachtsspielen von Hans Sachs waren die übrigen Regale in der Hauptsache mit Ratgebern für Haus, Familie und Gesundheit besetzt.
Die Fastnachtsspiele las sie als Erstes, besser gesagt: verschlang sie, und sie musste sich dazu zwingen, nicht schon vormittags das Bücherkabinett aufzuschließen. Anschließend durchstöberte sie die braven Ratgeber für Hausväter. Neben ihrer Meinung nach ziemlich dummen Sprüchen wie «Weiberregiment nimmt kein gutes End» und ärgerlichen Charakterisierungen des weiblichen Wesens fand sie auch bemerkenswerte Ausführungen zur Aufgabenverteilung im Haushalt und zu Liebe und Partnerschaft. Natürlich waren alle diese Schriften von Männern verfasst, die allein das Recht für sich in Anspruch nahmen, die Aufgaben der einzelnen Familienmitglieder und des Gesindes festzulegen, und umso mehr wunderte sie sich, dass der Frau hin und wieder Eigenständigkeit und Verstand zugebilligt wurden.
Wie gern hätte sie sich mit jemandem über das Gelesene unterhalten, aber Lene war weit weg, Michael konnte nicht verstehen, dass eine Frau sich stundenlang mit Büchern beschäftigte, und dem alten Bantzer ging sie, soweit es möglich war, aus dem Weg. Und Christoph? Sie redete sich ein, dass er keine Bedeutung mehr für sie besaß.
An Ostern kam es zum endgültigen Bruch mit dem Hausmädchen, und damit sollte sich für Catharina einiges verändern. Für Sonntag waren wichtige Gäste aus der Zunft und dem Magistrat zum Essen geladen, und Catharina stand in der Küche, um mit der Köchin Barbara die Speisenfolge zu besprechen. Da fiel ihr Blick auf das aufgeschlagene Haushaltsbuch, in dem Gertrud die täglichen Ausgaben festhielt. Das Hausmädchen erhielt von Michael wöchentlich eine feste Summe für ihre und Barbaras Einkäufe und rechnete am Ende der Woche mit ihm ab. Catharina führte ihrerseits ein eigenes Ausgabenbuch, was sie unsinnig fand, da am Monatsende beide Bücher zusammen geführt werden mussten.
«Wo gibt’s denn so was, dass ein Dienstmädchen selbst Buch darüber führt, was sie ausgibt?», schimpfte sie irgendwann. Achselzuckend hatte Michael ihr daraufhin erklärt, dass das früher Aufgabe seiner Mutter gewesen war, die aber dazu, nachdem sie krank wurde, nicht mehr in der Lage war. Weder er noch sein Vater hätten Zeit für solche Dinge, und so schien ihnen Gertrud am geeignetsten. «Sie ist schließlich keine gemeine Magd, sondern hat ein bisschen lesen und schreiben gelernt und steht schon ihr Leben lang in unseren Diensten.»
Neugierig schaute sie sich jetzt Gertruds letzte Eintragungen an und sah sofort, dass der letzte Posten nicht stimmen konnte. Unter dem gestrigen Tag stand mit ungelenken Buchstaben: «Fisch, 15 PF». Zufällig war Catharina aber an diesem Morgen beim Fischhändler vorbeigekommen und hatte einen begehrlichen Blick auf die riesigen Forellen geworfen. Der Händler hatte gelacht: «Da habt Ihr wohl dieselbe Idee wie Eure Köchin. Vor gerade einer Stunde habe ich ihr ein Prachtexemplar für nur zehn Pfennige verkauft.»
Catharina schaute der Köchin fest ins Gesicht und fragte: «Wie viel hast du heute Morgen für die Forelle bezahlt?»
«Na, zehn Pfennige, ein sehr günstiges Angebot.»
«Hast du sonst noch etwas beim Fischhändler gekauft?»
«Nein, das war alles.»
«Und warum hat Gertrud dann fünfzehn Pfennige eingetragen?»
Catharina glaubte nicht, dass die Köchin in die eigene Tasche wirtschaftete, obwohl Barbara jetzt rot anlief, denn sie begann zu ahnen, worum es ging. Gertrud wurde hereingerufen, und Catharina zeigte auf die Eintragung.
«Wieso stehen hier fünfzehn Pfennige, wenn die Forelle nur zehn gekostet hat?»
«Wenn Barbara Einkäufe macht, schreibe ich genau den Betrag auf, den sie mir nennt», erwiderte Gertrud patzig. Und nach einer kurzen Pause: «Ich will ihr ja nichts unterstellen – vielleicht hat sie sich versprochen.»
Die Köchin ballte die Fäuste vor Wut, versuchte aber, sich zu beherrschen.
«Ich weiß, dass mein Wort weniger gilt als deins, aber ich schwöre bei Gott, unserem Herrn, dass ich dir noch nie einen falschen Betrag genannt habe.»
«Ach», Gertrud lachte höhnisch auf und tippte der Köchin mit ihrem Zeigefinger auf die Brust. Ihre Hand war behaart wie die eines Mannes. «Wieso kannst du dir dann dieses vornehme rote Seidentuch leisten, mit dem du neuerdings ausgehst?»
Bevor Barbara etwas erwidern konnte, stellte sich Catharina dicht vor dem Hausmädchen auf. Sie hatte jetzt endgültig die Nase voll von Gertruds hochnäsigem und herrschsüchtigem Wesen.
«Es steht Aussage gegen Aussage, keinem von euch beiden ist etwas zu beweisen. Mag sein, dass es sich tatsächlich nur um einen Irrtum handelt, aber dass du Barbara beschuldigst – und du weißt genau, wie hart Betrug bestraft wird –, ist eine Unverschämtheit. Das Seidentuch hat sie im Übrigen von mir geschenkt bekommen.»
Das stimmte nicht, aber Catharina war sich sicher, dass die Köchin es von einem Verehrer geschenkt bekommen hatte. Gertrud war bei ihren Worten kreidebleich geworden.
«Ich lasse mich von Euch nicht beleidigen, von einer – einer ehemaligen Schankfrau!»
«Jetzt reicht’s. Du bist entlassen.»
«Ich wollte sowieso gehen.» Sie band ihre Schürze ab und warf sie wütend auf den Boden.
Beim Mittagsessen tadelte der alte Bantzer Catharina.
«Kind, was hast du da angerichtet? Getrud war immer eine zuverlässige Kraft. Du hättest es nicht zu einem Streit kommen lassen dürfen, das ist unter der Würde einer Hausherrin, wenn du verstehst, was ich meine.» Er hatte Gertrud mit viel Mühe und einer großzügigen Abfindung überreden können, wegen des bevorstehenden Festessens erst nach Ostern zu gehen.
Zum ersten Mal erlebte Catharina, dass Michael Stellung gegen seinen Vater bezog.
«Ich glaube, dass Catharina recht gehandelt hat. Es geht nicht, dass ein Dienstmädchen seinen Herrschaften auf der Nase herumtanzt. Und das tut Gertrud seit geraumer Zeit. Wir werden uns eben nach einem neuen Mädchen umsehen.»
Gleich am Morgen nach Ostern verschwand Gertrud, ohne sich zu verabschieden. Catharina hatte nun alle Hände voll zu tun, mit Hilfe der Köchin das große Haus in Schuss zu halten. Dabei blühte sie regelrecht auf und fand zu ihrer alten Tatkraft zurück. Auch Barbara arbeitete ohne Murren von frühmorgens bis spät in die Nacht.
Zwei Wochen nach Gertruds Kündigung – Michael war zu einer längeren Unterredung in der Ratskanzlei – ließ die Köchin Catharina ausrichten, der alte Herr erwarte sie zu einem Gespräch im Bücherkabinett. Catharina runzelte die Stirn. Was hatte das zu bedeuten?
Bantzer stand am Lehnstuhl, auf dem Tischchen neben sich eine offene Flasche Portwein mit zwei Gläsern.
«Liebe Catharina, setz dich doch und trink einen Schluck mit mir. Ich habe etwas mit dir zu besprechen.»
Dankend winkte Catharina ab, als er ihr ein gefülltes Glas reichte. Daraufhin leerte er es selbst in einem Zug.
«Wir sollten jetzt endlich ein Mädchen einstellen, spätestens diese Woche. Es geht nicht, dass du dich den ganzen Tag so abrackerst. Ich weiß zwar deinen Einsatz zu schätzen, aber auf dich warten andere Aufgaben.»
Catharina wurde misstrauisch. Der Alte wollte doch sicherlich nicht über Dienstmädchen mit ihr reden, das waren Dinge, die sie offen bei Tisch besprachen. Er füllte sich Wein nach.
«Wie lange seid ihr nun schon verheiratet?»
Catharina musste nachrechnen, denn es kam ihr unendlich lange vor.
«Sieben Monate sind es.»
«Sieben Monate, so, so.» Er nahm einen tiefen Schluck. «Ich will ja nicht wissen, wie euer Eheleben nachts verläuft, das geht mich nichts an, aber es wundert mich doch, dass du noch nicht guter Hoffnung bist. Oder bist du es gar?»
Jetzt war die Katze aus dem Sack.
«Nein, bin ich nicht. Hat sich Michael etwa bei Euch beschwert?»
«Natürlich nicht, meine Liebe.» Dann dozierte er in aller Ausführlichkeit über die Rolle einer Ehefrau im Allgemeinen und insbesondere in einer Familie wie der seinen. Catharina sah gelangweilt aus dem Fenster. Unten lief Benedikt über den Hof. Als er sie am Fenster stehen sah, winkte er ihr fröhlich zu. Da erstarrte sie. Der Alte stand dicht hinter ihr und drückte ihr einen Kuss auf den Nacken. Sie fuhr herum.
«Er vernachlässigt dich, nicht wahr? Dabei bist du so eine schöne Frau. Diese Brüste –»
Mit bebenden Händen strich er über ihre Brüste. Auf seiner hängenden Unterlippe sammelte sich Speichel.
O Gott, was sollte sie bloß tun? Ihr Verstand sagte ihr, dass dieser tattrige alte Mann ihr nichts anhaben konnte, aber die alte Angst stieg in ihr hoch und lähmte sie. Er drückte sie an sich. Entsetzt beobachtete sie, wie er mit einer Hand seine Hose öffnete. Angeekelt schloss sie die Augen. Ihr schwindelte. Sie sah die Bretterwände der alten Hütte in der Lehmgrube vor sich, draußen bellte wütend Moses. Jemand hämmerte gegen die Hütte – Lene! Lene, bitte hilf mir! Es klopfte wieder, und sie kam erst wieder zu sich, als Bantzer «Einen Moment» rief und hastig seine Hose zunestelte. Dann öffnete er die Tür. Benedikt stand draußen. Sie ließ sich in den Lehnstuhl sinken.
«Ihr Sohn bittet Sie, in die Ratskanzlei zu kommen, es gibt Unstimmigkeiten bei den Verhandlungen über den neuen Auftrag.»
«Danke, Benedikt. Kümmere dich bitte um Catharina, es geht ihr nicht gut.» Dann tätschelte er ihre Wange. «Du solltest nicht so viel arbeiten, mein Kind.»
Mit festen Schritten ging er hinaus.
«Soll ich Euch einen Becher Wasser holen?», fragte der Geselle.
Catharina nickte, und als Benedikt zurückkam, hatte sie sich wieder gefasst.
«Ist alles in Ordnung?», fragte er besorgt, mit einem Blick auf die halb volle Weinflasche.
«Ja, Benedikt, vielen Dank. Ihr könnt jetzt gehen.»
In der Tür drehte er sich noch einmal um.
«Wenn ich Euch irgendwie helfen kann – ich habe den Eindruck, dass ich gerade rechtzeitig gekommen bin.»
Dann ging er hinaus. Catharina starrte auf das Bücherregal. Eine Mischung aus Hass und Scham überflutete sie, und sie fragte sich, ob es nicht das Beste sei, ihre Sachen zu packen und dieses Haus zu verlassen. Was hatte Benedikt mitbekommen? Wie lange hatte er schon vor der Tür gestanden?
Sie machte sich in ihrem Zimmer ein wenig frisch und ging hinunter in die Werkstatt. Benedikt war allein im Lager, er schien sie erwartet zu haben. Mit seinen verschiedenfarbenen Augen sah er sie ernst an.
«Er hat sich Euch genähert, nicht wahr?»
Sie nickte: «Ich weiß nicht, was ich machen soll.»
«Es ist nicht das erste Mal, dass der Alte sich nicht beherrschen konnte. Barbaras Vorgängerin ist gegangen, weil er sie sich wieder und wieder gepackt hat – diesen geilen Bock sollte man an den Eiern aufhängen», fluchte er so leise, dass es Catharina eben noch verstehen konnte. Dann sah er sie fast flehentlich an: «Ihr müsst ihm klar machen, dass er nie wieder in Eure Nähe kommen darf, sonst …»
«Was sonst? Ich kann doch meinem Mann nicht davon erzählen. Sein eigener Vater!»
Benedikt überlegte.
«Wenn er Euch noch einmal anfassen will, sagt ihm, dass ich an der Tür gelauscht habe. Ich würde das auch vor Gericht bezeugen.»
«Dann verliert Ihr Eure Stellung.»
Er lächelte. «Wahrscheinlich. Aber das würde ich auf mich nehmen.»
Sie sah ihn forschend an. «Warum? Warum würdet Ihr das tun?»
«Um der Wahrheit willen. Und nicht nur deshalb.» Er zögerte. «Ich bin ein lediger Mann, ohne Familie. Ich kann jederzeit eine neue Stellung finden, wenn es sein muss, in einer anderen Stadt. Ihr aber seid fest eingebunden in dieses Haus, Ihr könnt nicht einfach davonlaufen. Der Alte muss wissen, dass er zu weit gegangen ist, und er soll Euch gefälligst in Ruhe lassen. Dafür würde ich meinen Kopf hinhalten, das verspreche ich Euch.»
Als sie den Lagerraum verließ, stieß sie beinahe mit Siferlin zusammen. Ärgerlich schob sie ihn zur Seite. Schnüffelte er etwa hinter ihr her?
Rechtzeitig zum Abendessen kamen die beiden Männer zurück. Michaels Vater tat, als sei nichts geschehen. Geiler, alter Bock, dachte Catharina mit Benedikts Worten. Als Michael kurz in der Küche verschwand, starrte sie den alten Bantzer verächtlich an, bis seine wässrigen Augen ihrem Blick auswichen und seine Hände zu zittern begannen. Da nahm sie sein Weinglas und schmetterte es zu Boden. Wie Blut breitete sich der Rotwein zwischen den Scherben aus.
«Nie wieder», zischte sie. «Habt Ihr verstanden?» Und als Michael eintrat: «Ich glaube, deinem Vater geht es nicht gut. Er sollte nicht so viel arbeiten.»
Dann erklärte sie den beiden Männern, dass sie selbst das künftige Hausmädchen aussuchen werde, da sie, Catharina, schließlich am meisten mit ihr zu tun haben werde. Zu ihrer Überraschung hatten weder Vater noch Sohn Einwände gegen diese Entscheidung, und was den Alten betraf, war sie sich jetzt sicher, dass sie Benedikts Hilfe nicht würde in Anspruch nehmen müssen. Sie hatte gewonnen.
Catharina stellte ein Mädchen namens Elsbeth ein. Sie war schon etwas älter, aber Catharina hatte ein sehr gutes Gefühl mit dieser Frau.
Barbara nahm Elsbeth in ihrer mütterlichen Art gleich unter die Fittiche, und die beiden verstanden sich auf Anhieb gut. Sie hatten dieselbe gutmütige Art, wenn auch Barbara um einiges temperamentvoller war. Michael und sein Vater schienen nicht so begeistert von Catharinas Wahl, aber der Alte wagte nichts mehr gegen Catharina zu sagen, und Michael wusste inzwischen, dass gegen manche Entscheidungen seiner Frau nur schwer anzugehen war.
Jetzt erst begann Catharina, sich zu Hause zu fühlen. In Absprache mit den Hausmägden übernahm sie bestimmte Bereiche wie Einkaufen, Erstellen des wöchentlichen Speiseplans oder die Führung des Haushaltsbuches und füllte damit ihre Tage aus. Sie kaufte einen Hahn und zehn Legehennen und errichtete ein Gehege in der Hofecke beim Waschhaus. Dabei entdeckte sie an der Rückfront des Waschhauses einen kleinen, halb verfallenen Lehmofen, den sie mit Hilfe von Benedikt und ein paar Arbeitern wieder instand setzte.
«Demnächst wirst du uns noch ein paar Kühe in die Werkstatt stellen, so wie du hier herumwirbelst», zog Michael sie auf. Er war froh, dass der Hausfrieden wieder hergestellt war und Catharina zu ihrer guten Laune zurückgefunden hatte. Ab und an kam er sogar abends in ihr Bett.
Nachdem der alte Ofen wieder funktionierte, backte sie zweimal die Woche Brot, Kuchen und Gebäck, wobei sie immer neue Rezepte ausprobierte. Manchmal brachte sie einen Teil des frischen, duftenden Backwerks in die Werkstatt hinunter, plauderte mit den Männern und lernte auf diese Weise nach und nach die Angestellten ihres Mannes kennen. Am liebsten unterhielt sie sich mit Benedikt. Sie erfuhr, dass er aus einer alten Schlosserfamilie stammte, aber schon mit sieben Jahren Vollwaise geworden und bei einem Zunftbruder seines Vaters aufgewachsen war. Er träumte von einer großen Familie mit vielen Kindern, konnte aber, wie es für Gesellen üblich war, erst heiraten, wenn er eine Meisterstelle hatte.
«Habt Ihr denn schon eine Frau im Auge?», fragte Catharina ihn neugierig.
«Ich wüsste schon eine, sie ist die wunderbarste Frau Freiburgs, aber leider vergeben. Außerdem schaut sie mehr nach ihren Hühnern als nach den Männern.»
Was für ein bezauberndes Lächeln er hat, dachte sie und spürte, wie sie verlegen wurde.
Mit Lesen verbrachte sie nur noch wenig Zeit. Zum einen saß meist der alte Bantzer in der Bibliothek, und sie vermied nach wie vor, ihm allein zu begegnen, zum anderen liebte sie es, mit Barbara und Elsbeth in der Küche zu sitzen und zu tratschen. Zum ersten Mal seit langem verspürte sie Zufriedenheit.