HISTORISCHER HINTERGRUND

Die Beginen

Die Beginen waren Frauen, die in klosterähnlichen Gemeinschaften, aber weltoffen zusammenlebten. Die Frauenbewegung hat sie als frühes Emanzipationsmodell deuten wollen. Das ist insofern möglich, als sich den Frauen in diesen Gemeinschaften eine Alternative zum untergeordneten Leben als Tochter oder Ehefrau bot. Vermutlich war jedoch die religiöse Komponente weitaus wichtiger als ein – eher neuzeitlicher – Emanzipationsgedanke, denn Klöster standen lange Zeit nur adligen und reichen Frauen offen. In Beginengemeinschaften dagegen fanden sich Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zusammen – sie strebten ein Leben in Armut und in der unverfälschten Nachfolge Jesu Christi an. Gleichzeitig folgten sie aber dem «Marthaprinzip», das heißt, sie kehrten sich nicht von der Welt ab, sondern versuchten sich nützlich zu machen.

Sie betrieben teils sehr erfolgreiche handwerkliche Zentren, webten, stickten, malten und kopierten Bücher. Damit machten sie oft den Zünften Konkurrenz, zumal sie wegen ihrer Wohltätigkeit meist von Steuern befreit waren. Ihr geschäftliches Engagement konnte so weit gehen, dass sie Geld verliehen oder die Bücher für Klöster führten. Daneben übernahmen sie in den Städten unentgeltlich Krankenpflege, Armenhilfe sowie Totendienste. Letzteres brachte sie häufig in Konflikt mit dem Pfarrklerus, dem dadurch Einnahmen entgingen.

Es gab aber auch Beginen, die wie die Angehörigen gewisser Mönchsorden bettelnd durchs Land zogen. Diese, als für Frauen unanständig empfundene Lebensweise zog die besondere Kritik des Klerus auf sich. Ebenso irritierte es die Autoritäten, dass hier Frauen selbstbestimmt lebten.

Das Beginentum entstand im Mittelalter im Rahmen der religiösen Aufbruchsstimmung des 13. Jahrhunderts, die sich gegen die Verweltlichung und den Reichtum des Klerus richtete. Einige Höfe brachten Mystikerinnen und Autorinnen geistiger Schriften hervor, wie die Begine Hadewijch aus Brabant und Marguerite Porete aus dem Hennegau. Marguerite Porete schrieb zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Lehrbuch in Französisch, den «Miroir des simples âmes», den «Spiegel der einfachen Seelen». Dort zeigte sie in sieben Stufen einen Weg, durch Disziplin und völlige Selbstaufgabe zu einer Einheit mit Gott zu gelangen. Einige angesehene Theologen der Zeit sprachen ihre Anerkennung über das Werk aus. Dennoch wurde Marguerite Porete von der Inquisition verfolgt, ihr Werk für häretisch befunden und die Autorin am 1. Juni 1310 auf der Place de Grêve in Paris verbrannt,

Marguerite Porete war eine Gelehrte. Ihr Werk dürfte nur wenigen gebildeten Frauen verständlich gewesen sein. Dagegen gab es in der Provence eine Mystikerin ohne große theoretische Bildung, die aber einen großen Einfluss auf die Beginen des Südens hatte. Sie vertrat auf der Basis der Ideen von Petrus Olivi und Joachim von Fiore eine Lehre vom Dritten Zeitalter, einem Zeitalter des Heiligen Geistes. Ihre Originalität bestand darin, dass sie Frauen als Ankerpunkte der Geschichte sah: Demnach stand Eva für Gottvater, Maria für Jesus; sie selbst, so sei ihr offenbart worden, würde den Heiligen Geist gebären. Den Papst lehnte sie als Vertreter einer unheiligen Fleischeskirche und des Antichristen ab. Es wird niemanden wundern, dass auch sie auf dem Scheiterhaufen endete, vermutlich 1325 im Alter von 30 Jahren. Durchaus nicht alle, wahrscheinlich die wenigsten Beginen folgten solchen Lehren. Die meisten bemühten sich lediglich um ein frommes, nützliches und selbstbestimmtes Leben.

Auf dem Konzil von Vienne 1311 und 1312 unter Papst Clemens V. (Bertrand de Got) erreichte die Verfolgung von Beginen einen vorläufigen Höhepunkt. Sie wurden in einem ziemlich konfusen Dokument (»Cum de quibusdam») mit anderen häretischen Sekten in einen Topf geworfen und als grundsätzlich verdächtig bezeichnet, denn sie schwören «niemandem Gehorsam, noch folgen sie anerkannten Regeln, obwohl sie besondere Kleidung tragen». Und: «Diese Beginen verführen viele einfache Leute und führen sie in verschiedenste Irrtümer. Sie schaffen zahlreiche … Gefahren für die Seelen unter dem Mantel der Frömmigkeit.» In der Folge wurden viele Beginenhöfe aufgelöst oder zwangsweise kirchlich anerkannten Orden unterstellt. Zahlreiche Frauen wurden verbrannt oder lebendig eingemauert. 1319 erließ Papst Johannes XXII. eine Bulle, die Beginen und Begarden (männliche Beginen), die sich dem Franziskanerorden anschlossen und der Regel unterwarfen, Gnade zusicherte. Dennoch hielten sich einzelne Gemeinschaften bis ins 16. Jahrhundert. Die letzten Beginenhöfe in Frankreich wurden während der Französischen Revolution aufgelöst.