Gally stand da, mit irrem Blick und zerfetzten, dreckigen Klamotten. Dann fiel er auf die Knie und atmete tief und gierig ein und aus. Sein Blick jagte im Zimmer umher wie der eines tollwütigen Hundes auf der Suche nach einem Opfer. Keiner sagte ein Wort. Wie Thomas schienen alle zu denken, dass Gally nur eine Wahnvorstellung war.

»Sie werden euch töten!«, schrie Gally, überallhin Spucke versprühend. »Die Griewer werden euch töten – jede Nacht einen, bis es vorbei ist!«

Thomas sah sprachlos zu, wie Gally sich wankend aufrichtete und auf dem rechten Bein stark humpelnd auf sie zukam. Alle im Zimmer starrten ihn an, offensichtlich zu verblüfft, um sich zu rühren. Sogar Newt stand mit offenem Mund da. Thomas hatte fast mehr Angst vor ihrem Überraschungsgast als vor den Griewern am Fenster.

Gally blieb ungefähr einen Meter vor Thomas und Newt stehen. Mit einem blutigen Finger zeigte er auf Thomas. »Du«, sagte er so höhnisch, dass es nicht mehr komisch klang, sondern verstörend. »Das ist alles deine Schuld!« Ohne Vorwarnung holte er mit der linken Hand aus und schlug Thomas mit der Faust aufs Ohr. Thomas schrie auf und krümmte sich zusammen, mehr aus Überraschung als aus Schmerz. Er rappelte sich wieder auf, kaum dass er zu Boden gegangen war.

Newt erwachte endlich aus seiner Starre und stieß Gally weg, der rückwärts gegen den Tisch am Fenster krachte. Die Lampe rutschte herunter und zerbrach. Thomas rechnete mit einem Gegenangriff, aber stattdessen richtete Gally sich auf und schaute alle mit seinem irren Blick an.

»Es kann nicht gelöst werden«, sagte er mit fast gespenstischer, wie tot klingender Stimme. »Das verdammte Labyrinth wird euch alle umbringen … Die Griewer werden euch töten … jede Nacht einen, bis es vorbei ist … Ich … es ist besser so …« Er senkte den Blick. »Sie töten nur einen jede Nacht … Ihre bekloppten Variablen …«

Thomas hörte gebannt zu. Er versuchte seine Angst zu unterdrücken, damit ihm nichts von dem entging, was der durchgedrehte Junge sagte.

Newt trat einen Schritt vor. »Gally, halt die Klappe – da ist ein Griewer vor dem Fenster. Setz dich schön hin und sei still. Vielleicht geht er weg.«

Gally schaute hoch und runzelte die Stirn. »Du kapierst es nicht, Newt. Du bist zu blöd – du warst schon immer zu blöd. Es gibt keinen Ausweg. Wir können nicht gewinnen! Sie bringen euch um, euch alle – einen nach dem anderen

Das letzte Wort brüllte er, stürmte zum Fenster und zerrte wie ein wild gewordenes Tier im Käfig an den Brettern. Ehe Thomas oder sonst jemand reagieren konnte, hatte er schon eins abgerissen. Er warf es auf den Boden.

»Nein!«, rief Newt und rannte auf ihn zu. Thomas stürmte hinterher, um zu helfen. Er konnte nicht fassen, was sich da abspielte.

Als Newt ihn erreichte, riss Gally gerade das zweite Brett ab. Er schwang es mit beiden Händen nach hinten und traf Newt am Kopf. Der landete ausgestreckt auf dem Bett, Blut rann aus einer Platzwunde auf die Bettdecke. Thomas blieb vor Gally stehen und machte sich auf eine Prügelei gefasst.

Er schrie: »Gally, was machst du da?«

Der Junge spuckte auf den Boden und hechelte wie ein atemloser Hund. »Halt die Fresse, Thomas. Sei bloß still! Ich weiß, wer du bist. Aber das interessiert mich nicht mehr. Ich kann jetzt bloß noch das Richtige tun.«

Thomas blieb wie angewurzelt stehen. Was Gally gesagt hatte, warf ihn komplett aus der Bahn. Er sah ihm dabei zu, wie er das letzte Brett abriss. Kaum hatte er die Latte fallen gelassen, explodierte die Fensterscheibe nach innen wie ein Schwarm gläserner Wespen. Thomas hielt sich die Hand schützend vors Gesicht und warf sich nach hinten, wobei er sich mit den Füßen, so stark er konnte, abstieß. Er krachte gegen das Bett, kam wieder zu sich und schaute in die Richtung, aus der er das Ende der Welt erwartete.

Der pulsierende, wulstige Körper eines Griewers hatte sich zur Hälfte durch das kaputte Fenster gewunden. Die Zangen an den Metallarmen schnappten in alle Richtungen. Thomas war so entsetzt, dass er kaum mitbekam, wie sich alle anderen in den Flur flüchteten – alle außer Newt, der bewusstlos auf dem Bett lag.

Wie erstarrt beobachtete Thomas einen der langen Griewerarme, der sich dem leblosen Körper näherte. Das genügte, um ihn aus seiner Angststarre zu reißen. Er stand auf und suchte auf dem Boden nach einer Waffe. Er sah nur Messer – die würden ihm jetzt nicht viel helfen. Panik überkam ihn.

Gally begann wieder zu reden. Der Griewer zog seinen Arm zurück, als würde er ihn zum Beobachten und Zuhören brauchen. Doch sein Körper versuchte weiter sich durchs Fenster zu quetschen.

»Keiner hat das je verstanden!«, brüllte der Junge über die entsetzlichen Geräusche des Schleimmonsters hinweg, das sich immer tiefer in das Haus hineinfraß und die Wände in Stücke riss. »Keiner hat verstanden, was bei der Verwandlung mit mir passiert ist! Geh nicht zurück in die wirkliche Welt, Thomas! Du willst dich … nicht … erinnern

Gally sah Thomas lange an, dem die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand. Dann drehte er sich um und machte einen Satz mitten hinein in den sich windenden Körper des Griewers. Thomas schrie auf, als das Monster mit seinen Klauen nach Gallys Armen und Beinen griff und ihm keinerlei Chance zur Flucht oder Rettung ließ. Der Körper des Jungen sank in das schleimige Fleisch des Ungeheuers und erzeugte dabei ein widerwärtig schmatzendes Geräusch. Dann zog sich der Griewer mit überraschender Schnelligkeit aus dem zertrümmerten Fensterrahmen zurück und kroch an der Hauswand nach unten.

Thomas stürmte zu dem riesigen, schartigen Loch und sah gerade noch, wie der Griewer unten landete und über den Hof rutschte. Gallys Körper tauchte in regelmäßigen Abständen an dem vorwärtsrollenden Ungetüm auf und verschwand wieder. Die Lampen des Monsters leuchteten hell und tauchten die Steine am offenen Westtor in ein schauriges, gelbes Licht, bevor der Griewer in den Tiefen des Labyrinths verschwand. Sekunden später folgten ihm einige andere Monster mit lautem Sirren und Rasseln, als wollten sie ihren Sieg feiern.

Thomas war so übel, dass er sich fast übergeben hätte. Er ging vom Fenster weg, doch da draußen war etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte. Er lehnte sich schnell hinaus, um besser sehen zu können. Eine einsame Gestalt rannte über den Hof zu dem Tor, durch das Gally gerade verschleppt worden war.

Trotz des schwachen Lichts wusste Thomas sofort, wer es war. Er rief ihm zu, er solle stehen bleiben – aber es war zu spät.

Minho verschwand mit Höchstgeschwindigkeit im Labyrinth.