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»Ich habe es geschafft«, erklärte sie und holte tief Luft. Sie wiederholte ihre Worte, als könne sie es selbst nicht glauben, als müsse sie sich noch davon überzeugen, dass es wahr war. »Ich habe es tatsächlich geschafft.«
»Hast du«, stimmte Bruni zu und versuchte, der Freundin über den Arm zu streichen. »Au.« Sofort zog sie ihre Hand wieder zurück. »Die Nadeln pieksen aber ziemlich!«
»Du solltest dich besser nicht bewegen«, erwiderte Ulrike und blickte stoisch an die Decke.
Sie und Bruni lagen nebeneinander auf zwei Liegen, und jede von ihnen hatte mindestens zwölf Akupunkturnadeln im Körper stecken, verteilt auf Hände, Arme, Brust, Kopf, Rücken, Beine und Füße. Bruni hatte in der Praxis angerufen, die sich in Köln in der Trierer Straße nahe dem Barbarossaplatz befand, da Mei Ling schon jahrelang zu dieser Ärztin ging und regelrecht von ihr schwärmte. Sie war eine Deutsche, die nicht nur in chinesischer Medizin, schwerpunktmäßig Kräutermedizin und Akupunktur versiert war, sondern auch über eine westliche, schulmedizinische Ausbildung verfügte. Eine gute Kombination, wie Bruni fand, und so hatte sie sich kurzerhand einen Termin geben lassen, weil ihre Hitzewallungen zunehmend lästig wurden und Silberkerze allein keine Abhilfe schaffte. Sie hatte davon gelesen, dass sich Wechseljahresbeschwerden mit Akupunktur und chinesischen Kräutern gut behandeln ließen, und Zhang Liu, die das alles seit Jahrzehnten bereits hinter sich hatte, hatte sie darin bestärkt. Nach Auffassung der chinesischen Medizin schwinden unsere vitalen Körperflüssigkeiten, wenn wir älter werden, was zu einem Überschuss von Yang, gleichzusetzen mit Vitalenergie und Hitze, führt. Bruni hatte nicht nur für sich, sondern auch gleich für Ulrike einen Termin vereinbart, denn sie hatte sie davon überzeugen können, ihren Ängsten nicht nur im Rahmen einer Psychotherapie zu Leibe zu rücken. Chinesische Medizin war für vieles gut, und da Bruni auch jeder Hormonersatztherapie gegenüber skeptisch eingestellt war, hoffte sie, dass Ulrike sich dank diverser Kräuter und Nadeln demnächst vielleicht sogar von den Gestagenen verabschieden würde, die sie gegen erste Wechseljahresbeschwerden schluckte. Sie nahm sich vor, Bea beim nächsten Mal auch mit hierher zu nehmen.
Im Hintergrund dudelte leise Panflötenmusik, die ungeheuer entspannend wirkte, und Ulrike fühlte, wie sie von Minute zu Minute schläfriger wurde. »Danke, dass du mich begleitet hast«, sagte sie. »Mir wären bestimmt all die Fragen nicht eingefallen, wenn ich allein zu dem Anwalt gegangen wäre.«
»Vier Augen sehen mehr als zwei, und zwei Hirne denken besser als eines«, erwiderte Bruni sanft. Unter der Wolldecke war es wohlig warm, aber inzwischen achtete sie darauf, stillzuliegen.
»Die wichtigste Information war, dass ich ein Anrecht auf die Hälfte unseres Vermögens habe«, gähnte Ulrike und fügte hinzu: »Ich hatte schon befürchtet, dass ich mittellos werden könnte.«
»Nicht in diesem Land, und eine Gütertrennung habt ihr ja nicht vereinbart. Weißt du überhaupt, von wie viel Geld du redest?«
»Nein, ich muss das mit Claus klären, selbst habe ich nicht den Überblick.«
»Dachte ich mir schon«, seufzte Bruni und fragte nach: »Traust du ihm?« Eine unbedachte Bewegung führte dazu, dass ihr wieder ein »Au!« herausrutschte.
Ulrike schwieg einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Ja, ich denke, er wird sich fair verhalten.«
»Wann willst du es ihm sagen?«
»Sehr bald.«
»Wann?«
»Dränge mich nicht. Du wirst schon sehen.«