VIERZEHN

 

Mutti hatte manchmal gesagt, etwas sei ›lustiger als ein Fass voll Welpen‹. Jefri Olsndot hatte nie mehr als ein Haustier gehabt, und nur einmal war es ein Hund gewesen. Doch nun verstand er, was sie gemeint hatte. Vom allerersten Tage an, obwohl er so müde und verängstigt war, hatten ihn die acht Welpen in Entzücken versetzt. Und er sie. Sie waren rings um ihn, zogen an seiner Kleidung, banden seine Schuhe auf, saßen bei ihm auf dem Schoß oder rannten einfach um ihn herum. Drei oder vier starrten ihn ständig an. Ihre Augen waren völlig braun oder rosa und wirkten zu groß für ihre Köpfe. Von Anfang an hatten ihn die Welpen nachgeahmt. Sie waren besser als Singvögel auf Straum; was immer er sagte, konnten sie als Echo zurückgeben – oder später wiederholen. Und wenn er weinte, weinten die Welpen oft mit ihm und kuschelten sich an ihn.

Es gab andere Hunde, große, die Kleidung trugen und den Raum durch Türen hoch oben an den Wänden betraten. Sie ließen Nahrung in den Raum herab und machten manchmal sonderbare Geräusche. Aber die Nahrung schmeckte abscheulich, und sie reagierten nicht auf Jefris Schreie, nicht einmal durch Nachahmung.

Zwei Tage waren vergangen, dann eine Woche. Jefri hatte alles im Raum erforscht. Es war nicht wirklich ein Verlies, dafür war er zu groß. Außerdem gibt man Gefangenen keine Kuscheltiere. Er hatte begriffen, dass diese Welt unzivilisiert war, dass sie nicht zum Straumli-Bereich gehörte, vielleicht nicht einmal ans Netz angeschlossen war. Wenn sich Mutti oder Vati oder Johanna nicht in der Nähe befanden, war vielleicht niemand hier, der den Hunden Samnorsk beibringen konnte! Dann wäre es an Jefri, die Hunde zu unterrichten und seine Familie zu finden… Wenn nun die Hunde in den weißen Jacken auf die Eckbalkons kamen, rief ihnen Jefri Fragen zu. Es nutzte nicht viel. Nicht einmal der mit den roten Streifen antwortete. Aber die Welpen taten es! Sie riefen zusammen mit Jefri und wiederholten dabei manchmal seine Worte, manchmal machten sie Töne ohne Sinn.

Jefri brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass die Welpen von einem einzigen Verstand beherrscht wurden. Wenn sie um ihn herumliefen, saßen immer einige ein wenig abseits und bogen ihre eleganten Hälse hierhin und dahin – und die Läufer schienen genau zu wissen, was die anderen sahen. Er konnte nichts hinter seinem Rücken verstecken, wenn da auch nur einer saß, der die anderen warnen konnte. Eine Zeit lang glaubte er, sie würden irgendwie miteinander sprechen. Aber es war mehr als das: Wenn er zusah, wie sie seine Schuhe öffneten oder ein Bild zeichneten – die Köpfe und Mäuler und Pfoten arbeiteten so perfekt zusammen, wie die Finger an einer Hand. Jefri durchdachte die Dinge nicht derart ausdrücklich, doch nach einer Weile begann er, alle Welpen zusammen als einen einzigen Freund zu betrachten. Zur gleichen Zeit bemerkte er, dass Welpen seine Worte umstellte – und manchmal eine neue Bedeutung hervorbrachte.

»Du ich spiel.« Die Worte klangen wie schlecht zusammengeklebt, aber für gewöhnlich folgte ihnen ein wildes Fangspiel rund um alle Möbel.

»Du ich Bild.« Die Schiefertafel bedeckte den unteren Meter der Wand rings um den Raum. Sie war ein Anzeigegerät, wie Jefri in seinem Leben noch keins gesehen hatte: schmutzig, ungenau, weder ordentlich zu löschen noch zu speichern. Jefri liebte sie. Sein Gesicht und seine Hände – und die meisten Lippen von Welpen – waren mit Kreide beschmiert. Sie zeichneten einander und sich selbst. Welpen malte keine hübschen Bilder wie Jefri, seine Hundegestalten hatten große Köpfe und Pfoten, und die Körper waren ganz ineinander verwischt. Wenn er Jefri malte, waren die Hände immer groß, jeder Finger sorgfältig gezeichnet.

Jefri malte seine Familie und versuchte, es Welpen verständlich zu machen.

Tag für Tag fiel das Sonnenlicht von weiter oben auf die Wände. Manchmal war der Raum jetzt dunkel. Mindestens einmal täglich kamen Rudel, um mit Welpen zu reden. Das war eins von den wenigen Dingen, die die Kleinen von Jefri losreißen konnten. Welpen saß dann unter den Balkons und kreischte und krächzte hinauf zu den Erwachsenen. Es war ein Klassenzimmer! Sie ließen Rollen herab, damit er sie sich anschaute, und zogen die wieder hoch, die er gekennzeichnet hatte.

Jefri saß schweigend da und beobachtete den Unterricht. Er zappelte, rief den Lehrern aber nichts mehr zu. Noch ein bisschen, und er würde mit Welpen richtig reden. Noch ein bisschen, und Welpen könnte für ihn herausfinden, wo Mutti und Vati und Johanna waren.

 

Manchmal sind Schrecken und Schmerz nicht die besten Hebel; Betrug ist, wenn er funktioniert, die eleganteste und billigste Art der Manipulation. Nachdem Amdiranifani die Sprache der Pfahlwesen fließend sprach, ließ Stahl ihn eine Erklärung über den ›tragischen Tod‹ von Jefris Eltern und seinem Zuchtgeschwister abgeben. Das Flenser-Fragment hatte Einwände dagegen, doch Stahl wollte schnell die unangefochtene Kontrolle erlangen.

Nun schien es, als könnte das Fragment Recht gehabt haben; er hätte wenigstens die Hoffnung aufrechterhalten sollen, dass das Zuchtgeschwister lebte. Stahl blickte ernst zu dem Amdiranifani-Experiment hinab. »Was können wir tun?«

Das junge Rudel schaute vertrauensvoll empor. »Jefri ist so schrecklich traurig wegen seiner Eltern und seiner Schwester.« Amdiranifani benutzte viele Worte der Pfahlwesen, oft ohne Notwendigkeit: Schwester statt Zuchtgeschwister. »Er hat nicht viel gegessen. Er will nicht spielen. Es macht mich sehr traurig.«

Stahl behielt die Loge auf der anderen Seite im Auge. Das Flenser-Fragment war dort. Es versteckte sich nicht, obwohl die meisten von seinen Gesichtern nicht vom Kerzenlicht erhellt wurden. Bisher war sein Problemverständnis hervorragend gewesen. Doch das Fragment hatte den starren Blick wie in alten Zeiten, als ein Fehler Verstümmelung oder Schlimmeres bedeuten konnte. Gut so. Der Einsatz war jetzt höher als je zuvor; wenn die Angst, die Stahl an den Kehlen gepackt hielt, ihm zum Erfolg verhelfen konnte, dann war sie willkommen. Er schaute aus der Loge hinab und legte auf alle seine Gesichter den Ausdruck zärtlichen Mitgefühls für den Kummer des armen Jefris. »Du musst nur dafür sorgen, dass es – er – versteht: Niemand kann seine Eltern oder Schwester wieder zum Leben erwecken. Aber wir wissen jetzt, wer die Mörder sind. Wir tun alles, was in unseren Kräften steht, um uns gegen sie zu verteidigen. Sag ihm, wie schwer das ist. Holzschnitzerheim ist ein Reich, das seit Jahrhunderten besteht. In einem Kampf sind wir ihnen nicht ebenbürtig. Deshalb brauchen wir alle Hilfe, die er uns geben kann. Er muss uns beibringen, wie man das Schiff seiner Eltern benutzt.«

Das Welpenrudel senkte einen Kopf. »Ja. Ich will es versuchen, aber…« Die drei Glieder bei Jefri machten tiefe grunzende Töne. Das Fremde saß mit gesenktem Kopf da und hielt sich die tentakelbewehrten Pfoten vor die Augen. Das Geschöpf befand sich seit etlichen Tagen in diesem Zustand und wurde immer verschlossener. Nun schüttelte es heftig den Kopf und machte scharfe kleine Laute, höher als gewöhnlich.

»Jefri sagt, er weiß nicht, wie das Schiff funktioniert. Er ist nur ein kleiner…« Das Rudel suchte nach einer Übersetzung. »Er ist wirklich sehr jung. Wisst Ihr, so wie ich.«

Stahl nickte verständnisvoll. Es war eine offensichtliche Folge der Solo-Natur der Fremden, und dennoch unheimlich: Jedes von ihnen begann ganz als Welpe. Jedes von ihnen war wie Stahls experimentelle Welpenrudel. Das Wissen der Eltern wurde durch das Gegenstück zur Zwischenrudel-Sprache übermittelt. Das machte es leicht, das Geschöpf irrezuführen, war aber jetzt verdammt lästig. »Trotzdem, wenn es irgendetwas gibt, was er uns helfen kann zu erklären.«

Wieder Grunzen von dem Pfahlwesen. Stahl sollte diese Sprache lernen. Die Klänge waren einfach, diese armseligen Geschöpfe benutzten ihre Mäuler zum Sprechen, wie ein Vogel oder eine Waldschnecke. Vorerst war er von Amdiranifani abhängig. Vorerst war das in Ordnung, das Welpenrudel vertraute ihm. Noch ein Glückstreffer. Bei einigen wenigen von seinen neueren Experimenten hatte es Stahl mit Liebe versucht, statt mit Flensers ursprünglicher Kombination von Furcht und Liebe; es hatte eine schmale Chance gegeben, dass dies günstiger sein könnte. Mit einer Menge Glück war Amdiranifani in die Liebeskategorie geraten. Selbst seine Ausbilder hatten negative Stimuli vermieden. Das Rudel würde alles glauben, was er sagte – und das Pfahlwesen, hoffte Stahl, ebenfalls.

Amdiranifani übersetzte: »Da ist noch etwas; er hat mich schon früher danach gefragt. Jefri weiß, wie man die anderen Kinder« – das Wort bedeutete eigentlich ›Welpenrudel‹ – »im Schiff aufwecken kann. Ihr seht überrascht aus, mein Fürst Stahl?«

Obwohl er nicht länger voller Schrecken von monströsen Zusammenballungen von Verstand träumte, wollte Stahl vorerst keine weiteren hundert Fremden herumlaufen lassen. »Ich habe nicht gewusst, dass sie so einfach aufgeweckt werden können… Aber wir sollten es nicht jetzt gleich tun. Wir haben Mühe, Nahrung zu finden, die Jefri essen kann.« Das war wahr, das Geschöpf war ein unglaublich mäkliger Esser. »Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch mehr ernähren könnten.«

Wieder Grunzen. Wieder scharfe Schreie von Jefri. Schließlich: »Da ist noch etwas, mein Fürst. Jefri glaubt, es könnte möglich sein, die Ultrawelle des Schiffes zu benutzen, um Hilfe von anderen solchen Wesen wie seine Eltern herbeizurufen.«

Das Flenser-Fragment schnellte aus den Schatten hervor. Ein paar Köpfe blickten hinab auf das Pfahlwesen, während andere bedeutungsvoll zu Stahl herüberstarrten. Stahl reagierte nicht, er konnte beherrschter als irgend ein lockeres Rudel sein. »Darüber muss ich nachdenken. Vielleicht könnt ihr mehr darüber sprechen. Ich möchte es nicht versuchen, bis wir sicher sind, dass das Schiff dabei keinen Schaden nimmt.« Das war schwach. Er sah, wie das Flenser-Fragment amüsiert eine Lippe verzog.

Während er sprach, übersetzte Amdiranifani. Jefri antwortete fast augenblicklich.

»Oh, das geht in Ordnung. Er meint einen besonderen Ruf. Jefri sagt, das Schiff hat sowieso Signale ausgesandt… ganz von selbst… die ganze Zeit seit der Landung.«

Und Stahl fragte sich, ob er jemals eine tödliche Drohung gehört hatte, die in so süßer Unschuld ausgesprochen wurde.

 

Sie fingen damit an, Amdi und Jefri draußen spielen zu lassen. Im Voraus war Amdi nervös, dass er hinausgehen sollte. Er war es nicht gewohnt, Kleidung zu tragen. Sein ganzes Leben – alle vier Jahre – hatte er in dem einen großen Raum verbracht. Er hatte über die Welt draußen gelesen und war neugierig, hinauszukommen, aber auch ein wenig ängstlich. Doch der Menschenjunge schien es zu wollen. Jeden Tag war er verschlossener gewesen, hatte leiser geweint. Meistens weinte er um seine Eltern und seine Schwester, manchmal aber auch, weil er so tief unten eingesperrt war.

Also hatte Amdi mit Herrn Stahl gesprochen, und jetzt kamen sie fast jeden Tag heraus, wenigstens in einen Innenhof. Zuerst hatte Jefri einfach dagesessen, ohne sich wirklich umzusehen. Doch Amdi entdeckte, dass es ihm draußen gefiel, und jedesmal brachte er seinen Freund dazu, ein wenig mehr zu spielen.

Rudel von Lehrern und Wachen standen in den Ecken des vergilbenden Mooses und schauten zu. Amdi – und mitunter auch Jefri – machten sich einen großen Spaß daraus, sie herumzuscheuchen. Es war ihnen unten in dem Raum, wo Besucher auf die Balkons kamen, nicht klar geworden, aber die meisten Erwachsenen wurden in Jefris Anwesenheit unsicher. Der Junge war anderthalbmal so groß wie ein gewöhnliches Glied eines Rudels im Stehen. Wenn er näher kam, ballten sich die meisten Rudel zusammen und wichen zurück. Es gefiel ihnen nicht, zu ihm aufschauen zu müssen. Das war dumm, dachte Amdi. Jefri war so groß und dürr, er sah aus, als könne er jeden Moment umfallen. Und wenn er lief, sah es aus, als versuche er verzweifelt das Hinfallen zu vermeiden, ohne es je ganz zu schaffen. Also war Amdis Lieblingsspiel an jenen ersten Tagen Fangen gewesen. Wenn er der Fänger war, legte er es darauf an, Jefri mitten durch das pomadigste Weißjack zu treiben. Und zusammen mit Jefri schafften sie es, an dem Fangspiel drei Personen teilnehmen zu lassen, indem Amdi Jefri verfolgte und ein Weißjack herumrannte, um beiden aus dem Weg zu gehen.

Manchmal taten ihm die Wachen und die Weißjacks Leid. Sie waren so steif und erwachsen. Verstanden sie denn nicht, wie lustig es war, einen Freund zu haben, an den man einfach herangehen, den man richtig berühren konnte?

Es war jetzt meistens Nacht. Das Tageslicht ließ sich ein paar Stunden lang um Mittag herum blicken. Die Dämmerung davor und danach war hell genug, um die Sterne und das Nordlicht auszulöschen, doch zu schwach, als dass man Farben erkannt hätte. Obwohl Amdi sein Leben im geschlossenen Raum verbracht hatte, verstand er die Geometrie der Situation, und er beobachtete gern den Lichtwechsel. Jefri machte sich nicht viel aus dem dunklen Winter – bis der erste Schnee fiel.

Amdi bekam seine ersten Jacken. Und Herr Stahl ließ für den Menschenjungen besondere Kleidung anfertigen, großes plustriges Zeug, das seinen ganzen Körper bedeckte und ihn wärmer hielt, als es ein gutes Fell getan hätte.

Auf einer Seite des Hofes war der Schnee nur sechs Zoll tief, an anderen Stellen aber türmte er sich zu Wehen, höher als Amdis Köpfe. Fackeln waren in Windschirmen an den Wänden angebracht, ihr Licht glitzerte golden auf dem Schnee. Amdi wusste, dass es Schnee gab – doch er hatte noch nie welchen gesehen. Er liebte es, ihn auf eine seiner Jacken zu werfen. Dann starrte er unablässig hin und versuchte, die Schneeflocken zu sehen, ohne dass sein Atem sie schmelzen ließ. Das sechseckige Muster war faszinierend, gerade an der Grenze seiner Sehschärfe.

Aber Fangen machte keinen Spaß mehr, der Mensch konnte durch Schneewehen rennen, wo Amdi im weißen Zeug steckenblieb. Es gab andere Dinge, die der Mensch tun konnte, wunderbare Dinge. Er konnte Kugeln aus Schnee machen und damit werfen. Die Wachen waren deswegen sehr ärgerlich, vor allem, wenn Jefri ein paar Glieder traf. Es war das erste Mal, dass er sie zornig werden sah.

Amdi rannte auf der von Wind blankgefegten Seite des Hofes herum, wich Schneebällen aus und der durchdringenden Frustration. Menschenhände waren solch böse, böse Dinge. Wie gern er ein Paar gehabt hätte – vier Paare! Er umzingelte den Menschen von drei Seiten und rannte geradewegs auf ihn zu. Jefri zog sich rasch in tieferen Schnee zurück, doch zu spät. Amdi traf ihn überall und warf den Zweibeiner rücklings in eine Schneewehe. Es gab ein Scheingefecht, zuschlagende Lippen und Pfoten gegen Jefris Hände und Füße. Doch nun war Amdi obenauf. Der Mensch musste für seine Schneebälle mit einer Menge Schnee büßen, die ihm hinten in die Jacke gesteckt wurde.

 

Manchmal saßen sie einfach da und betrachteten den Himmel so lange, dass Rümpfe und Pfoten gefühllos wurden. Wenn sie hinter der größten Schneewehe saßen, waren sie von den Fackeln der Burg abgeschirmt und hatten einen klaren Blick auf die Lichter am Himmel.

Zuerst war Amdi vom Nordlicht verzaubert gewesen. So ging es sogar manchen von seinen Lehrern. Sie sagten, dieser Teil der Welt sei einer der besten, wenn man das Glühen am Himmel sehen wolle. Mitunter war es so schwach, dass es vom Widerschein der Kerzen auf dem Schnee ausgelöscht wurde. Ein andermal lief es von Horizont zu Horizont: grünes Licht mit Spuren von Rosa dazwischen, das sich bog, als ob es von einem langsamen Wind gekräuselt würde.

Er und Jefri konnten sich jetzt sehr leicht unterhalten, freilich immer in Jefris Sprache. Der Mensch vermochte viele Laute der Zwischenrudel-Sprache nicht hervorzubringen, selbst Amdis Name war in seiner Aussprache kaum wiederzuerkennen. Aber Amdi verstand ziemlich gut Samnorsk; es machte Spaß, eine Geheimsprache zu haben.

Jefri war vom Nordlicht nicht sonderlich beeindruckt. »Zu Hause haben wir das massenhaft. Es ist bloß Licht von…« Er sagte ein neues Wort und warf einen Blick auf Amdi. Es war komisch, dass der Mensch nur an eine Stelle zugleich schauen konnte. Seine Augen und sein Kopf bewegten sich andauernd. »… weißt du, die Orte, wo die Menschen Dinge herstellen. Ich glaube, das Gas oder Abfall strömt durch ein kleines Leck aus und wird von der Sonne beleuchtet, oder es wird…« Wieder etwas Unverständliches.

»Orte, wo die Menschen Dinge herstellen?« 7m Himmel? Amdi hatte einen Globus, er kannte die Größe der Welt und ihre Ausrichtung im Raum. Wenn das Nordlicht den Sonnenschein reflektierte, musste es Hunderte von Meilen über dem Erdboden sein! Amdi lehnte einen Rücken gegen Jefris Jacke und stieß ein sehr menschliches Pfeifen aus. Seine Kenntnis der Geographie reichte nicht an die in Geometrie heran, aber: »Die Rudel arbeiten nicht im Himmel, Jefri. Wir haben nicht einmal fliegende Boote.«

»Hm, das ist wahr… Dann weiß ich nicht, was das für ein Zeug ist. Aber es gefällt mir nicht. Es verdeckt die Sterne.« Amdi wusste alles über die Sterne, Jefri hatte es ihm gesagt. Irgendwo da draußen waren die Freunde von Jefris Eltern.

Ein paar Minuten lang schwieg Jefri. Er schaute nicht mehr zum Himmel. Amdi schob sich ein bisschen näher heran, während er das wogende Licht am Himmel beobachtete. Hinter ihnen glänzte das gelbe Licht der Fackeln auf dem vom Wind geschärften Kamm der Schneewehe. Amdi konnte sich vorstellen, woran der andere dachte. »Die Kom-Geräte im Boot, sie taugen wirklich nicht, um Hilfe zu rufen?«

Jefri schlug mit der Hand auf den Boden. »Nein! Das habe ich dir doch gesagt. Sie sind bloß Radio. Ich denke, ich kann sie in Gang bringen, aber wozu? Das Zeug für die Ultrawelle ist noch im Boot, und es ist zu groß, um es zu bewegen. Ich begreife einfach nicht, warum mich Herr Stahl nicht an Bord lassen will… Ich bin acht Jahre alt, weißt du. Ich könnte es herausbekommen. Mutti hatte alles schon eingestellt, ehe…« Seine Worte verrannen in der vertrauten Stille der Verzweiflung.

Amdi rieb einen Kopf an Jefris Schulter. Er hatte eine Theorie über Herrn Stahls Zögern. Es war eine Erklärung, die er Jefri noch nicht mitgeteilt hatte: »Vielleicht hat er Angst, dass du einfach davonfliegst und uns verlässt.«

»So ein Unsinn! Ich würde dich niemals verlassen. Außerdem ist das Boot echt schwer zu fliegen. Es sollte eigentlich nie auf einer Welt landen.«

Jefri sagte die seltsamsten Dinge, manchmal verstand ihn Amdi einfach falsch – aber manchmal waren sie buchstäblich wahr. Hatten die Menschen wirklich Schiffe, die niemals auf den Erdboden herabkamen? Wohin flogen sie dann? Amdi konnte geradezu fühlen, wie sich in seinem Verstand neue Bezugsskalen klickend zusammenfügten. Herrn Stahls Globus stellte nicht die Welt dar, sondern etwas sehr, sehr Kleines im wirklichen Gefüge der Dinge.

»Ich weiß, dass du uns nicht verlassen würdest. Aber du verstehst, dass Herr Stahl es befürchten könnte. Er kann nicht einmal mit dir reden, außer durch mich. Wir müssen ihm beweisen, dass er uns vertrauen kann.«

»Das glaube ich auch.«

»Wenn wir beide die Radios in Gang bekommen könnten, könnte es uns helfen. Ich weiß, dass meine Lehrer nicht damit zurecht gekommen sind. Herr Stahl hat eins, aber ich glaube, er versteht es auch nicht.«

»Hm. Wenn wir das andere in Gang bringen könnten…«

An diesem Nachmittag erhielten die Wachen eine Ruhepause: Ihre beiden Schützlinge kamen frühzeitig aus der Kälte herein. Die Wachen zweifelten nicht an ihrem Glück.

 

Stahls Bau hatte ursprünglich dem Meister gehört. Er unterschied sich sehr von den Versammlungssälen der Burg. Abgesehen von Chören passte nur ein einzelnes Rudel in jeden Raum. Nicht, dass die Zimmerflucht klein gewesen wäre. Es gab fünf Räume, das Bad nicht gerechnet. Doch außer der Bibliothek war keiner von ihnen breiter als fünfzehn Fuß. Die Decken waren niedrig, weniger als fünf Fuß; es gab keinen Platz für Besuchergalerien. Diener standen immer in den beiden Korridoren bereit, die mit einer Wand an die Wohnung grenzten. Esszimmer, Schlafzimmer und Bad hatten kleinere Öffnungen, eben groß genug, um Befehle zu geben oder Speise und Trank zu erhalten, oder um sie als Garderobe zu benutzen.

Der Haupteingang wurde außen von drei Rudeln Soldaten bewacht. Natürlich hätte der Meister niemals in einem Bau mit nur einem Ausgang gewohnt. Stahl hatte acht geheime Durchgänge gefunden (drei im Schlafraum). Sie konnten nur von innen geöffnet werden und führten in ein Labyrinth, das Flenser im Innern der Burgmauern gebaut hatte. Niemand kannte die Ausdehnung dieses Labyrinths, nicht einmal der Meister. In den Jahren seit Flensers Abreise hatte Stahl Teile davon umbauen lassen – insbesondere die Gänge, die aus diesem Bau führten.

Die Wohnung war beinahe uneinnehmbar. Selbst wenn die Burg fiel, war die Speisekammer der Zimmer für ein halbes Jahr versorgt; für die Belüftung sorgte ein Netz von Kanälen, das fast ebenso ausgedehnt wie die Geheimgänge des Meisters war. Alles in allem fühlte sich Stahl hier nur halbwegs sicher. Es war allemal möglich, dass es mehr als acht geheime Eingänge gab, vielleicht auch einen, der von der anderen Seite geöffnet werden konnte.

Und natürlich kamen Chöre nicht in Frage, weder hier noch sonstwo. Der einzige Sex außerhalb des Rudels, den sich Stahl erlaubte, fand mit Solos statt – und das als Teil seiner Experimente; es war einfach zu gefährlich, das eigene Selbst mit anderen zu vermischen.

Nach dem Essen schlenderte Stahl in die Bibliothek. Er machte es sich rund um sein Lesepult gemütlich. Zwei von ihm nippten am Branntwein, während ein anderer südliche Kräuter rauchte. Das tat er zum Vergnügen, aber auch aus Berechnung: Stahl wusste genau, welche Laster bei welchen Gliedern seine Phantasie aufs Äußerste schärften.

… Und immer deutlicher wurde ihm klar, dass im gegenwärtigen Spiel Phantasie mindestens so wichtig war wie die bloße Intelligenz. Das Pult in seiner Mitte war bedeckt von Karten, Berichten aus dem Süden, internen Sicherheitsnotizen. Doch zwischen all dem Seidenpapier lag wie eine Elfenbeinschnecke in ihrem Nest das fremde Radio. Sie hatten zwei aus dem Schiff geborgen. Stahl nahm das Ding, strich mit einer Nase die glatten gekrümmten Seiten entlang. Nur das feinste gespannte Holz – und das in Musikinstrumenten und Plastiken – kam ihm an Anmut gleich. Und doch behauptete das Pfahlwesen, man könnte damit über Dutzende von Meilen hinweg sprechen, so schnell wie ein Sonnenstrahl. Wenn das wahr war… Stahl fragte sich, wie viele verlorene Schlachten mit diesen Geräten hätten gewonnen werden können, wie viele neue Eroberungen sicher in Angriff genommen werden konnten. Und wenn sie lernen könnten, wie man Weitsprecher herstellte…, dann würden die Unterführer der Bewegung, über den Kontinent verstreut, so nahe wie die Wachen vor Stahls Bau sein. Keine Macht der Welt könnte ihnen widerstehen.

Stahl griff nach dem neuesten Bericht aus Holzschnitzerheim. In vielerlei Beziehung hatten sie dort mehr Erfolg mit ihrem Fremden als Stahl mit seinem. Augenscheinlich war ihrer fast erwachsen. Wichtiger noch, er hatte eine wunderbare Bibliothek, die fast wie ein lebendes Wesen befragt werden konnte. Es hatte drei andere Datios gegeben. Stahls Weißjacks hatten ihre Überreste in den ausgebrannten Trümmern rings um das Schiff gefunden. Jefri glaubte, die Prozessoren des Schiffs ähnelten ein bisschen einem Datio, ›nur dümmer‹ (Amdis bestmögliche Übersetzung), doch bislang waren die Prozessoren nutzlos gewesen.

Mit ihrem Datio aber hatten etliche von Holzschnitzerins Leuten schon die Sprache der Pfahlwesen erlernt. Jeden Tag entdeckten sie mehr über die Zivilisation der Fremden als Stahls Diener in zehn Tagen. Er lächelte. Sie wussten nicht, dass alles von Bedeutung zuverlässig zur Verborgenen Insel weitergemeldet wurde… Er würde ihnen ihr Spielzeug vorerst lassen, und ihr Pfahlwesen auch; sie hatten etliche Dinge bemerkt, die ihm entgangen wären. Dennoch haderte er mit dem Glück.

Stahl durchblätterte den Bericht… Gut. Das Fremde in Holzschnitzerheim war noch nicht zur Zusammenarbeit bereit. Er fühlte, wie sein Lächeln zum Gelächter anwuchs: es war eine Kleinigkeit, das Wort des Geschöpfs für die Rudel. Der Bericht versuchte, das Wort zu buchstabieren. Egal, die Übersetzung lautete ›Krallen‹ oder ›Klauen‹. Das Pfahlwesen hatte besonders große Angst vor den Stahlklauen, die die Soldaten an den Vorderpfoten trugen. Stahl leckte nachdenklich am schwarzen Emaille seiner manikürten Krallen. Interessant. Krallen konnten etwas Bedrohliches sein, aber sie machten zum Teil auch die Person aus. Klauen waren ihre mechanische Verlängerung und konnten mehr Angst machen. Es war die Art Name, den man sich für eine Elitetruppe von Killern vorstellen konnte – aber niemals für alle Rudel. Schließlich gehörten zur Rasse der Rudel auch die Schwachen, die Armen, die Freundlichen, die Naiven… ebenso wie Personen vom Schlage Stahls und Flensers. Man konnte etwas sehr Interessantes über die Psychologie der Pfahlwesen daraus entnehmen, dass das Geschöpf Klauen als den charakteristischsten Zug der Rudel ausgewählt hatte.

Stahl lehnte sich vom Pult zurück und schaute auf die Landschaft, die rundum auf die Wände der Bibliothek gemalt war. Es war ein Blick von den Burgtürmen. Hinter der Farbe wurden die Wände von Mustern aus Glimmer und Quarz und Fasern durchzogen, die Echos erzeugten einen vagen Eindruck von dem, was man hören konnte, wenn man über den Stein und die Leere hinwegschaute. Kombinierte Tonbilder waren selten in der Burg, und dieses war besonders gut gemacht; Stahl konnte fühlen, wie er sich bei der Betrachtung entspannte. Für einen Moment ließ er sich treiben und seiner Phantasie freien Lauf.

Klauen. Es gefällt mir. Wenn das die Vorstellung des Fremden war, dann war es der richtige Name für seine Rasse. Seine armseligen Berater – und manchmal sogar das Flenser-Fragment – waren immer noch von dem Schiff von den Sternen eingeschüchtert. Zweifellos enthielt dieses Schiff Macht, die alles in der Welt überstieg. Doch nach der ersten Panik hatte Stahl begriffen, dass die Fremden nicht übernatürlich begabt waren. Sie waren einfach über den gegenwärtigen Zustand der Wissenschaft seiner Welt hinaus fortgeschritten, in einem Sinne, von dem Holzschnitzerin so viel redete. Gewiss war die fremde Zivilisation im Augenblick eine tödliche Unbekannte. Sie mochte wirklich imstande sein, diese Welt zu Asche zu verbrennen. Doch je mehr Stahl sah, umso deutlicher erkannte er die immanente Minderwertigkeit der Fremden: Was für eine bizarre Missbildung waren sie doch, eine Rasse von intelligenten Solos. Jedes von ihnen musste von Null auf aufgezogen werden, wie ein ganz neugeborenes Rudel. Erinnerungen konnten nur durch Stimme und Schrift weitergegeben werden. Jedes Geschöpf wuchs und alterte und starb sogar als Ganzes. Gegen seine Natur erschauderte Stahl.

Er hatte einen langen Weg von den ersten Fehleinschätzungen, den ersten Ängsten zurückgelegt. Seit mehr als dreißig Tagen schmiedete er nun Pläne, wie er das Sternenschiff zur Weltherrschaft benutzen könnte. Das Pfahlwesen sagte, dass das Schiff Signale an andere aussandte. Das hatte manche von seinen Dienern so verängstigt, dass sie das Wasser nicht mehr halten konnten. Also: Früher oder später würden weitere Schiffe eintreffen. Die Weltherrschaft war kein praktikables Ziel mehr… Es war an der Zeit, nach mehr zu streben, nach Dingen, die sich nicht einmal der Meister je hatte träumen lassen. Man brauchte ihnen nur ihre technischen Vorteile zu nehmen, und die Pfahlwesen waren solch beschränkte, verletzliche Wesen. Sie sollten leichte Beute für einen Eroberer sein. Selbst ihnen schien das klar zu sein. Klauen nennt uns das Geschöpf. So wird es sein. Eines Tages werden die Klauen zwischen den Sternen einherschreiten und dort herrschen.

Doch in den Jahren bis dahin würde das Leben sehr gefährlich sein. Wie ein neugeborener Welpe konnten all ihre Chancen mit einem kleinen Schlag vernichtet werden. Das Überleben der Bewegung – das Überleben der Welt – würde von der Überlegenheit ihrer Intelligenz, Vorstellungskraft, Disziplin, Heimtücke abhängen. Zum Glück waren das immer Stahls starke Seiten gewesen.

Stahl träumte in dem Kerzenschein und dem Dunst… Intelligenz, Vorstellungskraft, Disziplin, Heimtücke. Wenn man es richtig anfing… konnten die Fremden dazu gebracht werden, alle Feinde Stahls auszulöschen… und ihm dann die bloßen Kehlen darzubieten? Es war gewagt, fast jenseits aller Vernunft, doch es konnte gelingen. Jefri behauptete, er könnte das Signalgerät des Schiffes bedienen. Allein? Stahl bezweifelte es. Das Fremde war gründlich übertölpelt worden, aber nicht allzu fähig. Bei Amdiranifani war das anders. Er ließ die ganze Genialität seiner Vererbungslinien erkennen. Und die Prinzipien von Loyalität und Opferbereitschaft, die seine Lehrer ihm eingeimpft hatten, saßen tief, obwohl er ein bisschen… verspielt war. Sein Gehorsam hatte nicht die Schärfe, die man mit Furcht erzielen konnte. Egal. Als Werkzeug war er nützlicher als alle anderen. Amdiranifani verstand Jefri, und er schien die Geräte der Fremden sogar besser zu verstehen, als Jefri selbst.

Es musste riskiert werden. Er würde die beiden an Bord des Schiffes lassen. Sie würden seine Botschaft anstatt des automatischen Notsignals senden. Und wie sollte diese erste Botschaft lauten? Wort für Wort würde es das Wichtigste und das Gefährlichste sein, was jemals ein Rudel gesagt hatte.

 

Dreihundert Ellen entfernt, tief im Experimentalflügel, stießen ein Junge und ein Rudel Welpen auf eine unerwartete Glückssträhne: eine unverschlossene Tür und eine Gelegenheit, mit Jefris Kom-Gerät zu spielen.

Der Apparat war komplizierter als mancher andere. Er war für die Arbeit im Krankenhaus wie auch außerhalb vorgesehen, für die Fernsteuerung von Vorrichtungen wie auch für die Sprechverbindung. Durch Versuch und Irrtum engten die beiden allmählich das Feld der Möglichkeiten ein.

Jefri Olsndot zeigte auf Zahlen, die auf der Seite des Geräts erschienen waren. »Ich glaube, das bedeutet, wir sind in Verbindung mit einem Empfänger.« Er schaute nervös zur Tür hin. Etwas sagte ihm, dass sie eigentlich nicht hier sein sollten.

»Das ist dieselbe Anordnung wie auf dem Radio, das Herr Stahl genommen hat«, sagte Amdi. Kein einziger von seinen Köpfen beobachtete die Tür.

»Ich wette, wenn wir hier drücken, dann kommt das, was wir sagen, aus seinem Radio. Jetzt wird er verstehen, dass wir ihm helfen können… Also was sollen wir tun?«

Drei von Amdi rannten im Raum umher, wie Hunde, die ihre Aufmerksamkeit nicht auf das Gespräch konzentrieren können. Jefri wusste mittlerweile, dass das dem entsprach, wenn ein Mensch in Gedanken wegschaute und vor sich hin summte. Der Blickwinkel war auch eine Geste, in diesem Falle ein breiter werdendes schadenfrohes Lächeln. »Ich glaube, wir sollten ihn überraschen. Er ist immer so ernst.«

»Hm.« Herr Stahl war ziemlich ernsthaft. Aber so waren ja alle Erwachsenen. Sie erinnerten ihn an die älteren Wissenschaftler im Hochlabor.

Amdi nahm das Radio und blickte ihn an, als wolle er sagen: »Und nun pass auf!« Er drückte mit der Nase den Sprechschalter und sang ein langes Geheul ins Mikro. Es klang nur annähernd wie Rudelsprache. Einer von Amdi flüsterte Jefri die Übersetzung ins Ohr. Der Menschenjunge fühlte, wie ein Kichern in ihm hochstieg.

 

In seinem Bau war Fürst Stahl ins Pläneschmieden versunken. Seine Phantasie – von Kräutern und Branntwein gelöst – schwebte frei dahin und spielte mit den Möglichkeiten. Er lag tief in Samtkissen, geruhsam in der Sicherheit des Baus. Die verbliebenen Kerzen schienen schwach von der Mauerlandschaft wider und hell von den polierten Möbeln. Die Geschichte, die er den Fremden erzählen würde, er hatte sie fast beisammen…

Das Geräusch auf seinem Pult begann klein, von seinen Träumen überdeckt. Es war größtenteils tief, hatte aber Obertöne im Bereich des Denkens, wie Schichten eines anderen Verstandes. Es war eine Anwesenheit, und es nahm zu. Jemand ist in meinem Bau! Der Gedanke schnitt wie die tötende Klinge Flensers. Stahls Glieder zuckten in Panik, vom Rauch und vom Branntwein desorientiert.

Da war eine Stimme inmitten des Wahnsinns. Sie war verzerrt, es fehlten Töne, die in jeder normalen Sprache dasein mussten. Sie heulte zitternd auf ihn ein: »Fürst Stahl! Grüße vom Rudel aller Rudel, dem Allmächtigen Herrgott!«

Ein Teil von Stahl war schon durch den Haupteingang hinausgestürmt und starrte mit aufgerissenen Augen auf die Soldaten im Gang. Die Anwesenheit der Soldaten brachte ein bisschen Ruhe, und eiskalte Verlegenheit. Das ist Unsinn. Er streckte einen Kopf zu dem fremden Gerät auf seinem Pult hin. Die Echos waren überall, doch die Töne hatten ihren Ursprung in dem Weitsprecher… Es kam keine Rudelsprache mehr, nur noch die hohen Klangfetzen, die gedankenlos im mittleren Denkspektrum trällerten. Halt. Hinter alledem, schwach und tief… waren die hustenden Grunzlaute, die er als das Lachen des Pfahlwesens erkannte.

Stahl ließ seiner Wut freien Lauf. Das Fremde sollte sein Werkzeug sein, nicht sein Gebieter. Aber wenn er dem Lachen lauschte und an die Worte dachte… Stahl fühlte, wie schwarze Raserei erst in einem von seinen Gliedern hochstieg, dann in noch einem. Fast ohne zu überlegen holte er aus und zerschmetterte das Kom-Gerät. Es verstummte sofort. Er warf einen Blick auf die Wachen, die im Korridor in Habachtstellung standen. Ihre Denkgeräusche waren still vor starrer Angst.

Jemand würde dafür mit seinem Leben bezahlen.

 

An dem Tag nach ihrem Erfolg mit dem Radio sprach Herr Stahl mit Amdi und Jefri. Sie hatten ihn überzeugt. Sie zogen aufs Festland um. Jefri würde Gelegenheit erhalten, Rettung herbeizurufen!

Stahl war noch ernsthafter als sonst; er betonte, wie wichtig es wäre, Hilfe zu erhalten, um sich gegen einen weiteren Angriff der Holzschnitzer zu verteidigen. Aber er schien nicht böse wegen Amdis kleinem Streich zu sein. Jefri atmete im Stillen erleichtert auf. Zuhause hätte ihm Vati wegen so was den Hintern versohlt. Ich glaube, Amdi hat Recht. Herr Stahl war so ernst, weil er so viel Verantwortung trug und sie sich solchen Gefahren gegenüber sahen. Aber im Grunde war er sehr nett.

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EMPFANGEN VON: Transceiver Relais03 bei Relais

SPRACHPFAD: Feuersprech -› Wolkenzeichen -› Triskweline, SjK-Einheiten [Feuersprech und Wolkenzeichen sind Verkehrssprachen des Hohen Jenseits. Diese Übersetzung gibt nur den Bedeutungskern wieder.]

VON: Gesellschaft für Schiedskünste im Feuerwolken-Nebel [eine militärische [?] Organisation des Hohen Jenseits. Bekanntes Alter ca. 100 Jahre]

GEGENSTAND: Gründe zur Besorgnis

ZUSAMMENFASSUNG: Drei Einzelsystem-Zivilisationen sind anscheinend vernichtet

SCHLAGWÖRTER: Maßstab interstellare Katastrophen, Maßstab interstellare Kriegführung?, Straumli-Bereich-PERVERSION

VERTEILER:

Interessengruppe Kriegsbeobachter

Interessengruppe Bedrohungen

Interessengruppe Homo sapiens

DATUM: 53,57 Tage seit dem Untergang des Straumli-Bereichs

TEXT DER BOTSCHAFT:

Unlängst hat eine obskure Zivilisation die Erschaffung einer neuen MACHT im Transzens mitgeteilt. Sie ist dann ›zeitweise‹ vom Bekannten Netz losgefallen. Seither hat es in ›Bedrohungen‹ etwa eine Million Meldungen über den Vorfall gegeben – eine Menge Spekulationen, dass eine PERVERSION DER KLASSE ZWEI geboren worden sei –, aber keine Hinweise auf Wirkungen außerhalb des ehemaligen ›Straumli-Bereichs‹.

›Schiedskünste‹ ist auf Treck-Lansing-Streitfälle spezialisiert. Daher haben wir wenig gemeinsame Geschäftsinteressen mit natürlichen Rassen oder der Gruppe »Bedrohungen«. Das wird sich möglicherweise ändern müssen: Vor 65 Stunden haben wir anscheinend die Ausrottung dreier isolierter Zivilisationen im Hohen Jenseits nach dem Straumli-Bereich bemerkt. Zwei davon waren Vorposten der ›Auge-im-U‹-Religion und die dritte eine Pentragische Fabrik. Vorher war ihre Hauptverbindung zum Netz der Straumli-Bereich gewesen. Somit waren sie vom Netz los, seit Straumli untergegangen ist, abgesehen von gelegentlichen Rufzeichen unsererseits.

Wir haben drei Flüge umgeleitet, um Durchflüge durchzuführen. Die Signalerkundung hat eine Breitbandkommunikation festgestellt, die eher einer neuralen Kontrolle als lokalem Netzverkehr ähnelt. Alle unsere Flugkörper sind zerstört worden, ehe sie detaillierte Informationen senden konnten. Angesichts des Hintergrundes dieser Vorgänge kommen wir zu dem Schluss, dass es sich nicht um die normalen Nachwirkungen einer Transzendation handelt.

Diese Beobachtungen entsprechen einem Angriff der Klasse Zwei aus dem Transzens (wenngleich einem verdeckten). Als offensichtlichste Quelle kommt die neue vom Straumli-Bereich geschaffene MACHT in Frage. Wir fordern alle Zivilisationen des Hohen Jenseits in diesem Gebiet zu erhöhter Wachsamkeit auf. Wir größeren haben wenig zu befürchten, doch die Bedrohung ist sehr deutlich.

 

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EMPFANGEN VON: Transceiver Relais03 bei Relais

SPRACHPFAD: Feuersprech -› Wolkenzeichen -› Triskweline, SjK-Einheiten [Feuersprech und Wolkenzeichen sind Verkehrssprachen des Hohen Jenseits. Diese Übersetzung gibt nur den Bedeutungskern wieder.]

VON: Gesellschaft für Schiedskünste im Feuerwolken-Nebel [eine militärische [?] Organisation des Hohen Jenseits. Bekanntes Alter ca. 100 Jahre]

GEGENSTAND: Neue Dienstleistungen verfügbar

ZUSAMMENFASSUNG: Schiedskünste, um Netzrelaisdienst zu gewährleisten

SCHLAGWÖRTER: Sondergebühren, Sensible Übersetzungsprogramme, Ideal für Zivilisationen im Hohen Jenseits

VERTEILER:

Interessengruppe Kommunikationskosten

Verwaltungsgruppe Motley-Luke

DATUM: 61,00 Tage seit dem Untergang des Straumli-Bereichs

TEXT DER BOTSCHAFT:

›Schiedskünste‹ kann mit Stolz einen Transmitter-Abzweig-Dienst vorstellen, der speziell für Regionen im Hohen Jenseits entworfen wurde [Gebührentabellen nach dem Text dieser Mitteilung]. Zonenstatus-Programme werden Übersetzungen und Übertragungen in hoher Qualität gewährleisten. Es ist beinahe hundert Jahre her, seit eine Zivilisation des Hohen Jenseits in diesem Teil der Galaxis daran interessiert war, solch eine Kommunikations-Dienstleistung anzubieten. Uns ist klar, dass diese Arbeit stumpfsinnig ist und die Armiphlage kaum den Aufwand lohnt, aber wir alle sind in der Lage, aus Protokollen Nutzen zu ziehen, die der Zone entsprechen, in der wir leben. Details folgen unter Syntax 8139… [Das Wolkenzeichen:Triskweline-Übersetzungsprogramm bockt bei der Arbeit mit Syntax 8139.]

 

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EMPFANGEN VON: Transceiver Relais03 bei Relais

SPRACHPFAD: Wolkenzeichen -› Triskweline, SjK-Einheiten [Wolkenzeichen ist eine Verkehrssprache des Hohen Jenseits. Trotz der umgangssprachlichen Wiedergabe kann nur der Bedeutungskern gewährleistet werden.]

VON: Transzendentale Verblüffungs Handels Union bei Wolkenmitte

GEGENSTAND: Frage von Leben und Tod

ZUSAMMENFASSUNG: ›Schiedskünste‹ ist über Netzangriff der Straumli-PERVERSION anheimgefallen. Benutzt Relais im Mittleren Jenseits, bis die Notlage vorüber ist!

SCHLAGWÖRTER: Netzangriff, Maßstab interstellare Kriegführung, Straumli-PERVERSION

VERTEILER:

Interessengruppe Kriegsbeobachter

Interessengruppe Bedrohungen

Interessengruppe Homo sapiens

DATUM: 61,12 Tage seit dem Untergang des Straumli-Bereichs

TEXT DER BOTSCHAFT.

WARNUNG! Der Partner, der sich als ›Schiedskünste‹ identifiziert, wird jetzt von der Straumli-PERVERSION kontrolliert. Das jüngste Angebot von Kommunikations-Dienstleistungen seitens der ›Künste‹ ist ein tödlicher Trick. In Wahrheit verfügen wir über gewichtige Beweise, dass die PERVERSION sensible Netzpakete benutzt hat, um die Verteidigung der ›Künste‹ zu durchdringen und auszuschalten. Große Teile der ›Künste‹ scheinen jetzt unter direkter Kontrolle der Straumli-MACHT zu stehen. Teile der ›Künste‹, die nicht von der ursprünglichen Invasion infiziert worden sind, wurden von den befallenen Teilen vernichtet: Durchflüge lassen mehrere Stellifikationen erkennen.

Was zu tun ist: Wenn ihr in den letzten tausend Sekunden irgendwelche Hochjenseits-Protokollpakete von ›Schiedskünste‹ erhalten habt, sondert sie sofort aus. Wenn sie gelaufen sind, müssen der Ort des Durchlaufs und alle lokal vernetzten Orte sofort physisch vernichtet werden. Uns ist klar, dass das die Zerstörung von ganzen Sonnensystemen bedeutet, aber erwägt die Alternative. Ihr befindet euch unter Transzendentalem Angriff.

Wenn ihr die erste Gefahr übersteht (die nächsten dreißig Stunden oder so), dann liegt auf der Hand, welche Prozeduren relative Sicherheit geben können: Nehmt keine Hochjenseits-Protokollpakete an. Lasst allerwenigstens alle Verbindungen über Orte im Mittleren Jenseits laufen und alles hinab auf örtliche Verkehrssprachen und dann wieder hinauf übersetzen. Für die weitere Zukunft: Offensichtlich ist in unserer Region der Galaxis eine außerordentlich mächtige PERVERSION DER KLASSE ZWEI aufgeblüht. Für die nächsten dreizehn Jahre oder so werden alle fortgeschrittenen Zivilisationen in unserer Nähe in großer Gefahr sein.

Wenn wir den Hintergrund der gegenwärtigen PERVERSION feststellen können, können wir vielleicht ihre Schwäche und einen brauchbaren Schutz herausfinden. An PERVERSIONEN DER KLASSE ZWEI ist immer eine deformierte MACHT beteiligt, die im Hohen Jenseits symbiotische Strukturen bildet – aber es gibt eine enorme Vielzahl von Quellen. Manche sind schlecht geformte Witze von MÄCHTEN, die nicht mehr auf der Bildfläche sind. Andere sind Waffen, die von unlängst Transzendierten und niemals ordentlich Entwaffneten gebaut wurden.

Die unmittelbare Quelle dieser Gefahr ist gut belegt: eine Species, die in jüngerer Zeit aus dem Mittleren Jenseits heraufgekommen ist, hat den Straumli-Bereich gegründet. Wir neigen dazu, uns der in den Botschaften […] geäußerten Theorie anzuschließen, nämlich dass die Straumli-Forscher mit Information aus der Quer-Durch-Gruppe experimentiert haben und dass das Rezept ein selbststartendes Übel aus einer früheren Zeit war. Eine Möglichkeit: Ein Verlierer aus grauer Vorzeit hat Knowhow in das Netz (oder in ein verschollenes Archiv) implementiert, damit seine eigenen Nachkommen es nutzen könnten. Daher sind wir an jeder Information mit Bezug zum Homo sapiens interessiert.

 

Am nächsten Tag machte sich Amdi auf die weiteste Reise in seinem jungen Leben. In Windjacken eingehüllt, fuhren sie auf breiten, gepflasterten Straßen zur Meerenge unter der Burg hinab. Herr Stahl fuhr auf einem von drei Cherhogs gezogenen Wagen voran. Er sah großartig aus in seinen Jacken mit den roten Streifen. In weiße Pelze gekleidete Wachen fuhren zu beiden Seiten neben ihnen, und die strenge Tyrathect bildete die Nachhut. Das Nordlicht war so hell, wie Amdi es nur je gesehen hatte, insgesamt heller als der Vollmond, der über dem nördlichen Horizont lag. Eiszapfen wuchsen von den Dächern der Gebäude herab, manche bis zum Erdboden: im Lichte glitzernde, silbriggrüne Säulen.

Dann waren sie in den Booten und wurden über die Meerenge gerudert. Das Wasser schwappte wie kaltes schwarzes Gestein um die Bootsrümpfe.

Als sie das andere Ufer erreichten, ragte der Schiffsberg über ihnen auf, höher, als je eine Burg sein konnte. Jede Minute brachte neue Eindrücke, neue Welten.

Sie brauchten eine halbe Stunde, um den Gipfel dieses Berges zu erreichen, obwohl ihre Wagen von Cherhogs gezogen wurden und niemand zu Fuß ging. Amdi schaute in alle Richtungen, ergriffen von der Landschaft, die sich im Schein des Nordlichts unter ihnen ausbreitete. Anfangs schien Jefri genauso begeistert zu sein, doch als sie den Gipfel erreicht hatten, blickte er sich nicht mehr um und klammerte sich an seinen Freund, dass es fast weh tat.

 

Herr Stahl hatte Schutzmauern um das Sternenschiff errichten lassen. Drinnen war die Luft ruhig und ein wenig wärmer. Jefri stand am Fuß der zerbrechlich wirkenden Stufenleiter und blickte hinauf zu dem Licht, das aus der offenen Luke des Schiffes strömte. Amdi fühlte, wie er zitterte.

»Macht ihm seine eigene Flugmaschine Angst?«, fragte Tyrathect.

Doch Amdi kannte mittlerweile die meisten von Jefris Ängsten und verstand den größten Teil der Verzweiflung. Wie wäre mir zumute, wenn Herr Stahl umgebracht würde? »Nein, keine Angst. Es ist die Erinnerung an das, was hier geschehen ist.«

Stahl sagte sanft: »Sag ihm, wir können wiederkommen. Er muss nicht heute hineingehen.«

Jefri schüttelte den Kopf, als er den Vorschlag hörte, konnte aber nicht gleich antworten. »Ich muss weitermachen. Ich muss tapfer sein.« Er ging langsam die Leiter hinauf und blieb auf jeder Stufe stehen, um sich zu vergewissern, dass Amdi noch bei ihm war. Die Welpen wurden hin und her gerissen zwischen der Sorge um Jefri und dem wilden Verlangen, sich in das wunderbare Geheimnis zu stürzen.

Dann waren sie durch die Luke hindurch und in der seltsamen Welt der Zweibeiner: helles bläuliches Licht, Luft so warm wie in der Burg… und Dutzende von geheimnisvollen Dingen. Sie gingen an die andere Seite des großen Raums, und Herr Stahl steckte ein paar Köpfe durch den Eingang. Seine Gedankentöne erzeugten laute Echos rings um ihn. »Ich habe die Wände gepolstert, Amdi, aber trotzdem ist hier nur für einen von uns Platz.«

»Hm… ja.« Es gab Echos, und Stahls Verstand klang sonderbar grimmig.

»Es ist an dir, unseren Freund hier zu beschützen und mich alles wissen zu lassen, was du siehst.« Er zog sich zurück, sodass nur noch ein Kopf zu ihnen hereinschaute.

»Ja. Ja! Das werde ich tun.« Es war das erste Mal, dass jemand außer Jefri ihn wirklich brauchte.

 

Jefri ging schweigend in dem Raum mit seinen schlafenden Freunden umher. Er weinte nicht mehr und war nicht in der stillen Beklemmung, die ihn oft ergriff. Er strich mit den Händen leicht über die Särge und schaute auf die Gesichter darin. So viele Freunde, dachte Amdi, die darauf warten, erweckt zu werden. Wie werden sie sein?

»Die Wände? Ich erinnere mich nicht an das da…«, sagte Jefri. Er berührte die schwere Polsterung, die Stahl hatte anbringen lassen.

»Es lässt den Raum besser klingen«, sagte Amdi. Er zog an den Lappen, neugierig, was wohl dahinter sein mochte: Grüne Wand, wie Stein und Stahl zugleich…, und bedeckt von winzigen Buckeln und Fäden von Grau. »Was ist das?«

Jefri blickte über Amdis Schultern. »Och. Schimmel. Er hat sich ausgebreitet. Ich bin froh, dass Herr Stahl ihn zugedeckt hat.« Der Menschenjunge ging wieder weg. Amdi blieb eine Sekunde länger stehen und streckte mehrere Köpfe nahe zu dem Zeug hinauf. Schimmel und Pilz waren ein ständiges Problem in der Burg, die Leute machten andauernd sauber – und Amdi hielt das für abwegig. Er mochte Pilz gut leiden, es war etwas, das auf dem härtesten Fels wachsen konnte. Und dieses Zeug war besonders seltsam. Manche von den Klümpchen waren fast einen halben Zoll hoch, aber fein wie fester Rauch.

Der zurückblickende Teil von ihm sah, dass Jefri zu der inneren Kabine gegangen war. Zögernd folgte ihm Amdi.

 

Dieses erste Mal blieben sie nur eine Stunde lang im Schiff. In der inneren Kabine schaltete Jefri die Zauberfenster an, die nach allen Richtungen schauten. Amdi saß da, und ihm gingen die Augen über; das war ein Ausflug in den Himmel.

Für Jefri war es etwas anderes. Er hockte sich in eine Hängematte und starrte die Steuerpulte an. Die Spannung wich langsam aus seinem Gesicht.

»Mir… mir gefällt es hier«, sagte Amdi zögernd, leise.

Jefri wiegte sich sachte in der Hängematte. »… Ja.« Er seufzte. »Ich hatte solche Angst…, aber wenn ich hier bin, fühle ich mich näher bei…« Er streckte die Hand aus, um zärtlich über die Steuertafel zu streichen, die neben der Hängematte hing. »Mein Vati ist mit dem Ding gelandet, hier hat er gesessen.« Er wandte sich um, schaute auf eine glänzende Lichttafel über sich. »Und Mutti hat die Ultrawelle schon eingestellt… Sie haben alles getan. Und jetzt sind nur noch wir beide da, Amdi. Sogar Johanna ist fort… Es liegt alles an uns.«

 

VRINIMI-KLASSIFIKATION: Organisationsintern GEHEIM. Nicht zur Verbreitung außerhalb von Ring 1 des lokalen Netzes.

TRANSCEIVER RELAIS00 SUCHLOG:

BEGINN: 19:40:40 Dockzeit, 17.1. im Org-Jahr 52.090 [128,13 Tage seit dem Untergang des Straumli-Bereichs]

Sendeschleife nach Verbindungszweigsyntax 14 auf zugeordnetem Überwachungsmodul entdeckt. Signalstärke und S/N kompatibel zu vorher entdecktem Automatiksignal.

SPRACHPFAD: Samnorsk, SjK:Relais-Einheiten

VON: Jefri Olsndot in ich weiß nicht wo

GEGENSTAND: Hallo. Ich heiß Jefri Olsndot. Unser Schiff ist kaput udnd wir brauchen hilfe. bBitte antwortet.

ZUSAMMENFASSUNG: Tut mir Leid wenn ich was falsch mach. Diese Tasten sind DOOF!

SCHLAGWÖRTER: Weiß nicht

AN: jeden zum Weitergeben

TEXT DER BOTSCHAFT: [leer]