43. KAPITEL

Spence musste weinen.

Die Schönheit und Eleganz seiner Prosa fegten über ihn wie die finstere Flut in seinem Roman. Er fühlte es kommen. Mit jedem Satz, jeder Präposition, jedem Satzzeichen näherte er sich dem WORT.

Sein Tippen brachte die Tasten zum Singen, das »Ping« am Ende jeder Zeile verkündete melodisch die bevorstehende Herrlichkeit. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster drang, erhellte den Raum. Dennoch konnte Spence die Seite kaum sehen, so dicht war sein Tränenschleier. Aber er musste auch nichts sehen. Der Ghostwriter in ihm nötigte seine Finger, ließ sie über die Tastatur fliegen, zwang die Worte, die schon längst nicht mehr seine eigenen waren, aus ihm heraus.

Spence fragte sich, ob es irgendeinen Unterschied machen würde. Das Wort Autor war vom Wort Autorität abgeleitet. Er war schon immer stolz darauf gewesen, dass er die Sprache meisterte, sie im wahrsten Sinne des Wortes beherrschte. Dass er mit den Buchstaben jonglieren, mit Worten verzaubern konnte. Dass Verben und Substantive ihm kunstfertig aufs Papier glitten. Aber hier ging es um das Schreiben frei von jeden Hemmungen, um die tiefere Sprache, um die feinen Diskrepanzen zwischen den gesprochenen und gedachten Worten. Hier ging es darum, den Kern der Wahrheit ans Licht zu bringen.

Er bekam kaum mit, dass Bridget auf dem Bett lag. Er würde sich später, bei Einbruch der Dunkelheit, um sie kümmern. Sein Körper erstarkte wieder, durch seine Adern floss frisches Blut, seine Motivation trug neue Früchte. Das Geschenk und der Segen des WORTES. Schon immer hat der Akt des Opferns denjenigen beflügelt, der das Opfer bringt.

Das Zimmer war kalt. Auch das Feuer, das den Kamin heraufkroch, als ob es sich nach der Freiheit des Himmels sehnte, spendete keine Wärme. Seine Finger prickelten vor Kälte, waren fast schon taub. Trotzdem hämmerten sie immer weiter in die Tasten, klirrten auf der Schreibmaschine wie Eiswürfel in einem Glas. Ephram Korban blickte vom Porträt auf Spence herab. In seinen dunklen Augen spiegelten sich die Drehungen und Wendungen der Handlung, er war seine Inspirationsquelle schlechthin.

Bridget kann warten, ungeduldig und leidend im warmen Bett. In diesem Moment zählte nur die Seite. Die letzte Seite.

Spence seufzte. Das Ende war immer wie ein kleiner Tod.

Diese bittersüßen Worte. »Ende.«

Vielleicht war Ende das eine wahre WORT.

Das einzige Wort, das jemals bedeutend war.