22. Kapitel

Das Mädchen floh aus seinem Schlafgemach, als wäre er der Teufel.

Ihre Schrammen waren ihm egal und auch ihr Weinen machte ihm nichts aus. Schließlich war er Merenpath und musste sich abreagieren. Wer jeden Tag über das Leben anderer entschied und sehr diffizile, politische Entscheidungen zu treffen hatte, konnte es sich nicht leisten warmherzig zu sein oder mitzufühlen. Warum auch? Das Mädchen war eines von vielen und sie hatte ihn nur kurz verlockt. Was ihm allerdings zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er keine Erfüllung gefunden hatte. Kurz vor der essentiellen Steigerung hatte er immer nur noch ihre grünen Augen gesehen. Hell und leuchtend und unendlich traurig. Als wäre er schuldig und sie so Gott verflucht unschuldig.

Er war außer sich, unbefriedigt, wütend ... und selbst daran schuld! Warum nur hatte er die Götter betrogen und ihnen vorgeheuchelt er würde die wahre Liebe suchen? Und wer – bitteschön – brauchte Liebe, wenn genau die eine Menge Freiheit kostete? Sein nackter Körper brannte vor Begierde und doch konnte er sie nicht stillen. Ständig musste er an diese verklemmte Blondine denken, die von den Göttern für ihn vorgesehen war und die nur unter bestimmten Bedingungen zu seiner Frau werden konnte. Aber vielleicht spielten die Götter ja längst mit ihm ihr Spiel und nicht umgekehrt. Und womöglich war ihre Wahl nicht ausschließlich zu seinem Besten. Doch genau das würde er schon noch erfahren! Vanessa war schön und bezaubernd, aber sie war nicht gerade in Liebe für ihn entbrannt. Um sie also gefügig zu machen, musste er sie vermutlich anders behandeln, als alle anderen Frauen je zuvor.

Am liebsten hätte er sich ja schon auf sie gestürzt, als sie noch um das Leben ihrer Freundinnen gebettelt hatte. Ihre ehrliche Anteilnahme hatte ihn ganz schön warm gekocht. Dabei war nicht nur Isidoras Tod, sondern auch der ihrer Eltern längst vorprogrammiert. Verrat war schließlich ein sehr schlimmes Vergehen und musste bestraft werden, ... und dass sie ihn verraten hatte war klar, denn das hatte sie bereits bei der ersten, etwas härteren Befragung zugegeben. Ebenso wie ihre blasphemische Liebe zu seiner zukünftigen Gefährtin.

Liebe! Er knurrte und umfasste seine Erektion. Sein Körper gierte immer noch nach Erfüllung. Der halbe Mensch in ihm war so schwach, so besessen von Trieben und der Sehnsucht nach Gefühl, dass seine mächtige Seite diesen Teil oft genug verachtete, obwohl genau die – zugegebener Maßen – auch sehr viel Freude offenbarte.

Nichts!

Auch jetzt war an eine Erfüllung nicht zu denken. Die Natürlichkeit der Sache wurde eindeutig durch ihre verflucht grünen Augen blockiert. Also nahm er seine Hand wieder fort und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu Vanessas Freundinnen. Isidora also sollte sterben, aber die beiden anderen Freundinnen von Vanessas wollte er sich noch ein Weilchen behalten ... als kleinen Zeitvertreib oder Geschenk an wichtige Geschäftspartner oder Militärfreunde. Diese Annika hatte einen sensationellen Vorbau und war ganz sein Typ, obwohl sie keine blonde Mähne hatte. Ja, er mochte blond, aber auch rot, braun und schwarz. Im Prinzip hatte er bei den Göttern nur heruntergeleiert, was ihm auf die Schnelle eingefallen war und was ihm als schön in Erinnerung geblieben war. Schließlich hatte er nur zurückkehren wollen, um zu herrschen und nicht wirklich, um zu lieben. Glaubte er zumindest. Doch ganz sicher war er sich nicht mehr, denn der halbe Mensch in ihm brachte ihn immer wieder auf ganz ungewöhnliche Weise durcheinander.

Er blickte auf die Uhr und lächelte boshaft. Sein neuer Mann musste mittlerweile alles in seinem Sinn erledigt haben und das bedeutete ganz klar Maslovs Tod und Blues mögliche Festnahme. Er hatte alles daran gesetzt den blauen Teufel lebendig zu bekommen und dieser Brandt war ein guter Mann. Sehr gut sogar. Vermutlich befand sich dieser Blue bereits betäubt und sicher verpackt auf dem Weg zu ihm. Die ganze Aktion war natürlich sehr gewagt, aber mit den richtigen Freunden und Papieren konnte man alles erreichen. Und mit der richtigen Pressearbeit selbst eine Flugabwehrrakete in einem Hochhaus erklären. Die Variante einer Gasexplosion lag am nächsten, aber darüber sollten sich seine Freunde in Deutschland Gedanken machen, schließlich war es ihr Land und ihre Hysterie.

Verärgert starrte er noch einmal auf seine Erektion. Ohne Gefährtin ging offenbar gar nichts mehr. Natürlich war er versucht gleich noch einmal nach ihr zu sehen und sich einfach zu nehmen, wonach ihm der Sinn stand, doch die Götter hatten ihm eine klitzekleine Bürde aufgehalst und die lautete: „Aus freien Stücken.“

„Scheiße noch mal“, schrie er laut, damit alle seine Bediensteten seine miese Stimmung bemerkten. Er war Merenpath und ein Halbgott und dann sollte er um die Gunst einer einfachen Frau buhlen? Das Bild von Vanessas grünen Augen drängte sich erneut auf, aber dieses Mal stellte er überrascht fest, dass ihn diese Farbe zu beruhigen vermochte. Ihr ganzes Wesen schien es zu tun. Trotzdem musste er sich gut überlegen, wie er sie für sich gewinnen sollte, ohne sich zu erniedrigen. Für den Fall, dass einfache Verführung nicht funktionierte, brauchte er eben auch einen sicheren Plan B. Und den hatte er.

Mit einem Ruck sprang er aus dem Bett und griff zu seinem Telefon. Martin Brandt musste ihm jetzt endlich einen Bericht abliefern. Wenn Maslov tot war und Blue in seinem Gewahrsam, dann war es nicht mehr weit, bis er Vanessa mehr oder weniger freiwillig dazu bringen würde, alles für ihn zu tun, was er sich so mit ihr vorstellte. Gut, sie war eine Jungfrau und hatte keine Ahnung was Männer brauchten, aber schließlich war selbst der dümmsten Braut irgendwann beizubringen, was er mochte und worauf er Wert legte. Und er legte auf verdammt viel Wert.

Das Telefon läutete, bevor er wählen konnte. Merenpath lächelte, weil sein bester Mann genau zum richtigen Zeitpunkt anrief.

„Gut. Okay. Sehr fein. Was?“ Merenpath wurde ein wenig unruhig. Martin Brandt erzählte zwar von der gelungenen Eliminierung des Betrügers samt Personal, doch was Blue anging, schien nicht alles so reibungslos gelaufen zu sein. Die Verbindung war schlecht, die Stimme abgehackt, aber er verstand genug. Maslov war tot und Blue noch am Leben und in seiner Hand. Und das war schließlich alles, worum es hier ging.

„Rückzug. Ich erwarte euch in spätestens drei Stunden hier in Kairo.“ Merenpath war schon seit Monaten von El Charga in diese große Metropole übersiedelt. Seit er vom wahren Ausmaß der blauen Magie erfahren hatte, war er davon überzeugt, den Tempel mit dem mächtigen Gefäß nicht mehr zu brauchen. So wie er sich das vorstellte, würde er mit Blue und Vanessa alles haben, was er zu seiner Vervollständigung benötigte. Seine Gefährtin würde seinen Körper nähren und Blue seine Magie.

Das Mädchen hatte keine Ahnung, dass er nicht nur Sex von ihr brauchte, sondern auch ihr Blut. Er war nicht etwa ein Vampir und hatte auch keine Reißzähne, doch er würde sich von ihrer Lebenskraft nähren und die seine damit verlängern. Für das Bündnis auf Lebenszeit müsste sie dann auch sein Blut trinken. Regelmäßig, denn das war nun einmal der Preis einer Partnerschaft mit einem Halbgott. Der Gedanke ihr Blut zu trinken, erregte ihn, verschaffte ihm eine noch härtete Erektion als zuvor. Er stöhnte auf und wünschte sich endlich Erfüllung zu finden. Sein mächtiger Anteil wollte die Abhängigkeit vielleicht nicht, doch sein Herz und sein Schwanz sehnten sie herbei. In seinem Innersten tobte ein Sturm. Ein Wirbelsturm. So unschuldig wie das Mädchen derzeit noch war, würde er allerdings einen Weg finden müssen, das Blutritual zu tarnen. Sonst würde sie es vermutlich verweigern. Vermutlich musste er sie über die Maßen verwöhnen und die Blutaufnahme damit verbinden. Lust und Leidenschaft konnten hier die Schlüssel zu neuen Wahrheiten sein. Im Taumel ihrer Lust würde Vanessa schon Dinge tun, die sie nie für möglich gehalten hatte und alleine diese Vorstellung milderte seinen Zorn und seine heimliche Abneigung gegen den unberechenbaren Deal mit Göttern. Götter waren für ihre Launen bekannt, aber wenn er ehrlich war, spornten ihn die Ecken und Kanten dieses Deals auch an. Diese junge Frau dazu zu bringen ihre Schenkel freiwillig zu öffnen, war eine Herausforderung. Ihm ihr Blut mit aller Hingabe zu schenken, erschien aus heutiger Sicht fast unmöglich ... und genau das machte ihn nicht nur heiß, es brachte ihn völlig um den Verstand. Kurz überlegte er noch einmal nach dem Mädchen zu rufen, das zuvor schon versucht hatte ihn zu befriedigen, doch stattdessen packte er wieder selbst seine Erektion und begann zu reiben. Noch nie hatte er etwas so gewollt und der Moment war einfach dringlich. Mit lustvoll verdrehten Augen rieb er seinen mächtigen Penis und stellte sich seine zukünftige Gefährtin vor Lust stöhnend und windend unter sich vor. Während er tief in sie hineinstieß, kostete er intensiv von ihrem blutroten Mund. Es war ein Kuss der Erfüllung brachte, den Pakt besiegelte und die Vereinigung mit ihrem Blut sicherte. Merenpath rieb noch schneller als zuvor und spürte die Vorstufe zu einer Intimität, die er bisher nicht gekannt hatte. Und die er nun wollte. Mehr als alles andere. Ja, das könnte funktionieren! Endlich! Er brauchte nur eine Fantasie zu seiner Zukünftigen, dann war auch Erfüllung wieder möglich.

„Ja“, stöhnte er heiser, stieß ein letztes Mal in seine Hand und kam ungewöhnlich lange und intensiv zum Höhepunkt. Er keuchte laut und musste sich an der nächstbesten Wand abstützen. Endlich Erfüllung. Und das alleine durch ihre Kraft, seine Fantasie und seine gesegnete Hand.

Zufrieden und zuversichtlich schlüpfte er später in sein Gewand. Er hatte etwas Wesentliches begriffen und war mit einem Mal voller Vorfreude, doch noch Liebe finden zu können. Eine Ahnung zu dem Gefühl hatte er sich gerade selbst (herunter)geholt und das machte ihn zuversichtlich, dass es etwas zwischen Himmel und Erde gab, das er noch nicht kannte, aber für sein Leben entdecken durfte. Ja, er fühlte sich gut, denn er wusste, dass diese Frau ihm schon bald zu Willen sein würde. Er brauchte nur einfach eine neue Taktik und eine Art kleinen Relaunch seines Charakters, auch wenn das schmerzen und gegen seine Prinzipien laufen würde. Doch einen Versuch war es wert.

Also hieß es über seinen Schatten zu springen und Milde zu zeigen. Er würde Isidora und eine weitere Freundin frei und wieder nach Europa bringen lassen. Das Mädchen mit den schönen Brüsten aber würde er sicherheitshalber noch in Gewahrsam behalten. Wenn nicht für ihn, dann für diesen Brandt. Der hatte diesbezüglich schon so eine Andeutung gemacht, weil er bereits vor zwei Jahren Gefallen an dem schönen Mädchen gefunden hatte. Damals war er aber noch an einen Ehrenkodex gebunden gewesen, der sich erst durch den Vertrag mit ihm erledigt hatte. Überläufer kannten in der Regel keine Ehre mehr.

Ein selbstgefälliges Grinsen überzog seinen Mund. Die Idee, guten Willen zu zeigen und zwei der Mädchen gehen zu lassen, brachte ihm sicher ein paar Pluspunkte bei Vanessa. Und genau darauf kam es schließlich an. Soweit er wusste, war es nur eine Frage der Zeit, dass sich eine Frau verliebte, wenn genug von diesen Punkten gesammelt worden waren. Und wer konnte letztendlich zu einem Halbgott schon nein sagen? Das ganze Hin und Her zwischen Europa und Afrika war zwar aufwändig, aber Kosten spielten keine Rolle, wenn er dafür eine willige Gefährtin bekam.