39

»Beim Schicksal geht es nicht um Zufälle. Es geht um eine Wahl. Es ist nichts, auf dessen Eintreten man einfach warten könnte, sondern etwas, das errungen sein will.«

WILLIAM JENNINGS BRYAN

 

 

Manny, folge meiner Stimme …«

Er liegt in einer Grube, deren Kälte ihm bis in die Knochen dringt. Nach einer Ewigkeit der Leere und der Dunkelheit entdeckt er ein rosafarbenes Schimmern hinter seinen geschlossenen Augenlidern, die wie von Bernstein umhüllt wirken.

»Versuche, deine Augen zu öffnen.«

Er kämpft gegen ein Gewicht an, das sich nicht von der Stelle rührt, bis er entdecken muss, dass er, so scheint es, keine Arme mehr besitzt.

»Kämpfe dich frei. Schaffe dir Schmerz.«

Dunkelheit umhüllt ihn von allen Seiten, und er drückt sein blutendes Gesicht gegen eine kalte Steinmauer. Wieder und wieder presst er sich gegen die Wände seines Verlieses, bis er irgendwo tief in einem Abgrund das Kribbeln seiner Hände spürt. Ermutigt drückt er sich mit neuer Kraft gegen die abgerundeten Wände, während er unablässig seine verloren geglaubten Hände öffnet und schließt und der Schmerz seine Arme ins Leben zurückruft. Seine Finger kriechen den zerschmetterten Oberkörper hinauf zu dem kranken Fleisch, das er zu einer blutigen Masse geschlagen hat, und umschließen den Bernstein, der seine Augen versiegelt, bis er das Licht entschleiert und …

… sich in einem zwiebelförmigen Raum wiederfindet, dessen geschwungene, onyxfarbene Wände von zahllosen bunten Kontrolllichtern erleuchtet werden. Ein dreihundertsechzig Grad umfassendes Observationsportal gibt ihm den Blick auf die im All schwebende Erde frei.

Seine Seelengefährtin beugt sich über ihn und küsst ihn. »Willkommen daheim.«

»Laura?« Er setzt sich auf und umarmt völlig erschöpft seine Frau. »Ich habe dich schrecklich vermisst. Was ist geschehen? Wo sind wir? Wo ist Sophia?«

»Ich bin hier, Dad.«

Immanuel wendet sich einem Hologramm zu. Die Darstellung einer Hotelsuite in Las Vegas erscheint mitten im Steuerungszentrum. Seine Tochter steht zwischen Mick und Dominique. Im Hintergrund sitzen Kurtz und Beck auf einem Balkon, der auf den Strip hinausgeht. Sie essen etwas, das offensichtlich vom Zimmerservice geliefert wurde.

»Das verstehe ich nicht. Laura, wo sind wir? Wo ist Sophia?«

»Sie ist auf der Erde, in Sicherheit. Wir sind an Bord der Balam. Im Nexus.«

»Der Balam? Wie? Warum?«

»Du bist an Bord der Balam, weil ich schwanger bin«, antwortet Dominique mit einem schiefen Grinsen. »Wir hatten keine andere Wahl. Du lagst im Sterben, Manny. Offensichtlich kann die Seele nicht zur selben Zeit in zwei verschiedenen physischen Hüllen existieren.«

»Wir sind gelandet, nachdem der Marsmond das Strangelet versiegelt hatte«, erklärt Mick. »Das Raumschiff hat dich geschützt, indem es sich in den Nexus begeben hat. Die Dimensionenverbindung wird dafür sorgen, dass der Sternenkreuzer nicht mit Radar oder Teleskop zu entdecken ist.«

»Aber was passiert, wenn ich … wiedergeboren werde?«

Laura hilft ihm aufzustehen. »Da wird es keine Probleme geben. Komm, ich will dir etwas zeigen.« Sie führt ihn dicht an das Observationsportal heran.

»Mein Gott …« Durch den Raum wirbelt ein Wurmloch. Sein Ereignishorizont ist stabil und scheint sie geradezu zu rufen. Neben der Eintrittsöffnung schweben Hunderte außerirdische Raumschiffe der verschiedensten Formen und Größen.

»Was machen die da draußen?«

Sie drückt seine Hand. »Sie warten auf dich.«

»Was meinst du wohl, wohin das Wurmloch führt?«

»Das weiß ich nicht, Baby. Wie wär’s, wenn wir das zusammen herausfinden?«

»Laura, nein. Ich kann nicht zulassen, dass du das tust.«

»Ich komme mit dir, Sa … äh … Manny. Tut mir leid, es wird noch eine Weile dauern, bis ich mich an diesen Namen gewöhnt habe. Aber es ist unsere Bestimmung, zusammen zu sein, da bin ich mir ganz sicher. Also denk erst gar nicht daran, mich zurücklassen zu wollen. Ich habe elf Jahre darauf gewartet, wieder bei dir zu sein, und jetzt weiche ich nicht von deiner Seite. Davon abgesehen, auch ich bin eine Hunahpu.«

Er beugt sich vor und küsst sie. »Was ist mit Sophia? «

»Ich bleibe hier«, erwidert seine Tochter. »Mick und Dom sagen, dass ich bei ihnen wohnen kann. Es wird schwierig werden, wieder normal zu sein, aber ich muss es versuchen. Außerdem werden sie Hilfe mit den Zwillingen brauchen.« Sie lächelt. »Wie viele Menschen können schon von sich behaupten, dass sie bei ihrem eigenen Vater den Babysitter gespielt haben?«

»Das Kind wird nicht dein Vater sein«, sagt Mick. »Die Zeitschleife hat sich aufgelöst. Die Lebensspanne deines Vaters ist ein loses Ende, kein zurückführender Bogen in der Raumzeit. Es ist unmöglich vorauszusehen, was von heute an geschehen mag. Vielleicht ist das auch gut so.«

Kurtz tritt nach vorn. »Der Präsident weiß, was du geleistet hast, Manny. Er macht die Sache zwar nicht öffentlich, aber er kümmert sich darum, dass für deine Familie gesorgt wird. Mick hat die Balam dazu benutzt, den unterirdischen Komplex bei Groom Lake zu zerstören. Majestic-12 ist Geschichte.«

»Was ist mit Borgia?«

»Borgia sitzt im Knast, weil er Randolph ermordet hat. Mögen beide in der Hölle verrotten.«

»Mitch, da ist noch etwas, das du und Beck für mich tun müsst. Es ist sehr wichtig.«

»Raus mit der Sprache.«

Die Balam verlässt die Erdumlaufbahn und gleitet lautlos auf die Öffnung des Wurmlochs zu. Immanuel Gabriel umarmt seine Frau und Seelengefährtin, sein Herz ist übervoll und …

… seine Bestimmung erwartet ihn.

Plötzlich beschleunigt der goldene Sternenkreuzer und dringt in die Öffnung ein. Unverzüglich folgen ihm die außerirdischen Raumschiffe.

Nur Sekunden später verschwindet das Wurmloch und transportiert seine Passagiere durch Raum und Zeit.

2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
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