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»Wenn diese Welt plötzlich von der Spezies eines anderen Planeten bedroht würde, würden wir all die kleinen lokalen Differenzen zwischen unseren Ländern vergessen.«
PRÄSIDENT RONALD REAGAN 4. Dezember 1985
»Bei unserem Treffen in Genf sagte
der amerikanische
Präsident, dass bei einer bevorstehenden
Invasion
der Erde durch Außerirdische Amerika und
die
Sowjetunion zusammenstehen würden, um
eine
solche Invasion zu verhindern.«
PRÄSIDENT MICHAIL GORBATSCHOW 6. Februar 1987 in Soviet Life
Unterirdische Einrichtung von
MAJESTIC-12 (S-66)
22 Kilometer südlich der
Groom Lake Air Force Base (Area 51)
North Las Vegas, Nevada
»Wir nennen sie EBEs – Extraterrestrische Biologische Entitäten. Du und dein ehemaliger Kumpel Julius – ihr müsstet eigentlich besser wissen als wir, wie lange sie schon auf die Erde kommen. Vielleicht betrachten sie unseren Planeten als eine Art Urlaubsziel.«
»Das möchte ich doch sehr bezweifeln.« Pierre Borgia legt die Füße auf den Schreibtisch seines Onkels. »Julius, Maria und ich haben in mündlich überlieferten Geschichten überwältigende Hinweise auf den Kontakt zu Außerirdischen entdeckt – und ebenso in Steinritzungen, Petroglyphen und anderen Reliefs, die man bei den meisten alten Kulturen finden kann. Schon früh bildete sich als das dominierende Thema bei diesen Begegnungen heraus, dass unsere Spezies mit Wissen beschenkt wurde. Natürlich kann man diese Geschenke auch ganz wörtlich verstehen, wenn man eine gewisse Passage aus dem 6. Kapitel der Genesis liest: ›Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne (Nephilim) zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.‹ Nephilim heißt auch die Gefallenen, wie in aus dem Himmel gefallen.«
»Die Gottessöhne, die mit den Töchtern der Menschen Kinder zeugen? Jesus Christus, kein Wunder, dass einige von denen so aussehen wie wir. Gerissene Bastarde – sie haben unsere DNA benutzt, um unsere Welt zu infiltrieren.«
»Die Bibel ist nicht einmal das älteste Zeugnis für den Kontakt zu Außerirdischen. In einigen Höhlen in Tansania gibt es Bilder von Raumfahrern, die 29 000 Jahre alt sind. Eine siebentausend Jahre alte Felszeichnung, die man in Querétaro in Mexiko entdeckt hat, zeigt vier außerirdische Gestalten, die sich, von Lichtstrahlen umgeben, zu einer großen fliegenden Untertasse hinaufstrecken. Artefakte im Irak, die bis auf die Zeit um 5000 v. Chr. zurückreichen, stellen sumerische Götter dar, die wie reptilienartige Raumfahrer aussehen und den Göttern ähneln, die im alten Ägypten verehrt wurden. Im Britischen Museum gibt es Töpferwaren und andere Erzeugnisse aus Ton, die mit Eidechsenköpfen verziert sind und die man der Obed-Kultur aus derselben Periode zuordnen kann. Der nepalesische Künstler, der das Lolladoff-Artefakt geschaffen hat, hat ganz offensichtlich ein scheibenförmiges Raumfahrzeug und daneben einen kleinen grauen Alien dargestellt.
Noch faszinierender und nicht so leicht beiseitezuwischen sind jüngere künstlerische Darstellungen aus Europa. Über dem Altar des Klosters Visoki Dečani im Kosovo hängt ein aus dem Jahr 1350 stammendes Gemälde mit dem Titel Die Kreuzigung. Es zeigt Jesus am Kreuz, während im Hintergrund ein UFO am Himmel vorüberfliegt. Ein Fresko der Madonna mit Kind aus dem vierzehnten Jahrhundert zeigt ein ähnliches Raumschiff, desgleichen ein Gemälde von Domenico Ghirlandaio aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit dem Titel Die Madonna mit dem heiligen Johannes. Im Bayerischen Nationalmuseum befindet sich ein Wandteppich mit dem Titel Der Triumph des Sommers. Er wurde 1538 geschaffen und zeigt am oberen Rand der Szene eindeutig mehrere scheibenförmige Objekte. Eine Illustration im Theatrum Orbis Terrarum stellt dar, wie die Besatzungen zweier holländischer Schiffe in der Nordsee zwei scheibenförmige Objekte am Himmel beobachten. In Frankreich wurde im Jahr 1680 sogar eine Münze geprägt, auf der ein schwebendes UFO zu sehen ist.«
»Pierre, sehe ich etwa so aus, als würde ich mich auch nur einen Scheiß für irgendeine Froschfressermünze interessieren?«
»Tut mir leid. Ich dachte nur … ich meine, ich habe fünfzehn Jahre damit verbracht, diese Dinge zu erforschen, und du hast mich schließlich hierhergeholt, weil ich Anthropologe bin.«
»Wenn du das wirklich glaubst, dann bist du so bescheuert wie mein Bruder. Junge, wach auf. Du bist hier, weil die Konzerne, die dieses Unternehmen finanzieren, einen zukünftigen Verbündeten im Weißen Haus brauchen – und keinen weiteren Schwachkopf mit Rechenschieber und Universitätsabschluss. Wir sitzen auf einer Goldgrube des technologischen Fortschritts, der Auswirkungen auf die Zukunft des gesamten Planeten haben wird. Im Besonderen geht es um eine saubere Energiequelle, die in Kürze unsere Öl – und Atomindustrie überflüssig machen könnte, sollte sie in die falschen Hände geraten. Glaubst du etwa, wir lassen die amerikanische Wirtschaft einfach so untergehen und bitten die Ölgesellschaften, das Ganze mit Fassung zu tragen? Das werden weder du noch ich je erleben. Nein, Sir. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden der militärisch-industrielle Komplex und Big Oil die neue Technologie schrittweise und entsprechend unseren Vorstellungen einführen – und zwar mit gewaltigem Profit und auf eine Art und Weise, dass wir auch weiterhin die Kontrolle über die Weltwirtschaft behalten und die verdammten Russen und Chinesen nichts zu melden haben.«
»Was genau soll ich hier unten für dich tun?«
»Zuerst und vor allem brauche ich dich als Gegengewicht während der Befragungen unserer außerirdischen Besucher. Es gibt hier zu viele großherzige, liberale Typen im Laborkittel, die Bäume umarmen, an Einhörner glauben und davon überzeugt sind, dass diese neue Energie jedem kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollte. Diese Eierköpfe haben keine Ahnung, wie die Welt wirklich funktioniert. Die meisten von denen glauben, wir hätten es mit einer Hollywood-Version von E. T. zu tun. Bis heute haben wir mehr als sechzig verschiedene Wesenheiten katalogisiert, von denen die meisten natürlich tot sind. Wir wissen nicht, ob wir es mit Freund oder Feind zu tun haben, mit biologischen Arten oder Unterarten, die mit uns konkurrieren, oder mit Wesen aus einer anderen Dimension. Wie ich schon sagte: Einige dieser Außerirdischen wirken so menschlich, dass sie sich leicht in unserer Gesellschaft assimilieren könnten.«
»Woher willst du wissen, dass es Außerirdische sind, wenn sie genauso aussehen wie wir?«
»Sie sind uns physisch überlegen. Ihr Gesichtssinn, ihr Gehör und besonders ihr Geruchssinn sind viel weiter entwickelt. Ihre Augen sind aquamarinblau, fast türkisfarben, und sie funkeln wie die Iris einer Katze in der Dunkelheit. Darüber hinaus verständigen sie sich durch Telepathie. Das machen übrigens alle diese Lebensformen. Glücklicherweise ist es uns gelungen, einige zuverlässige menschliche Telepathen zu gewinnen, die die Befragungen für uns durchführen. Du sollst dafür sorgen, dass bei diesen Befragungen ausschließlich die Technologie der Außerirdischen im Mittelpunkt steht.«
»Wen oder was genau befrage ich?«
»Einen der Grauen. Die Grauen sind unterschiedlich groß, aber sie alle verfügen über dieselbe grundlegende DNA-Struktur, die für ihre großen Augen und ihren unbehaarten grauen Körper verantwortlich ist. Unser Besucher ist seit etwas mehr als sieben Monaten bei uns. Er hat am 28. September 1989 bei Moriches Bay auf Long Island, New York, eine Bruchlandung hingelegt. Es waren neun Graue an Bord, aber nur er hat überlebt – wenn es denn ein ›er‹ ist. Ihm hängen keine Nüsse von den Zweigen, wenn du verstehst, was ich meine. Bei diesen Wesen befindet sich alles im Körper. Wo bleibt da nur der Spaß? Trotzdem sind sie uns wahnsinnig überlegen. Die Raketentechniker von Lockheed halten es nicht lange mit ihnen aus, weil sie immer gleich so überwältigt sind. Für E. T. ist es wahrscheinlich so, als bringe er seinem Schoßhündchen Algebra bei. Nein, stimmt nicht. Wahrscheinlich sind wir für diese Wesen eher Hunde mit großen Zähnen als süße Kuscheltiere.«
»Warum beschränkt ihr euch nicht darauf, nur die menschenähnlichen Außerirdischen zu befragen, wenn bei den anderen alles so schwierig ist?«
»Da müsste man erst mal einen lebend in die Finger bekommen. In den seltenen Fällen, in denen es zu einer Bruchlandung mit derartigen Gestalten kam, haben sich diese Wesen lieber umgebracht, als mit MJ-12 zu kooperieren. Aber wir haben natürlich Autopsien durchgeführt, weswegen wir ihre inneren Organe und ihre Blutgruppe kennen. Rh-negativ.«
»Rh-negativ? Bist du dir sicher?«
»Ja, ich bin mir sicher. Was ist daran so Besonderes?«
»Onkel Joe, ich weiß, dass dein Interesse ausschließlich militärischen Aspekten gilt und dass ihr eure Mitarbeiter eher nach der Zahl der durchlaufenen Sicherheitsüberprüfungen auswählt und nicht so sehr nach ihrer Begabung, aber du musst unbedingt dafür sorgen, dass es in deinen Kreisen auch ein paar Leute mit medizinischem Sachverstand gibt. Der Rhesusfaktor ist ein Protein im menschlichen Blut, das unser genetisches Erbe mit dem anderer Primaten verbindet, besonders mit dem des Rhesusaffen. Etwa fünfundachtzig Prozent der Weltbevölkerung sind Rh-positiv, was bedeutet, dass sie über diese evolutionäre Verbindung verfügen. Doch schon seit Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Frage, wie sich jener Ast des menschlichen Stammbaums entwickeln konnte, der für die anderen fünfzehn Prozent von Homo sapiens steht. Tatsächlich war der negative Rhesusfaktor der Anstoß zu meiner gemeinsamen Arbeit mit Julius und Maria nach meinem Abschluss in Cambridge. Erst als Julius aus unseren Forschungen durchgeknallte Spekulationen über den Weltuntergang gemacht hat, habe ich die beiden verlassen.«
»Und nachdem er mit deiner Verlobten durchgebrannt ist.«
»Sei’s drum. Die beiden haben geheiratet, sie wurde krank und ist gestorben. Es ist vorbei. Wenn allerdings, wie du sagst, diese Außerirdischen allesamt Rh-negativ sind, dann hat meine Arbeit einen echten Sinn. Denk doch mal an diesen Abschnitt aus der Genesis. Wenn die Nephilim wirklich mit den Frauen der Vorzeit Kinder gezeugt haben, dann ist dabei möglicherweise eine höher entwickelte menschliche Subspezies entstanden … und zwar vielleicht schon vor 30 000 Jahren, zu einer Zeit, in der auch die entsprechenden Höhlenmalereien geschaffen wurden. Solche Begegnungen fanden wohl nur an wenigen Orten statt, vor allem in Ägypten und in Teilen Südostasiens. Von dort aus gelangten Nomadenstämme über die während der letzten Eiszeit vorhandene Landbrücke nach Nordamerika. Später haben sie sich mit den Indianerstämmen ebenso vermischt wie mit den Olmeken, der Mutterkultur Mittelamerikas. Hast du jemals einen dieser zehn Tonnen schweren Olmeken-Köpfe gesehen? Die Gesichtszüge sind eindeutig asiatisch. Die genetische Ausstattung der Maya, Azteken, Inkas und Ägypter ließ diese Kulturen überdauern, während andere Stämme zugrunde gingen. Ihre Anführer – Kukulkan, Quetzalcoatl, Viracocha und Osiris – besaßen eindeutig Rh-negative Charakteristika, unter anderem einen zusätzlichen Wirbelknochen, überragende Intelligenz, ausgeprägtere Sinneswahrnehmungen und azurblaue Augen. Und jeder dieser Anführer hatte einen verlängerten Schädel.«
»Ja, das mit den verlängerten Schädeln wissen wir. Auch die Grauen verfügen darüber. Ich bin aber nicht sicher, ob ich deiner E.T.-Theorie über Rh-negative Menschen zustimme. Fünfzehn Prozent von sechs Milliarden sind ganz schön viele Außerirdische.«
»Außerirdische Gene, das ist ein Unterschied. Ein reinblütiges Kind oder ein genetischer Schluckauf wäre etwas völlig anderes.«
»Ein genetischer Schluckauf?«
»Ein Kind, dessen Herkunft mütterlicherseits eine starke Verbindung zu einem der ursprünglichen Injektionspunkte zeigt und dessen DNA sich gegen alle Wahrscheinlichkeit durchsetzt. Wie wenn zwei braunäugige Eltern vier Kinder bekommen und ein Kind blaue Augen hat, die sich auf einen Urgroßelternteil zurückverfolgen lassen. Der Rh-Faktor ist wie eine Sonder-Auffahrt auf den genetischen Highway, der aus der tiefsten Vergangenheit kommt. Und er ist ein überaus bedeutender Indikator. Wenn eine Mutter mit Rh-negativem Blut ein Rh-positives Kind zur Welt bringt, kann die Mischung der beiden Bluttypen zu einer allergischen Reaktion führen, die als hämolytisch-urämisches Syndrom bezeichnet wird. Das Kind kann daran sterben, hast du das gewusst? Die Rh-positiven Blutzellen des Kindes greifen die Rh-negativen Blutzellen der Mutter an, als handle es sich um fremde Eindringlinge. Ganz offensichtlich gab es während der Evolution des Homo sapiens eine Art genetische Umgehungsstraße, über die diese Charakteristika unserem Genpool hinzugefügt wurden.«
»Wenn das wirklich so ist, dann sollten wir dafür dankbar sein, dass sich nicht auch noch die Reptilienartigen mit uns eingelassen haben. Mit den Typen gibt es immer nur Ärger.«
»Sind sie uns feindlich gesinnt?«
»Ich habe den Eindruck, dass die Nordischen Gestalten sie im Zaum halten, aber in Gefangenschaft machen sie sich nicht besonders gut. Das gilt eigentlich für alle Außerirdischen. Wir dürfen den Grauen nur zweimal im Monat befragen, und dann nie länger als drei bis vier Stunden am Stück, je nachdem, wie gut er damit zurechtkommt.« Randolph wirft einen Blick auf seine Uhr. »Nun, Alice, bist du bereit, den verrückten Hutmacher zu treffen?«
»Schluss mit diesen Anspielungen auf Alice im Wunderland, Onkel Joe. Das ist nicht bloß eine Spielerei.«
»Aber verrückt machen kann es einen trotzdem.«
Nazca, Peru
Das kleine Haus der Gabriels besitzt ein Flachdach, das Michael Gabriel während der letzten sechs Monate als Schlafzimmer gedient hat. Für den Fremden namens Sam wurde eine zweite Luftmatratze hinaufgebracht.
Sam und Laura sind alleine auf dem Dach. Sie liegen auf einer der Luftmatratzen auf dem Rücken. Der mitternächtliche Himmel ist voller Sterne; keine Lichtverschmutzung begrenzt die freie Sicht nach oben.
»Woran denkst du, Sam?«
»Ich dachte gerade, dass der Himmel so friedlich aussieht. Und ich dachte, wie schön es doch wäre, sich keine Sorgen zu machen.«
»Was für eine merkwürdige und doch so vielsagende Antwort. Vielleicht warst du ein Navigator, der seine Route anhand der Sterne bestimmt hat.«
»Nein.«
»Nein? Wie kannst du so sicher sein? Bis heute Nachmittag wusstest du nicht einmal, dass dein Name Samuel Agler ist.«
»Als Michael mich Samson nannte, fühlte sich das einfach richtig an. Ich war kein Navigator, und ich war kein Pilot. Denn das fühlt sich nicht richtig an.«
»Und was ist mit dieser Lauren? Fühlt sich das richtig an?«
»Es gab einmal eine Lauren. Doch es gibt sie nicht mehr.«
»Ich möchte nicht wie eine kaputte Schallplatte klingen, und doch: Wie kannst du so sicher sein? Wurde sie wie Lilith geköpft? Hast du das gesehen?«
»Ich weiß, dass sie nicht mehr ist. Ich kann die Leere in meinem Herzen fühlen.«
»Und Chilam Balam? Du hast mir vorhin gesagt, dass auch er eine ähnliche Leere empfunden hat.«
Sam setzt sich auf. »Machst du dich lustig über mich? Zweifelst du an meinem Schmerz?«
»Nein.«
»Warum ist das dann so wichtig für dich?«
Sie steht auf und geht an den Rand des Dachs. »Es ist wichtig, weil ich mich sowohl körperlich als auch spirituell zu dir hingezogen fühle. Aber ich weiß nichts über dich. Meine Seele sagt mir, dass du ein guter Mensch bist, so nobel wie nur irgendein guter Krieger. Doch mein Überlebensinstinkt rät mir zu fliehen und sagt mir, dass ich einen Weg voller Gefahren einschlagen würde, sollte ich meinen Karren an deinen Karren binden. Einem Teil von mir gefällt dieser Aspekt, doch wie wohl jede andere Frau muss ich wissen, ob es keine Lauren Agler gibt, die irgendwo da draußen in einem Klinikbett liegt und darauf wartet, dass Samson wieder an ihre Seite zurückkehrt. Und natürlich mache ich mir auch Gedanken über einen Haufen kleiner Agler-Kinder, die nachts nach ihrem Papa rufen.«
»Lauren ist gestorben. Es gab keine Kinder.«
»Und das weißt du, weil es sich richtig anfühlt.«
»Wenn du dein Gedächtnis verloren, aber zuvor Kinder geboren hättest – glaubst du, dass deine Erinnerungslücken dann deine mütterlichen Instinkte täuschen könnten?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Dann zweifle nicht an meinen Instinkten. Denn ich verspreche dir, wenn meine Frau und meine Kinder irgendwo da draußen wären und meine Hilfe bräuchten, würde ich nicht hier unter den Sternen liegen. Ich würde hinaus in die Nacht stürmen und versuchen, sie zu finden.«
»Eine gute Antwort.« Lächelnd wischt sie sich eine Träne aus dem Gesicht. »Du bist ein heimlicher Romantiker, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht. Bin ich das?«
»Nun, ich vermute, es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.« Sie zieht ihr T-Shirt und ihre Shorts aus und geht zu ihm zurück.
Julius Gabriel und sein Sohn drängen sich um eine Öllampe. Aufnahmen der Nazca-Spirale bedecken den Picknicktisch vor ihnen.
Michael blickt auf. Er hört seine Tante stöhnen. »Ich hoffe, das Dach hält.«
»Machen wir einen Spaziergang.«
Sie verlassen das Haus und gehen in Richtung Westen an mehreren Streifen Land vorbei, auf denen Setzlinge des Huarango-Baums stehen.
»Tante Laura ist schrecklich verliebt in ihn, stimmt’s?«
»Das hätte sogar ein Affe herausfinden können. Trainieren wir doch dein erstaunliches Gehirn mit etwas Schwierigerem. Dein Freund ist ein verwirrendes Puzzle. Zähl mir die einzelnen Teile auf.«
»Er glaubt, dass er zu einer Zeit, als Nazca grün war, als Chilam Balam gelebt hat. Da dies in der Vergangenheit noch nie der Fall war, muss er diese Erfahrung – wenn überhaupt – in ferner Zukunft gemacht haben.«
»Weiter.«
»Als Samuel Agler wurde er Zeuge, wie ein Schwarzes Loch die Erde verschlungen hat. Da auch dieses Ereignis bisher nicht eingetreten ist, muss er durch ein Wurmloch in unsere Zeit zurückgereist sein.«
»Was bedeutet?«
»Was bedeutet, dass er in die Zukunft und in die Vergangenheit reisen kann.«
»Weiter.«
»Nur von einer sicheren Position im Weltall aus könnte er sehen, wie unser Planet verschlungen wird. Was bedeutet, dass es irgendwo auf dem Plateau ein Raumschiff oder zumindest die Überreste eines Raumschiffs gibt, mit dem er durch dieses Wurmloch in der Zeit zurückgereist ist.«
»Sehr gut. Und morgen werden wir nach diesem Raumschiff suchen. Aber ohne ihn.«
»Ich bin sicher, dass es Laura gelingt, ihn zu beschäftigen. Was der wahre Grund ist, warum du sie aus Spanien hast hierherfliegen lassen.«
»Weiter.«
»Laura ist Rh-negativ. Wie Mom … wie ich. Nur dass das verantwortliche Gen in ihr dominant ist.«
»Und deshalb müssen wir genau darauf achten, was wir ihr über Sam sagen. Mein Sohn, denk immer daran: Es gibt keine Zufälle.«
»Also haben wir Sam auch nicht zufällig auf der Nazca-Spirale gefunden.«
»Korrekt.«
»Du glaubst also, dass er von der Absturzstelle aus ganz bewusst zu dieser Zeichnung gegangen ist?«
»Wie kannst du sicher sein, dass es ein Absturz war?«
»Er hätte sich diese Verletzungen nicht selbst beibringen können – es sei denn, er hatte sie schon vor der Landung.«
»Was ist mit dem Schnellläufer?«
»Den habe ich ganz vergessen. Julius, glaubst du, sie haben ihn durch die Wüste zur Spirale geführt?«
»Ja.«
Schweigend gehen Vater und Sohn weiter, doch in ihren Köpfen rasen ihre Gedanken.
»Da ist noch etwas, Pop.«
»Wenn du mich Pop nennst, mache ich mir immer Sorgen um dich.«
»Sam … er sieht aus wie ich.«
»Stimmt. Was sagt dir das?«
Mick bleibt stehen. »Das rätselhafte Puzzle … es ist ein Zeitparadoxon.«
»Füll die Lücken aus.«
»Sam ist ein Verwandter. Ein Blutsverwandter. Er ist vom Tag des Weltuntergangs zurückgekehrt, um uns dabei zu helfen, dieses Ereignis zu verhindern.«
»Es gibt keine Aglers in meiner Familie und auch keine in der Familie deiner Mutter, soweit ich weiß. Nirgendwo existieren Unterlagen über einen Samuel Agler, der im Jahr 1990 ungefähr so alt wäre wie er.«
»Du hast seine Fingerabdrücke überprüft?«
»Am gleichen Tag, an dem wir ihn gefunden haben.«
»Dann ist der Name ein Pseudonym, um seine wahre Identität zu schützen.«
»Und wenn er seine wahre Identität herausfindet?«
»Dann wird er seine Bestimmung erfüllen.«
»Was uns zu dem Rätsel zurückführt, mit dem alles begann. Wer ist Samuel Agler? Er ist eine Inkarnation von Chilam Balam, jedenfalls glaubt er das. Er ist ein Zeitreisender, ein Überlebender des Weltuntergangs, der in unsere Zeit zurückgekehrt ist. Und er ist höchstwahrscheinlich ein Verwandter. Zweifellos ein Gabriel.«
»Warum kein Rosen? Oh, weil er sich von Tante Laura angezogen fühlt.«
»Korrekt.«
»Aber dann ergibt das alles keinen Sinn. Ich habe keine Nichten und Neffen. Meine einzigen lebenden Verwandten sind du und Tante Laura. Und Tante Evelyn …«
»Die ganz sicher keine Kinder bekommen wird. Glaub mir.«
»Dann ist Sam einer meiner Nachkommen.«
»Ein Bluttest hat das bestätigt.«
»Um Gottes willen, Pop, wer ist er? Wenn er aus dem Jahr 2012 kommt, gibt es nur eine Möglichkeit: Er ist mein älterer Bruder.«
»Ich kann dir versichern, dass weder deine Mutter noch ich heimlich ein Kind empfangen respektive gezeugt haben, als wir in deinem Alter waren.«
»Dann weiß ich nicht mehr weiter.«
»Denk nach, Michael. Du bist immer von einer Voraussetzung ausgegangen. Welche war das?«
»Das Ende der Welt im Jahr 2012. Es kam überhaupt nicht dazu. Irgendwie konnten wir es abwenden.«
»Korrekt. Doch ein wichtiger Punkt muss noch geklärt werden. Unser Zeitreisender spricht von Wurmlöchern, und wenn wir ihm glauben, dann muss er zumindest in eines davon eingedrungen sein.«
»Also wurde die Zeit verändert.«
»Und die Ereignisse. Dass Sam im Jahr 1990 hier ist, hat einen besonderen Grund. Die Ereignisse des Jahres 2012 werden genau so eintreten, wie es der Maya-Kalender vorhergesagt hat und Sam selbst es sehen konnte. Doch er hat uns einen entscheidenden Hinweis gegeben.«
»Pop, wie könnte irgendjemand etwas dagegen unternehmen, wenn es ein Schwarzes Loch ist, das den Planeten verschlingen wird?«
»Denk drüber nach. Schwarze Löcher entstehen, wenn ein Objekt – üblicherweise ein Stern – unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert. Bei unserer Sonne besteht diese Gefahr nicht. Und das bedeutet …«
»Das bedeutet, die Menschheit selbst hat das Schwarze Loch geschaffen.«
»Korrekt. Vergiss nicht, dass Sam zuerst von einer Singularität gesprochen hat. Als ich diesen Begriff recherchierte, stieß ich auf den Relativistic Heavy Ion Collider oder RHIC. Offensichtlich haben Physiker eine Vorrichtung gebaut, mit der sie Atome kollidieren lassen, um Bedingungen zu erzeugen, wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben. Unglücklicherweise besteht bei diesen Kollisionen die Gefahr, dass sich ein sogenanntes Strangelet bildet – eine Art Schwarzes Loch im Miniaturformat. Diese Strangelets sind wirklich winzig, und theoretisch verfügen sie nur über eine Lebensdauer von wenigen Milliardstel Sekunden. Es gibt jedoch Kritiker, die behaupten, dass Strangelets unter den richtigen – oder vielmehr falschen – Bedingungen selbsterhaltend sind. Das Brookhaven National Laboratory auf Long Island, New York, führt solche Experimente durch. Eine noch größere Einrichtung soll in Genf entstehen. Die Kosten dafür belaufen sich auf sechs Milliarden Dollar.«
»Diese Physiker … sind sie wahnsinnig?«
»Unter den Wissenschaftlern von Brookhaven sind viele Nobelpreisträger. Wie bei allen bösen Taten besteht der erste, scheinbar unschuldige Akt darin, das Ego zu verhätscheln.«
Michael geht in die Hocke. Er massiert sich die Schläfen.
»Alles in Ordnung, mein Sohn?«
»Wir sind der Weltuntergangsprophezeiung schon so lange auf der Spur, und plötzlich brechen die Informationen mit Lichtgeschwindigkeit über uns herein. Das muss man erst mal verdauen.«
»Stimmt, das muss man wirklich erst mal verdauen. Aber jetzt kennen wir die Richtung. Unser geheimnisvoller neuer Freund hat sie uns gezeigt. Was uns wiederum zu dem Rätsel zurückführt, durch das wir so viele kostbare Informationen gewonnen haben. Michael, wer ist Samuel Agler?«
Mick erhebt sich mit Tränen in den Augen. »Er ist … mein Sohn?«
Julius lächelt. »Auf emotionaler Ebene wirst du noch Jahre brauchen, bis du diese Tatsache akzeptieren kannst, und doch hast du das Paradoxon aufgelöst, um zur Wahrheit zu finden. Eine Wahrheit, mit deren Hilfe es durchaus möglich sein könnte, unsere biologische Art zu retten. Ich bin so stolz auf dich, mein Sohn.«
Mick lächelt. »Mein Sohn … ist ein großer Junge, nicht wahr?«
»Michael, wir müssen sehr vorsichtig sein. Sam und Laura dürfen nie etwas darüber erfahren. Wenn das Wissen in falsche Hände gerät, kann das Raum-Zeit-Kontinuum verändert werden.«
»Aber Pop, es wurde doch schon verändert. Sogar ein Affe hätte dir das sagen können. Dein Enkel, der mindestens zwanzig Jahre älter ist als dein Sohn, vögelt deine Schwägerin auf dem Dach.«
»Ja, aber genau dieser Enkel muss erst noch geboren werden. Die Tatsache, dass du seine Identität kennst, könnte dich theoretisch davon abhalten, seiner Mutter zu begegnen und jenen Akt zu vollziehen, der zu seiner Geburt führen wird. Ich bin nicht sicher, ob er in derselben Realität leben kann wie sein Selbst in Kindergestalt, das erst noch auf die Welt kommen muss. All diese Variablen bilden einen chaotischen Strudel, der deine und seine Zukunft ebenso beeinflussen kann wie die Zukunft der Erde. Wir müssen immer daran denken, dass wir nicht genug wissen, um das Wagnis eingehen zu können, die Dinge steuern zu wollen.«
Vater und Sohn gehen weiter – ohne sich der Präsenz bewusst zu sein, die hoch oben stumm über sie wacht.
ZEUGENAUSSAGE 9. Mai 2001: Nationaler Presseclub – Washington, D. C.
»Hi, mein Name ist George Filer III. Der Grund, warum ich hier bin, ist George Filer V. Er ist noch im Hangar, aber seine Geburt wird für Freitag erwartet. Ich bin Geheimdienstoffizier und Pilot a. D. Ich verfüge über fast 5000 Flugstunden und habe selbst nicht an UFOs geglaubt, bis uns die Londoner Flugüberwachung im Winter 1962 angerufen und gefragt hat, ob wir eines dieser Dinger verfolgen würden. Also sagten wir: ›Klar!‹ Wir sanken von 9000 auf 300 Meter. Auf dieser Höhe schwebte das UFO. Wir gingen ganz steil runter – tiefer als eigentlich für unsere Maschinen vorgesehen. Es ist also recht gefährlich, UFOs zu jagen. Aber wie auch immer. Ich bekam das UFO in einer Entfernung von etwa sechzig Kilometern auf das Bordradar. Wir sahen ein Licht in der Ferne, und als wir näher kamen, konnten wir das Objekt weiter auf dem Schirm halten. Ich erwähne das, weil die Radarabstrahlung deutlich und klar ausgeprägt war, was auf einen metallischen Gegenstand schließen ließ. Wir konnten uns dem UFO bis auf etwa anderthalb Kilometer nähern; dann überstrahlte dieses Ding irgendwie den ganzen Himmel und verschwand im All. Genau wie das Space Shuttle beim Start.
Als ich in der 21st Air Force, McGuire Air Force Base, stationiert war, erstattete ich General Glau im Jahr 1976 Bericht über ein UFO über Teheran. Zwei F-4-Kampfjets der iranischen Luftwaffe stiegen auf und versuchten, dem UFO den Weg abzuschneiden, aber als sie ihre Bordwaffen aktivierten, fiel schlagartig die Elektrik aus und sie mussten zur Basis zurückkehren. Diese Erscheinung war von besonderer Bedeutung, weil auch wir sie über unsere Satelliten verfolgen konnten.
Am 8. Januar 1978 kam ich zur Basis – ich erstattete jeden Morgen dem Generalstab Bericht – und bemerkte weit entfernt am Ende der Landebahn einige Lichter. Als ich den Kommandoposten erreicht hatte, sagte der diensthabende Unteroffizier, dass schon die ganze Nacht über drei UFOs in der Gegend waren, dass man sie auf dem Radar erkennen konnte, dass der Tower sie gesehen hatte, dass Berichte von Piloten eingegangen waren und so weiter … und dass eines bei Fort Dix abgestürzt oder gelandet war. Fort Dix und McGuire liegen recht nahe beieinander. Es kam mir wie ›Roswell im Osten‹ vor. Aber wie auch immer, ein Außerirdischer hatte sein Flugobjekt verlassen und war von einem Militärpolizisten erschossen worden. Unsere Sicherheitsleute fuhren hin und fanden ihn tot am Ende der Landebahn. Ich wurde gebeten, dem Stab und General Tom Sadler zum regulären Termin um acht Uhr Bericht zu erstatten, und ich sagte: ›Ich will das nicht machen. Der General hat keinen Sinn für Humor, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles selbst glauben soll.‹ Also recherchierte ich ein wenig. Ich rief den 438. Kommandoposten an, aber jeder erzählte mir so ziemlich dieselbe Geschichte. Um acht an jenem Morgen, kurz bevor ich den Stab informieren sollte, sagten alle sinngemäß zu mir: ›Red nicht drüber. Die Sache ist zu heiß.‹
Das wäre im Wesentlichen das, was ich zu sagen habe. Ich bin bereit, meine Aussage vor dem Kongress zu wiederholen. All dies ist wahr. Wegen dieser Ereignisse habe ich mich auch weiterhin für UFOs interessiert. Deshalb bin ich schließlich der für den Osten zuständige Direktor des Mutual UFO Network geworden. Wir selbst (MUFON), das National Reporting Center und Peter Davenport erhalten zusammen im Durchschnitt pro Woche einhundert Berichte über UFOs von Leuten überall aus den Vereinigten Staaten, die diese Objekte regelmäßig sehen. Und wenn man anfängt, die Dinge zu überprüfen, dann findet man schnell heraus, dass sie da draußen sind, dass sie sehr tief fliegen und die Leute sie die ganze Zeit sehen können. Die Beobachter sind hoch qualifiziert und schicken uns ihre Berichte üblicherweise per E-Mail.«
George Filer III., Geheimdienstoffizier und Pilot (a. D.)
Genehmigte Verwendung: Disclosure Project