SIEBEN

 

Ich stand da und starrte auf den Fleck, der überhaupt nicht mehr so aussah wie noch vor einem Moment.

Außer einigen wenigen abseits gelegenen Bäumen und Felsen lag alles andere, also der Rest, im Inneren, in einer Art Hülle aus schimmerndem Glühen.

Es schimmerte.

So ähnlich wie der Schimmer, den ich vorher bereits gesehen hatte – der Schimmer, der sich von einem kleinen hüpfenden Lichtball in Rebecca verwandelt hatte.

Nur war dieser Schimmer größer.

Viel größer.

Wie eine riesige, glänzende Seifenblase, die sich ausweitete, bis sie beinahe den gesamten Friedhof einschloss. Der untere Teil verschmolz mit dem Boden, während die Wände und Seiten derart blendeten, dass ich kaum hinsehen konnte, ohne die Augen zusammenzukneifen.

Wie ein Spiegel reflektierten sie alles, was außerhalb lag, und verschleierten die Geheimnisse im Inneren.

Obwohl ich nur mein Spiegelbild sehen konnte, wusste ich, dass mein Führer und mein Hund auf die gleiche Weise in die Falle gelockt worden waren wie ich. Und wenn ihnen etwas Ähnliches blühte wie mir – tja, dann würden sie beide gleich ihre eigene persönliche Version der Hölle noch einmal erleben.

Ich starrte weiterhin auf diese Kugel, während ich mir den Kopf zermarterte und nach Antworten oder Anhaltspunkten suchte, nach irgendetwas, was Bodhi irgendwann über ein hübsches Mädchen namens Nicole erwähnt haben könnte. Aber mir fiel nichts ein.

Die Wahrheit ist, dass ich nicht viel über Bodhis Zeit auf der Erdebene wusste. Eigentlich nur, wann und wie er gestorben war und dass er professioneller Skater werden wollte. Mehr wusste ich nicht, wie ich mir beschämt eingestehen musste.

Ich hatte keine Ahnung, woher er stammte, wo er gelebt hatte und wer seine Eltern oder Freunde waren. Ob er Geschwister hatte und ob er jemals sein altes Leben so sehr vermisste wie ich manchmal meines.

Aber die Sehnsucht in seiner Stimme, mit der er ihren Namen gerufen hatte, beantwortete eigentlich den letzten Teil.

Er vermisste sie. Sehr sogar. So viel war klar. Doch ich wusste nicht, warum sie ihm fehlte, wer sie war und was sie ihm möglicherweise bedeutet hatte.

Ich ließ mich auf den Boden fallen, hin- und hergerissen zwischen tief sitzenden Schamgefühlen, weil ich mich so selbstsüchtig verhalten hatte und mir nicht einmal die Mühe gemacht hatte, etwas über das persönliche Schicksal meines Führers zu erfahren – nicht einmal das geringste Interesse daran gezeigt hatte –, und der Frage, was ich jetzt tun konnte, um die beiden da herauszuholen.

Wie konnte ich sie aus Rebeccas Welt der Schmerzen befreien?

Was könnte logisch betrachtet mein nächster Schritt sein?

Je mehr ich darüber nachdachte, umso schlimmer wurde es. Meine Fantasie ging mit mir durch und lief Amok. Bilder von Bodhi tauchten vor mir auf, wie er alle möglichen Erniedrigungen und emotionale Qualen ertragen musste. Unser Tod hatte uns zwar an einen Punkt gebracht, an dem wir über physische Folter hinausgewachsen waren, aber er konnte uns nicht gegen Gefühle wie Furcht und große Angst und andere Formen der psychologischen Kriegsführung immun machen. Und was Buttercup betraf … Nun, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er jemals einen schlechten Tag erlebt hatte. In seinem früheren Leben war er extrem verwöhnt, auf beinahe lächerliche Weise verhätschelt, gut gefüttert und gepflegt worden. Aber so wie ich Rebecca einschätzte, würde sie irgendetwas ausgraben, und ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihr Gefährte, das Höllenbiest mit den Laseraugen und den rasiermesserscharfen Zähnen, dabei eine Rolle spielen würde.

Nennt es Intuition, oder wie auch immer ihr wollt: Obwohl ich nicht genau wusste, was da drinnen vor sich ging, war mir klar, dass es falsch war.

Auf eine schreckliche, tragische Weise falsch.

Ich wusste auch, dass ich es herbeigeführt hatte.

Hätte ich nicht beschlossen, loszuziehen und herumzuspionieren, hätte ich mich nicht dafür entschieden, Bodhis Warnungen in den Wind zu schießen und diesen blöden Snarly Yow aufzuspüren, befände sich jetzt niemand von uns in diesem Dilemma.

Ich hatte mich dazu entschlossen, meinen freien Willen auszuüben, indem ich meine knubbelige Nase in etwas steckte, was mich eindeutig nichts anging.

Und demzufolge saßen mein Führer und mein Hund beide in der Falle.

Ich fühlte mich schrecklich, schuldbewusst und, offen gesagt, nicht nur ein wenig beunruhigt bei dem Gedanken daran, wie all das beim großen Rat ankommen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie sie mich bestrafen würden, aber ich hatte keine Zweifel, dass sie es tun würden. Bodhi hatte mich gewarnt, doch ich hatte nicht auf ihn gehört. Nur ich allein trug die Schuld daran, dass wir jetzt in diesem Schlamassel steckten. Und nur ich allein war dafür verantwortlich, uns da wieder rauszuholen.

Auch wenn ich mir große Sorgen darüber machte, was auf mich zukommen könnte, wenn ich ins Hier und Jetzt zurückkehrte, musste ich das in diesem Augenblick beiseiteschieben und mich dringenderen Angelegenheiten zuwenden. Mein Führer und mein Hund waren gefangen, und ich durfte nicht länger hier sitzen bleiben und nichts dagegen unternehmen. Also sprang ich auf die Füße, rannte auf die glänzende Seifenblase zu und warf mich mit meinem Körper dagegen. Ich schlug mit meinen Fäusten darauf ein – aber es half nichts.

Sie war undurchdringlich.

Trotz all meiner Bemühungen hatte ich nicht einmal die leichteste Andeutung einer Beule hinterlassen.

Eines war sicher: Ohne Rebeccas Erlaubnis kam hier niemand hinein oder heraus.

Riley - Im Schein der Finsternis -
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