VIER

 

Das können wir nicht machen. Du kannst das nicht machen«, wandte Bodhi ein. Ich beschloss, ihn zu ignorieren, aber das hielt ihn nicht davon ab, weiterzureden. »Riley, hast du mir nicht zugehört? Wenn der große Rat uns keinen Auftrag dazu erteilt hat, geht uns das nichts an.«

Er starrte mich lange resolut an, aber ich beschloss, auch das zu ignorieren.

Zum Teil, weil ich mich bereits von ihm entfernte und den Strand entlanglief – in die Richtung, in die das Höllenbiest gerannt war.

Und teilweise, weil ich keine Lust hatte, mir solche Einwände anzuhören. Ich wollte gar keinen Einwand hören. Nicht wenn ich gerade eifrig dabei war, einen Plan zu schmieden.

»Wir können nicht einfach jemanden über die Brücke führen, wann immer uns danach zu Mute ist. Es gibt Regeln für solche Dinge, Regeln, von denen du keine Ahnung hast. Außerdem wirst du ihn wahrscheinlich ohnehin nicht finden«, rief Bodhi mir hinterher. Mit jedem meiner Schritte wurde seine Stimme leiser. »Im Ernst, du verschwendest nur deine Zeit. Sie zeigen sich nur, wenn sie gesehen werden wollen. Und selbst dann tun sie es üblicherweise nur, wenn sie irgendeine Bedrohung oder etwas in der Art abwehren wollen.«

Ich blieb stehen.

Grub meine Zehen tief in den nassen, körnigen Sand und überdachte meinen Schlachtplan.

Ich ging in die falsche Richtung.

Anstatt dem Weg zu folgen, den die Bestie genommen hatte, hätte ich die Richtung einschlagen sollen, aus der sie gekommen war.

Die Richtung, in die ich ursprünglich gegangen war.

Die Richtung, aus der Buttercup und Bodhi zurückgekommen waren.

Denn wenn es stimmte, was Bodhi behauptete, dann befand sich dort irgendetwas, was der alte Snarly Yow, der Geisterhund, das Höllenbiest hatte bewachen wollen. Und wenn ich herausfinden würde, was das war, dann konnte ich auch das Biest finden.

Also kehrte ich um und wandte mich dorthin, wo Bodhi stand. Ich beobachtete, wie sein Gesicht einen erleichterten, aber auch selbstgefälligen Ausdruck annahm. Er stupste Buttercup mit dem Knie an und gab ihm damit ein Zeichen, dass es jetzt, da ich mich seiner unendlichen Weisheit gebeugt hatte und endlich zur Vernunft gekommen war, an der Zeit war weiterzuziehen.

Aber ich stapfte einfach weiter.

Zog einfach an ihm vorbei und kämpfte mich durch den Nebel, während er mir nachrief: »Riley! Ich meine es ernst. Warum fällt es dir immer noch so schwer, auf mich zu hören? Ich dachte, das hätten wir schon hinter uns gebracht. Ich dachte, wir hätten uns verstanden. Ich bin der Führer, und du …« Er hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort, mit dem er, wie er hoffte, seinen Standpunkt klarmachen konnte, ohne mich zu beleidigen. Sobald es ihm eingefallen war, klang seine Stimme sicher und selbstbewusst. »Und du bist mein Lehrling . Das bedeutet, dass du dir deine Aufträge nicht selbst aussuchen kannst – du kannst nicht tun und lassen, was du willst! Deine Aufträge bekommst du entweder vom Rat oder von mir. Riley! Das ist kein Scherz. Ich meine das wirklich ernst. Was muss ich tun, damit du auf mich hörst? Mich respektierst

Viele Worte.

Eine richtige Predigt.

Für mich hörte sich das jedoch an wie ein Haufen wahllos aneinandergereihte Konsonanten und Vokale.

Ich hatte nur aus einem Grund überhaupt etwas davon mitbekommen – er hatte beschlossen, mir zu folgen. Und während er hastig versuchte, mich einzuholen, fügte er hinzu: »Du kannst nicht einfach machen, was du willst, verstehst du? Es gibt Regeln und Vorschriften, und mit nur einem einzigen lächerlich unvernünftigen Schritt kannst du alles gefährden, was ich mir in harter Arbeit aufgebaut habe! Es ist meine Aufgabe, mich um dich zu kümmern. Ich bin verantwortlich für dich, ob dir das gefällt oder nicht. Und obwohl du genau weißt, dass es mir gerade noch gelungen ist, beim großen Rat wieder an Ansehen zu gewinnen, nachdem ich bereits beinahe zurückgestuft und in Ungnade gefallen war, bestehst du auf deinem Verhalten. Du weigerst dich, dir zu überlegen, welche Auswirkungen deine draufgängerischen Ideen auf mich haben könnten. Du hast keine Vorstellung davon, was du tust, keine Ahnung von den Konsequenzen, oder davon, wie viel ich dabei verlieren könnte! Außerdem hast du immer noch nicht verstanden, dass nicht nur die Menschen auf der Erdebene ihr Schicksal erfüllen müssen, sondern dass das auch für Geister gilt. Ganz zu schweigen von einer Kleinigkeit, die sich freier Wille nennt. Und das ist etwas, wo du nicht eingreifen darfst. Dazu hast du kein Recht. Die Fähigkeit, seinen freien Willen auszuüben, ist ein unerlässlicher Teil einer Seele, die ihr Schicksal erfüllen muss! Und, ich sage es dir nur ungern, aber als jemand, der sein Glühen erst vor ganz kurzer Zeit bekommen hat, als jemand, den der kaum vorhandene, blassgrüne Schimmer als Mitglied des Teams auf der Ebene 1.5 auszeichnet, ist es dir nicht gestattet, dich in das Schicksal von irgendjemandem einzumischen. Du bist nicht befugt, den vorgesehenen Pfad oder den freien Willen zu beeinflussen, wenn du keine Anweisung dazu vom Rat oder von mir erhalten hast! Warum kapierst du das nicht endlich? Warum muss ich dir das immer wieder erklären?«

Und an diesem Punkt drehte ich mich um. Ich wirbelte auf dem Absatz herum, sah ihm direkt in die Augen und sagte: »Zufällig ist das ganz genau das, was ich im Augenblick tue.«

Er starrte mich leicht verwirrt an – das Resultat seines hektischen Wortschwalls.

»Ich übe meinen freien Willen aus. Und obwohl ich mit den geltenden Regeln nicht so gut vertraut bin wie du, o mein mächtiger Führer, bin ich mir ziemlich sicher, dass du nicht befugt bist, mich davon abzuhalten, mein Schicksal zu erfüllen.«

Ohne auf seine Antwort zu warten, war ich verschwunden. Zielstrebig schritt ich voran. Ich hatte beschlossen, lieber zu laufen, als zu fliegen, denn meine Erfahrung hatte mich gelehrt, dass Fliegen im Nebel nicht halb so viel Spaß machte, wie man am Anfang glaubte. Bei dieser schlechten Sicht konnte man kaum etwas erkennen.

Bodhis Stimme verfolgte mich, als er mir Wörter wie dickköpfig, stur, eigensinnig, extrem eigenwillig, fehlgeleitet, unvernünftig, impulsiv hinterherwarf – keines davon war schmeichelhaft, aber nichtsdestotrotz drangen sie alle durch den Nebel und wehten direkt hinter mir her.

Und wie bereits vorher übten sie keine nachhaltige Wirkung aus.

Für mich waren sie lediglich Gebrabbel.

Ich meine, vielleicht stimmte es sogar, was er sagte.

Vielleicht aber auch nicht.

So oder so – es interessierte mich nicht.

Denn trotz allem, was Bodhi über die Regeln und den großen Rat gesagt hatte, und über die sehr lange Liste meiner extrem fehlerhaften Charakterzüge, wusste ich eine Sache ganz genau:

Es gab keine Zufälle, Fügungen oder willkürliche Ereignisse.

Das Universum funktionierte einfach nicht auf diese Weise.

Ich hatte diesen Hund aus einem bestimmten Grund gesehen.

Und ich war fest entschlossen, dieser Sache auf den Grund zu gehen.

Riley - Im Schein der Finsternis -
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