ZWEI

 

Los, Buttercup – schnapp ihn dir!«

Ich blinzelte in den zähen Nebel, der sich wie eine Decke herabgesenkt hatte und sicher erst in Stunden von der Sonne aufgelöst werden würde. Ich ließ den Blick über den Strand schweifen. Genau so gefiel er mir – neblig, kalt, sogar ein bisschen gespenstisch. Er erinnerte mich an unsere früheren Familienausflüge zur Küste von Oregon, und manchmal versuchte ich, mir einen solchen Strand nachzubilden.

Trotz der unbegrenzten Möglichkeiten des Manifestierens im Hier und Jetzt war es dennoch nicht dasselbe. Klar, ich konnte ähnliche Wahrnehmungen herbeirufen, die Art und Weise, wie die kiesigen Körnchen sich zwischen meine Zehen schoben und wie die kühle Gischt des Meeres auf mein Gesicht spritzte, aber das alles wurde meinen Erwartungen nicht gerecht.

Es kam nicht wirklich an das Original heran.

Und Buttercup war eindeutig meiner Meinung.

Er sprang dem hellgrünen Tennisball hinterher und rannte mit dem Kopf voran in einen Mann hinein, der mit seinem Sohn einen Spaziergang am frühen Morgen genoss. Dann tauchte er auf der anderen Seite der beiden wieder auf. Das Kind blieb stehen und sah sich um. Es spürte die Störung, die plötzliche Veränderung der Atmosphäre, den kalten Windstoß – die üblichen Zeichen dafür, dass ein Geist in der Nähe ist.

Kinder nahmen diese Zeichen immer wahr, während ihre Eltern nichts davon mitbekamen.

Ich drückte meine Augen fest zu und konzentrierte mich darauf, meine Energie mit der Umgebung zu verbinden. Ich beschwor die Schwingungen des Sandes, der Muschelschalen und sogar des Nebels herauf, um sie so zu erleben, wie ich es von früher kannte. Mir war klar, dass mir dafür nur noch ein paar Momente Zeit blieb, bevor Buttercup zurückkommen und den vollgesabberten Ball vor meinen Füßen fallen lassen würde, damit wir das Spiel wiederholten.

Er war unermüdlich. Wie es seiner Rasse entsprach, liebte er es, stundenlang Dinge zu mir zurückzubringen. Ein ausgiebiges Apportierspiel stand auf der Liste seiner fünf Lieblingsbeschäftigungen, zusammen mit Hundekuchen fressen, an einem sonnenbeschienenen Fleckchen liegen, Vögel jagen und natürlich mit seinem neuesten Favoriten, dem Fliegen.

Er stupste mich mit der Nase am Bein an, um mich wissen zu lassen, dass er zurück war. Mit seinen großen braunen Augen bettelte er mich an, den Ball dieses Mal noch weiter zu werfen.

Also tat ich ihm den Gefallen.

Ich sah zu, wie der Tennisball hoch in den Himmel flog, bevor er den weißen Schleier durchdrang und verschwand. Buttercup flitzte hinterher. Seine Zunge hing ihm aus dem Maul, und er wedelte wie verrückt mit dem Schwanz. Seine gelbe Schwanzspitze war das Letzte, was ich von ihm sah, bevor der Nebel ihn ganz verschluckte. Nur das schwache Echo seines aufgeregten Bellens war noch zu hören.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit den Seemöwen zu, die in einem kleinen Schwarm über mir kreisten, dann auf die Wasseroberfläche hinabstürzten, mit ihren Schnäbeln arglose Fische schnappten und sich wieder in die Luft schwangen. Nachdem einige Minuten seit Buttercups Verschwinden vergangen waren, rief ich laut seinen Namen und ahmte treffend den speziellen Pfiff meines Vaters nach, der ihn immer sofort antraben ließ. Meine Füße gruben sich in den Sand, ohne Spuren zu hinterlassen, während ich mich durch den zähen Nebel kämpfte. Das erinnerte mich an den Tag, an dem ich nur so zum Spaß durch eine Sturmwolke geflogen war und rasch festgestellt hatte, dass das alles andere als ein Vergnügen war. Gerade wollte ich mich in das eiskalte Wasser stürzen, weil ich wusste, wie gern er schwamm, als ich ein tiefes, unüberhörbares Knurren hörte, das mir durch und durch ging.

Buttercup knurrte nur selten.

Er war viel zu gutmütig dafür.

Da er es jetzt tat, konnte ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass er auf etwas Schwerwiegendes gestoßen war.

Auf etwas sehr, sehr Schlimmes.

Ich folgte dem Geräusch. Das düstere Grollen wurde eindringlicher, je näher ich mich heranschlich. Und dann ging es in etwas noch viel Schrecklicheres über – zuerst in ein grauenhaftes Schnarren, dann in ein schrilles Jaulen, gefolgt von einer beklemmenden Stille, bei der sich mein Magen zusammenkrampfte.

»Buttercup?«, rief ich. Meine Stimme war so brüchig, dass ich gezwungen war, mich zu räuspern und es noch einmal zu versuchen. »Buttercup? Wo bist du? Das ist nicht witzig, kapiert? Wenn du nicht sofort zu mir kommst, wirst du nicht nach Hause fliegen!«

Sobald ich diese Drohung ausgestoßen hatte, hörte ich ihn. Seine Pfoten hämmerten auf den harten, nassen Sand, und sein keuchender Atem wurde immer lauter.

Erleichtert seufzte ich auf und ließ mich auf den Boden sinken. Gleich würde er sich in meine Arme stürzen, mich abschlabbern und um Entschuldigung bitten. Doch dann sah ich mit Entsetzen, wie der Nebel sich teilte und ein großer Hund hervorsprang.

Dieser Hund war nicht Buttercup.

Es war …

Riesig. So groß wie ein Pony.

Schwarz. Sein Fell war verfilzt und struppig.

Pfoten so groß wie Hufe kamen durch die Luft auf mich zugeflogen, und ich schrie laut auf und versuchte verzweifelt, ihnen zu entkommen.

Aber es war zu spät.

So schnell ich auch rannte – es war nicht schnell genug.

Es gab kein Entkommen vor den unheilvoll klirrenden Kettengliedern des mit spitzen Stacheln versehenen Halsbands.

Kein Entkommen vor diesen bedrohlich glühenden, gelben Augen und den Blicken, die sich, brennend wie Laserstrahlen, in meine Augen und direkt in meine Seele bohrten …

Riley - Im Schein der Finsternis -
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