014
 
DREIZEHN
 
Das Erste, was ich sah, als ich den Raum betrat, war …
Nein, streicht das. Lasst mich zuerst erzählen, was ich nicht gesehen habe.
Ich habe den Radiant Boy nicht gesehen.
Und das war auch kein blaues Zimmer.
Tatsächlich befand sich in diesem Raum nichts in einer Farbe, die man nur annähernd als Blau hätte bezeichnen können.
Wenn überhaupt, dann war das ein gelbes Zimmer, das ich betreten hatte.
Ein Raum so unglaublich hell und gelb, dass meine Augen bei dem Anblick schmerzten.
»So schnell zurück?«, rief Bodhi mir zu. Er lehnte in seiner nachlässigen Art am Treppengeländer und kaute auf einem grünen Strohhalm – eines dieser Dinger, die man bei Starbucks bekommt – anstatt auf seiner Unterlippe, wie er es noch vor wenigen Minuten getan hatte. Er schien kein bisschen überrascht zu sein, dass ich so früh klein beigegeben hatte.
Aber ich hatte nicht aufgegeben.
Davon war ich weit entfernt.
Im Gegenteil – ich war ihm auf die Schliche gekommen.
Er versuchte immer noch, Psychospielchen mit mir zu treiben. Und ging dabei so weit, dass er mich in ein falsches Zimmer schickte.
Ein toller Führer!
Aber das war kein Problem für mich. Eigentlich brauchte ich Bodhis Hilfe ohnehin nicht. Ich meine, wie sollte er mir wohl helfen, wenn er mich ganz offensichtlich in Wahrheit zu sabotieren versuchte?
Er hatte große Angst davor, dass ich in der Sache, bei der er kläglich versagt hatte, erfolgreich sein könnte, und würde deshalb nichts unversucht lassen, damit ich scheiterte.
Mir reichte es. Sobald ich zurückgekehrt war, würde ich sofort Aurora aufsuchen. Oder eines der anderen Mitglieder des großen Rats, wenn sie keine Zeit hatte. Und dann würde ich einen anderen Führer anfordern. Oder noch besser – ich würde Bodhis Führer werden. Und ganz oben auf meiner Liste für ihn würde ein Umstyling von Kopf bis Fuß stehen. Ich würde darauf bestehen, dass er diese Brille wegwarf, ebenso seine Klamotten, und würde mit seinem Haarschnitt beginnen – und das wäre nur der Anfang. Wenn das erledigt war, und man sich nicht mehr in Grund und Boden schämen musste, wenn man mit ihm gesehen wurde, konnte man weitersehen …
»Rühr dich nicht von der Stelle. Wir sind hier noch nicht fertig!«, rief ich ihm über die Schulter zu, während Buttercup und ich dem Gang folgten. »Du hast mich in das falsche Zimmer geschickt, aber das weißt du ja, da bin ich mir sicher. Aber mach dir keine Mühe. Du brauchst all deine Energie für den Flug nach London, also bleib, wo du bist. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich diesen Furcht erregenden Zehnjährigen gefunden und ihn in das süße Jenseits befördert habe. Und sobald er im Hier gelandet ist, können wir uns auf den Weg machen.«
Ich steckte meinen Kopf in einige der Türen in dem Gang, und nachdem ich ein grünes, ein weißes und ein rosa Zimmer entdeckt hatte, fand ich den Raum endlich.
Von dem Radiant Boy fehlte allerdings jede Spur. Aber die Farbe Blau war im Übermaß vorhanden. Und damit meine ich, es gab jede Menge Blau. Wie im Meer. Unzählige Meter blauen Stoffs waren zu Vorhängen, Kissen und Decken verarbeitet worden, und selbst die kleine antike Couch und der dazu passende Stuhl – ich glaube, man nennt das Sitzgarnitur – waren damit bezogen. Die Wände waren in einem darauf abgestimmten Farbton gestrichen.
Überall Blau – ich ertrank beinahe in Blau. Und als ich zu Buttercup hinübersah, der eifrig alle vier Ecken des Raums und dann den Rest beschnüffelte, fragte ich mich, wie er die vorherigen Zimmer wahrgenommen hatte. Vielleicht hatte ihn der Tod irgendwie davon geheilt, dass er wie alle Hunde die meisten Farben des Spektrums nicht sehen konnte.
Und obwohl wir uns eindeutig im richtigen Raum befanden, war kein zehnjähriger Radiant Boy in Sicht. Und es gab hier auch nichts, was ihm nur im Entferntesten ähnelte.
Außer mir und Buttercup war in diesem Zimmer nichts Erdgebundenes vorhanden.
Aber so ist das mit Geistern. Sie bleiben nicht immer an einem Ort, wie die meisten Leute glauben. Natürlich haben sie ihre Vorlieben und eine gleichbleibende Routine. An manchen Orten halten sie sich öfter auf als an anderen, und dort führen sie ihr Theater immer wieder und wieder auf die gleiche Weise auf. Aber meistens halten sie sich nicht an Grenzen. Sie können gehen, wohin auch immer es sie zieht. Und wann sie wollen. Sie können es sich aussuchen und müssen lediglich ihre Wahl treffen. Und ich weiß das, denn ich gehörte selbst mal zu ihnen.
Das hieß allerdings nicht, dass ich mich jetzt auf die Jagd nach ihm machen würde, denn, soweit ich das einschätzen konnte, gab es in diesem Gebäude noch mindestens einhundert weitere Zimmer. Und da es schon beinahe Nacht war und Bodhi irgendetwas davon gesagt hatte, dass der Junge gerne anderen einen Mordsschrecken einjagte, fand ich, dass ich am besten warten sollte, bis die Sonne unterging, der Himmel dunkel wurde und er mit seiner nächtlichen Horrorshow anfing.
Eines wusste ich mit Sicherheit – alle zehnjährigen Jungs waren gleich. Tot oder lebendig, das machte keinen Unterschied. Sie waren alle lästig und zum Kotzen – unglaubliche Nervensägen, die es genossen, ihre Umwelt zu schikanieren. Und nach allem, was ich bis jetzt gehört hatte, war dieser Junge keine Ausnahme.
Ich kletterte auf das riesige Himmelbett. Es war so hoch, dass tatsächlich ein kleiner Tritthocker daneben stand, damit man hinaufkam. Ich legte mir die Kissen so zurecht, wie es mir gefiel, und klopfte dann auf die Überdecke, um Buttercup aufzufordern, heraufzuspringen und mir Gesellschaft zu leisten. Dann lehnten wir uns zurück und warteten. Wir warteten so lange, dass wir beide in einen angenehmen, tiefen, geräuschlosen Schlaf fielen.
Bis jemand die Frechheit besaß, sich heimlich neben uns zu legen.
Als ich spürte, wie sich die Matratze neben mir senkte, sich verschob und wackelte, war ich noch so tief in meinen Träumen, dass ich mir nicht viel dabei dachte. Doch dann, als die Schnarchgeräusche von beiden Seiten an meine Ohren drangen, riss ich die Augen auf und wandte meinen Kopf nach rechts. Neben mir lag ein großer Mann mit buschigen Augenbrauen, der durch sein eigenes Schnarchen praktisch vibrierte. Und als ich nach links schaute, fiel mein Blick auf eine Frau, deren Augenbrauen nicht ganz so buschig waren (aber viel fehlte nicht dazu) und die ebenfalls schnarchte.
Ich war zwischen ihnen eingeklemmt.
Eingezwängt zwischen zwei ziemlich großen, laut schnarchenden Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Und ich war so durcheinander, dass ich nicht anders konnte, als meinen Mund aufzureißen und einen langen Schrei auszustoßen. Damit weckte ich sofort Buttercup, der seine Nase zur Decke hob und begann, wie ein Verrückter zu heulen und zu bellen. Er stellte die Ohren auf, schaute mich aufmerksam an und wedelte wie wild mit dem Schwanz. Offensichtlich dachte er, es ginge um ein Spiel, und wartete auf ein weiteres Kommando.
Aber das war kein Spiel.
Ganz und gar nicht.
Ich war unsanft aufgeweckt und beinahe zu Tode erschreckt worden, aber, was noch wichtiger war, ich hatte so laut losgeschrien, dass ich Bodhi förmlich im Gang vor mir stehen sah. Er führte einen lahmen Siegestanz auf, und der Strohhalm hüpfte zwischen seinen Lippen wie verrückt auf und ab, während er dabei in die Hände klatschte.
»Großartig«, murmelte ich, tätschelte Buttercups Kopf und versuchte, ihn zu beruhigen, obwohl ich wusste, dass uns das schlafende Pärchen nicht hören konnte, solange wir das nicht wollten. Und, um die Wahrheit zu sagen, selbst dann meistens nicht. Nur wenige Menschen konnten sich auf Tote richtig einstellen, obwohl es einige gab, da war ich mir sicher. »Das ist ja echt toll.« Ich schüttelte den Kopf und schob mich zwischen dem schnarchenden Pärchen hindurch Richtung Bettkante. Ich wünschte, dieses strahlende Kind würde endlich auftauchen und sich zeigen, damit ich ihn über die Brücke führen und diese ganze Sache hinter mich bringen konnte.
Ich ging zu der Frisierkommode hinüber und warf einen Blick auf ihre Sachen, um einen Hinweis darauf zu bekommen, was genau sie hier machten. Ich schraubte den Verschluss von einer Flasche mit Kölnisch Wasser ab, das nach vertrockneten Piniennadeln roch (igitt), bevor ich an dem Parfumflakon daneben schnüffelte und eine widerwärtige Mischung aus Mottenkugeln und alten, verdorrten Zweigen in meine Nase stieg (doppelt igitt). Der Gestank war so grässlich, dass mir die Flasche versehentlich aus den Fingern glitt und mit einem ohrenbetäubenden Knall auf dem Boden landete.
Na ja, eigentlich ertönte eine ganze Reihe von lauten Geräuschen, während ich, vor Panik erstarrt, zusah, wie die Flasche über den Boden rollte und Buttercup ihr hinterherjagte.
Ich starrte auf das schlafende Pärchen. Obwohl ich wusste, dass sie uns nicht hören oder sehen konnten, solange wir das nicht wollten und wir nicht ihre eigene Energiequelle anzapften, um uns vor ihnen zu manifestieren, konnte ich sie nicht daran hindern, das Geräusch eines unbelebten Objekts zu hören, das auf dem Boden zerschellte. Und ich sah, dass sie beide ein wenig zitterten und sich leicht bewegten. Also wusste ich, dass sie den Krach wohl unterbewusst gehört, allerdings beschlossen hatten, sich davon nicht in ihrem Schlaf stören zu lassen.
Ich ging zu ihren überquellenden Koffern hinüber, gespannt darauf, was sie für ihren Wochenendausflug in einem Spukschloss eingepackt hatten. Buttercup beschäftigte sich immer noch begeistert mit der Parfumflasche und schlug mit seiner Pfote so fest dagegen, dass sie durch den Raum geschleudert wurde und gegen eine Wand prallte. Sie zerbrach in eine Million winziger, übel riechender Scherben.
»Prima, Buttercup.« Ich rollte die Augen und sah ihn kopfschüttelnd an. »Gut gemacht!« Ich seufzte, während er seinen Schwanz einzog und den Kopf senkte. Er wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte, und wollte mir daher nicht zu nahe kommen. Und ich dachte darüber nach, eine neue Leine für ihn zu manifestieren. Er würde sie hassen, das wusste ich, aber anscheinend war sie nötig. Doch dann hörte ich ein Klicken.
Gefolgt von einem leisen, surrenden Geräusch.
Und dann folgte ein nervöses Geflüster.
»Hast du es drauf?«
Ich warf einen Blick über meine Schulter und krallte meine Finger in ein weißes T-Shirt mit einem Abbild der britischen Flagge darauf. Mir gegenüber, von Angesicht zu Angesicht, stand dieses dynamische Duo, das Team bestehend aus Ehemann und Ehefrau, das mich vorher eingequetscht hatte. Die beiden trugen aufeinander abgestimmte waldgrüne Sweatshirts mit der Aufschrift Pennsylvanias internationale Geisterjäger, die quer über die Brust in großen, geschwungenen Buchstaben in Weiß aufgedruckt war.
Der Mann hielt irgendein Aufnahmegerät in der Hand, das ihn offensichtlich in Erregung versetzte, und seine Frau hatte eine Kamera in ihrer unübersehbar zitternden Hand. Sie kroch auf mich zu und war anscheinend wild entschlossen, Aufnahmen zu machen. Aufnahmen von …
Tja …
Von mir.
Ich duckte mich. Das T-Shirt baumelte immer noch zwischen meinen Fingerspitzen. Mir war klar, dass ich gerade dabei erwischt worden war, wie ich peinlicherweise in ihren Habseligkeiten herumgeschnüffelt hatte.
Ich sah mich verzweifelt in dem Raum um, als mir die ganze Tragweite des Geschehens bewusst wurde. Ich war nicht nur beim Spionieren ertappt worden, sondern auch dabei, wie ich in einem Raum herumspukte, der heimgesucht wurde und den ich eigentlich hatte, ähm, entspuken wollen.
Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Es gab keine Möglichkeit, abzuhauen. Ich steckte in diesem blauen Zimmer fest, bis ich einen Weg fand, meinen Auftrag zu erfüllen. Ansonsten würde Bodhi mich niemals nach London fliegen lassen. Und er würde mir das ewig vorhalten.
»Buttercup!«, zischte ich. Ich ließ das T-Shirt fallen und hörte, wie sie beide nach Luft schnappten, als sie beobachteten, wie es scheinbar aus eigenem Antrieb durch die Luft schwebte. Ich war fest entschlossen, nur zu flüstern, aber aus der Art, wie sie auf ihr Aufnahmegerät starrten und die kleinen Kringel und Linien beobachteten, die über den Monitor flimmerten, schloss ich, dass sie mich zwar nicht sehen oder hören konnten, aber mit ihrer Ausrüstung jede meiner Bewegungen aufzeichneten. »Hierher, sofort!«, stieß ich mit zusammengepressten Zähnen hervor. Es nervte mich, dass er zwischen ihnen hin- und herlief, sie abschnüffelte und ihre Hände leckte, so als wären sie längst verloren geglaubte Freunde, die plötzlich wiederaufgetaucht waren.
Dann kam er mit eingezogenem Schwanz zu mir geschlichen und sah mich aus seinen braunen Augen an. »So ist es besser«, sagte ich schmeichelnd und kraulte seinen Kopf, um ihm zu zeigen, dass ich mich nur geärgert hatte und nicht verrückt geworden war. Das Pärchen hob seine Hände und betrachtete die Finger, die Buttercup gerade überall angesabbert hatte. Dann wandten sich die beiden einander zu, zogen ihre buschigen Augenbrauen nach oben, als würden sie fragen wollen: »Hast du das gespürt?«
»Du musst an meiner Seite bleiben, nicht bei ihnen. Egal, was jetzt geschehen wird. Ich brauche dich, okay? Wir dürfen kein Risiko eingehen. Ich muss nur noch herausfinden, was wir jetzt tun sollen, bevor sie …«
Die Frau kam auf mich zu. Sie tapste wie ein Kleinkind mit winzigen Schritten über den Boden. Ihre riesigen nackten Füße waren von Hühneraugen übersät, und ihre Fußballen waren entzündet. Der Nagellack an ihren Zehennägeln war abgeplatzt – dagegen sahen meine Nägel so aus, als wäre ich gerade aus dem Nagelstudio gekommen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und tappte über den Teppich. Dabei hielt sie die Videokamera vor sich, und das leise Surren war das einzige Geräusch im Raum. Ich nahm an, dass sie nur eine Reihe von weißlich glühenden, verwackelten Bildern eines winzigen Lichtkleckses auf die Linse bekam. Bei all den Sendungen über Geister und Spuk und so hatten diese Geräte selten mehr als das aufzeichnen können.
»Er ist nicht allein«, wisperte sie und winkte ihrem Mann über die Schulter zu. »Da ist jemand bei ihm. Jemand, der kleiner ist als er. Sieht so aus, als säßen sie beide in der Hocke.«
Er?
Ich kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und zog Buttercup noch näher an mich heran. Ich zupfte meinen Rock zurecht und fuhr mir mit den Fingern durch das Haar, um ein bisschen netter auszusehen. Die Tatsache, dass man mich gerade für einen zehnjährigen Jungen gehalten hatte, kränkte mich sehr.
»Ist er es? Ist es tatsächlich der Radiant Boy?«, rief ihr Ehemann, und am Ende des Satzes lag eine gewaltige Mischung aus Aufregung und Angst in seiner Stimme.
»Ja«, antwortete sie. Ihre Stimme klang fest, aber der Ausdruck in ihren Augen zeigte, dass sie nicht wirklich davon überzeugt war. »Zumindest scheint er es mit ziemlicher Sicherheit zu sein. Und jemand ist bei ihm. Jemand, der kleiner ist als er. Hier gibt es zwei Radiant Boys!«
Meine Güte.
Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf meine Fersen, während sie sich immer näher an mich heranschlich.
Das war ja eine tolle Geisterjägerin! Sie hielt doch tatsächlich ein hübsches blondes Mädchen und ihren süßen gelben Labrador für zwei ätzende, herumspukende Jungs.
Grundgütiger!
»Versuch, mit ihnen zu sprechen – Kontakt mit ihnen aufzunehmen«, drängte sie ihr Mann. Er richtete seinen Blick auf den Bildschirm seines kleinen tragbaren Geräts und beobachtete aufgeregt, wie sich die Linien bewegten. »Frag ihn, warum sie hier sind, und was sie hier wollen. Und frag sie, ob es irgendwelche Botschaften gibt, die sie weitergeben möchten.« Er sagte das alles so, als könne ich diese Worte nur verstehen, wenn sie sie aussprechen würde. Als hätte sie ein Patent darauf, mit den teuren Verblichenen zu kommunizieren.
Der Mann trat hinter sie, packte die Kamera, die sie ihm über ihre Schulter reichte und hob sie mit einer Hand hoch, während er mit der anderen den Voicerekorder festhielt. Seine Frau kam noch näher auf ihn zu, strich mit den Händen über ihr verknittertes grünes Sweatshirt, dachte aber nicht daran, ihr vom Schlaf zerzaustes Haar zu glätten, was mich wiederum viel mehr gestört hätte.
»Gibt es eine Nachricht, die du uns überbringen möchtest? Können wir irgendetwas für dich tun?«, fragte die Frau. Als sie sich hinhockte, krachten ihre Knie so laut und heftig, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Ich drückte mich gegen die Wand, als sie ihr Gesicht noch weiter vorschob, bis es gefährlich nahe an Buttercups und meines herankam.
»Ja«, antwortete ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden hatte und nickte ernst. »Ich würde Sie bitten, Ihre Sachen zu packen und von hier zu verschwinden, damit ich mich allein mit diesem Radiant Boy befassen kann. Sie wissen schon, dem Jungen, wegen dem Sie hier sind. Im Ernst, verschwinden Sie von hier, damit ich meinen Job erledigen kann.«
Ich blickte finster drein. Mir war klar, dass sie nicht vorhatte, von hier wegzugehen. Nicht, solange Buttercup und ich ihr, ohne es zu wollen, den größten Kick in ihrem Geisterjägerleben gaben, obwohl wir genau genommen beide nicht mehr wirklich als erdgebundene Wesen angesehen werden konnten. Schließlich befanden wir uns nur auf einer Mission und hatten nicht vor, hierzubleiben – eine kleine, aber doch wesentliche Tatsache, die ihr vollkommen entgangen war.
Ich lehnte mich zurück und seufzte, ohne weiter auf sie zu achten. Sie drehte sich zu ihrem Ehemann um, riss die Augen auf und nickte heftig. »Hast du das gespürt?«, fragte sie. »Gerade eben? Diesen kalten Luftstrom?«
Er nickte ebenfalls. Sein Blick schweifte zwischen dem Display der Kamera, dem Voicerekorder und den irr blickenden Augen seiner Frau hin und her.
»Hast du das alles drauf?«, fragte sie und erhob sich, wobei ihre Knie wieder auf diese Art knackten, die Buttercup zusammenzucken und mich zurückschrecken ließ.
»Alles«, murmelte er. »Jedes kleine Detail.« Er grinste, und seine Augen glitzerten.
»Fantastisch!«, rief sie. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, und ihre Haare, die sie immer noch nicht frisiert hatte, seit sie aus dem Bett gesprungen war, standen ihr zu Berge.
Das alles zu beobachten war einfach zu viel für mich.
Ich war aufgenommen und gefilmt worden, um für eine elend langweilige, selbst zusammengebastelte, schäbige Website von Geisterjägern herzuhalten, während ich nach wie vor auf der Suche nach dem Radiant Boy war. Und solange die beiden hier so weitermachten, würde es mir sicher nicht gelingen, ihn zu finden.
Ich ließ mich gegen die Wand sinken und starrte das Pärchen vor mir an, in der Hoffnung, dass sie davon eine gute Aufnahme bekamen und sie dem Rest ihres Filmmaterials hinzufügen konnten. Ich beobachtete die beiden, wie sie uns umzingelten und dann plötzlich zurückwichen, als Buttercup eine geduckte Haltung annahm, sich mit einem Mal wie ein gut trainierter Wachhund verhielt und ein tiefes, bedrohliches Knurren ausstieß.
»Ach, hast du plötzlich entschieden, dass du sie doch nicht magst?« Ich sah ihn kopfschüttelnd an. »Und warum hast du ihr kurz zuvor noch die Hände abgeschleckt? Kannst du mir das erklären?«
Doch in dem Moment, in dem ich den Satz beendet hatte, wurde mir klar, dass er nicht sie anknurrte.
Jemand stand hinter ihr.
Jemand schlich sich hinter ihr und hinter ihrem Mann heran.
Jemand, der so stark glühte, dass der ganze Raum davon erhellt wurde.
Jemand, der nur als … leuchtend beschrieben werden konnte.