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Tamara nagte an ihrer Unterlippe.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Wieso ist er auf diesem Video zu sehen? Was hat er auf dem Boot gemacht?”

Quicksilver hatte ihnen das angeforderte Videoband sofort zur Verfügung gestellt. Es bestand kein Zweifel: Der o-beinige Mann mit dem Fernglas in der Abschlussszene des Tauchvideos war niemand anders als Nick Imeri-Fisher.

Angriff der Killerhaie, hallte es in Shanes Ohren. So hieß der Artikel, den Jack ihm über Annabel Bailors Unfall vorgelesen hatte.

Tamara sah ihn fragend an. „Was denkst du?”

Ich brauche eine Zeitung.”

Die zuständige Redakteurin brauchte nicht lange, um den betreffenden Artikel herauszusuchen und ihnen zu senden.

Angriff der Killerhaie!

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist die Tochter des verstorbenen Medienmoguls William Bailor, Annabel Bailor, Tauchlehrerin bei Quicksilver, vor wenigen Tagen knapp dem Tod entgangen. Haie stürzten sich auf die erfahrene Taucherin und ihren Begleiter. Glücklicherweise befanden sich zwei Touristen mit ihrem Boot in der Nähe, die die beiden Taucher in letzter Minute retteten. Einen Tag später haben Haie den Taucher den Restaurantbesitzer Pete de Vries getötet.

Und?” Tamara und Flimms sahen Shane fragend an .

Die beiden Touristen mit ihrem Boot ...”, Shane sprach eher mit sich selbst und betrachtete dabei das Videobild, das Annabel Bailor zeigte, wie sie an Bord Touristen verabschiedete. Der Angriff der Haie hatte am Mittwoch stattgefunden, das Video war am Dienstag aufgenommen worden.

„Hier, seht mal den Typen neben Nick.“ Er deutete auf einen blonden Mann. „Den hab ich in Cairns in der Bar gesehen.“

„Könnte das unser Mann sein, das vierte Opfer?”.

Sie haben die Tauchlehrerin Annabel Bailor beobachtet”, erwiderte Shane. „Einen Tag nachdem dieses Video gedreht wurde, ist sie knapp einem Haiangriff entgangen. Vor kurzem flog die Yacht ihres Halbbruders in die Luft. Nick war möglicherweise der Bombenleger. Nick ist tot. Goran Hentschel hat Rons Garage explodieren lassen. Goran ist tot. Dieser Blonde”, er zeigte noch einmal auf den Bildschirm, scheint mit Nick zusammengearbeitet zu haben. Ich wette, er hat auch eine Narbe am Oberarm.”

Flimms war rot geworden, er räusperte sich aufgeregt .

Ich habe Ihnen doch vorhin von der verrückten Millionärin erzählt”, begann er, „die glaubt, auf sie würden Mordanschläge verübt. Es ist Annabel Bailor.”

Das Telefonklingeln bewahrte ihn vor Shanes Wutausbruch.

Flimms nahm ab. Ein Ticketverkäufer von der Fähre über den Daintree River meldete, Weinheimer gesehen zu haben. „Der Angestellte hat gesagt, er sah genauso aus wie auf dem Bild, das im Fernsehen gezeigt wird. Außerdem fiel ihm eine billige Digitaluhr auf”, berichtete Flimms wenig später. Davon war im Fernsehen keine Rede gewesen. „Er setzte von Cape Tribulation in Richtung Cairns über. Zwei unserer Leute sind in der Nähe. Sie inspizieren die Gegend. Er kann nicht weit sein!”, sagte Flimms.

Shane ordnete Straßensperren an. Weitere Kollegen, die sich in der Gegend aufhielten, wurden unterrichtet. Er stellte ein Videoprint her, auf dem der blonde Mann allerdings schlecht zu erkennen war.

Die Sekretärin brachte frischen Kaffee. Shane nippte an seiner Tasse, verbrannte sich die Zunge und fluchte.

Sie müssen Milch reinschütten, das macht ihn kühler”, bemerkte Flimms.

Er trinkt nie Milch im Kaffee!”, blaffte Tamara.

Flimms warf ihr einen giftigen Blick zu und hätte vielleicht noch eine Bemerkung hinterhergeschickt, wenn es nicht in diesem Moment an der Tür geklopft hätte. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat ein muskulöser, dunkel haarig gelockter Mann ein.

Tamara blickte den Besucher interessiert an. Er sah gut aus, das musste Shane zugeben.

Mister Greg McInnes!”, Flimms sprang auf und schüttelte ihm heftig die Hand .

Ich möchte eine Aussage machen”, sagte der Dunkelhaarige . Seine Stimme war kräftig und wohlklingend. McInnes scheint perfekt zu sein, ging es Shane durch den Kopf, gut aussehend, makellos weiß gekleidet. Solchen Menschen misstraute er besonders.

„Ich hab es im Fernsehen gehört, Sie suchen einen Mann, der in Gefahr ist. Ich weiß, wer es ist, wer das nächste Opfer dieses Killers ist”, erklärte McInnes, kaum dass er saß.

Shane starrte ihn an. Auch Tamara hielt inne. In die gespannte Stille hinein räusperte sich Greg McInnes.

Er heißt Steve Wilson - zumindest nennt er sich so - und hält sich zurzeit mit ...”, er schluckte , als habe er etwas Klebriges im Mund , „Annabel Bailor, im Crystal Falls Guesthouse in Kuranda auf.” Diesen Worten fügte er ein freudlos es Lächeln hinzu. „Ich habe ihm von Anfang an misstraut. Annabel glaubt, er liebt sie.”

Shane versuchte zwischen den Informationen, die er bereits hatte, und denen, die er gerade erhielt, eine Verbindung herzustellen.

Und Sie haben Grund zur Annahme, dass er das nicht tut ?” Tamara musterte ihn.

Er zog die Schultern hoch und räusperte sich. „Nein. Er will sie umbringen!”

Shane hob die Augenbrauen.

Greg McInnes sah Flimms an. „Erklären Sie es ihm, Sie haben doch schließlich die Ermittlungen geführt, oder?”

Flimms war rot angelaufen, er hatte Flecken a m Hals.

Woher wissen Sie, dass Annabel Bailor und dieser Steve in Kuranda sind?”, fragte Shane unbeeindruckt.

„Sie hat es mir selbst gesagt!” McInnes Atem ging rasch . „Sie müssen Annabel retten! Ich bin sicher, er tut ihr etwas an!”

Shane zeigte ihm das Videoprint. „Ist er das?”

Greg McInnes nickte. „Woher haben Sie es? Wissen Sie, Annabel ist nicht gerade arm. Jonathan, ihren Bruder, wollte man auch umbringen. Wie Sie vielleicht wissen, ist seine Yacht explodiert!

Vielleicht will sie auch ihre Yacht explodieren lassen und die Versicherungssumme kassieren”, wandte Shane ein.

Greg sah von Shane zu Tamara, dann lachte er hart . „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Annabel so etwas arrangieren würde! Sie liebt ihr Boot. Niemals würde sie so etwas tun!”

Ihnen liegt viel an Mrs. Bailor”, bemerkte Shane.

„Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.” Seine Stimme klang niedergeschlagen. Leiser fügte er hinzu: „Ich würde alles für sie tun.” Er hatte ernste, feuchte Augen . Dann erzählte er von dem Haiangriff und berichtete, wie Annabel sich verändert hatte, nachdem sie Steve begegnet war.

Wissen Sie, sie ist sehr labil und hat meiner Meinung nach eine klinische Depression .” Er war verzweifelt. „Ich habe wirklich Angst um sie!” Greg musste schlucken . „Ich habe etwas getan, was ich sonst nicht tue, das müssen Sie mir glauben.” Er sei in den Wohnwagen eingebrochen, den Steve und der jetzt ermordete Nick zeitweise bewohnt hatten. „Ich habe dort ein Foto von Annabel gefunden. Zuerst dachte ich, dass sie es ihm geschenkt hat - ich war natürlich eifersüchtig. Aber da war noch etwas anderes.” Er hielt inne.

Was?” Tamara sah ihn ungeduldig an. „Reden Sie doch weiter!”

Ich habe dort noch etwas anderes entdeckt.”

Tamara schlug die Augen zur Decke. „Ja, das erwähnten Sie bereits!”

Es war”, fuhr Greg McInnes dann endlich fort, „ein Bauplan der Anemone, Annabels Yacht. Ich habe alles so liegen lassen und habe auch Annabel nichts davon erzählt. Sie reagierte ja schon auf die leiseste Kritik an Steve aggressiv.”

Tamara warf Shane einen Blick zu .

Erst jetzt, nachdem Jonathans Yacht in die Luft geflogen ist, wird mir klar, dass wahrscheinlich dasselbe mit der Anemone geschehen soll!”

Aber jetzt sind sie nicht auf der Yacht?”

McInnes schüttelte den Kopf. „Nein, sie sagte, sie wollten nach Kuranda.”

Shane musterte ihn. „Wissen Sie, Mister McInnes, ich verstehe nicht, warum Sie ausgerechnet Ihnen erzählt hat, wohin sie mit diesem Mann verreist.”

Verstehen Sie denn nicht?” sagte McInnes eindring lich. „Sie wollte mir damit zu verstehen geben , dass ich mir keine Hoffnungen mehr zu machen brauche.” Leiser fügte er hinzu: „Es ist ein für alle Mal aus zwischen uns.”

Flimms, verständigen Sie die Kollegen in Kuranda. Sie sollen dieses Guesthouse beobachten, bis wir dort eintreffen . Schicken Sie jemanden zu diesem Wohnwagen und ...”

Da wär noch was”, unterbrach Flimms ih n , „beinahe hätte ich es vergessen. Sie sollen Detective Al Marlowe im Headquarters anrufen.”

Das können wir auch von unterwegs ...”

Aber er meinte, es sei sehr dringend .”

Shane wählte Als Nummer. Al Marlowes Stimme klang schon beim ersten Wort besorgt. Shane fürchtete, dass es wieder einen Kollegen erwischt hatte. Doch mit dem, was Al ihm mitteilte, hätte er niemals gerechnet.

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