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Schon um sieben Uhr am nächsten Morgen konnte Shane nicht mehr schlafen. Er stand auf , duschte und rasierte sich und spazierte hinunter zur Esplanade. Bei Ebbe bot das in Cairns über hunderte von Metern sanft abfallende Ufer einen trostlosen Ausblick: brauner, schlammiger Meeresboden, so weit das Auge reichte. Es roch nach Fisch. Er setzte sich in eines der Cafés, bestellte Kaffee, Eier und Speck und nahm sich aus der Zeitschriftenauswahl ein lokales Blatt, das mit fetten schwarzen Lettern titelte:

Tauchtouristen am Riff vergessen - von Haien zerfleischt?

So schnell hatte die Presse eine Vermutung, eine Erklärung parat? Er überflog den Artikel, in dem die beiden Männer als ein seit sechzehn Jahren zusammenlebendes Paar und Besitzer des “Coral Beach Resorts” bei Cairns vorgestellt wurden.

Shane faltete die Zeitung zusammen und machte sich über die Eier mit Speck her, die die Bedienung ihm gerade servierte und sah auf die Straße. Rucksacktouristen schlenderten an ihm vorüber, junge Leute mit durchtrainierten, sonnengebräunten Körpern und endlosen Ferien. Er seufzte und sah auf die Uhr. Es war fast neun , er sollte sich langsam auf den Heimweg begeben, sonst würde Kim sicher behaupten, er hätte kein Interesse daran, gemeinsam mit Pam und ihr die Zeit zu verbringen.

Als er zum Motel zurückging, kam er an einer Reihe von Geschäften vorbei, die Strandartikel und Taucherzubehör verkauften. Beim vierten Laden kaufte er beinahe weiße Bermudas, entschied sich dann aber doch für die lange Version, aber er erstand ein tiefblaues T-Shirt von Billabong, eine Baseballkappe von Nike, und Treckingsandalen. Dann ließ er sich noch Flossen und eine Taucherbrille mit Schnorchel aufdrängen. Außer den beiden letzten Artikeln behielt er gleich alles an und ließ seine lange Hose, das gestreifte Baumwollhemd und die braunen Lederschuhe einpacken. Vielleicht würde es ihm mit diesem Outfit auch gelingen, sein Inneres auf Freizeit und Urlaub umzustellen.

Dad!”, rief Pamela, die ihn sah, als er am glitzernden Pool vorbei zum Eingang seines Zimmers ging . Sie trug ihr weißes Tennisdress und winkte aufgeregt. „Ich hab an der Rezeption unser Tauchvideo einlegen lassen! Mom und ich sind echt oft drauf! Du musst es dir unbedingt ansehen!” Jetzt erst schien sie seine Aufmachung zu bemerken. Sie musterte ihn etwas befremdet, wie er fand.

„Nicht okay?“, fragte er.

„Doch ...“ Sie lächelte und gab ihm einen Kuss. „Sieht echt cool aus!“

Zielstrebig ging sie in seinem Zimmer zum Fernseher, stellte den Videokanal ein und warf sich auf das zerwühlte Bett. „Schnell, es geht schon los!”

Sollte er ihr von der gerade gelesenen Schlagzeile berichten? Ihr die Freude am Tauchen verderben? Ihr Angst machen? Er entschied sich dagegen, setzte sich neben sie und schwieg.

„Kuck hier! Typisch Mom!“ Pam lachte.

Kim machte einen zögerlichen Eindruck und blickte besorgt zur Tauchlehrerin. „Annabel war echt cool!“, sagte Pam, „vielleicht mache ich nächstes Jahr ein Praktikum hier!“

Shane konnte gerade noch sein spontanes „Auf keinen Fall“ in ein unverständliches Brummen umwandeln. Mit den langen, weißblonden Haaren und der fast durchsichtigen Haut schien die Tauchlehrerin ein völlig anderes Wesen zu sein als der zweite Tauchlehrer, ein braun gebrannter, breitschultriger Mann, der Matt hieß und den er, Shane, gestern in der Bar gesehen hatte.

„Du musst unbedingt noch mal mitkommen!“

„Ich glaub nicht.“

„Ach, es ist echt gar nicht so schwer! Und sogar Mom hat es ein bisschen Spaß gemacht!“

Es folgten Unterwassersequenzen: Taucher in voller Ausrüstung, die, meistens plump und unbeholfen, um Korallen und bunte Fische herumpaddelten. Und Pam rief amüsiert: „Da, da bin ich!“ oder „Mom ist immer in der Nähe vom Boot geblieben!“

In der letzten Einstellung, einer Totalen, gingen die Touristen von Bord der Explorer, freundlich verabschiedet von den Tauchlehrern. Im Hintergrund am Kai schaukelten die Yachten. Ein stämmiger Mann mit auffallend dichten Haaren starrte zur Touristengruppe hinüber. Shane fielen wieder seine O-Beine auf. Es war derselbe, den er gestern Nacht in der Bar gesehen hatte. Sein Polizistengehirn begann bereits zu rätseln, dabei gab es gar nichts zu rätseln. Der Ort hier war klein und überschaubar und unwillkürlich begegnete man immer denselben Leuten ohne dass das irgendetwas zu bedeuten hatte. Das Video endete und Pam sprang aus dem Bett.

Jetzt gehen wir zu Detective Flimms in die Polizeistation, ja?“

„Klar!“

„Und du findest es auch nicht blöd, weil du ja Urlaub hast?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Super! Weißt du, ich fand es toll, dass Flimms dich aus der Zeitung kennt!“ Sie gab ihm wieder einen Kuss auf die Wange. „Ich will auch zur Polizei.“

„Ich dachte, du wolltest Tauchlehrerin werden?“

„Das kann ich ja nebenher machen. Im Urlaub oder so.“

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