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Bilder projizierten sich auf einer Mattscheibe zwischen seiner Hornhaut und der Außenwelt, als betrachtete er die Wirklichkeit wie doppelt belichtete Fotos.
„Noch einen Kaffee?”
Die Bedienung kehrte mit einer frischen Tasse zurück, während er weiter durch die Scheibe starrte und dabei doch nur sich selbst sah. Es war dunkel draußen. Er wusste, dass er in Brisbane war, und erinnerte sich sogar an den Namen der Straße, in dem sich das Café befand, in dem er jetzt saß, und er wusste, dass es halb zwölf nachts war und er den ganzen Abend, nachdem er von Andrew Barbers Apartmenthaus weggefahren war, im Bett gelegen hatte, schwitzend und steif und von Albträumen gepeinigt, dann Tabletten genommen hatte und für Stunden in einen todesähnlichen Schlaf gefallen war.
„Brechen Sie ab, fliegen Sie nach Hause, bevor die Bilder von Ihnen Besitz ergreifen”, hatte ihm der Fotograf mit dem abgerissenen Bein im Krankenhaus gesagt. Aber er brach nicht ab, denn ihre rostfarbenen Augen hatten ihn tief in seiner Seele getroffen. Zuerst glaubte er, es sei nur eine Affäre, eine kurze Angelegenheit, die das raue und karge Leben etwas erträglicher machte. Ihr Haar war kastanienbraun und schwer. Ihre Schenkel waren weiß und kräftig . Ihre Lippen waren auberginenfarben und schmeckten bittersüß. Aber es war keine kurze Angelegenheit gewesen. Hatte er im Ernst geglaubt, sich einfach in sein altes Leben zurückstehlen zu können? Dann kam der Horror, und es gab keine Zukunft mehr.
Er trank die Tasse Kaffee. Die Bedienung brachte den Hamburger, den er bestellt hatte, weil er wusste, dass er etwas essen musste. Doch schon der Anblick von Essen verursachte ihm Übelkeit. Sein Magen hob sich. Hektisch schob er seinen Stuhl zurück, stürzte zu den Toiletten und übergab sich. Bei einem Blick in den Spiegel über den Waschbecken erschrak er über das Gesicht des Fremden, der ihm entgegensah. Er war blasser, als er gedacht hatte. Der dunkle Vollbart, den er sich nach seiner Ankunft in Australien hatte wachsen lassen, wirkte wild und ungepflegt; seine Augen waren rot, lagen in tiefen Höhlen und flackerten, und seine ohnehin schon lange und ausgeprägte Nase erschien noch gröber. Seine Hand zitterte, als er den Wasserhahn aufdrehte, Wasser über seine Handgelenke laufen ließ und sich das Gesicht wusch. Die flächige Narbe unter seinem Bart brannte wie Feuer. Er drehte den Wasserhahn zu, trocknete Gesicht und Hände mit einem Papiertuch aus dem Spender ab, ging zurück zur Theke und zahlte. Dabei vermied er es, auf das Essen an seinem Tisch zu sehen.
„Mister, ist alles in Ordnung?”, fragte die Bedienung.
„Kopfschmerzen. Ich brauche Kopfschmerztabletten”, sagte er.
Die Bedienung zeigte auf die Straße . „Wir haben keine, aber da drüben ist ein Supermarkt mit einem Drugstore, der hat vielleicht noch geöffnet.”