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Während Annabel auf ihrer Veranda stand und über das Meer blickte, das heute unter dem bedeckten Himmel wie flüssiges Blei waberte, kreisten ihre Gedanken nur um eine einzige Frage . Hatte Steve etwas mit dem Kohlenmonoxid in ihrer Presslu f t flasche zu tun?
Normalerweise bestand die Luft in der Flasche zu einundzwanzig Prozent aus Sauerstoff und zu achtundsiebzig Prozent aus Stickstoff. Wenn man bedachte, dass man mit einem Atemzug in zehn Metern Tiefe bereits fast die doppelte Menge Gas einatmete als über der Wasseroberfläche, wirkte sich natürlich auch eine geringe Menge eines giftigen Gases verheerend aus.
Sie hatte die Pressluft flasche wie immer bei Quicksilver auffüllen lassen. Hing also doch alles zusammen, das Auto, die Haie, der kleine Zwischenfall, als sie mit Steve getaucht war, der Kurzschluss des Föhns, ihr Foto im Wohnwagen und jetzt die Sache mit dem Kohlenmonoxid? Wollte Steve sie töten?
Die Türglocke läutete. Sie wollte dieses Geräusch nicht mehr hören! Die Schreckensbotschaften reichten ihr! Schließlich holte sie doch tief Luft und ging zur Tür, sah durch den Spion und war erleichtert, als sie Greg erkannte.
„Hast du es nicht gehört?” Aufgeregt stieß Greg die Tür auf.
„Was denn?”
„Die Yacht deines Bruders ist in die Luft geflogen !”
„Was? Ist er tot?”, fragte sie leise . „Ist Jonathan tot?” Greg nahm sie in die Arme und sie war zu schockiert um sich gleich daraus zu befreien.
„Nein, nein”, er lächelte beruhigend , „seine Yacht ist im Hafen explodiert. Es war niemand an Bord.”
Auch wenn sie kein besonders herzliches Verhältnis zu Jonathan hatte, war er doch immerhin ihr Halbbruder.
„Es wundert mich, dass er dich nicht angerufen hat”, Greg schloss die Tür hinter sich.
„Er wird gut versichert sein”, meinte Greg, während er in die Küche ging. „Willst du ihn nicht anrufen?”
Immer hartnäckiger setzte sich der Verdacht in ihr fest, dass Steve irgendetwas mit diesen Vorkommnissen zu tun hatte. Sie erwiderte nichts.
„Sag mal, das scheint dich überhaupt nicht weiter zu interessieren.” Greg kam mit einem Glas Wasser zurück und reichte es ihr.
„Wie kommst du nur darauf?” Sie wollte empört klingen, aufgeregt, besorgt, doch eigentlich fühlte sie nichts mehr, keinen Schmerz, keine Angst, alles war ihr gleichgültig geworden. „Es ist niemand ums Leben gekommen”, fügte sie hinzu. „Alles andere ist doch ersetzbar .” Sie versuchte sogar ein Lächeln.
Er musterte sie skeptisch. „ Komm, l ass uns etwas essen gehen. Aber erst musst du das Wasser trinken. Du bist ganz blass.“