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Die schwarzen Gläser der Sonnenbrille schützten ihn nicht nur vor dem Tageslicht, das er immer schwerer ertrug, sondern auch vor den Blicken anderer Menschen und seinem eigenen Anblick in den Schaufenstern und den überall lauernden Spiegelflächen. Selbst beim Zähneputzen vermied er es, sich im Spiegel anzusehen. Wenn es doch geschah und er seinen eigenen Augen begegnete, zuckte er zusammen und wandte sich ab, so fremd erschien er sich selbst. Dabei konnte es nicht nur an dem Bart liegen, den er sich hatte wachsen lassen.
Man könnte ihn für einen ganz normalen Weltenbummler halten, und für Momente glaubte er es sogar selbst, wenn er wie jetzt durch die Queen Street Mall schlenderte, die große Einkaufsstraße mitten in Brisbane City. Er musste die Wartezeit totschlagen, und im Motel hielt er es nicht mehr aus. Er fand sich in einer Halle wieder, in der sich ein Essensstand an den anderen reihte. Türkischer Kebab, italienische Lasagne, japanische Sushi, vietnamesische Suppen, Hamburger, Pommes Frites, Salate, Sandwiches - die verschiedenen Gerüche drangen ihm in die Nase und ließen wieder die Übelkeit in ihm aufsteigen. Er floh hinaus auf die Straße und entdeckte ein Telefon. Die Nummer kannte er auswendig. So oft hatte er sie in den letzten Stunden schon angerufen. Als der Pförtner - es war wieder derselbe - ihn bat zu warten, da er ihn mit Mister Barber verbinden wolle, konnte er es kaum glauben. Sein Herz schlug hart und unregelmäßig.
„Hallo?”, meldete sich die Stimme.
“Andrew Barber?”,, fragte er.
„Ja?”, kam es zögernd.
„Ich habe einen Job für Sie.”
„ Ja ...” Die Stimme klang argwöhnisch.
„Man hat mir gesagt, Sie seien der Beste.”
„Wer?”
„Leke.”
Kurzes Schweigen, dann sagte Barber: „Ich treffe mich nicht mit jedem. “
Wie gut er diese Stimme kannte!
„Auch ich treffe mich nicht mit jedem. Kennen Sie das ‚Dalmatia‘? Das Restaurant in der Turbot Street?”
„Ich werde es finden”, erwiderte Barber.
„Heute um dreiundzwanzig Uhr. Ich sitze an der Bar.” Als er auflegte, breitete sich eine tiefe Ruhe in ihm aus. Er sah auf die Armbanduhr. Sechzehn Uhr elf. Um dreiundzwanzig Uhr war es dunkel, dann waren weniger Menschen unterwegs.
Ein kleiner Junge stolperte und fiel ihm vor die Füße. Reflexartig bückte er sich und half ihm aufzustehen. Der Junge rannte davon. Er blickte ihm nach. Doch schon löste sich das Bild wieder auf, zersetzte sich, als hätte man Salzsäure darüber gegossen. Übrig blieb ein unbestimmter Schmerz, dann verschwand auch der. Nur noch ein paar Stunden bis dreiundzwanzig Uhr. Er umfasste den Stein an der Silberhalskette, als könnte der ihn retten.