KAPITEL LXI

 

Selbstverständlich ist es komplizierter, einen Klang wie beim melismatischen Gesang zu erzeugen. Zu diesem Zweck entwerfe ich gerade eine Reihe von Membranen verschiedener Durchmesser, um sie in die Orgelpfeifen einzufügen. Der Luftstrom in den Pfeifen wird von einem System aus mehreren Ventilen reguliert, das für die typischen Tonsprünge sorgen soll. Doch obwohl es sich nur um ein einfaches mechanisches Problem handelt, ist es mir noch nicht gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das auf eine gebräuchliche Orgeltastatur angewendet werden kann, und ich habe mich gefragt, ob Ihr mit Eurer Erfahrung vielleicht einen Vorschlag hättet…«

Jeder Versuch, Pater Kircher aufzumuntern, war zuvor fehlgeschlagen. Sowohl Beatrice als auch der unbeholfenere Maler hatten sich bemüht, den betrübten Jesuiten in eine gefällige Plauderei zu verwickeln, doch das Resultat war so entmutigend gewesen, dass sie es bald wieder aufgegeben hatten.

Das darauf folgende Schweigen hatte die Verlegenheit bei allen dreien nur noch vergrößert.

Zum Glück hatte das Erscheinen von Maestro Fabrizio Fontana, dem Organisten von Sankt Peter, sie aus dieser unerquicklichen Lage befreit, da Pater Kircher sich sogleich mit ihm in ein ebenso reges wie unverständliches Gespräch über irgendwelche instrumententechnischen Probleme vertieft hatte.

Fulminacci verstand ungefähr jedes fünfte Wort, doch er meinte herauszuhören, dass es um eine der jüngsten Erfindungen des umtriebigen Jesuiten ging, einen Apparat, mit dem man die menschliche Stimme nachahmen konnte.

»Ja, das könnte funktionieren«, antwortete Kircher gerade auf eine Anregung des gelehrten Organisten, »auch wenn ich befürchte, dass dadurch die Luftmenge, die in die Pfeifen geblasen wird, eventuell nicht ausreicht. Wie Ihr sicher wisst, haben die neuesten Forschungen des großen Otto von Guericke gezeigt, dass der Klang sich nicht im Vakuum ausbreitet und die Kraft des Ausstoßes direkt proportional zur Dichte der Luft ist. Um die von Euch vorgeschlagene Lösung anzuwenden, müsste man das gesamte System der Blasebälge neu konstruieren, obschon es vielleicht genügen könnte, die Basis der Pfeife zu erweitern, um eine Art Luftkammer zu erhalten…«

Die ursprüngliche Runde war durch das Hinzukommen weiterer Personen, die Fulminacci nicht kannte und die ihm auch niemand vorgestellt hatte, vergrößert worden. Bellori, der Kunsthändler, unterhielt sich mit Michelangelo Ricci und zwei anderen Herren, während Beatrice aufmerksam einer geistreichen Debatte über klassische Dramaturgie folgte.

Außer ihm schienen sich angesichts so geballter Gelehrtheit nur zwei andere Gäste wie Fische auf dem Trockenen zu fühlen, nämlich die beiden deutschen Jesuiten. Als er die Mönche beobachtete, bezweifelte der Maler erneut, dass einer von ihnen ein Spross des schwedischen Königsgeschlechts sein könnte. So verschieden sie von Statur und Gesichtszügen waren, einte sie offensichtlich ein gemeinsames Interesse: sich so viele Speisen und Getränke wie möglich einzuverleiben. Ein nicht gerade königliches Verhalten, fand er.

In der Nähe der beiden Jesuiten hielten sich einige von de Simaras Männern auf, die diskret, aber aufmerksam alle Vorbeigehenden musterten, stets mit dem Gedanken, es könnte sich um den verkleideten Mörder handeln.

Nur die beiden Mönche wirkten ganz sorglos und schienen überhaupt keine Angst zu haben.

Plötzlich, ohne Vorankündigung, erschollen die Klänge eines großen Orchesters aus Streichern und Bläsern und übertönten das Stimmengewirr der Gäste.

Alle sahen sich um und wollten herausfinden, wo das Orchester aufgestellt war, aber niemand konnte es entdecken. Die Musik schien von überall und nirgends zu kommen, was so befremdlich war, dass die Abergläubischeren unter den Geladenen sich bekreuzigten und glaubten, irgendeiner Zauberei zum Opfer gefallen zu sein.

Das unsichtbare Orchester spielte eine derzeit besonders beliebte Melodie, eine fröhliche, rhythmische Gavotte des großen französischen Komponisten Jean-Baptiste Lully, die dazu beitrug, die gute Stimmung der Gäste noch zu steigern.

Während seine Begleiter verwundert umherblickten, erlaubte Pater Kircher sich ein zufriedenes Lächeln und freute sich, dass eine seiner umwälzendsten Erfindungen so gut funktionierte.

»Wie Ihr feststellen könnt, Maestro Fontana, finden die Theorien, die ich Euch soeben dargelegt habe, durchaus praktische Anwendung und erzeugen eine gewisse Wirkung«, sagte der Jesuit. »Aber das ist erst der Anfang. Wenn der liebe Gott mir noch ein paar Jährchen zugesteht, werde ich hoffentlich mein ehrgeizigstes Projekt verwirklichen können: die Wiedergabe von Musik durch mechanische Apparate.«

»Ich bin wirklich beeindruckt, Pater Kircher, beeindruckt und erstaunt. Ihr müsst mir unbedingt erklären, wie Ihr dieses Wunderwerk vollbracht habt!«

Der Jesuitenpater lächelte geschmeichelt und begann einen langen Vortrag über die Ausbreitung von Klang und die Möglichkeit, ihn mithilfe mechanischer Vorrichtungen weit über das natürliche Maß hinaus zu verstärken.

Fulminacci, der bei Kirchers ersten Worten wieder zugehört hatte, verlor sich erneut in einem Labyrinth unbekannter Ausdrücke und schwer zu begreifender Gedankengänge.

Die scheinbar aus dem Nichts kommende Musik verleitete viele Gäste dazu, sich auf die Suche nach dem Orchester zu machen, besonders, nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass eine von Pater Kirchers wundersamen Apparaturen im Spiel war. Alle wollten die Erfindung mit eigenen Augen sehen und bezeugen, inwieweit der geniale Jesuit sich wieder einmal selbst übertroffen hatte. Beatrice und Fulminacci ließen sich gemeinsam mit dem Rest des Kreises von der allgemeinen Neugier anstecken. Pater Santini, Bellori, Pater Ricci, Maestro Fontana und die anderen Herren schlossen sich dem Strom an. Es gab neue Verbeugungen, Reverenzen und ein paar wirre Vorstellungsversuche, die halb in der lauten Musik und dem Stimmengemurmel untergingen.

Zu der Gruppe gesellte sich auch eine Dame, die ihr Lächeln nach rechts und links verteilte, aber in der Menge kaum beachtet wurde. Sie suchte unauffällig die Nähe der beiden Jesuiten.

Die Dame war mittleren Alters, soweit man es nach ihrer matronenhaften Gestalt schätzen konnte, denn das Gesicht war fast vollständig hinter einer großen Maske aus dunkler Seide verborgen.

Fulminacci nahm sie nur flüchtig wahr, da er Beatrice auf keinen Fall aus dem Blick verlieren wollte und befürchtete, dass die Feinde diesen Moment allgemeinen Durcheinanders nutzen könnten, um ihr schändliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Beatrice wollte wie die meisten anderen gern das neue Wunderwerk bestaunen, und er musste Blut und Wasser schwitzen, bis er sie davon überzeugt hatte, dass es zu gefährlich war, sich ins Gewühl zu stürzen.

Als die Freundin sich schließlich von ihm hatte überzeugen lassen und er wieder auf seine Umgebung achten konnte, war das Unglück schon passiert.

Bernardo Mutis Geduld war mittlerweile so gründlich erschöpft, dass er sich fragte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, an diesem Fest der schwedischen Königin teilzunehmen.

Kaum war er im Palazzo Riario eingetroffen, hatte ihn der allgegenwärtige Pomp angewidert: Hunderte von Dienern, Tausende von Kerzenleuchtern, zahllose Tische, die sich unter Speisen und Getränken bogen, die prunkvollsten Kostüme. Alles sprach von einer obszönen Zurschaustellung von Reichtum, die in einem schreienden Gegensatz zu der Gefährdung der Kirche Petri stand. Nur eitle, gefühllose Menschen konnten eine solch skandalöse Üppigkeit genießen, während die Feinde der Kirche Komplotte schmiedeten, um das Erbe von sechzehn Jahrhunderten christlicher Frömmigkeit zu zersplittern.

Der Kampf hatte gerade erst begonnen!

Und als wäre das alles nicht schon ekelhaft genug, wimmelte es hier von Frauen! Dutzende, Hunderte von Frauen. Alle in tief ausgeschnittenen Kleidern, die beleidigend viel Haut zeigten und davon kündeten, dass die Trägerin weder Keuschheit noch Bescheidenheit kannte. Die Gespräche, die er mithörte, waren fast durchweg eine Abfolge von Zweideutigkeiten, begleitet von anstößigem Zwinkern und zügelloser, öffentlicher Entblößung der eigenen Verderbtheit, der Abgründe der menschlichen Seele.

Ob Jungfrau oder Matrone, ledig oder verheiratet: Alle gaben sie sich ungeniert mit sündigen Gesten, Schmeicheleien und Affektiertheiten der Lüsternheit des Fleisches hin.

Dann, draußen im Freien, hatte der Inquisitor sich der Demütigung aussetzen müssen, den Darbietungen dieser Schmierenkomödianten der Commedia dell’Arte beizuwohnen, deren Vulgarität nur durch die Banalität der behandelten Themen, die Tavernenwitze, die Possenreißereien und die grotesken akrobatischen Verrenkungen überboten wurde. Doch statt die Missbilligung der vielen anwesenden Familienväter zu erregen, wie man berechtigterweise hätte erwarten können, hatte die Aufführung nur allgemeine Heiterkeit ausgelöst, obszönes Gelächter, Applaus und laute Beifallsrufe.

Muti wusste nicht, wie er das alles ertragen sollte.

Wäre er nicht von dem Wunsch einer gerechten Rache an den Schurken beseelt gewesen, die ihn entführt, misshandelt und grausam eingesperrt hatten, hätte er dieses ungehörige Spektakel nicht lange ausgehalten, ohne dass sein Zorn wie glühende Lava aus dem Schlund eines Vulkans hervorgebrochen und darauf niedergegangen wäre.

Die Commedia dell’Arte war noch nicht die letzte Prüfung, der er sich an diesem endlosen Abend ausgesetzt sah. Nach einer kurzen Atempause wurde er von einem neuen teuflischen Machwerk gereizt, einer lauten, zügellosen Musik, die auf einmal den ganzen Park erfüllte und von Gott weiß woher kam.

Angesichts des unnatürlichen Ursprungs der Musik dachte Muti sogleich an eine Erscheinung des Bösen, bis einige Adelige in seiner Nähe ihm erklärten, dass es sich um nichts anderes handelte als eine neue, erstaunliche Erfindung des vielseitigen Genies von Pater Athanasius Kircher.

Statt ihn zu beruhigen, löste diese Nachricht wieder eine Welle der Empörung in ihm aus.

Die Naturgesetze waren seit Anbeginn der Zeit vom Schöpfer festgelegt worden, so verkündete es die Heilige Schrift, und der Mensch durfte sie in seinem gotteslästerlichen Allmachtswahn nicht nach seinem Willen formen, um Vergnügen aus ihnen zu ziehen.

Kirchers Tat war keine einfache Erfindung, sondern ein ausgemachtes Sakrileg!

Fluch über ihn und den Hochmut der Jesuiten!

Wenn er seine Ziele erst einmal erreicht hatte, würden auch Pater Kircher und seine Mitbrüder nicht ungeschoren davonkommen.

Nichts und niemand würde von der reinigenden Flut der Buße und Läuterung verschont werden, die diesen Sündenpfuhl, dieses neue Babylon am Tiberufer, in das sich die Hauptstadt der Christenheit verwandelt hatte, in seinen Grundfesten erschüttern würde!

Falls Muti jedoch dachte, nun am Tiefpunkt angelangt zu sein, hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Eine neue, noch erniedrigendere Prüfung erwartete ihn.

Derweil er krampfhaft versuchte, seine Empörung über diese letzte Marter zu bezähmen, kam ein Aristokrat mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht auf ihn zu.

»Pater Muti, was für eine freudige Überraschung, Euch auf dem Fest unserer verehrten Königin zu sehen.« Muti war diesem Menschen schon früher begegnet, hatte sich aber stets gehütet, ein Wort mit ihm zu wechseln. Was er über Ludovico Santinelli wusste, genügte, um seinen tiefsten Widerwillen zu erregen. Ein Lügner, Ehebrecher, Gottloser und Mörder – in anderen, frommeren Zeiten wäre das mehr als genug gewesen, um seinen Kopf auf den Richtblock des Henkers zu befördern. Doch die Laxheit der Sitten hatte in Verbindung mit der Protektion der Königin dazu geführt, dass der Graf, statt seine gerechte Strafe zu erhalten, zu einem Liebling der römischen Gesellschaft geworden war. Muti ging nicht auf sein Konversationsangebot ein und hoffte, der elende Laffe würde nach dieser kühlen Abweisung andere mit seiner unerwünschten Aufmerksamkeit belästigen.

Doch Santinelli ließ sich nicht abwimmeln.

»Ein wunderbarer Abend, findet Ihr nicht, Pater Muti?«, fuhr er fort, ohne das dümmliche Lächeln abzulegen. »Aber das Beste kommt erst noch, glaubt mir. Unsere Königin hat noch größere Überraschungen für ihre Gäste auf Lager. Die Größe einer Herrscherin zeigt sich schließlich nicht zuletzt darin, wie zuvorkommend sie sich ihren Freunden gegenüber erweist.«

Muti reagierte nur mit einem kurzen Nicken.

»Ja, mein lieber Pater, unsere Christine, Gott möge sie schützen, ist wirklich die glanzvollste Herrscherin Europas, findet Ihr nicht?«

Nun stand für Muti fest, dass Santinelli ihn provozieren wollte.

Da hatte der Geck sich aber geschnitten.

Dies war der Abend seiner Rache, und er würde nicht zulassen, dass irgendjemand seine Pläne durchkreuzte.

»Wie ich sehe, seid Ihr ganz meiner Meinung, Pater«, plapperte der Graf weiter, »und was wäre da angebrachter, als das Glas auf die Gesundheit unserer Königin zu erheben? Kellner, herbei, zwei Gläser von dem guten Burgunder!«

Also daher wehte der Wind.

Santinelli rechnete damit, dass er sich weigern würde, auf die Königin zu trinken, und wollte einen Skandal heraufbeschwören, doch an diesem Abend würde er sogar auf den Sultan von Konstantinopel, den Führer der ungläubigen Muselmanen, anstoßen, wenn es seinen Zwecken diente.

»Seht einmal dort, Pater«, sagte der Graf, während er ihm einen Kelch reichte, »ist das nicht Kardinal Cybo, der auf uns zukommt?«

Muti drehte abrupt den Kopf in die angezeigte Richtung.

Kardinal Cybo? Unmöglich. Noch heute Morgen war der Kardinal bettlägerig gewesen, umringt von Ärzten, die vergeblich versuchten, seine schlimmen Bauchschmerzen zu lindern. Schon seit Monaten war sein Gesundheitszustand ernst, wie sollte er sich da so schnell erholt haben, dass er sogar an einem Fest teilnehmen konnte?

Muti ließ den Blick forschend durch die Menge schweifen, fand aber keine Spur von dem Kardinal.

Als er sich wieder dem Grafen zuwandte, lächelte dieser noch ironischer als gewöhnlich. »Verzeiht mir, Pater, ich muss mich getäuscht haben. Aber halten wir uns nicht mit meinen Sinnestäuschungen auf. Nehmt diesen Kelch und stoßt mit mir auf die Ehre Christines an, der Beschützerin der Christenheit!«

Brüsk ergriff Muti das Glas. Vor Ärger über den erlittenen Hohn würde er sich noch an dem Wein verschlucken, den er aufgrund seiner Abneigung gegen die Freuden des Bacchus ohnehin nur widerwillig trank.

Mühsam zügelte der Dominikaner das Bedürfnis, es seinem Peiniger auf der Stelle heimzuzahlen, und zwang sich, den Inhalt des Kelches schnell hinunterzustürzen, wobei er hoffte, dass der unerträgliche Kerl sich damit zufriedengeben und endlich verschwinden würde.

Santinelli kippte den Trank ebenfalls hinunter, jedoch mit einem schmatzenden Genuss, der alles über sein verkommenes Wesen sagte, und setzte wieder sein schmieriges Lächeln auf.

»Es war mir eine Freude, mit Euch zu trinken, Pater, doch jetzt müsst Ihr mich entschuldigen, denn neue Aufgaben rufen mich. Ich habe dort drüben gerade eine liebreizende Dame gesehen, die sich zu langweilen scheint. Wenn Ihr erlaubt, werde ich zu ihr gehen und sie von ihrer Pein erlösen.«

Der Graf verbeugte sich galant und entschwand mit einer anmutigen Drehung.

Muti zitterte vor Wut und Empörung.

Unter anderen Umständen hätte er diese Beleidigung nicht ungestraft hingenommen, aber im Moment musste er gute Miene zum bösen Spiel machen. Anderes war wichtiger.

Wenige Augenblicke später merkte er, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.