KAPITEL XXX

 

Das Wetter macht im Gegensatz zur menschlichen Gerichtsbarkeit keinen Unterschied zwischen dem niederen Volk und den Mächtigen, weshalb der große Park des Palazzo Riario von denselben kalten Nordwindböen gepeitscht wurde wie die übrige Stadt.

Der Königin von Schweden schien das jedoch nichts auszumachen, denn kaum war Pater Kircher zu ihr geführt worden, gab sie Befehl, in den Park hinauszugehen, und ihr gesamtes Gefolge musste sie begleiten.

Es war ein recht trübseliger Zug, der die breiten Parkwege entlangschritt, ein Zug aus in Pelzmäntel gehüllten adeligen Herren und Damen, die ihre Hüte tief ins Gesicht zogen und die Röcke um die Beine zusammenrafften, um sich vor den eisigen Windstößen zu schützen.

Pater Kircher achtete nicht auf die Launen der Elemente, weil er viel zu sehr mit seinen Grübeleien über die düsteren Himmelsprophezeiungen beschäftigt war.

Nur die Königin war guter Dinge und ganz von den Vorbereitungen für ihr Fest eingenommen. Auch die Aussicht, dass die Unbeständigkeit des Wetters die fröhliche Feier eventuell gefährden könnte, änderte nichts an ihrer Zuversicht, denn sie war davon überzeugt, dass Gott in seiner Güte seinem Lieblingskind keinen solch grausamen Streich spielen würde.

»Ich habe gehört, dass Euer Majestät vorhat, Rom zu verlassen und nach Schweden zurückzukehren.«

»Das sind nur Gerüchte«, erwiderte die Königin. »Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Kardinal Azzolini liegt mir dauernd damit in den Ohren, aber ich will jetzt nicht darüber nachdenken. Ich habe diesen Verwandten des Kardinals, diesen Lorenzo Adami, der, wie Ihr wisst, meiner Leibwache vorsteht, in meine Heimat geschickt. Warten wir ab, was er zu erreichen vermag. Im Moment jedenfalls habe ich nicht das Bedürfnis, aus Rom fortzugehen, das kann ich Euch versichern.«

»In einem Monat treten die Generalstände zusammen«, wandte der Jesuit automatisch und ohne große Anteilnahme ein. »Verspürt Ihr nicht den Wunsch, dabei zu sein?«

»Sorgen, nichts als Sorgen«, schnaubte die Königin. »All diese Sorgen verderben mir noch die Laune, als genügte dieser lästige, kalte Wind nicht. Um die Probleme des Reiches werde ich mich zu einem anderen Zeitpunkt kümmern. Jetzt will ich nur an die Vorbereitungen für das Fest denken. Sagt, Pater, was habt Ihr Schönes ausgetüftelt, um meine Gäste zu ergötzen?«

Der gefürchtete Augenblick war also gekommen.

Er dachte kurz daran, Christine von seinen niederschmetternden Entdeckungen zu berichten. Schließlich war die Königin eine kultivierte Frau und den Erkenntnissen der Wissenschaft gegenüber sehr aufgeschlossen. Sie hatte die hervorragendsten Geister des Jahrhunderts um sich versammelt, darunter den großen Cassini, Michelangelo Ricci und andere berühmte Wissenschaftler. Aber würde sie ihn verstehen? Würde irgendjemand auf der Welt es verstehen?

Der Jesuit bezweifelte das.

Ergeben seufzend begann Kircher, der Königin die Vorrichtungen zu zeigen, die er entworfen und konstruiert und an den geeigneten Stellen des Parks hatte aufbauen lassen.

»Wenn Eure Majestät so gütig wären, mir zu folgen, könnte ich Euch den akustischen Mechanismus vorführen, den ich entwickelt habe, um den Klang des Orchesters zu verstärken, damit es im ganzen Park zu hören ist.«

Der fröstelnde Zug erreichte einen auf einer Lichtung aufgestellten Pavillon, der von hohen, ornamental beschnittenen Buchsbaumhecken halb verborgen wurde.

»Es handelt sich um eine Weiterentwicklung meiner neuesten Forschungsergebnisse«, fuhr der Pater fort, »von denen Ihr vielleicht in meiner Abhandlung Musurgia universalis gelesen habt. Seht Ihr dort? In den Ecken des Pavillons habe ich weite Trichter anbringen lassen, die am Abend des Festes noch durch Blumengirlanden unsichtbar gemacht werden sollen. Die Töne fließen in den Trichtern zusammen und werden durch dieses Rohr auf das Dach geleitet, wo die große Muschel den Klang verbreitet.«

»Habt Ihr das schon ausprobiert?«, fragte die Königin.

»Die Aufbauarbeiten sind erst gestern beendet geworden, Majestät, sodass noch keine Zeit für eine Probe war.«

Die Monarchin machte einem Höfling ein Zeichen, der daraufhin eine kleine Gruppe von Musikern mit ihren Instrumenten vortreten ließ. Sie stellten sich in dem Pavillon auf und stimmten mit steifen Fingern ein Stück von Jean-Baptiste Lully an.

Christine hörte aufmerksam einige Minuten zu.

»Nicht schlecht«, bemerkte sie schließlich, »obwohl es mir vorkommt, als schwelle der Klang ständig an und ab…«

»Diese Störung wird vom Wind verursacht, Euer Majestät. Wir können nur hoffen, dass am Abend des Festes bessere atmosphärische Bedingungen herrschen.«

»Bitten wir den Allmächtigen darum«, erwiderte die Königin trocken, »obwohl ich persönlich keine Zweifel hege, dass alles ausgezeichnet verlaufen wird. Nun wollen wir uns den Rest ansehen.«

Der Hofstaat setzte sich wieder in Bewegung, während die Musiker weiter beliebte Stücke nach der Mode der Zeit spielten, damit die Königin sich auch an den entferntesten Stellen des Parks von der Wirksamkeit des Verstärkermechanismus überzeugen konnte.

»Nun denn, Majestät«, erklärte Kircher weiter, »in diesem Winkel habe ich eine Laterna magica aufstellen lassen, die Szenen aus der griechischen Mythologie projizieren wird. Die Figuren wurden von ausgezeichneten Künstlern gestaltet, nämlich Maratta, Baciccia, Fulminacci…«

»Die ersten beiden kenne ich, aber dieser Fulminacci ist mir neu«, sagte die Königin, während sie die Apparatur betrachtete, die geschickt hinter einer mit dichtem Laub bewachsenen Felsspalte versteckt war.

»Er ist ein Maler aus der Lombardei, Euer Majestät, ein sehr talentierter junger Mann. Seht Euch das Objektiv einmal genau an. Ich habe noch nie eines von dieser Größe hergestellt und musste unzählige Probleme lösen, um die Scharfeinstellung regulieren zu können. Die Bilder werden auf ein durchsichtiges Seidentuch projiziert werden, das zwischen den Büschen verborgen ist, sodass der Eindruck entsteht, sie schwebten in der Luft. Bei Tageslicht ist die Wirkung leider gleich null, aber ich darf Euch versichern, dass das Ergebnis meine eigenen Erwartungen übertrifft.«

»Ich kann es kaum erwarten, es mit eigenen Augen zu sehen«, sagte die Königin.

»Gemäß unserer Übereinkunft habe ich mir erlaubt, ein paar Abwandlungen am Programm vorzunehmen«, sprach Kircher weiter. »Da ich Eure Vorliebe für Torquato Tasso kenne, habe ich in diesem Wäldchen dort unten ein weiteres Sprachrohr anbringen lassen. Ein Schauspieler wird Passagen aus Das befreite Jerusalem rezitieren, während die Laterna magica Szenen auf die Bildfläche werfen wird, die extra für diesen Anlass gemalt wurden und die Erzählung illustrieren.«

»Eine hervorragende Idee, Pater. Das hätte ich mir selber nicht besser ausdenken können.«

Der Pilgerzug setzte sich zum Flussufer fort, wo lange Reihen von Feuerwerkskörpern bereitstanden, die zum Schutz noch von Wachstüchern bedeckt waren.

»Was das Feuerwerk angeht, habe ich mich an Eure Anweisungen gehalten. Die rechte Reihe hier wird den Nachthimmel mit den Farben Eures Hauses erhellen, die linke mit denen des päpstlichen Banners. Ich habe mir dafür Rat bei einem deutschen Alchimisten geholt, mit dem ich schon lange in Korrespondenz stehe und der mir eine Formel für leuchtendere und länger anhaltende Farben geschickt hat. Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass es an dem Abend nicht regnet. Dieses Gemisch ist stärker als das, das gewöhnlich verwendet wird, aber auch empfindlicher gegen Feuchtigkeit.«

»Es wird ein wunderbarer Abend, keine Angst«, erwiderte die Königin. »Ich bin wirklich beeindruckt von der Vielfalt und Einzigartigkeit Eurer Ideen, Pater. Wir werden ein unvergessliches Fest haben, glaubt mir.«

»Das ist noch nicht alles, Majestät. Ich habe noch eine weitere Überraschung für Eure Gäste auf Lager. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt…«

Neugierig begleitete Christine den Jesuiten zur anderen Seite des Parks und bog mit ihrem Geleit in einen Weg ein, an dessen Ende sich eine kreisförmige Lichtung öffnete.

In der Mitte der Lichtung stand eine Holzkiste, die mehr als sechs Fuß hoch und vier Fuß breit war. Ihre vier Seiten waren kunstvoll mit orientalisch anmutenden Verzierungen bemalt, die an türkische Moscheen erinnerten.

Kircher holte einen Schlüssel aus seiner Kutte, hantierte kurz an dem Schloss herum und öffnete die vordere Klappe.

Im Innern erblickte die Königin einen Soldaten in türkischer Kleidung, der fast genauso groß war wie die Kiste. In seinen mit Kettenhandschuhen bedeckten Händen hielt er eine Pike mit fein geschliffener Spitze. Der Janitschar war seinem echten Vorbild perfekt nachgebildet, von der damastenen Uniform und den Schnabelschuhen über den großen Turban mit Federbusch bis hin zu den Pluderhosen, die unten mit funkelnden Beinschienen geschlossen wurden. Das Gesicht und die Hände bestanden aus glänzendem schwarzem Porzellan.

Der Jesuit betrat die Kiste und machte sich am Rücken der Figur zu schaffen. Man hörte Mechanikgeräusche, Federn, die gespannt wurden, ein Knacken und Schnarren wie beim Räderwerk einer Wanduhr.

Plötzlich schlug der Krieger die Augen auf und ließ zwei elfenbeinfarbene Augäpfel und jettschwarze Pupillen sehen. Die Augen rollten zuerst nach rechts, dann nach links, wie um festzustellen, ob der Weg frei war.

Dann streckte die Riesenpuppe das rechte Bein vor, fast zögerlich, als hätte die lange Reglosigkeit ihre Glieder steif gemacht. Das linke Bein folgte sogleich in exakter Abstimmung, und die Puppe begann über die Lichtung zu laufen. Nach wenigen Schritten bewegten sich auch die Arme und hoben die Pike in eine horizontale Haltung, sodass sie sich genau parallel zum Boden befand.

Die Schritte des Soldaten wurden immer länger und entschiedener, als wollte er auf einen imaginären Feind losgehen, doch nachdem er fast die gesamte Lichtung überquert hatte, war das Laufwerk am Ende, und er blieb stehen und senkte die Pike wieder in die anfängliche Position.

Christine war so begeistert von diesem Wunderwerk der Mechanik, dass sie kleine Entzückensschreie ausstieß. Der Pater sah sich keiner Monarchin mehr gegenüber, die ihre Gefühle jederzeit zu beherrschen wusste, sondern einem kleinen Mädchen, das am Weihnachtsabend das lang ersehnte Spielzeug bekommen hat.

»Es handelt sich um einen von mir erfundenen Mechanismus«, versuchte Kircher der völlig verblüfften Königin zu erklären. »Die Figur enthält ein ganzes System von Federn, Riemenscheiben, Rollenzügen, Kardangelenken und Gegengewichten, durch die sie sich, sobald sie aufgezogen ist, wie ein richtiger Soldat bewegen kann. Bislang verfügt sie nur über eine eingeschränkte Reichweite, weil ich noch keine Zeit hatte, den Mechanismus zu perfektionieren, aber ich bin zuversichtlich, bald einige Verbesserungen anbringen zu können.«

»Ich bin aufs Höchste erstaunt und entzückt«, sagte die Königin, als sie die Sprache wiedergefunden hatte. »Ein außerordentliches, überwältigendes, unglaubliches Werk! Ich bin ganz gerührt bei dem Gedanken, dass Ihr Euren genialen Geist eingesetzt habt, nur um mich, die niedrigste, bescheidenste und ungebildetste Eurer Schülerinnen, zu verblüffen.«

Der Jesuit verbeugte sich verlegen. Das Lob freute ihn zwar, doch der Automat war nicht in erster Linie zum Vergnügen der Königin von Schweden erfunden worden, sondern sollte höheren Zwecken dienen.

Kircher war in einer der blutigsten Epochen der Geschichte aufgewachsen – Europa hatte gerade einen Krieg hinter sich, unter dem es über dreißig Jahre lang gelitten hatte. Viel zu viele Menschen hatten ihr Leben in sinnlosen Massakern lassen müssen, und nun scharten sich bereits wieder die Truppen des Sultans von Konstantinopel an den Grenzen der christlichen Länder und warteten nur darauf, den Halbmond auf den Kirchen und Kathedralen hissen zu können.

So war der Pater im Laufe langer und mühseliger Forschungen auf die Idee gekommen, die Soldaten aus Fleisch und Blut durch ein Heer von Automatenkriegern zu ersetzen, von unbesiegbaren Kämpfern, die keine Müdigkeit spürten, keine Angst kannten und den Tod nicht fürchteten. Durch eine unaufhaltsame Armee, frei von menschlichen Schwächen, die jene großen Gebiete für die Christenheit zurückerobern würde, welche die muselmanischen Horden in jahrhundertelangen blutigen Kriegen an sich gerissen hatten. Für dieses Argument wäre die Königin möglicherweise zugänglich, da sie schon lange von dem Wunsch beseelt war, einen neuen Kreuzzug gegen Mohammeds Streitkräfte auszurufen.

Wenn er nur genug Zeit hätte…

Kircher wurde von der lebhaften, aufgeregten Stimme der Herrscherin aus seinem gedanklichen Teufelskreis gerissen.

»Pater, Ihr müsst mir unbedingt die Zeichnungen und Pläne für dieses… dieses Wunderwerk zeigen. Ich bin begierig zu erfahren, wie Ihr es geschafft habt, der toten Materie Leben einzuhauchen.«

»Ich werde sie Euch gerne zukommen lassen, Euer Majestät«, antwortete Kircher. »Im Moment bin ich dabei, die unzähligen verstreuten Notizen und Berechnungen für dieses Projekt zu ordnen und in Reinschrift zu bringen.«

»Diese großartige Erfindung wird die Krönung des Festes sein und es zu einem nie da gewesenen Erfolg machen!«