KAPITEL LIX
Unwillkürlich griff der Maler an seine Seite, wo er normalerweise den Degen trug, aber seine Hand tastete ins Leere. Niemand hatte bewaffnet auf dem Fest der Königin erscheinen dürfen, und Fulminacci bildete da natürlich keine Ausnahme.
Er zog Beatrice an den Schultern zurück, um sie mit seinem Körper zu schützen, merkte aber bald, dass alles nur falscher Alarm war.
Die Wände des Zeltpavillons, der bisher mit herabgelassenen Vorhängen am Rand des Platzes gestanden hatte, öffneten sich plötzlich und entließen eine kleine Schar maskierter Personen ins Freie, die mit lautem Geschrei in die Menge stürmte.
Fulminacci erkannte sogleich die große, groteske Gestalt von Capitan Scaramuccia, einer der bekanntesten Figuren der Commedia dell Arte. Zwei Jahre zuvor hatte er ihren berühmten Darsteller bei einer Aufführung gesehen, aber nach allem, was er gehört hatte, hielt sich dieser zur Zeit in Frankreich auf und sorgte auf den Festen des jungen Königs für Unterhaltung. Christine musste ein Vermögen ausgegeben haben, um seine Schauspieltruppe zu engagieren und auf die andere Seite der Alpen zu bringen.
Hinter dem Hauptmann Prahlhans kamen weitere vertraute Figuren aus dieser Art von Komödie: Tartaglia, der geschwätzige, hohlköpfige Arzt, dann der geizige Kaufmann, die Diener Coviello und Pulcinella, der eine klug und spöttisch, der andere dumm und ungeschickt, ein junges Liebespaar, das sich vor den Fallstricken der Alten hüten musste, sowie eine neue, merkwürdige Figur, die der Maler noch nie zuvor gesehen hatte. Es handelte sich um eine unbekannte Maske, die offenbar eine Art Gegenpol zu Capitan Scaramuccia darstellen sollte. Die protzige, aber zerfetzte Kleidung, das große, um den dicken Bauch gegürtete Blechschwert, das künstlich gerötete Gesicht und die buschigen, ständig gerunzelten Augenbrauen deuteten auf eine ebenso aufgeblasene wie beschränkte Soldatenfigur hin, die vermutlich einen komischen Kontrast zu der körperlichen und verbalen Akrobatik des Leiters der Schauspieltruppe bilden sollte.
Fulminacci wandte sich an Bellori, weil er dachte, dass der Kunsthändler, der mit der Königin auf vertrautem Fuß stand, bestimmt etwas über diese unerwartete Neuerung wusste.
»Wer ist diese neue Figur?«, fragte er ihn.
»Das ist der neueste Einfall von Tiberio Fiorilli – so heißt unser Capitan Scaramuccia wirklich –, den er frisch vom französischen Hof mitgebracht hat. Die Figur heißt Capitan Spingarda. Ich habe vor einigen Tagen den Proben beiwohnen dürfen und kann Euch versichern, dass die Wortgefechte zwischen den beiden Capitani äußerst erheiternd sind.«
Inzwischen hatte ein irgendwo verborgenes kleines Orchester begonnen, einfache Volkslieder zu spielen.
Die Handlung war wie üblich bei dieser Art von Darbietung Nebensache. Im Vordergrund standen die Possen der Schauspieler, ihre Mimik, ihre schwungvollen, fast kämpferischen Bewegungen, ihre in schwindelerregendem Tempo hervorgestoßenen Zungenbrecher, die harmlosen, aber einfallsreichen Streiche, die den besonders engstirnigen Figuren gespielt wurden – das war es, was das Publikum von seinen Lieblingen erwartete.
Der große Tiberio Fiorilli enttäuschte die Erwartungen der Zuschauer nicht, und die Aufführung wurde mehrmals von Applaus und schallendem Gelächter unterbrochen.
Als das Stück sich seinem Ende näherte, erfuhr Fulminacci von dem Kunsthändler, dass die Schauspieler sich nach der Aufführung im Publikum verteilen und es im Laufe des weiteren Abends mit Improvisationen, Possenreißereien und Pantomime unterhalten würden.
Auch Beatrice, die im Gegensatz zu Fulminacci solche Vorführungen wenig zu schätzen wusste, war dankbar für das Intermezzo, das wenigstens dazu gedient hatte, die schwarze Wolke über dem Kopf ihres Begleiters zu vertreiben.
Diese Art von Schauspiel war ungeheuer beliebt, und zwar sowohl beim einfachen Volk als auch bei den gehobenen Schichten. Beatrice hatte zwar Achtung vor den Fähigkeiten der Darsteller, fand aber die immer gleiche Handlung wenig interessant, die auf ein infantiles Publikum zugeschnitten und nicht viel anspruchsvoller war als die Kasperltheaterstücke, die man auf vielen Plätzen Roms zu sehen bekam.
Persönlich bevorzugte sie Dramen im französischen Stil wie zum Beispiel von Racine, in denen die Personen nicht stereotype Masken, sondern eigenständige Charaktere waren und die Zuschauer durch die Darstellung und Betrachtung menschlichen Leids bewegten.
Doch wenn sie die schlechte Laune ihres Gefährten vertrieb, war ihr auch die Commedia dell’Arte willkommen. Solange er sich über die Scherze der Komödianten amüsierte, vergaß er glatt, sie mit seinen unerträglichen Marotten zu quälen.
Neues Gelächter begleitete den zigsten Schlagabtausch zwischen den beiden Hauptmännern, obwohl der Ausgang allen wohlbekannt war: Spingarda hatte zwar nach seiner großen Arkebuse gegriffen, aber Scaramuccia wich dem Angriff mit einem Luftsprung aus, worauf der Gegner mit Getöse zu Boden fiel und die anderen Figuren höhnische Grimassen schnitten.
Die Niederlage des tumben, prahlerischen Soldaten leitete das glückliche Ende des Stücks ein, an dem die beiden jungen Liebenden, die lange durch die boshaften Machenschaften der alten Pedanten behindert worden waren, mithilfe von Capitan Scaramuccia triumphierten und in den Hafen der Ehe einliefen.
Am Schluss applaudierte das Publikum begeistert, und die Schauspieler kehrten nach der letzten Verbeugung in ihr Zelt zurück.
Nur Pater Kircher schien nicht an der allgemeinen Heiterkeit teilzuhaben.
Beatrice war aufgefallen, dass der bejahrte Jesuit sich während der gesamten Aufführung mit betrübter, nachdenklicher Miene abseits gehalten hatte. Nun ging er auf einen der äußeren Pavillons zu, wo er zögernd stehen blieb, als wüsste er nicht, was er tun sollte.
Den immer noch lachenden Maler hinter sich herziehend, trat sie zu dem Mönch, um ihm ein wenig Trost zu spenden, auch wenn sie den Grund für seine bedrückte Stimmung nicht kannte.
Als Pater Kircher die beiden neben sich bemerkte, wandte er den Kopf und sah sie mit einem Blick an, als wäre er gerade Zeuge eines furchtbaren, nur für ihn sichtbaren Schauspiels geworden.
Der Skorpion wartete geduldig.
Bis jetzt war alles nach Plan verlaufen.
In den Palast einzudringen war nicht besonders schwer gewesen. Bei über tausend Geladenen, bei all dem Kommen und Gehen von Kutschen, Dienern und Lakaien konnte es nicht als große Herausforderung betrachtet werden, sich in die prunkvolle Residenz der Königin von Schweden einzuschmuggeln. Fieschi hatte ihm wie versprochen seine volle Unterstützung gewährt, und er war mit den Kostümen der Schauspieltruppe hineingelangt, ohne dass die Schauspieler selbst etwas davon bemerkten. Man hatte lediglich ein paar Lastenträger bestechen müssen.
Nun kam der schwierigere Teil.
Der Skorpion bebte innerlich vor Erregung, doch er zwang sich zur Beherrschung. Jeder Schritt war minutiös ausgearbeitet worden, und Ungeduld konnte sich zu diesem Zeitpunkt als fatal erweisen.
Er musste den richtigen Moment abwarten.
Der Auftragsmörder hörte den Applaus von draußen, der durch die schweren Stoffdraperien des Pavillons nur wenig gedämpft wurde, und wusste, dass die Vorführung sich dem Ende näherte. Er kauerte sich tiefer hinter einen großen Schrankkoffer und ging in Gedanken noch einmal sein Vorhaben durch, um es auf kritische Punkte abzuklopfen. Die Schwachstellen traten ihm noch deutlicher vor Augen als bei der Planung, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Würfel waren gefallen, und egal, wie viele Risiken er eingehen musste, er würde nicht von seinem Vorsatz ablassen.
Er würde seinen Auftrag endgültig erfüllen, nur darauf kam es an.
Der Applaus verebbte, und kurz darauf hörte er, wie die Vorhänge bewegt wurden und die Schauspieler hereinkamen, die sich aufgeregt über ihren Erfolg unterhielten.
Das Warten würde bald ein Ende haben.
»Hast du alles verstanden?«, fragte Melchiorri und sah dem Jungen in die Augen.
»Kein Problem, Herr… äh, Meister. Ihr könnt beruhigt sein, ich werde nichts vergessen.«
»Gut, Battistino, dann geh jetzt. Und verlauf dich nicht unterwegs.«
»Ich werde den direkten Weg nehmen, gerade wie eine Musketenkugel. Ihr werdet sehen, ich bin zurück, bevor Ihr zwei Vaterunser beten könnt.«
Der Junge rannte aus dem Zimmer und hielt dabei seine Mütze mit einer Hand fest.
»So weit, so gut«, sagte der Großmeister mehr zu sich selbst. »Jetzt werden wir den Trank herstellen. Jacopo, nimm den Mörser.«
Melchiorri ging zu einem der hohen Regale und begann, zwischen den Tongefäßen herumzustöbern, bis er fand, was er suchte. Mit einem langen, schmalen Löffel entnahm er einem der Gefäße ein dunkles Pulver und gab es in den Mörser.
»Das ist die Basis«, sagte er, »die den Geschmack verdecken wird. Jetzt fügen wir die Wirkstoffe hinzu. Mal sehen… Ja, das hier ist gut«, murmelte er und reichte seinem Assistenten ein hellblaues Behältnis. »Nimm zwölf Samen und zerstoße sie zu Brei. Dies hier wird die Wirkung verstärken, und mit diesem stellen wir sicher, dass die Reaktion zur gewünschten Zeit eintritt. Jetzt alles noch mit ein wenig Rosenwasser verdünnen, aber pass auf, nur ein paar Tropfen, sonst wird es zu flüssig.«
Jacopo betrachtete das Gemisch interessiert. Er hatte Kenntnisse in der alten und geheimnisvollen Kunst der Kräuterkunde erworben und verstand daher sehr gut, was das Mittel, das sie da zusammenbrauten, bewirken würde. Er enthielt sich jeden Kommentars, dachte aber, dass er nicht in der Haut desjenigen stecken mochte, der diese Lösung zu sich nahm.
»Ich glaube, jetzt hat es die richtige Konsistenz«, bemerkte Melchiorri, der kritischen Auges die helle Pampe auf dem Grund des Gefäßes musterte. »Wir können es jetzt filtrieren. Nimm diese Leinenläppchen.«
Das Gemisch wurde durch zwei kleine, übereinandergelegte Läppchen in eine Glasschale gedrückt, in der sich Tröpfchen für Tröpfchen eine Flüssigkeit ansammelte.
Die Lösung war fast durchsichtig und behielt von der ursprünglich breiigen Konsistenz nur eine leicht bernsteinfarbene Nuance zurück.
Jacopo reichte den Glasbehälter dem Meister, der den Inhalt ausgiebig beschnupperte.
»Gut gemacht«, lautete sein Urteil, »der Geruch ist kaum wahrnehmbar. Wenn der Trank mit Wein vermischt wird, kann ihn niemand mehr herausschmecken.«
Melchiorri goss die Flüssigkeit in eine kleine Ampulle um, die er mit einem Korken verschloss. In diesem Augenblick kam Zane herein und war mit zwei Schritten bei ihnen. Sein Gesichtsausdruck war wie immer gleichmütig und wurde nur durch die leise Melancholie in seinen Augen getrübt.
»Da bist du ja«, sagte der Großmeister. »Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Es handelt sich um ein schwieriges und gefährliches Unterfangen, von dem jedoch unsere Rettung abhängt. Bist du bereit dafür?«
Der riesenhafte Slawe nickte nur. Sein Blick zeigte die gewohnte Entschlossenheit.
»Gut, dann hör mir aufmerksam zu. Ich habe gesehen, dass du heute Nachmittag eine Runde durch den Park gedreht hast. Sicher sind dir diese beiden Pavillons aufgefallen, die ein bisschen abseits stehen…«
Der Slawe nickte erneut.
»Wie du festgestellt haben wirst, sind in diesen Pavillons die stillen Örtchen untergebracht, in denen die Damen und Herren gewisse körperliche Bedürfnisse verrichten können.«
Zane schloss halb die Augen und verstand nicht, worauf der Großmeister hinauswollte.