KAPITEL XVIII
Beatrice, Zane und Fulminacci verließen zur festgesetzten Zeit das Haus.
Nach der angenehmen Wärme des Tages war die Abendluft zunehmend frisch geworden. Der Maler empfing das kühle Lüftchen mit Freuden, da er immer noch von dem ungewohnten heißen Bad erhitzt war und seine Haut, die eine so gründliche Reinigung kaum kannte, kribbelte, als sei sie mit einem Striegel bearbeitet worden.
Damit sie nicht auffielen, hatten die drei ihre Verkleidung unter leichten Umhängen verborgen, die ihnen bis zu den Füßen reichten. Zane und Fulminacci trugen ihre voluminösen Turbane als Bündel unterm Arm.
Die kleine Gesellschaft bewegte sich mit Vorsicht durch die ungewöhnlich ruhigen Straßen der Stadt, um nicht an die Häschertrupps der Inquisition zu geraten. Sie hatten zwar nichts Bestimmtes zu befürchten, aber es empfahl sich, Mutis Leuten aus dem Weg zu gehen, die fähig waren, jedem für einen Scudo die Kehle durchzuschneiden.
Je weiter sie vorankamen, desto offensichtlicher wurde es jedoch, dass dieses Gesindel sich an diesem Abend nicht blicken ließ. Die Premiere der Oper, die eine Herzensangelegenheit von Königin Christine war, sorgte dafür, dass sogar das unermüdliche Heilige Offizium sich zurückhielt. Zu viele wichtige Persönlichkeiten waren in Rom unterwegs, zu viele hohe Prälaten, zu viele Aristokraten, die es sicher nicht zu schätzen wüssten, wenn man ihnen das Fest verdarb.
Die Inquisition konnte gleichermaßen erbarmungslos wie langmütig sein.
Unterwegs begegneten die drei vielen Gruppen von Leuten aus dem Volk, die in die gleiche Richtung gingen. Alle waren neugierig auf dieses gesellschaftliche Ereignis und wollten wenigstens als Zaungäste dabei sein. Die anfangs so stillen Straßen wurden in der näheren Umgebung des Theaters immer voller und lauter, was das Trio beruhigte, denn inmitten dieses Gewimmels war die Gefahr unerwünschter Begegnungen gering.
Kurz vor dem Theater merkten sie, dass das Gedränge immer schlimmer wurde, und um nicht in der Menge stecken zu bleiben, beschlossen sie, um das Gebäude herumzugehen und sich ihm von der Rückseite zu nähern.
Vor dem Dienstboteneingang hatte sich eine lange Schlange von Nachzüglern gebildet, die ihren Arbeitsplatz erreichen wollten, ehe es zu spät war.
Was ihr Vorankommen aufhielt, war ein Hindernis, mit dem der Maler nicht gerechnet hatte und das sich als unüberwindlich erweisen konnte. Ein Wächter von massiger Statur und brüskem, unfreundlichem Umgangston stand vor dem Eingang und überprüfte gründlich jeden, der hineinwollte, vermutlich, um zu verhindern, dass unerwünschtes Publikum umsonst Einlass fand.
Fulminacci bemerkte, während die Schlange sich entnervend langsam weiterschob, dass die angestellten Bediensteten mit einem Blatt Papier ausgestattet waren, das der Wächter sorgfältig untersuchte. Wer diesen Passierschein nicht vorweisen konnte, erfuhr eine alles andere als zuvorkommende Behandlung.
»Sag mal, Beatrice«, flüsterte der Maler seiner Gefährtin ins Ohr, »wie sollen wir denn an diesem Wachhund vorbeikommen, wo wir doch keinen Passierschein haben? Wir haben doch keinen, oder?«
Beatrice lächelte unter ihrer Kapuze hervor, die sie vorsichtshalber übergezogen hatte.
»Mach dir keine Sorgen, Nanni. Wie gesagt, ich habe so meine Methoden.«
»Mach dir keine Sorgen, mach dir keine Sorgen, das ist alles, was du zu sagen hast!«
Keineswegs beruhigt beobachtete der Maler, wie die Schlange langsam vorrückte. Bald würden sie an der Reihe sein. Trotz des kühlen Windes schwitzte er unter seinem Umhang und dem langen, falschen Bart.
Als der gefürchtete Moment da war, schenkte Beatrice dem Türwächter ihr schönstes Lächeln und gab ihm seelenruhig ein Blatt, das fast genauso aussah wie die Papiere ihrer Vorgänger.
Der Zerberus betrachtete es eingehend, drehte es ein paarmal in seinen haarigen, schinkengroßen Pranken herum und ließ sie dann grunzend passieren.
Kalter Schweiß lief Fulminacci über den Rücken, als er an ihm vorbeiging, und beim Anblick der riesigen schwieligen Hände am Gürtel konnte er ein Schaudern nicht unterdrücken.
Als sie drinnen waren, zischte er seiner immer noch lächelnden Begleiterin zu: »Wie hast du das gemacht? Was hast du ihm gegeben? Zeig mir diesen verflixten Passierschein!«
Beatrice reichte ihm das Blatt, und er sah, dass es nicht mehr war als eine herausgerissene Seite aus einem kleinen Messbuch für ein paar Soldi.
Fulminacci fehlten die Worte, und er rang nach Luft, während er das Blatt vor der belustigten Freundin schwenkte.
»Der Wächter kann weder lesen noch schreiben«, erklärte Beatrice. »Er wurde nur genommen, weil er ein Cousin zweiten Grades eines Leibdieners von Kardinal Barberini ist, der ihn empfohlen hat. Da er kompletter Analphabet ist, kann er natürlich nur das äußere Erscheinungsbild des Papiers begutachten. Vor einiger Zeit habe ich herausgefunden, dass die Passierscheine mit den gleichen Lettern gedruckt werden wie diese einfachen Messbücher, deren Seiten auch das gleiche Format haben. Ich habe mir schon bei anderen Gelegenheiten auf diese Weise Einlass verschafft.«
Fulminacci drehte sich noch einmal nach dem gebeugten, muskelbepackten Rücken des Pförtners um und dankte dem Himmel für die Unwissenheit, die in der Hauptstadt der Christenheit vorherrschte.
Hinter der Bühne ging es hektisch zu, alles lief wild durcheinander.
Die Komparsen in ihren Kostümen wurden von einem kleinen Heer von jungen Schneiderinnen belagert, die noch die letzten Änderungen vornahmen. Gruppen von Musikern suchten vergeblich nach einem ruhigen Eckchen, um ihre Instrumente zu stimmen, Scharen von Tänzerinnen und Tänzern drängten sich zwischen den anderen hindurch, um sich für ihren Auftritt in Position zu stellen, und aus den Garderoben hörte man das dissonante Trillern der Sänger beim Einsingen.
Mitten in diesem Getümmel lief der Bühnenmeister herum, ein kleines Männchen mit spitzen Gesichtszügen, und versuchte, ein Minimum an Ordnung hineinzubringen.
»In ein paar Minuten geht der Vorhang auf! Wo wollen denn diese Tänzer hin? Die sind erst in der dritten Szene des zweiten Akts dran, sie dürfen dort nicht stehen, sonst behindern sie den Auftritt des Chors! Und was macht ihr hier, seid ihr etwa noch nicht fertig? Seht euch nur eure Kostüme an, die hängen ja wie Säcke an euch! Wo sind die Schneiderinnen?«
Zwei junge Mädchen, fast noch Kinder, kamen schüchtern herbeigelaufen.
»Mein Gott, macht etwas mit diesen Kostümen! Rafft sie hinten zusammen und steckt sie mit einer Nadel fest. So sehen sie aus wie Vogelscheuchen! Meine Assistenten, wo haben sich meine Assistenten versteckt? Lodovico, geht und seht nach, was aus den Chorsängern geworden ist. Heiliger Josef, in fünf Minuten müssen sie auftreten!«
Der Bühnenmeister war die Achse, um die sich dieses ganze Rad aufgeregter menschlicher Geschäftigkeit drehte. Sein Blick schnellte von hier nach da, bemerkte jede Einzelheit, strafte die Trägen und ermutigte die Eifrigen. Nichts entging seiner fieberhaften Erregung, und so war es unvermeidlich, dass ihm schließlich auch die drei falschen Türken auffielen, so unauffällig sie sich auch zu benehmen versuchten.
»Wer sind diese Türken? Wer zum Teufel hat die hierhergebracht? Türken kommen heute Abend nicht vor. He, ihr da, ja, euch meine ich, her zu mir!«
Es blieb den dreien nichts anderes übrig, als dem Befehl des schäumenden Bühnenmeisters Folge zu leisten.
»Wer hat euch aufgetragen, diese lächerlichen Kostüme anzuziehen? Gott, was für eine Narretei! Was soll ich mit drei Türken in einer Oper, die im alten Griechenland spielt, hä? Los, redet, ich habe keine Zeit zu verlieren!«
Bei diesem wütenden Verhör fiel sogar Beatrice, die sich sonst auch in schwierigen Situationen zu helfen wusste, nur einsilbiges Gestammel ein.
Ihre zaghaften Worte wurden sogleich von der schrillen Stimme des Bühnenmeisters übertönt.
»Was ist eure Szene? Antwortet, los!«
So in die Enge getrieben, sah die junge Frau keinen anderen Ausweg, als den spitzen Absatz ihres feinen Schuhs in den Fuß des aufgebrachten Männchens zu bohren. Dieses stieß einen durchdringenden Schrei aus und begann, auf einem Bein herumzuhüpfen und sich mit beiden Händen den malträtierten Fuß zu halten.
Mehrere Leute kamen herbeigelaufen, um zu sehen, was passiert war, und diese Konfusion nutzten die drei und verschwanden in einer Ecke hinter ein paar zerlegten Bühnenbildern.
»Diese Türkenkostüme waren wohl doch nicht der beste Einfall«, bemerkte Fulminacci, der um ein Gestell herumlugte und das Geschehen im Saal verfolgte.
»Da muss ich dir ausnahmsweise recht geben«, stimmte Beatrice zu. »Am besten haltet ihr euch hier versteckt, während ich nach einer passenderen Aufmachung suche. In dieser Verkleidung fallen wir auf wie ein bunter Hund.«
Die beiden Männer zogen sich in den unsicheren Schutz einiger Vorhänge zurück, die von einem kleinen Gerüst herabhingen, und ihre Gefährtin entschwand zum Kostümfundus.
Ein paar endlos scheinende Minuten vergingen. Hin und wieder spähten der Maler oder Zane in den Kulissenraum, wo einige Gehilfen des Bühnenmeisters herumliefen und offenbar nach ihnen suchten.
Als die Männer an ihrem Versteck vorbeikamen, drückten sich die beiden flach an die Wand. Zum Glück waren die Gehilfen jedoch so sehr in ein privates Gespräch vertieft, dass ihre Wachsamkeit bestenfalls oberflächlich genannt werden konnte. Weder Fulminacci noch der Slawe verstanden genau, worum es in dem Streitgespräch ging, nur dass ein gewisser Jacopino sich angeblich wie eine Straßenhure benahm.
Die Zeit schlich dahin. Die Wärme, die von den vielen Menschen und brennenden Lichtern ausging, wurde in ihren Kostümen langsam unerträglich. Besonders der Maler hielt es hinter seinem großen Bart aus schwarzer Wolle kaum noch aus und beklagte sich leise, aber mit erstaunlicher Ausdauer darüber.
Endlich kam Beatrice zurück. Unter dem Arm hielt sie ein dickes Bündel, das sie mit einiger Mühe zu ihren Füßen entlud.
»Rasch, zieht euch um, es sieht gerade niemand her.«
Die beiden Männer befreiten sich von ihren einengenden Kostümen und zogen ihre neuen Verkleidungen aus dem Sack.
»Es war nicht einfach, etwas für Zane zu finden«, sagte Beatrice. »Das einzig Passende, was ich beschaffen konnte, sind diese Tunika und ein Paar Sandalen.«
Die Tunika erwies sich als etwas knapp, sowohl in der Länge als auch in der Weite, sah aber einigermaßen akzeptabel aus. Sein Gesicht verbarg Zane hinter einer Maske aus Pappmaschee, wie auch die Chorsänger sie trugen.
Fulminacci dagegen bekam die Rüstung eines Hopliten, eines altgriechischen Fußsoldaten, komplett mit Beinschienen, Lederröckchen und Helm mit Helmbusch.
Abfällig musterte der Maler das ihm zugedachte Kostüm.
»Ich habe diese Sachen ausgesucht, weil der Helm einen Nasensteg und Backenlappen hat, sodass dein Gesicht zum größten Teil bedeckt ist.«
Der Brustpanzer war etwas zu eng, weshalb viel Gezerre und eine entsprechende Anzahl von Flüchen nötig waren, um die Schnallen zu schließen.
»Sag mal, Nanni, du hast zugenommen, stimmt’s?«, neckte ihn Beatrice, während sie die Riemen festzog.
Weil er dazu die Luft anhalten musste, stieß der Maler seine unfreundliche Antwort bloß zwischen den Zähnen hervor.
Doch als er dann Schild und Lanze in der Hand hielt, beides aus versilbertem Pappmaschee, und den imposanten Helm aufgesetzt hatte, unterschied er sich kaum noch von den vielen anderen Komparsen, die hinter der Bühne herumliefen.
Für sich selbst hatte Beatrice ein schlichtes Nymphengewand und ein anmutiges, mit künstlichen Blumen geschmücktes Krönchen ausgesucht.
Während des Umkleidens erhaschte Fulminacci einen kurzen Blick auf die Gefährtin und stellte fest, dass sie nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen ausgesprochen anziehenden Körper besaß. Das war ihm noch nie aufgefallen – kein Wunder bei den weiten, unförmigen Kleidern, die sie normalerweise trug. Obwohl ihn diese neue Erkenntnis nicht sonderlich erstaunte, löste sie doch eine unerklärliche Unruhe in ihm aus.
Seine Beziehung zu Beatrice war stets von einer aufrichtigen, zuweilen beinahe ruppigen Kameradschaft geprägt gewesen. Nie hatte er sie als eine begehrenswerte Frau angesehen, sondern immer als eine Art kleine Schwester, um die er sich ab und zu kümmerte und von der er sich so manche Standpauke über seinen nicht eben tadellosen Lebenswandel anhören musste. Sein Sinnieren währte nur einen Augenblick, denn die Zeit drängte und erlaubte keine Tagträumereien, aber er nahm sich vor, wieder darauf zurückzukommen, sobald er aus diesem vermaledeiten Schlamassel heraus war.
Es wäre nicht klug gewesen, das Versteck zu dritt zu verlassen. Mit Blicken verständigten sie sich darüber, nacheinander hinauszugehen und in verschiedenen Richtungen nach dem verflixten Valocchi zu suchen.
Beatrice huschte als Erste davon, bald gefolgt von dem riesenhaften Zane. Fulminacci ging als Letzter, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass niemand zu ihm herüberblickte. Die Oper würde gleich beginnen, und das hektische Durcheinander von vorhin schien sich ein wenig gelegt zu haben. Immer noch liefen viele Leute hinter den Kulissen herum, aber es ging etwas geordneter zu. Der Bühnenmeister hatte seinen Platz in der Mitte des Raums beibehalten, erteilte seine Anweisungen und korrigierte noch ein paar Kleinigkeiten. Seine Stimme klang jetzt mindestens eine halbe Oktave tiefer, was darauf hindeutete, dass sich seine Aufregung weitestgehend gelegt hatte.
Der Maler versuchte sich unbemerkt nach hinten durchzuschlängeln, wo die Kulissen aufbewahrt wurden und er hoffentlich Valocchi antreffen würde, der dort letzte Hand an sie legte.
Das Gesicht hinter dem Helm verborgen und Schild und Lanze fest in den Händen, mischte er sich unter den Strom der Komparsen. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als ihn jemand ansprach.
»Wo willst du hin, mein hübscher junger Soldat?«